Takotsubo-Syndrom durch Gewehrkugel

Hintergrund

Takotsubo-Syndrom, auch als «Gebrochenes-Herz-Syndrom» bekannt, ist eine Herzerkrankung, die oft durch emotionale oder physische Stressereignisse ausgelöst wird. Die Symptome ähneln denen eines Herzinfarkts. Beim klassischen apikalen Takotsubo-Syndrom gleicht die Ventrikulographie in der Herzkatheteruntersuchung aspektmässig einer Tintenfischfalle, «Takotsubo» auf Japanisch. Stresshormone spielen vermutlich eine Schlüsselrolle. Die Prognose ist im Allgemeinen gut, die meisten Patienten erholen sich innerhalb von Wochen vollständig. Es sind aber auch fatale Verläufe möglich.

Fallbericht

An einem Herbstabend zerbrach ein Projektil das Badezimmerfenster des Einfamilienhauses einer 71-jährigen Frau. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Der Schrecken sass jedoch tief, und die Polizei wurde sofort alarmiert. Im Badezimmer wurde ein Teilmantelgeschoss Kaliber .30 (7.62 mm) aufgefunden (Abb. 1). Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt das Projektil von einer Jagdpatrone. Ermittlungen gegen Unbekannt wurden wegen Gefährdung des Lebens und Sachbeschädigung aufgenommen.

Etwa eine Stunde nach dem Ereignis verspürte die 71-jährige Frau starke Schmerzen in der Brust und zwischen den Schulterblättern, welche nach 1–2 Stunden spontan rückgängig waren. Am Folgetag suchte die Patientin ihren Hausarzt auf, wo ein erhöhtes Troponin Tn-I und anterolaterale sowie inferiore Repolarisationsstörungen mit ST-Senkungen, T-Abflachungen und -Negativierungen im EKG festgestellt wurden (Abb. 2–4).

Bei Verdacht auf Myokardinfarkt wurde die Patientin ins regionale Krankenhaus eingewiesen und anschliessend zur Herzkatheteruntersuchung ins Zentrumsspital verlegt. Eine koronare Herzkrankheit konnte ausgeschlossen werden, jedoch zeigte die Ventrikulographie bei einem erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck vom 20 mmHg (Norm < 15 mmHg) eine schwer eingeschränkte systolische linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) von 25 % (Norm > 55 %) mit Akinesie der midventrikulären Abschnitte (Abb. 5).

Die Diagnose eines midventrikulären Takotsubo-Syndroms wurde gestellt. Es wurde anschliessend eine Herzinsuffizienztherapie mit Betablocker, ACE-Hemmer, SGLT-2-Inhibitor, Spironolacton und Schleifendiuretika begonnen. Bereits am dritten Hospitalisationstag zeigte die transthorakale echokardiographische Kontrolle eine deutliche Besserung der LVEF von 25 % auf 45 %. Nach 4 Tagen konnte die Patientin aus der Spitalpflege entlassen werden. 3 Monate später hatte sich die LVEF vollständig normalisiert, die Patientin war beschwerdefrei, und die Herzinsuffizienztherapie wurde bis auf das Sartan (zwischenzeitlich Wechsel erfolgt) gestoppt. Aus der Vorgeschichte der Patientin ist bekannt, dass sie bereits früher ähnliche Brustschmerzen erlebte, die mit dem emotionalen Ereignis im Zusammenhang standen, als ihr Sohn ins Ausland auswanderte. Es erfolgte damals jedoch keine eingehende kardiale Untersuchung.

Diskussion

Definition

Das Takotsubo-Syndrom ist eine transiente LV-Dysfunktion mit typischen Wandbewegungsstörungen, welche nicht auf eine koronare Stenose oder einen Verschluss zurückzuführen sind, häufig von physischen oder emotionalen Triggern ausgehend (1).

Symptomatik und Diagnostik
Das Krankheitsbild des Takotsubo-Syndroms ist durch typische Beschwerden ähnlich eines akuten Koronarsyndroms mit akuten thorakalen Schmerzen, Dyspnoe sowie erhöhten kardialen Biomarkern gekennzeichnet. Elektrokardiographisch zeigen sich typischerweise ST-Strecken-Abnormalitäten, am häufigsten initial ST-Hebungen und im Verlauf fortschreitende T-Inversionen und QT-Zeit-Verlängerungen (2, 3). Echokardiographisch und in der Ventrikulographie sind typische regionale Wandbewegungsstörungen sichtbar. Die Koronararterien zeigen typischerweise keinen erklärenden Koronarverschluss. Anhand der Regionalitäten lassen sich morphologisch 4 Typen des Takotsubo-Syndroms unterscheiden: den midventrikulären Typ, den basalen und den fokalen Typ sowie den apikalen Typ. Letzterer weist als typisches Bild ein apikales Ballooning infolge der apikalen Akinesie auf und tritt in über 80 % aller Fälle auf (4). Der midventrikuläre Typ ist die zweithäufigste Form, dabei sind die midventrikulären Wandabschnitte akinetisch und die basalen sowie apikalen Segmente hyperkontraktil. Gemäss dem internationalen Takotsubo-Register wird vermutet, dass die LVEF bei atypischem Takotsubo-Syndrom im Vergleich mit dem typischen Takotsubo-Syndrom weniger eingeschränkt ist (5).

Wichtig für die Praxis
Da ein Takotsubo-Syndrom nicht invasiv nicht eindeutig von einem akuten Koronarsyndrom unterschieden werden kann, ist die initiale Behandlung identisch mit der eines akuten Koronarsyndroms, und der wichtigste diagnostische Schritt ist eine Linksherzkatheteruntersuchung.

Trigger und Demographie
Typische Auslöser für Takotsubo-Syndrom sind physische und psychische Trigger unterschiedlicher Ausprägung. Bei den psychischen Triggern handelt es sich um negative oder positive emotionale Ereignisse. Beispiele für positive Trigger sind ein Lottogewinn, für negative Trigger der Tod einer nahestehenden Person, eine Scheidung, finanzielle Pro­bleme, ein Erdbeben, Krieg (6, 7) oder auch Angst vor der COVID-19-Pandemie (8). In etwas über einem Viertel aller Fälle findet man jedoch keine Auslöser (9). Der Grossteil der Betroffenen sind Frauen mit einem mittleren Alter von 66 Jahren (4).

Pathomechanismus
Der genaue Mechanismus ist nicht eindeutig. Es sprechen viele Studien für eine akute mikrovaskuläre Dysfunktion als Hauptursache des Takotsubo-Syndroms (10). Jedoch sind auch direkte Effekte auf die Kardiomyozyten nachweisbar: Während Stresssituationen kommt es zur Ausschüttung von Katecholaminen. Hohe Dosen von Epinephrin führen zu einer Signaltransduktion (11). Bei niedriger Epinephrinspiegel werden über den β2-Rezeptor stimulierende G-Proteine aktiviert, was positiv inotrop wirkt. Im Falle hoher Epinephrinspiegel werden anstatt stimulierender G-Proteine inhibitorische G-Proteine (Gi) aktiviert, was negativ inotrop wirkt. Es wird angenommen, dass die β2-Rezeptordichte im linken Ventrikel apikal höher ist als basal, was das apikale Ballooning erklären kann (12). Die Patienten mit einem Takotsubo-Syndrom-Rezidiv können eine andere Form zeigen als die Primärmanifestation (13). Es kann durch die Down-Regulation der β2-Rezeptoren nach erster sympathischer Stimulation erklärt werden (14–15). Als weitere Ursachen werden Gefässspasmen und endotheliale Dysfunktionen mit Mikrozirkulationsproblemen diskutiert (1).

Therapie
Die Empfehlungen beruhen auf retrospektiven Studien sowie Expertenmeinungen (12).

Als Komplikationen können eine akute Herzinsuffizienz oder Rhythmusstörungen auftreten. In der Regel richtet sich die Behandlung nach den Leitlinien der einzelnen Krankheit (z. B. ventrikuläre Tachykardie oder akute Herzinsuffizienz). Somit werden meist eine Herzinsuffizienztherapie und eine rhythmologische Überwachung durchgeführt. Es wird empfohlen, die rhythmologische Überwachung bis zur Normalisierung der QT-Zeit durchzuführen (3).

Falls ein kardiogener Schock auftritt, muss eine dynamische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT-Obstruktion) echokardiographisch evaluiert werden: Bei einem Takotsubo-Syndrom des apikalen Typs bleibt oft als einziger kontraktiler Teil des Myokards die basale Manschette, dazu gehört auch die septale Wand des LVOT. Dieser kompensatorisch hyperkontraktile Wandabschnitt des LVOT behindert den Auswurf in die Aorta direkt. Zudem kommt es durch die Flussbeschleunigung im engen LVOT zu einem systolischen Ansaugen des anterioren Mitralsegels (SAM), was die Obstruktion verstärkt. Eine zusätzliche Folge ist die schwere Mitralklappeninsuffizienz, welche das Herzminutenvolumen nochmals reduziert. Inotropika können so schlussendlich zu einem akuten Pumpversagen führen. Die richtige Behandlung gleicht der einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie mit Erhöhung der Nachlast (z. B. Noradrenalin) sowie Betablockade und Volumentherapie. Falls keine Stabilisierung erfolgt, kann Impella erwogen werden (2). Die LVOT-Ob­struktion tritt bei 10–25 % von allen Fällen auf (16).

Falls keine LVOT-Obstruktion auftritt, unterscheidet sich die Therapie nicht grundsätzlich von der einer akuten Herzinsuffizienz anderer Ursache. Bei einer LVEF < 30 % sollte die Antikoagulation in Betracht gezogen werden. Die Therapie mit ACE-Hemmern/Angiotensin-II-Rezeptorblockern ist mindestens bis zur Normalisierung der LVEF empfohlen. Jedoch zeigen retrospektive Analysen einen Benefit hinsichtlich Mortalität und Rezidivrate unter ACE-Hemmern, weshalb eine Dauertherapie evaluiert werden sollte. Die langfristige Therapie mit Betablockern ergab interessanterweise trotz der Pathophysiologie keine Vorteile (3), die 30-Tage-Sterblichkeit ist nicht reduziert (17).

Prognose
Auch wenn sich die meisten Patienten vollständig von einem Takotsubo-Syndrom erholen, kann das Krankheitsbild nicht als gutartig bezeichnet werden. In der akuten Phase tritt in 5–10 % aller Fälle ein kardiogener Schock auf. Anhand der International Takotsubo Registry Study liegt die Mortalität bei 4.1 %, das Takotsubo-Syndrom hat also eine vergleichbare Komplikations- und Mortalitätsrate wie ein akutes Koronarsyndrom (4).

Falls die akute Phase überlebt wird, normalisiert sich die systolische linksventrikuläre Ejektionsfraktion in der Regel innerhalb von 1 bis 4 Wochen (18). Die Symptome wie Dyspnoe, Lethargie, Herzrasen und Brustschmerz können sogar mehr als 2 Jahre nach dem Ereignis persistieren, trotz Normalisierung der LVEF (8). Das jährliche Risiko, ein Rezidiv zu erleiden, liegt bei 1–2 % pro Jahr (4). In den ersten 5 Jahren tritt ein Rezidiv bei einem von acht Patienten auf, wobei der Auslöser meistens anders ist als beim ersten Ereignis (8).

Zusammenfassung

Bei unserem Fall hat das Gewehrprojektil die Patientin glücklicherweise nicht getroffen. Der Vorfall war trotzdem für die Patientin ein aussergewöhnliches emotionales Ereignis. Durch Ausschüttung von Stresshormonen hat der Vorfall aber seine indirekte und potenziell tödliche Wirkung auf das Herz entfaltet. Es entwickelte sich ein Takotsubo-Syndrom mit den typischen Thoraxschmerzen, Repolarisationsstörungen sowie positiver Dynamik der kardialen Biomarker. Atypisch war die Morphologie mit midventrikulärer Wandbewegungsstörung. In unserem Fall ist eine frühere Episode eines Takotsubo-Syndroms zu erahnen. Erfreulicherweise war der Verlauf benigne, und die systolische LVEF hat sich nach 3 Monaten unter ausgebauter Herzinsuffizienztherapie normalisiert. Die gefürchteten Komplikationen einer LVOT-Obstruktion sind nicht aufgetreten. Es ist nicht der erste Fallbeschrieb eines Takotsubo-Syndroms nach einer Schussabgabe, jedoch der erste ohne direkte Wirkung durch das Projektil.

Verdankung(en)
Wir bedanken uns für die Abdruckgenehmigung sowie die Fallinformationen bei der Kriminalabteilung, Kantonspolizei Bern, sowie der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern.

Ethics Statement
Ein schriftlicher Informed Consent zur Publikation liegt vor.

Author Contributions
Gleicher Anteil aller Autoren

Martina Oslayová
Christoph Gräni
Christian Muster

Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Bern

Dr.med. Christian Muster

Oberarzt Kardiologie
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital Bern
Freiburgstrasse 20
3010 Bern

christian.muster@insel.ch

Die Autorinnen und Autoren haben deklariert, keine potenziellen Interessenkonflikte zu haben.

• Bei thorakalen Beschwerden nach einer akuten ­psychischen oder physischen Belastung sollte primär ein Myokardinfarkt ausgeschlossen werden, auch wenn ein Takotsubo-Syndrom wahrscheinlich ist.
• Eine gefürchtete Komplikation des Takotsubo-Syndroms ist die LVOT-Obstruktion, diese muss insbesondere
bei klinischer Verschlechterung echokardiographisch ausgeschlossen werden.
• Die meisten Patienten erholen sich vom Takotsubo-­Syndrom.

1. International Expert Consensus Document on Takotsubo Syndrome (Part I): Clinical Characteristics, Diagnostic Criteria and Pathophysiology, J.-R. Ghadri et al. European Heart Journal (2018) 39, 2032–2046
2. Parkkonen O, Allonen J, Vaara S, Viitasalo M, Nieminen MS, Sinisalo J, Differences in ST-elevation and T-wave amplitudes do not reliably differentiate takotsubo cardiomyopathy from acute anterior myocardial infarction., J Electrocardiol. 2014 Sep-Oct;47(5):692-9. Epub 2014 Jun 14.
3. J.-R. Ghadri et al., International Expert Consensus Document on Takotsubo Syndrome (Part II): Diagnostic Workup,Outcome, and Management, European Heart Journal (2018) 39, 2047–2062
4. Templin C, Ghadri JR, Diekmann J, et al. Clinical Features and Outcomes of Takotsubo (Stress) Cardiomyopathy. N Engl J Med 2015; 373: 929–38.
5. Ghadri JR, Cammann VL, Napp LC, Jurisic S, Diekmann J, Bataiosu DR, Seifert B, Jaguszewski M, Sarcon A, Neumann CA, Geyer V, Prasad A, Bax JJ, Ruschitzka F, Luscher TF, Templin C; International Takotsubo Registry. Differences in the clinical profile and outcomes of typical and atypical takotsubo syndrome: data from the International Takotsubo Registry. JAMA Cardiol 2016;1: 335–340
6. Schlossbauer et al., Takotsubo-Syndrom – ein häufig verkanntes Krankheitsbild. Praxis 2016, 1185-1192
7. Rikabi et al., Takotsubo Cardiomyopathy Triggered by Emotional Stress From the Russia-Ukraine War, JACC: CASE REPORTS, VOL. 16, JUNE 21, 2023
8. Trisha Singh et al., Takotsubo Syndrome: Pathophysiology, Emerging Concepts, and Clinical Implications, Circulation. 2022;145:1002–1019
9. Pelliccia F et al., Comorbidities frequency in Takotsubo syndrome: an international collaborative systematic review including 1109 patients. Am J Med. 2015;128(6):654.e11. Epub 2015 Feb 4.
10. Galiuto et al. Reversible coronary microvascular dysfunction: a common pathogenetic mechanism in Apical Ballooning or Tako-Tsubo Syndrome. European Heart Journal (2010), 1319–1327
11. Paur H, Wright PT, Sikkel MB et al (2012) High levels of circulating epinephrine trigger apical cardiodepression in a beta2-adrenergic receptor/Gi-dependent manner: a new model of Takotsubo cardiomyopathy. Circulation 126:697–706
12. L. Christian Napp und Johann Bauersachs, Takotsubo-Kardiomyopathie Springer Medizin, 29.07.2015
13. Xu B, Williams PD, Brown M, Macisaac A (2014) Takotsubo cardiomyopathy: does recurrence tend to occur in a previously unaffected ventricular wall region? Circulation 129(7):e339–e340
14. Lyon AR, Citro R, Schneider B, et al. Pathophysiology of takotsubo syndrome: JACC state-of-the- art review. J AmColl Cardiol. 2021;77:902–921.
15. El-Battrawy I, Santoro F, Stiermaier T, et al. Incidence and clinical impact of recurrent takotsubo syndrome: results from the GEIST Registry. J Am Heart Assoc. 2019;8:e010753.
16. Bybee KA, Kara T, Prasad A, et al. Systematic review: transient left ventricular apical ballooning: a syndrome that mimics ST-segment elevation myocardial infarction. Ann Intern Med 2004, 141:858.
17. Isogai t., Matsui H., Tanaka H. et al., Early Betablocker use and in-hospital mortality in patients with Takotsubo cardiomyopathy. Heart 2016, 102:1029
18. Sharkey SW, Lesser JR, Zenovich AG, et al. Acute ans reversible cardiomyopathy provoked by stress in women from the United States. Circulation 2005, 111:472

Pulmonale zystische Läsionen bei einer jungen Frau

Anamnese und Befunde

Im Januar 2023 präsentierte sich eine damals 31-jährige Patientin bei ihrem Hausarzt mit lang anhaltenden, episodischen epigastrischen Bauchkrämpfen, die sich nach Nahrungsaufnahme verstärkten und regelmässig von Übelkeit begleitet wurden. Zusätzlich gab sie an, unter Verdauungsproblemen zu leiden. Die Stuhlfrequenz variierte zwischen 2- und 8-mal täglich mit wechselnder Konsistenz, ohne Anzeichen von Blut im Stuhl. Die Patientin war kürzlich von den Malediven zurückgekehrt, und ihre Symptome hatten sich seit ihrer Rückkehr verstärkt. Trotz dieser gastrointestinalen Beschwerden blieb das Gewicht der Patientin stabil, und es traten keine B-Symptome wie nächtliche Schweissausbrüche oder Fieber auf. Zur weiteren Vorgeschichte liegen keine relevanten oder familiären Vorerkrankungen vor. Die Patientin arbeitet in einem Büro und ist dort nur einem geringen Stressniveau ausgesetzt. Vor zwei Jahren hat sie das Rauchen aufgegeben, nachdem sie insgesamt 5 Päckchenjahre geraucht hatte. Sie hat keine bekannten Allergien. Ausser einem östrogenhaltigen oralen Kontrazeptivum nimmt sie regelmässig keine anderen Medikamente.

Die klinische Untersuchung ergab eine afebrile Patientin in gutem Allgemein- und Ernährungszustand mit einem Blutdruck von 115/81 mmHg und einem regelmässigen Puls von 85 Schlägen pro Minute. Die Lunge und das Herz waren unauffällig. Die abdominale Untersuchung zeigte lebhafte Darmgeräusche und keine Auffälligkeiten. Es wurden keine Hautveränderungen festgestellt. Bei der Blutentnahme in der Hausarztpraxis wurden keine erhöhten Entzündungsmarker, keine Anämie oder anderen pathologischen Zustände festgestellt.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Bei unserer Patientin wurden zunächst verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen wie eine gastrointestinale Infektion mit Helicobacter pylori oder parasitär, bedingt durch ihre Reise in endemische Gebiete. Zusätzlich wurden auch eine Cholelithiasis sowie eine Hyperthyreose oder Hypothyreose als potenzielle Einflussfaktoren erwogen. Weiterhin wurden entzündliche Darmerkrankungen (IBD), ein Reizdarmsyndrom (IBS) oder eine Zöliakie aufgrund ihrer episodischen Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen sorgfältig in die Überlegungen einbezogen.

Weitere Abklärungsschritte

Die erweiterte Blutanalyse umfasste die Messung des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH), des Calprotectins im Stuhlgang und der Antikörper gegen Zöliakie. Die resultierenden Befunde präsentierten sich als unauffällig. Zusätzlich wurde auch eine Stuhlkultur angelegt, bei der eine Infektion mit Blastocytis hominis diagnostiziert wurde. Infolgedessen wurde eine zehntägige Antibiotikatherapie mit Metronidazol durchgeführt. Angesichts der Persistenz der Symptome trotz Antibiotika und langjähriger intermittierender, postprandialer, epigastrisch akzentuierter Bauchkrämpfe, begleitet von Übelkeit und variabler Stuhlkonsistenz, fanden eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie und eine Ileokoloskopie mit Biopsien statt. Die endoskopische Untersuchung des Gastrointestinaltrakts ergab keine Auffälligkeiten, und das Vorliegen der oben genannten Erkrankungen schien unwahrscheinlich. Ergänzend wurde eine Abdomensonographie zum Ausschluss einer Cholelithiasis durchgeführt und als Zufallsbefund eine Raumforderung der linken Niere festgestellt.

In der MRT-Untersuchung zeigte sich im Bereich des mittleren/kaudalen Drittels der linken Niere eine scharf begrenzte Strukturalteration mit einem Durchmesser von knapp 5 cm, die teilweise bis zum Nierenbecken reichte (Abb. 1). Definitive fettäquivalente Anteile konnten kernspintomographisch nicht eindeutig identifiziert werden, weshalb eine weitere Abklärung mittels Biopsie empfohlen wurde.

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile wurde beschlossen, eine Nierenteilresektion vorzunehmen. Im Rahmen der präoperativen Raumforderungsabklärung mittels thorakaler Computertomographie (CT) wurden einzelne bilaterale, dünnwandige und relativ gleichmässig verteilte Lungenzysten festgestellt ohne weitere Auffälligkeiten (Abb. 2). Ergänzend wurde eine Lungenfunktionstestung durchgeführt, die sich im Normbereich befand.

Nach der Nierenteilresektion ergaben die histopathologischen Untersuchungen die Diagnose eines 4.5 cm grossen, fettarmen Angiomyolipoms. Die Immunhistochemie zeigte eine starke Positivität für Alpha-Smooth Muscle Actin (Alpha-SMA) und Caldesmon, eine fokale Positivität für Desmin, Human Melanoma Black (HMB45) und Melan- A und Negativität für Anti-Cytokeratin antibody (MNF 116). Angesichts der vorliegenden Befunde einer zystischen Lungenerkrankung und eines renalen Angiomyolipoms wurde bei Verdacht auf eine Lymphangioleiomyomatose das VEGF-D bestimmt. Der gemessene Wert von 868 pg/l lag über dem Normbereich (bis 800 pg/ml).
Ein Jahr nach der Diagnosestellung stellte sich die Patientin aufgrund akuter Beschwerden erneut bei ihrem Hausarzt vor. Sie berichtete über starke linksseitige Thoraxschmerzen, die sich beim tiefen Einatmen verschlimmerten. Es wurde eine Röntgenaufnahme des Thorax durchgeführt, das einen apikalen Pneumothorax von ca. 2 cm als passendes Korrelat für die Beschwerden zeigte. Die Patientin wurde notfallmässig ins Spital eingewiesen, wo sie stationär aufgenommen wurde. Zur Behandlung des Pneumothorax erfolgte die Anlage einer Thoraxdrainage (Abb. 3).

Diagnose

Pulmonale Lymphangioleiomyomatose (LAM) mit Angiomyolipom der linken Niere.

Kommentar

Die initialen gastrointestinalen Beschwerden einer 31-jährigen Patientin, darunter Bauchschmerzen, postprandiale Übelkeit und eine wechselnde Stuhlkonsistenz, bleiben unklar. Eine Infektion mit Blastocystis hominis wurde diagnostiziert und antibiotisch behandelt, jedoch ohne vollständige Symptomfreiheit. Entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie und funktionelle Beschwerden wie ein Reizdarmsyndrom wurden ausgeschlossen. Mögliche Ursachen könnten eine unspezifische intestinale Dysbiose nach der Reise oder hormonelle Einflüsse durch das östrogenhaltige Kontrazeptivum sein. Die genaue Rolle der GI-Symptome in Zusammenhang mit der LAM ist unklar.

Die Diagnose einer Lymphangioleiomyomatose (LAM) hätte spätestens nach dem präoperativen CT-Bild gestellt werden können, da die Bildgebung mit den typischen ­Lungenzysten, dem renalen Angiomyolipom und dem erhöhten VEGF-D-Wert eine hohe diagnostische Sicherheit bot. Eine Biopsie der Lunge oder Niere hätte die Diagnose weiter bestätigen können.

Vorteile einer Biopsie wären eine definitive histopathologische Bestätigung der Diagnose und die Möglichkeit, zwischen malignen und benignen Raumforderungen zu differenzieren. Nachteile umfassen das Risiko von Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen sowie die Möglichkeit eines nicht repräsentativen Ergebnisses.

In diesem Fall wurde aufgrund der klaren Bildgebung und der klinischen Indikationen die Entscheidung für die Nierenteilresektion getroffen, um eine definitive Diagnose und Therapie in einem Schritt zu ermöglichen.

Pathophysiologie, Diagnose und Herausforderungen in der Differenzialdiagnose

Die LAM ist eine seltene Systemerkrankung, die vorwiegend bei Frauen im gebärfähigen Alter auftritt (1, 2). Sie ist durch eine abnorme Vermehrung von glatten Muskelzellen (LAM-Zellen) gekennzeichnet, die zur Bildung von zystischen Läsionen in der Lunge, den Lymphgefässen und anderen Organen führt (2). Das klinische Spektrum der LAM und ihr Verlauf können jedoch individuell stark variieren und können mit verschiedenen pulmonalen und extrapulmonalen Erkrankungen überlappen (3, 4). Daher ist eine gründliche Untersuchung erforderlich, um LAM von ähnlichen Erkrankungen abzugrenzen (5) (Tab. 1). Die LAM manifestiert sich entweder sporadisch (sporadische Lymph­angioleiomyomatose [S-LAM]) durch eine Mosaikmutation des Tuberingens spontan oder ist als Keimbahnmutation in Verbindung mit systemischen Manifestationen im Rahmen der tuberösen Sklerose (Tuberöse Sklerose-komplex-assoziierte Lymphangioleiomyomatose [TSC-LAM]) erblich bedingt. Zu den systemischen Manifestationen der tuberösen Sklerose zählen neurologische Störungen (z. B. Epilepsie), Dermatosen (z. B. Angiofibrome), renale Befunde (z. B. Angiomyolipome) und kardiale Anomalien (z. B. Rhabdomyome) (5, 6). Extrapulmonale Manifestationen der LAM, insbesondere renale Angiomyolipome (AMLs), manifestieren sich bei 30 % der Patientinnen mit S-LAM und bei bis zu 80 % mit TSC-LAM. Bei S-LAM manifestieren sich AMLs in der Regel einseitig und asymptomatisch. Tritt eine beidseitige Ausprägung auf, so ist diese in der Regel mit TSC assoziiert (5). Hormone, besonders Östrogen, spielen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentwicklung, da hormonelle Veränderungen wie Schwangerschaft oder die Verwendung hormoneller Verhütungsmittel die Symptome verschlechtern können (7–9).


Der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor-D (VEGF-D) hat sich als bedeutender Biomarker bei der LAM etabliert (10–12). Etwa 70 % der Betroffenen weisen erhöhte Werte auf (13). Gemäss den aktuellen klinischen Leitlinien wird die routinemässige Bestimmung des Serum-VEGF-D bei Verdachtsfällen von LAM empfohlen (14). Ein VEGF-D-Spiegel von mehr als 800 pg/ml, kombiniert mit charakteristischen Lungenzysten in der hochauflösenden Computertomographie (HRCT), weist eine diagnostische Spezifität von nahezu 100 % für eine LAM auf (10). Des Weiteren fungiert VEGF-D als Differenzierungsmerkmal zwischen LAM und anderen Ursachen zystischer Lungenerkrankungen (11, 13). Eine der Hauptmerkmale der LAM ist ihre Heterogenität im klinischen Erscheinungsbild (4). Während einige Personen jahrelang asymptomatisch bleiben können, erleben andere eine schnelle Verschlechterung der Lungenfunktion (15).

Wichtige Differenzialdiagnosen bei bilateralen pulmonalen Zysten sind die Langerhans-Zell-Histiozytose (LCH), die lymphoide interstitielle Pneumonie (LIP) und das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (16) (Tab. 2). Bei der vor allem bei Raucherinnen auftretenden LCH sind die Zysten in der Computertomographie heterogen, meist in den oberen Lungenlappen lokalisiert und oft bizarr konfiguriert. Im Gegensatz dazu sind bei der LAM die Zysten rund, haben dünne Wände von 1–2 cm und sind gleichmässig über das gesunde Lungengewebe verteilt. Symptomatische Patientinnen weisen normalerweise eine höhere Anzahl an Zysten auf als asymp­tomatische (13, 17). Bei der LIP, die vor allem bei Personen mit rheumatologischen Erkrankungen, Kollagenosen und HIV-Infektion auftritt, sind die Zysten typischerweise in den unteren Lungenlappen betont (17, 18). Beim Birt-Hogg-Dubé-Syndrom könnten kutane Läsionen wie Fibrofollikulome oder Trichodiscome sowie eine familiäre Anamnese dieser Erkrankung bedeutsam sein (6, 19).

Etwa 4 von 10 Patientinnen entwickeln als Erstmanifestation der LAM einen Pneumothorax. Im Verlauf der Krankheit tritt bei rund zwei Drittel der Patientinnen mindestens einmal ein Pneumothorax auf. Das Rezidivrisiko nach dem ersten Pneumothorax betreffen etwa drei Viertel der Patientinnen (6, 19). Bei Patientinnen mit S-LAM besteht ein Risiko für das Auftreten von Meninge­omen (20). Aufgrund dieser Assoziation wird ein Screening mittels zerebraler Magnetresonanztomographie (MRT) des Neurokraniums empfohlen, um mögliche Hirntumore frühzeitig zu erkennen.

Therapie

Die Therapie der LAM umfasst verschiedene Ansätze. Zu den häufig verwendeten Behandlungsmöglichkeiten gehören mTOR-Inhibitoren wie Sirolimus oder Everolimus, die darauf abzielen, das Zellwachstum zu reduzieren und die Lungenfunktion zu stabilisieren (21). Diese Medikamente haben sich als wirksam erwiesen, insbesondere bei der Linderung von Atemnot und der Verkleinerung der Angiomyolipome (22). Je nach dem Verlauf und dem Schweregrad der Erkrankung ist es ratsam, Situationen zu vermeiden, die zu einer Östrogenexposition führen könnten, wie beispielsweise Schwangerschaft oder die Anwendung hormoneller Verhütungsmittel (6). Zusätzlich können Bronchodilatatoren eingesetzt werden, um die Atemwegsobstruktion zu lindern und die Atmung zu verbessern. Impfungen gegen Grippe und Pneumokokken sind wichtig, um das Risiko von Infektionen bei LAM-Patientinnen zu reduzieren (1). Der Rauchstopp ist wichtig, um die Progression der Krankheit zu verlangsamen und das Risiko von Komplikationen zu verringern (1). Pulmonale Rehabilitationsmassnahmen können dabei helfen, die Lungenfunktion zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern (23). Bei Pneumothorax kann eine Pleurodese durchgeführt werden, um das Wiederauftreten zu verhindern (1, 24). In fortgeschrittenen Fällen, in denen die Lungenfunktion stark beeinträchtigt ist, kann eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden. Dies ist jedoch die letzte Option und wird nur bei Patientinnen mit schwerem Lungenversagen durchgeführt (25).

Prognose

Die Progressionsrate und der Schweregrad der Erkrankung variieren erheblich, wobei das Fortschreiten des Lungenfunktionsverlusts als entscheidender prognostischer Parameter betrachtet wird. Beispielsweise zeigt die S-LAM häufig einen aggressiveren Verlauf und einen schnelleren Funktionsverlust im Vergleich zur TSC-LAM (26), sodass eine Lungentransplantation in Einzelfällen notwendig werden kann.

Fazit

Im vorliegenden Fallbericht einer 31-jährigen Patientin wurde eine differenzierte therapeutische Strategie gewählt. Darüber hinaus wurde empfohlen, auf die Einnahme von östrogenhaltigen Medikamenten zu verzichten. Aufgrund der normalen Lungenfunktion und nur weniger pulmonaler Zysten wurde derzeit entschieden, keine mTOR-Therapie einzuleiten. Die Patientin befindet sich jedoch in kontinuierlicher Facharztbetreuung. Die Bedeutung einer individualisierten Behandlungsstrategie, die auf dem aktuellen Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung basiert und die potenziellen Risiken und Nutzen für die Patientin berücksichtigt, ist eine unverzichtbare Komponente für den Erfolg (22).

Abkürzungen
Alpha-SMA Alpha-Smooth Muscle Actin
AMLs Renale Angiomyolipome
COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
CT Computertomographie
HMB-45 Human Melanoma Black
HRCT Hochauflösende Computertomographie
IBD Entzündliche Darmerkrankungen
IBS Irritable Bowel Syndrome (Reizdarmsyndrom)
LAM Lymphangioleiomyomatose
LCH Langerhans-Zell-Histiozytose
LIP Lymphoide interstitielle Pneumonie
MNF 116 Anti-Cytokeratin antibody
mTOR-Inhibitoren Mammalian Target of Rapamycin-Inhibitoren
S-LAM Sporadische Lymphangioleiomyomatose
TSC Tuberöse Sklerose-Komplex
TSC-LAM Tuberöse Sklerose-komplex-assoziierte ­Lymphangioleiomyomatose

Historie
Manuskript eingegangen: 17.07.2024
Angenommen nach Revision: 04.03.2025

Bildnachweise
Klinische Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des HOCH Kantonsspitals St. Gallen.

Wiktoria Drozdz 1
Luis Manrique 1
Fatmir Rama 1
Jan Kellner 2
Christian Clarenbach 3
Katja Weiss 4
Beat Knechtle 1, 4*

1 Medbase St. Gallen Am Vadianplatz, St. Gallen, Schweiz
2 Institut für Diagnostische Radiologie, HOCH Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Schweiz
3 Klinik für Pneumologie, Universitätsspital und Universität Zürich, Zürich, Schweiz
4 Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich, Zürich, Schweiz

Prof. Dr. med. Beat Knechtle

Facharzt FMH für Allgemeinmedizin
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
Vadianstrasse 26
9001 St. Gallen
Switzerland

beat.knechtle@hispeed.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die LAM betrifft hauptsächlich Frauen im gebärfähigen Alter.
• Typische klinische Merkmale sind Belastungsluftnot und der akute Pneumothorax, obwohl die Erkrankung oft asymptomatisch verläuft.
• Die Diagnose wird durch die thorakale und abdominale Bildgebung, Histologie und VEGF-D im Serum unterstützt.
• Keine Heilung, aber Behandlungsoptionen zur Symptomlinderung und Verlangsamung der Progression wie mTOR-Inhibitoren, Bronchodilatatoren, Impfungen (Grippe, Pneumokokken), pulmonale Rehabilitationsmassnahmen, Rauchstopp, Pleurodese bei Pneumothorax, Lungentransplantation (selten).
• Multidisziplinäre Betreuung durch Fachärzte ist wichtig.

1. Johnson SR. Lymphangioleiomyomatosis. European Respiratory Journal 2006;27:1056–65.
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Blick-Diagnose – Was rote Augen mit der Niere zu tun haben können

Anamnese und Befunde

Eine 44-jährige Frau ohne Vorerkrankungen litt an grippalen Symptomen; Aspirin hätte nur passager Linderung gebracht. Aufgrund zusätzlicher Adynamie und Tagesmüdigkeit erfolgte eine hausärztliche Vorstellung. Im Urinstix zeigte sich eine Leukozyturie, unter Vermutung eines Harnwegsinfekts erfolgte eine 3-tägige Antibiotikatherapie mit Ciprofloxacin. In der Verlaufskontrolle zeigte sich ein erhöhtes Kreatinin von 200 µmol/l (Referenzbereich: < 95 µmol/l), zudem kam es zu einer Rötung beider Augen, sodass eine Hospitalisation erfolgte.

Bei einer 15-jährigen Jugendlichen wurde aufgrund eines geröteten schmerzhaften Auges links eine Uveitis anterior diagnostiziert und topisch mit Steroiden begonnen. Anam­nestisch litt die Patientin seit Längerem an Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Wegen Rückenschmerzen hatte sie gelegentlich Ibuprofen eingenommen. Aufgrund eines erhöhten Kreatinins erfolgte die Zuweisung an die Kindernephrologie.

Der Status bei der 44-jährigen Patientin war bis auf die geröteten Augen unauffällig. Das Kreatinin lag bei 226 µmol/l. Die Elektrolyte waren normwertig. Das Urinsediment zeigte eine Leukozyturie, der Protein-Kreatinin-Quotient lag bei 26 mg/mmol (Referenzbereich: < 11 mg/mmol), der Albumin-Kreatinin-Quotient bei 2 mg/mmol (Referenzbereich: < 3 mg/mmol), zudem bestand eine eu­glykäme Glukosurie. Eine Urinkultur blieb steril. Die Nierensonographie war bis auf vergrösserte Nieren beidseits unauffällig. Virale Serologien (HIV, Hepatitis B und C) sowie immunologische Marker (ANA, ANCA, anti-GBM) waren negativ. Das Röntgenbild zeigte keine mediastinale Lymphadenopathie. Eine ophthalmologische Beurteilung diagnostizierte eine bilaterale Uveitis anterior (Abb. 1).

Bei der 15-jährigen Patientin war der Status bis auf eine Augenrötung ebenfalls unauffällig. Das Kreatinin lag bei 103 µmol/l, Blutzucker und Elektrolyte waren normwertig. Im Urinstix zeigte sich eine Glukosurie; eine Leukozyturie lag nicht vor. Im Spoturin fand sich ein Protein-Kreatinin-Quotient von 103 mg/mmol, der Albumin-Kreatinin-Quotient betrug 13 mg/mmol. Die Nierensonographie war bis auf eine etwas verminderte kortikomedulläre Differenzierung unauffällig. Auf serologische Abklärungen wurde verzichtet.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Bei geröteten Augen und systemischen Beschwerden wie Müdigkeit sollten neben lokalen Infektionen und Allergien auch systemische Erkrankungen berücksichtigt werden. Zu den Differenzialdiagnosen zählen infektiologische (wie Tuberkulose, Lues, Borreliose, Chlamydien, Viren) und immunologische (wie Spondyloarthropathien, Sarkoidose, juvenile idiopathische Arthritis) Erkrankungen.

Befunde wie tubuläre Proteinurie, euglykäme Glukosurie und sterile Leukozyturie sind typisch für eine tubuläre Dysfunktion und deuten, zusammen mit erhöhtem Serumkreatinin, auf eine interstitielle Nephritis hin. Häufige Ursachen sind Medikamente (wie NSAR, Antibiotika), Infektionen (wie Mykobakteriosen, Leptospiren) und Autoimmunkrankheiten (wie Sarkoidose, Sjögren-Syndrom, Lupusnephritis). Wenn sowohl eine Nierenschädigung als auch eine Uveitis zeitlich assoziiert, sollte auch an das TINU-Syndrom (Tubulointerstitielle Nephritis und Uveitis) gedacht werden.

Weitere Abklärungsschritte

In beiden Fällen erfolgte eine Nierenbiopsie. Bei der 44-jährigen Patientin zeigte die Biopsie eine akute interstitielle Nephritis (AIN) ohne Granulome und unauffällige Glomerula (Abb. 2). Die Biopsie der 15-jährigen Patientin ergab ebenfalls eine tubulointerstitielle Entzündung mit fokaler Tubulitis.

Diagnose

Bei beiden Patientinnen wurde ein TINU-Syndrom (Tubulointerstitielle Nephritis und Uveitis) diagnostiziert, basierend auf der zeitlichen Korrelation zwischen der Uveitis anterior und der interstitiellen Nephritis.

Verlauf

Bei der 44-jährigen Patientin wurde eine hoch dosier­te Steroidtherapie (1 mg pro Kilogramm Körpergewicht) etabliert. Parallel erfolgte eine topische Therapie mit steroidhaltigen Augentropfen. Die Augensymptome sowie die Kopfschmerzen zeigten sich darunter zügig vollständig regredient. Die tubuläre Proteinurie zeigte sich bereits nach drei Wochen vollständig regredient. Die Nierenfunktion erholte sich über vier Monate partiell auf eine eGFR um 60 ml/min/1.73m2. Die Steroide wurden schrittweise bis auf 5 mg reduziert, dann aber von der Patientin selbstständig abgesetzt. Das Serumkreatinin zeigte sich anschliessend auf leicht erhöhtem Niveau stabil, jedoch fanden sich erneut Hinweise auf eine proximal-tubuläre Dysfunktion (eu­glykäme Glukosurie, tubuläre Proteinurie, grenzwertige Hypokaliämie); die Patientin lehnte eine erneute Therapie jedoch ab und entzog sich weiteren Kontrollen.

Bei der 15-jährigen Patientin erfolgte zuerst eine Behandlung mit steroidhaltigen Augentropfen über die ambulante Ophthalmologin. Nach der Vorstellung auf der Nephrologie wurde aufgrund der eindrücklichen Dynamik des Kreatinins eine Methylprednisolon-Stosstherapie mit nachfolgender peroraler Prednisontherapie etabliert. Innerhalb von Wochen verschwanden die Symptome vollständig, die Nierenfunktion sowie die Proteinurie normalisierten sich, und die Patientin ist gemäss behandelnden Kolleg/-innen drei Jahre später weiterhin asymptomatisch und hat eine normale Nierenfunktion.

Kommentar

Das TINU-Syndrom wurde 1975 erstmalig beschrieben als das Auftreten einer tubulointerstitiellen Nephritis (TIN) und einer Uveitis (U), in Abwesenheit anderer potenziell erklärender Erkrankungen. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung; pathophysiologisch wird eine T-Zell-vermittelte, CD4+-dominante, verzögerte Hypersensitivitätsreaktion postuliert. Diese kann zur Bildung von entzündlichen, nicht verkäsenden Granulomen führen, was die Differenzierung von anderen granulomatösen Erkrankungen schwierig macht. Vermutet wird ein bislang unbekanntes Antigen, welches sowohl in den Nierentubuli als auch in der Uvea vorkommt. Ähnlich wie bei einem pulmorenalen Syndrom mit Antikörpern gegen dasselbe Antigen in der alveolären wie glomerulären Basalmem­bran kommt es zu einem Syndrom mit entzündlichen Vorgängen in den Nieren und Augen. Es wird vermutet, dass NSAR und Antibiotika ein TINU-Syndrom provozieren können, wobei diese Substanzklassen auch als Risikofaktoren für die klassische interstitielle Nephritis bekannt sind. Auch verschiedene Infektionen wurden mit dem Auftreten eines TINU-Syndroms in Verbindung gebracht. In Fallberichten werden vor allem respiratorische Infektionen und Virusinfekte diskutiert (z. B. Hantavirus, EBV, HIV) (1).

Gemäss einem Systematic Review wurden bis März 2020 kumuliert 592 TINU-Fälle beschrieben (2). Das mediane Alter betrug bei Diagnose 17 Jahre (Interquartilsabstand 13–46 Jahre) mit weiblicher Prädominanz. Meistens kam es zeitlich nach dem Auftreten einer Nephritis zu einer bilateralen Uveitis, welche meist einer Uveitis anterior entsprach. Bei pädiatrischen Patient/-innen wurde eine asymp­tomatische Uveitis gelegentlich erst diagnostiziert, wenn eine Nephritis zu einer ophthalmologischen Vorstellung führte. Eine plötzlich auftretende bilaterale Uveitis in pädiatrischen Patient/-innen war zudem in bis zu einem Drittel der Fälle mit der Diagnose einer tubulointerstitiellen Nephritis verbunden. Kinder und Jugendliche tendieren eher zu einer rezidivierenden Uveitis, während bei Erwachsenen das Risiko für eine akute Nierenfunktionseinschränkung und einen chronischen Nierenschaden im Vordergrund steht. Die Gründe für diese Diskrepanz im Phänotyp sind nicht abschliessend geklärt.

Das ophthalmologische Bild des TINU-Syndroms präsentiert sich als akut auftretende, nicht granulomatöse Uveitis. Klassische Symptome sind Augenrötung, -schmerzen und Photophobie, eine Visusverschlechterung kann auch vorliegen. Die Symptome treten akut innerhalb von Tagen auf und sind häufig direkt bilateral vorhanden. Okuläres wässriges Sekret oder morgendliche verklebte Augen, wie sie klassisch bei einer viralen Konjunktivitis der Fall sind, finden sich nicht. Bereits die makroskopische Beurteilung, wie sie auch in der Hausarztpraxis erfolgen kann, zeigt eine ausgeprägte konjunktivale Injektion. Eine entrundete Pupille (Abb. 1) kann als Folge eines Entzündungsreizes mit Verklebung der Iris mit der anterioren Linsenkapsel (Abb. 3) vorkommen und muss insbesondere bei Patient/-innen ohne vorherige intraokulare Operation an eine intraokulare Entzündung denken lassen. Weitere Befunde des Vorderkammerreizes sind ohne fachärztliche Untersuchung mittels Spaltlampe nicht zu eruieren. Diese Augenbefunde sind oftmals unspezifisch und können meist nicht eindeutig einer Ätiologie zugeordnet werden.

Nephrologisch findet sich typischerweise das Bild einer AIN mit steriler Leukozyturie, tubulärer Proteinurie und Nierenfunktionseinschränkung. Andere Zeichen der proximalen Tubulopathie wie euglykäme Glukosurie, Phosphaturie und metabolische Azidose können vorkommen. Auch das histologische Bild in der Nierenbiopsie entspricht dem einer AIN mit lymphozytärem Infiltrat und interstitiellem Ödem. Granulome können vorkommen, während Glomerula und Gefässe typischerweise unauffällig sind. Teilweise lassen sich Granulome auch in Lymphknoten und Knochenmark finden. Insbesondere die Abgrenzung zur Sarkoidose kann dann schwierig sein, wenn keine andere Organbeteiligung vorliegt. Es existieren keine gut validierten Laborparameter, die spezifisch sind für das TINU-Syndrom – BSG und CRP können erhöht sein, wie bei anderen Erkrankungen. Antikörper gegen modifiziertes C-reaktives Protein (mCRP, ein sowohl in Uvea und Tubuluszellen vorkommendes Antigen) scheinen beim TINU-Syndrom erhöht zu sein im Gegensatz zum Sjögren-Syndrom, zu medikamenteninduzierter interstitieller Nephritis und gesunden Kontrollen, jedoch ist dieser Test nicht kommerziell erhältlich. Eine reduzierte eGFR wird in 40 % der betroffenen Patient/-innen nach 12 Monaten beschrieben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass teilweise wahrscheinlich eine zuvor unbekannte, bereits eingeschränkte Nierenfunktion vor der Diagnose der Nephritis bestanden hatte. Bei den pädiatrischen Patient/-innen besteht ein besseres Outcome mit einer reduzierten eGFR in 20 % der Betroffenen nach 12 Monaten.

Analog zur Behandlung einer akuten interstitiellen Ne­phritis wird eine Therapie mit Kortikosteroiden empfohlen. Die optimale Dosierung wurde bislang nicht in prospektiven Studien untersucht, bezüglich der Therapiedauer wird in Fallserien ein eher längeres Fenster (12–24 Monate) gewählt. Entsprechend werden steroidsparend Mycophenolat oder Azathioprin eingesetzt. Bezüglich Uveitis ist eine Behandlung mit lokalen steroidhaltigen Augentropfen indiziert. Beim TINU-Syndrom ist die Uveitis meist mild bis moderat ausgeprägt und spricht in der Regel gut auf eine Lokaltherapie an (3).

Abkürzungen
AIN Akute interstitielle Nephritis
ANA Antinukleäre Antikörper
ANCA Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper
Anti-GBM Anti-Glomeruläre Basalmembran
BSG Blutsenkungsgeschwindigkeit
CRP C-reaktives Protein
EBV Epstein-Barr-Virus
eGFR geschätzte glomeruläre Filtrationsrate
HIV Human Immunodeficiency Virus
mCRP modifiziertes C-reaktives Protein
TINU tubulointerstitielle Nephritis und Uveitis

Historie
Manuskript eingegangen: 30.09.2024
Angenommen nach Revision: 12.03.2025

Pascal Gantenbein 1,
sabelle Binet 1
Regula Laux 2
Sascha Mathias Jung 3
Annette Enzler-Tschudy 4
Christian Kuhn 1

1 Klinik für Nephrologie und Transplantationsmedizin, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
2 Nephrologie, Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen
3 Klinik für Ophthalmologie, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen
4 Institut für Pathologie, HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Dr. med. Christian Kuhn

Klinik für Nephrologie und Transplantationsmedizin
HOCH Health Ostschweiz, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Str. 95/Haus 10
9007 St. Gallen

christian.kuhn@h-och.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Eine Augensymptomatik, die an eine Uveitis erinnert, muss gerade bei jungen Patient/-innen weiter abgeklärt werden. Unter anderem soll die Nierenfunktion mittels Kreatininbestimmung im Serum, Urinstix sowie Protein­urie und Albuminurie mittels Urin-Kreatinin-Ratio bestimmt werden.
• Umgekehrt soll auch eine nicht erklärte, neu aufgetretene Nierenfunktionseinschränkung abgeklärt werden. Erbringt die Basisdiagnostik keine Diagnose, soll eine Zuweisung zum Spezialisten erwogen werden.
• Bei gleichzeitiger oder in enger Korrelation auftretender Nierenfunktionseinschränkung und ophthalmologischer Beschwerden sollte eine Uveitis respektive eine Nephritis ausgeschlossen werden.
• Das TINU-Syndrom ist selten, aber eine verpasste oder verzögerte Diagnose mit erheblicher Morbidität verbunden.

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Rare entité d’un lymphome gastrique

Anamnèse et investigations

Une patiente de 36 ans, d’origine somalienne, mère de 2 enfants, consulte dans notre service des urgences pour des épigastralgies avec nausées et vomissements. Elle décrit aussi des épisodes d’hématémèse et de méléna. Selon ses dires elle avait perdu 20 kg en quelques semaines. Facteurs de risque: un tabagisme actif (15UPA) et une consommation de cannabis, à but anxiolytique. Elle était sous traitement par Pantoprazole et Primpéran par son médecin traitant. À l’examen clinique, l’abdomen est souple avec une douleur à l’épigastre sans défense ni détente. Les paramètres vitaux étaient dans la norme.

Un mois auparavant, une OGD à l’extérieur avait mis en évidence une pangastrite, Hélicobacter pylori positif et un grand ulcère (Forrest IIc) s’étendant entre le bulbe duodénal et l’antre de l’estomac. Un traitement par Pyléra 3-3-3 pour 10 jours avait été instauré, accompagné par Pantoprazole pour un mois. Une OGD de contrôle deux mois plus tard montra une légère régression de l’ulcère. Des biopsies révélèrent une négativité pour Hélicobacter pylori sans signes de dysplasie ni de malignité. Le test à l’uréase revenait négatif. Pour écarter un syndrome de Zollinger-Ellison, la gastrine fut dosée donnant une valeur de 99.6 (< 150) pmol/l, soit dans la norme ; et pour écarter une tumeur neuro-endocrinienne, la chromogranine A se trouva légèrement élevée à 238 (< 94) ug/l. Par la suite, la patiente était hospitalisée plusieurs fois pour des épigastralgies et vomissements. Son hémoglobine était normale et stable avec des valeurs > 160 g/l. Le laboratoire montrait une légère hypokaliémie (3.3 mmol/l) et une légère perturbation des tests hépatiques (ASAT 73 U/l, ALAT 83 U/l) sans choléstase ni syndrome inflammatoire. Un CT thoraco-abdominal n’a montré qu’un épaississement pariétal modéré de l’estomac, mais pas d’autres pathologies. Des traitements par Pantoprazole i.v. et p.o. ont été poursuivis. Parallèlement, un traitement nutritif (2 x Fresubin/jour) a été prescrit. À noter dans l’anamnèse de patiente aussi des antécédents de troubles de l’adaptation avec des symptômes anxio-dépressifs et des troubles alimentaires à l’âge de 20 ans. Un accompagnement psychiatrique incl. médication par Mirtazapine 15 mg/jour fut établi.

À la dernière hospitalisation, 4 mois après la 2ième OGD, elle ne pesait qu’encore 41 kg, mais cette fois aussi son Hb est à la baisse avec une valeur initiale de 108 g/l, le lendemain même à 96 g/l. De plus, nous trouvons un syndrome inflammatoire avec une leucocytose à 27.7 g/l et une CRP à 59 mg/l. En plus des épigastralgies, nous constatons aussi des ganglions axillaires et inguinaux, indolores. Un 2ème scanner abdominal montre toujours un épaississement pariétal de la partie basse de l’estomac et de la région du pylore (Fig. 1). Une sérologie virale et un test quantiferon reviennent négatifs. Une 3ième gastroscopie sous intubation protective (risque de broncho-aspiration) montre une grande ulcération antrale et intra-pylorique (Fig. 2), sténosante, très suspecte d’une néoplasie, ainsi que des signes d’une hémorragie digestive haute avec 350 ml d’hématine dans l’estomac. Des biopsies sont prélevées.

Diagnostic

Lymphome (MALT gastrique) a cellules T, ALK négatif, CD30 positif. (Fig. 3)

Discussion

La patiente fut transférée au service d’oncologie à l’Inselspital de Bern, notre centre de référence.

Le bilan extensif (CT, ponction de la moelle osseuse) n’a pas montré d’autres manifestations du lymphome. Mais un carcinome papillaire de la vessie urinaire, asymptomatique, a été découvert fortuitement, traite par TUR-B. Concernant le lymphome T, la patiente a bénéficié d’un traitement de chimiothérapie par CHOEP et A-CHP avec une bonne réponse. Une année plus tard, elle est en rémission complète et a gagné 12 kg de poids.

Les lymphomes gastriques primaires sont rares. Ils repré- sentent moins de 5 % de tous les cancers gastriques (1). La physiopathologie des lymphomes gastriques n’est pas com- plétement élucidée, mais le rôle primordial de l’infection à H. pylori est bien reconnu (1, 2). Une gastrite chronique à H. pylori génère par son antigénicité un recrutement des lymphocytes T et ensuite une prolifération de lympho- cytes B, sous influence de plusieurs cytokines et de facteurs pro-inflammatoires (NF-KB) (1, 2).

Les symptômes sont souvent aspécifiques comprenant nausée et vomissements, épigastralgie, perte pondérale jusqu’à des saignements gastrointestinaux occults (1). Les aspects endoscopiques ne sont pas forcément spécifiques non plus. Entre un érythème de la muqueuse suggérant une gastrite érosive et des ulcères de différentes tailles, parfois grandes, tout est possible (1, 2).

Le bilan biologique peut montrer une anémie, une élec- trophorèse des protéines pathologique, et une LDH et une béta-2 microglobuline élevées. Les sérologies virales (HIV, hépatites B et C) sont conseillées sous l’hypothèse d’une association entre infections virales chroniques et les lym- phomes (1). Le bilan extensif se fait par CT thoraco-abdo- mino-pelvien, evtl. IRM (1).

La première ligne de traitement des MALT gastriques est le traitement par éradication de H. pylori qui peut amener une rémission (1, 2). Tout de même il existe aussi une entité de lymphomes gastriques qui sont H. pylori négatifs (3, 4). Dans ces cas une radiothérapie ou chimiothérapie est indiquée. Le pronostic des MALT gastriques est très bon, avec une survie globale de 80% à 5 ans (1).

Historique:
Manuscrit reçu le: 12.12.2025
Accepté après révision: 26.02.2025

Remerciement
Nous remercions Pr Dr. MA Ortner pour toutes les informations concernant les 2 premières OGD et des analyses complémentaires et le Dr K. Houegnifiouh dans la coordination de la prise en charge de la patiente lors de ses hospitalisations. Photos cliniques avec l’aimable autorisation de l´Institut de radiologie de l´hôpital St-Imier et l´Institut de pathologie de l´Inselspital de Berne.

Polyxeni Lampropoulou 1
Elena-Cristina Fantana 2
Nathalie Marnas 3
Janina Wolf 4,
Marie-Noëlle Kronig 5
Solange Porret 2
Uwe Schiemann 1

1 Service de médecine interne, Hôpital de St-Imier, Réseau de l’Arc
2 Service d’anésthésie, Hôpital de St-Imier, Réseau de l’Arc
3 Institut de radiologie, Hôpital St-Imier, Réseau de l’Arc
4 Institut de pathologie, Inselspital, Berne
5 Service d’oncologie, Inselspital, Berne

Prof. Dr. med. Uwe Schiemann

Médecin-chef du service de médecine et gastroentérologie,
Hôpital du Jura bernois SA
Rue des Fontenayes 17
2610 St-Imier

uwe.schiemann@bluewin.ch

Les auteurs n’ont déclaré aucun conflit d’intérêts en rapport avec cet article.

Un ulcère gastrique, Hélicobacter pylori positif, réfractaire après une thérapie d’éradication, doit faire penser à la rare entité d’un lymphome gastrique. À noter également que l’incidence des lymphomes gastriques, Hélicobacter pylori négatifs, est en augmentation, ce qui suggère d’autres pa-thogènes ou antigènes dans la physiopathogénèse.

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Akutes oligurisches Nierenversagen – Bauchgefühl gegen Bildgebung

Anamnese und Befunde

Beschwerden

Die notfallmässige Zuweisung des 68-jährigen Patienten erfolgte aus der urologischen Sprechstunde bei Auftreten einer akuten Nierenkrankheit mit dialysepflichtiger Hyperkaliämie. Der Patient berichtete über eine abnehmende Urinmenge während der letzten zwei bis drei Tage, wobei er am Vorstellungstag gar keinen Urin mehr habe lösen können. Zudem bemerkte er eine zunehmende Müdigkeit seit ca. einer Woche. Seit ca. acht Wochen litt er an beidseitigen, intermittierenden Flankenschmerzen sowie einer Drangproblematik mit Pollakisurie, was zu einer externen urologischen Vorstellung und seither regelmässigen Einnahme nicht steroidaler Antirheumatika (NSAR) geführt hatte.

Zehn Tage vor Hospitalisation war extern mittels TUR-B die Diagnose eines muskelinvasiven und ungünstig differenzierten Urothelkarzinoms der Harnblase gestellt worden, wobei die Ureterostien als nicht darstellbar dokumentiert wurden.

An weiteren Diagnosen waren eine arterielle Hypertonie sowie eine nicht behandelte Schlafapnoe bekannt, zudem bestand ein Status nach Ablation einer AV-Knoten-Reentry-Tachykardie. Die Dauermedikation bestand aus Hydrochlorothiazid 25 mg/Tag sowie neu seit acht Wochen aus Diclofenac bis 3 x täglich 50 mg, Pantoprazol 20 mg, Solifenacin und Mirabegron 25 mg.

Status

Die klinische Untersuchung des euvolämen Patienten war, bis auf hypertensive Blutdruckwerte von 180/106 mmHg, unauffällig. Es bestand insbesondere keine abdominale Druckdolenz und keine Klopfdolenz über den Nierenlogen.

Labordiagnostik

Vier Wochen vor Hospitalisation war zuletzt ein Kreatinin von 95 µmol/l gemessen worden. Nun zeigte sich im Eintrittslabor eine akute Nierenkrankheit mit einem Kreatinin von 1376 µmol/l (94–97 µmol/l) mit folgenden Komplikationen: Hyperkaliämie von 7.0 mmol/l (3.6–4.8 mmol/l), Hyperphosphatämie von 2.96 mmol/l (0.8–1.50 mmol/l), metabolische Azidose mit pH venös 7.26 (7.38–7.43), Bikarbonat 15.2 mmol/l (21–28 mmol/l) und pCO₂ 4.47 kPa (4.90–6.70 kPa). Im grossen Blutbild zeigten sich keine relevanten Veränderungen. Das Urinsediment war pathologisch mit einer Leukozyturie sowie einer nicht glomerulären Mikrohämaturie (45 Erythrozyten/Gesichtsfeld, normal 0–5). Die geringe Proteinurie von ca. 140 mg/Tag (davon 80 mg/Tag Albuminurie) beurteilten wir als nicht relevant. Die Urinindizes sprachen für ein renales Nierenversagen (Fe-Natrium 3.4 % , Fe-Harnstoff 54 %).

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Aufgrund der Anamnese mit rezentem urologischem Eingriff (TUR-B, dabei nicht einsehbare Ureterostien) und postinterventionell einsetzender Oligurie stand eine postrenale Ätiologie differenzialdiagnostisch im Vordergrund. Ebenso möglich waren eine akute interstitielle Nephritis auf die seit mehreren Wochen eingenommenen NSAR und/oder das Pantoprazol. Eine prärenale Ätiologie sahen wir bei anamnestisch fehlendem Volumenverlust, klinischer Euvolämie sowie Hypertonie und Normokardie als unwahrscheinlich an, zudem sprachen die Urinindizes dagegen (Tab. 1). Allerdings hätte die achtwöchige NSAR-Einnahme, über den Effekt einer Vasokonstriktion am glomerulären Vas afferens, ein Nierenversagen anderweitiger Ätiologie zusätzlich verschärfen können.

Weiteres diagnostisches Vorgehen und Therapie

Zur Korrektur der schweren Hyperkaliämie mit spitzen T-Wellen im EKG erfolgte eine notfallmässige Hämodialyse über einen jugulären Dialysekatheter. Eine Bedside-Sonografie auf der Notfallstation zeigte normal grosse Nieren ohne Nierenbeckenkelchektasie und eine nahezu leere Blase. Trotz sonografisch fehlender Nierenstauung wurde, aufgrund der suggestiven Anamnese für ein postrenales Nierenversagen, für den Folgetag eine CT-gesteuerte, perkutane Nephrostomie-Einlage rechts mit gleichzeitiger Nierenbiopsie geplant. Für den Fall, dass danach eine relevante Diurese einsetzen sollte, war zusätzlich die Einlage auf der Gegenseite angedacht. Die Nephrostomie-Einlage erwies sich jedoch als technisch schwierig – bei fehlender Erweiterung des Nierenbeckens gelang die korrekte Platzierung der Nadel im ersten Versuch nicht. Bei deutlicher Blutung durch die Interventionsnadel während des zweiten Versuchs musste die Einlage abgebrochen werden. Die periinterventionell gewonnene Nierenbiopsie zeigte einen geringen und potenziell reversiblen Tubulusschaden, der ätiologisch nicht weiter zugeordnet werden konnte. Es bestanden wenig chronische Schäden und keine Hinweise für eine interstitielle Nephritis oder Glomerulonephritis, wobei die Aussagekraft bzgl. Letzterem bei nur drei getroffenen Glomeruli eingeschränkt war.

Wenige Tage nach der frustranen Nephrostomie-Einlage und nach einer weiteren Hämodialyse setzte die Diurese spontan wieder ein, sodass wir von einer Erholung des unklaren Tubulusschadens ausgingen. Parallel zeigten sich die Nierenretentionswerte deutlich rückläufig. Innert zweier Tage sank das Kreatinin bis auf 278 µmol/l, so- dass eine postrenale Ätiologie unwahrscheinlich schien (Abb. 1). Nur zwei Tage später kam es jedoch erneut zum Einbruch der Diurese (320 ml/Tag) mit täglichem Anstieg des Kreatinins bis auf maximal 1133 µmol/l – der Patient musste ein drittes Mal dialysiert werden. Wir wiederholten die Sonografie, die weiterhin keine Nierenstauung zeigte, und schlossen eine Makroperfusionsstörung duplexsonografisch aus. Im Urinsediment zeigte sich unverändert eine nicht glomeruläre Mikrohämaturie und in der Urin-Protein-Differenzierung neu eine ausgeprägte glomeruläre Proteinurie im nephrotischen Bereich mit total 4 g/Tag (Protein-/Kreatinin-Quotient im Spoturin 413 mg/mmol), wovon Albumin, IgG und Transferrin 90 % der Gesamtproteinurie ausmachten. Proteine tubulären oder postrenalen Ursprungs (α1-Mikroglobulin und retinolbindendes Protein bzw. α2-Makroglobulin) fanden sich nicht. Die Urinindizes sprachen, analog zur ersten Episode, für eine renale Problematik.

Bei unklarer Ätiologie des erneut dialysepflichtigen Nierenversagens und Entwicklung einer Proteinurie im nephrotischen Bereich erfolgte eine Rebiopsie der Nieren. Diese brachte jedoch keinen Erkenntnisgewinn. Wieder zeigte sich ein Tubulusschaden unbekannter Ätiologie bei glomerulärem Normalbefund und somit ohne Korrelat für die ausgeprägte Proteinurie. Eine prärenale und renale Ätiologie des Nierenversagens war nun klinisch, (duplex-)sonografisch und bioptisch nahezu ausgeschlossen worden, sodass wir die Diagnostik eines postrenalen Nierenversagens forcierten, auch aufgrund des raschen Wechsels oligurischer und polyurischer Phasen. Zehn Tage nach Hospitalisation gelang schliesslich die Nephrostomie-Einlage rechts und bei sofort einsetzender Diurese bzw. Polyurie (Diurese von 3.6 Liter innert zwölf Stunden) am Folgetag auch links. Dabei waren beide Nierenbecken während der CT-gesteuerten Punktion weiterhin nicht erweitert (Abb. 2).

Diagnose

Obstruktives Nierenversagen ohne Hydronephrose

Weiterer Verlauf

Nach beidseitiger perkutaner Nephrostomie-Anlage kam es zu einer raschen und andauernden Verbesserung der Nierenfunktion. Drei Tage postinterventionell hatten sich die Kreatininwerte bereits auf 87 µmol/l erholt und entsprachen damit den Ausgangswerten. Die Nephrostomien wurden belassen und das Harnblasenkarzinom mit neoadjuvanter Chemotherapie und im Verlauf Zystoprostatektomie behandelt.

Kommentar

Postrenale Nierenfunktionsverschlechterungen gehen in aller Regel mit einer bildgebend sichtbaren Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems und/oder Ureters einher. In ca. 5 % kommt es jedoch zum Auftreten einer «non-dilated obstructive nephropathy». Die Ursachen sind vielfältig, am häufigsten ist aber eine Assoziation mit Tumoren des kleinen Beckens. Weniger häufig sind retroperitoneale Raumforderungen (Lymphome, Retro­peritonealfibrose), die die Ureteren ummauern und eine Ureterdilatation damit verhindern. Die fehlende Entwicklung einer Hydronephrose kann auch durch eine Abnahme der glomerulären Filtration anderweitiger Ursache (z. B. schwere Hypovolämie) mit bedingt sein (2, 3). Das Auftreten einer unselektiven, glomerulären Proteinurie ist bei postrenalem Nierenversagen sicherlich ungewöhnlich. Bei histologisch unauffälligen Glomeruli muss die Ursache in einer Veränderung der intraglomerulären Druckverhältnisse liegen. In Anbetracht der stark schwankenden Diurese mit oligo- und polyurischen Phasen halten wir eine undulierende ein- oder beidseitige Hyperfiltration für die wahrscheinlichste Ätiologie der glomerulären Proteinurie (4). Das Ausmass der Protein­urie muss bei Bestimmung mittels Protein-/Kreatinin-Quotient im Spoturin kritisch beurteilt werden. Bei zum Zeitpunkt des Auftretens schwankender Nierenfunktion und Diurese sowie einem eher tiefen Urinkreatinin um 3.5 mmol/l kann eine Überschätzung der Proteinurie nicht ausgeschlossen werden.

Abkürzungen
Bx Biopsie
CT Computertomografie
EKG Elektrokardiogramm
Fe-Natrium/Fe-Harnstoff Fraktionierte Natrium-/Harnstoffexkretion
NSAR Nicht steroidale Antirheumatika
PNS Perkutane Nephrostomie
TUR-B Transurethrale Blasenresektion

Historie
Manuskript eingereicht: 19.09.2024
Angenommen nach Revision: 18.12.2024

Susanne Winkler

Klinik für Transplantationsimmunologie und Nephrologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

susanneandrea.winkler@usb.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Ein postrenales Nierenversagen lässt sich bildgebend nie gänzlich ausschliessen. Bei klinisch hochgradigem Verdacht sollte diese Verdachtsdiagnose, ungeachtet einer unauffälligen Bildgebung, interventionell mittels ante- oder retrograder Pyelografie weiter abgeklärt werden. Der typische Patient für eine «non-dilated obstructive nephro­pathy» ist 50–70 Jahre alt, männlich, hat eine akut einsetzende Oligo-/Anurie mit rapidem Kreatininanstieg und einen abdominopelvinen Tumor in der Vorgeschichte. Eine rasche Diagnosestellung und Intervention sind entscheidend, um eine vollständige Erholung der Nierenfunktion nach Dekompression zu ermöglichen.

1. Ambühl, Patrice M. Ursachen und Pathogenese des akuten Nierenversagens. SMF 2001. https://smf.swisshealthweb.ch/fileadmin/assets/SMF/2001/smf.2001.04062/smf-2001-04062.pdf; letzter Zugriff: 14.09.2024.
2. Rascoff JH, Golden RA, Spinowitz BS, Charytan C. Nondilated obstructive nephropathy. Arch Intern Med. 1983;143:696–8. doi:10.1001/archinte.1983.00350040086011.
3. Feliciangeli V, Noce A, Montalto G, Germani S, Miano R, Asimakopoulos AD. Non-dilated obstructive nephropathy. Clin Kidney J. 2024. sfae249. doi: https://doi.org/10.1093/ckj/sfae249
4. Everaert K, Hoebeke P, Delanghe J. A review on urinary proteins in outflow disease of the upper urinary tract. Clin Chim Acta. 2000;297:183-9. doi: 10.1016/s0009-8981(00)00245-x. PMID: 10841920.

Mit dem Delir auf Irrwegen

Anamnese und Befunde

Ein 75-jähriger Patient stürzte auf der Treppe. Nach Ausschluss schwerer Verletzungen wurde der Patient zur geriatrischen Akutrehabilitation und Sturzabklärung aufgenommen. Auf der Notfallstation wurden ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, diverse Kontusionen sowie Elektrolytstörungen (Hyponatriämie 132 mmol/l, Hypokali­ämie 2.8 mmol/l) diagnostiziert. Zudem zeigten sich erhöhte Creatin-Kinase- (509 U/l, Referenz < 200 U/l) und erhöhte Myoglobinwerte (189 µg/l, Referenz < 140 µg/l). Bekannte Vorerkrankungen waren eine Hepatitis-B-bedingte, kompensierte Leberzirrhose Child Pugh A, eine chronische Bronchitis, eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus Typ 2 und rezidivierende Lumbago. Bei Übertritt in die Geriatrie fanden wir keine weiteren Verletzungen. Fremdanamnese und kognitive und psychiatrische Tests ergaben eine leichte Beeinträchtigung (MMS 25/30, UT 2/7), jedoch keine affektive Störung (Geriatric Depression Scale [GDS]). Der Medikationsplan zeigte eine Polypharmazie mit Tiotropium, Budesonid Nasenspray, Acetylcystein, Losartan, Hydrochlorothiazid, Torasemid, Metoprolol, Amlodipin, Gliclazid, Tenofovir, Zolpidem und Lorazepam.

Aufgrund der Anamnese, klinischer Untersuchung, repetitiv normwertiger Blutzuckerwerte, unauffälliger Schädel-CT und unauffälligem EKG erschien uns ein zentraler oder peripher Schwindel sowie kardiale, metabolische oder neurologische Ursachen trotz leichter orthostatischer Dysregulation in der Schellong-Untersuchung unwahrscheinlich. Die erhöhten Creatin-Kinase- und Myoglobinwerte schrieben wir den Kontusionen und der Nierenfunktionsstörung und den Elektrolytstörungen der diuretischen Therapie zu.

Die erste Woche des Krankenhausaufenthalts verlief ereignislos. In der Nacht zum 8. Tag war der Patient motorisch unruhig mit gesteigertem Antrieb und nestelndem Verhalten. Er war rasch reizbar, abschweifend, sprunghaft, zeitlich desorientiert und litt unter Schlaflosigkeit. Am folgenden Tag klagte er über Rückenschmerzen und stromschlagartigen Missempfindungen in den Oberschenkeln ohne Dermatombezug. Die Symptome blieben über den Tag stabil.

Erste differenzialdiagnostische Über­legungen

Wir stellten die Verdachtsdiagnose eines hyperaktiven Delirs, wofür die einzige Therapie die Ursachenbehebung darstellt. Daher sollten rasch eine strukturierte Ursachensuche mit Anamnese und Fremdanamnese, insbesondere zu Alkohol, Suchtmitteln und Medikamenten, sowie eine fokussierte neurologisch-psychiatrische körperliche Untersuchung erfolgen. Vervollständigt wird diese mit den notwendigsten apparativen Tests. Ziel ist das rasche Erkennen behebbarer Ursachen wie Entzugssyndrome, Fehlmedikationen, Harnverhalt, Obstipation oder metabolischen, kardialen und zentralnervösen Störungen. Eine Überdiagnostik ist häufig und sollte vermieden werden (1). Wir konnten keine erklärende Ursache finden. Aufgrund der starken Agitation verschrieben wir niedrig dosiert Quetiapin.

Weiterer Verlauf

Am folgenden Abend traten tonisch-klonische Krampfanfälle auf, die wir mit Midazolam durchbrachen. Ein EEG zeigte keine epilepsietypischen Potenziale. Zur Prophylaxe weiterer Krampfanfälle verordneten wir Clobazam. Die geplante Schädel-MRT mussten wir wegen des Verdachts auf Aspiration kleiner Magneten von der Magnettafel im Patientenzimmer absagen. Die Magnete waren in Thorax- und Abdomen-Röntgen nicht nachweisbar.

Die nun erst geführte Fremdanamnese ergab eine bisher unbekannte Einnahme von Amitriptylin (Saroten retard®, mindestens 150 mg täglich). Die Indikation und der Bezugsweg blieben trotz Nachfragen beim Gastroenterologen (gleichzeitig Hausarzt), Chiropraktiker und lange nicht konsultierten Psychiater unklar. Der behandelnde Psychologe war nicht erreichbar. Fremdanamnestisch wurde eine unipolare Depression vermutet.

Diagnose

Wir revidierten die Diagnose eines hyperaktiven Delirs. Retrospektiv war das Diagnosekriterium der Fluktuation der Symptome nicht erfüllt. Die anderen Kriterien, nämlich plötzlicher Beginn, Aufmerksamkeits-, Bewusstseins- und kognitiv-emotionale Störungen, waren vorhanden (1).
Wir diagnostizierten ein Antidepressiva-Entzugssyndrom (ADS) nach abruptem Absetzen von Amitriptylin. Die Krampfanfälle interpretierten wir als akute symptomatische Anfälle durch die hohe Amitriptylin-Dosis, den plötzlichen Stopp und das neu eingeführte Quetiapin. Zu diskutieren bleibt eine unzureichende Lorazepam-Dosierung und Abgabe. Aufgrund der Anfallsfreiheit, fehlender fokal-neurologischer Defizite, normalisierter Laborwerte und unauffälligem cCT am Eintrittstag verzichteten wir auf eine Schädel-MRT. Im weiteren Verlauf normalisierte sich das Verhalten, und es trat keine affektive Störung auf, sodass Amitriptylin nicht erneut verabreicht wurde. Wir konnten den Patienten nach Hause entlassen. Der zeitliche Ablauf ist in Abb. 1 dargestellt.

Kommentar

Ein ADS kann nach Absetzen der meisten Antidepressiva (AD) auftreten (2), mit dem grössten Risiko bei MAO-Hemmern, trizyklischen Antidepressiva (TZA), Paroxetin und Venlaflaxin (3, 4). Die Inzidenz liegt etwa bei 15 %, davon entwickeln ca. 3 % schwerwiegende Symptome (5). Häufigkeit, Schwere und Dauer eines ADS könnten allerdings unterschätzt werden (6). Begünstigende Faktoren sind in Tab. 1 zusammengefasst. Symptome treten meist innert der ersten 7 Tage nach Absetzen auf (3, 4).

Das Akronym «FINISH» (flu-like symptoms, insomina [with vivid dreams and nightmares], nausea, imbalance, sensory disturbances, hyperarousal) fasst die häufigsten Symptome zusammen (4). Der Patient beschrieb stromschlagartige Missempfindungen in den Beinen («body zaps»/»brain zaps»), die typischerweise mit dem Absetzen von SSRI assoziiert sind (3, 4). Eine Nennung im Zusammenhang mit dem Absetzen eines TZA konnten wir in der Literatur nicht finden. Das ADS ist meistens selbstlimitierend und dauert typischerweise ca. 2 Wochen (3, 6), kann jedoch auch Monate bis Jahre andauern (2, 6, 7).

Krampfanfälle werden in der Literatur nicht direkt mit einem ADS in Verbindung gebracht. Depression (8) und die Einnahme von Antidepressiva (AD) erhöhen jedoch das Risiko für Krampfanfälle, wobei unklar bleibt, welche AD das höchste Risiko bergen (9, 10). Ein erhöhtes Risiko besteht besonders kurz nach Beginn oder Absetzen der Medikation (10).

Ein ADS wird oft als Rezidiv der psychiatrischen Grunderkrankung oder als Therapieversagen fehlinterpretiert. Bei unipolaren Störungen kann dies fälschlicherweise zur Diagnose einer bipolaren Störung führen, wenn das ADS hypomanische oder manische Symptome zeigt (3). Diagnosekriterien des ADS nach DSM-5 sind in Tab. 2 zusammengefasst. Zur Unterscheidung zwischen ADS und Grunderkrankung ist die Beurteilung der Symptomverläufe nach Absetzen und Wiederaufnahme der Medikation hilfreich. Ein ADS tritt meist innerhalb von zwei Wochen auf, während eine depressive Episode eher nach 4–8 Wochen einsetzt (11). Zusätzlich zu den psychischen Symptomen sind körperliche Beschwerden (7) oder exzessives Träumen oder Albträume (4) häufig. Die Symptome zeigen typischerweise einen wellenförmigen Verlauf (7). Bei einem Rezidiv ähneln die Symptome der Grunderkrankung und gehen meist mit weniger körperlichen Beschwerden einher. Nach erneuter Einnahme der abgesetzten Medikamente klingt ein ADS typischerweise innerhalb weniger Tage ab (2, 3, 7).

Ein langsames Ausschleichen des AD über mindestens 4 Wochen oder über Monate kann das Risiko eines ADS möglicherweise reduzieren (4, 7, 11). Die Geschwindigkeit sollte individuell angepasst werden, basierend auf Wirkstoffklasse, Dosierung, Erfahrung des Patienten und Risikofaktoren (Tab. 1) (3). Fluoxetin birgt, aufgrund seiner langen Halbwertszeit, das geringste ADS-Risiko. Bei hohem ADS-Risiko können ein Wechsel zu Fluoxetin vor dem Absetzen eines SSRI oder Venlafaxin und anschliessendes Ausschleichen sinnvoll sein (4, 7). Ein ADS kann jedoch nach dem Ausschleichen von Fluoxetin auch verzögert auftreten (6, 7).

Eine Therapie ist aufgrund der häufig milden und selbstlimitierenden Symptome selten notwendig. Kurzfristig können symptomatisch Benzodiazepine oder nach TZA-Stopp Anticholinergika eingesetzt werden. Bei starken ADS-Symptomen kann das AD wieder gestartet werden (3, 4). Zur Vermeidung von Fehldiagnosen und Übertherapie sollten das ADS frühzeitig thematisiert und ein Therapieplan erstellt werden (2, 4).

Beim Absetzen eines AD in der Behandlung einer unipolaren Depression sollten ein Rezidiv als auch ein ADS frühzeitig erfasst und entsprechende Massnahmen ergriffen werden (12–14). Eine Idee, wie das Absetzen durchgeführt werden könnte, findet sich in Tab. 3.

Dieser Fallbericht betont die Wichtigkeit einer vollständigen Anamnese und Fremdanamnese für die Differenzialdiagnose sowie die Herausforderungen bei Multimorbidität und Polypharmazie. Durch eine frühzeitige und umfassende Anamnese hätten wir das ADS bei unserem Patienten möglicherweise verhindern können.

Eine korrekte Medikamentenanamnese und ein vollständiger Medikationsplan sind essenziell für die Patientensicherheit. Die Stiftung Patientensicherheit schätzt, dass jährlich 20 000 Spitalaufenthalte auf medikamentenbedingte Probleme zurückzuführen sind (15). Insbesondere an Schnittstellen (z. B. Wechsel von ambulant zu stationär) kommt es zu Medikamentenfehlern (15). Ein vollständiger Medikationsplan umfasst verschriebene, alternativmedizinische und nicht verschreibungspflichtige Medikamente sowie unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Allergien. Handschriftliche Pläne erhöhen das Risiko für Medikamentenfehler (16). Die Medikamentenanamnese ist am sichersten, wenn der Plan mit Patienten, Angehörigen und dem Behandlungsteam besprochen und mit der Patientengeschichte abgeglichen wird. Nach Schnittstellenereignissen ist eine zeitnahe Überprüfung sinnvoll. Medikationspläne sollten aktuell gehalten und den Patienten mitgegeben werden. Veraltete Versionen sollten vernichtet werden (17).

Die Polypharmazie, definiert als die Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten, steigert das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von potenziell inadäquater Medikation (PIM). Es sollte regelmässig geprüft werden, ob Medikamente indiziert sind, ihr Nutzen den Schaden überwiegt (18) und ein Deprescribing möglich ist. Deprescribing beschreibt einen systematischen Vorgang zur Medikamentenreduktion. Es erfordert regelmäßige Planbewertung und Identifikation von PIM gemeinsam mit dem Patienten (17). Entscheidungshilfen wie Beers-, Priscus- oder START-/STOP-Listen sowie Online-tools wie acbcalc.com oder medstopper.com unterstützen den Prozess.

Ob Polypharmazie ein eigenständiger Risikofaktor für ein ADS ist, bleibt unklar. Sie könnte jedoch durch vermehrte Medikamenteninteraktionen das Risiko erhöhen. Weitere gezielte Forschung ist erforderlich, um den Einfluss der Polypharmazie auf das Auftreten eines ADS eindeutig zu bestimmen (14).

Abkürzungen
MMS Mini-Mental-Status
UT Uhrentest
GDS Geriatrische Depressionsskala
EKG Elektrokardiogramm
EEG Elektroenzephalographie
MRT Magnetresonanztomographie
ADS antidepressant discontinuation syndrome
cCT Craniale Computertomographie
AD Antidepressivum
TZA Trizyklisches Antidepressivum
DSM-V diagnostic and statistical manual of mental disorders
UAW unerwünschte Arzneimittelwirkung
PIM potenziell inadäquate Medikation
DIA-S Depression-im-Alter-Skala
HAMD Hamilton Depressionsskala
BDI II Beck-Depressions-Inventar II
CSDD Cornell-Skala für Depression bei Demenz

Wann und wo sich der Fall zugetragen hat
2019, Kantonsspital Winterthur, Klinik für Akutgeriatrie

Historie
Manuskript eingegangen: 02.09.2024
Angenommen nach Revision: 23.12.2024

Benjamin Hutter

Medbase Wil
Friedtalweg 18
9500 Wil

benjamin.hutter@medbase.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

– Ein Antidepressiva-Absetzsyndrom tritt in ca. 15 % der Fälle unabhängig des verwendeten Antidepressivums auf.
– Die Symptome, die Symptomdauer und die Symptomintensität sind äusserst variabel, häufig aber meist mild und selbstlimitierend.
– Zur Prophylaxe eines Antidepressiva-Absetzsyndroms ist die Aufklärung der Patienten sowie ein vorsichtiges Ausschleichen sinnvoll.
– Die Indikation von Medikamenten ist stets kritisch zu prüfen. Die Möglichkeit eines Deprescribing sollte regelmässig geprüft werden.

1. Maschke M, et al. Delir und Verwirrtheitszustände inklusive Alkoholentzugsdelir, S1-Leitlinie. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 2020. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-006;letzter Zugriff: 11.06.2024.
2. Fornaro M, Cattaneo CI, De Berardis D, Ressico FV, Martinotti G, Vieta E. Antidepressant discontinuation syndrome: A state-of-the-art clinical review. European Neuropsychopharmacology. 2023;66:1–10.
3. Haddad PM, Anderson IM. Recognising and managing antidepressant discontinuation symptoms. Adv psychiatr treat. 2007;13(6):447–57.
4. Henssler J, Heinz A, Brandt L, Bschor T. Antidepressant Withdrawal and Rebound Phenomena. Deutsches Ärzteblatt international. 2019. www.aerzteblatt.de/10.3238/arztebl.2019.0355; letzter Zugriff 07.04.2024
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7. Horowitz MA, Taylor D. Distinguishing relapse from antidepressant withdrawal: clinical practice and antidepressant discontinuation studies. BJPsych advances. 2022;28(5):297–311.
8. Steinert T, Baier H, Fröscher W, Jandl M. Epileptische Anfälle unter der Behandlung mit Antidepressiva und Neuroleptika. Fortschr Neurol Psychiatr. 2011;79(03):138–43.
9. Hill T, Coupland C, Morriss R, Arthur A, Moore M, Hippisley-Cox J. Antidepressant use and risk of epilepsy and seizures in people aged 20 to 64 years: cohort study using a primary care database. BMC Psychiatry. 2015;15(1):315.
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11. Lee EA, Wong CA, Barrio L, Godoy ER, Hackett D, Thompson N, et al. An Approach to Deprescribe Antidepressants for Depression in Older Adults: Consensus, Multidisciplinary Practice Recommendations. TPJ. 2023;27(2):1–8.
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13. Holsboer-Trachsler E, Hättenschwiler JA, Beck J, Brand S, Hemmeter UM, Keck ME, et al. Erhaltungstherapie und Rezidiv­prophylaxe unipolarer depressiver Störungen. Swiss Med Forum. 2016. doi.emh.ch/smf.2016.02705; letzter Zugriff: 19.08.2024
14. Hatzinger M, Hemmeter U, Hirsbrunner T, Holsboer-Trachsler E, Leyhe T, Mall JF, et al. Empfehlungen für Diagnostik und Therapie der Depression im Alter: Therapy Recommendations for Diagnosis and Treatment of Depression in Old Age. Praxis. 2018;107(3):127–44.
15. Bestmögliche Medikationsanamnese bei Spitaleintritt. 2017. www.youtube.com/watch?v=pIDKgPAfG4o; letzter Zugriff: 08.11.2024
16. FitzGerald RJ. Medication errors: the importance of an accurate drug history. Brit J Clinical Pharma. 2009;67(6):671–5.
17. Kühlein T, Van Der Wardt V, Viniol A. Das Absetzen von Medikamenten. CME. 2022;19(12):8–11.
18. Lee EA, Brettler JW, Kanter MH, Steinberg SG, Khang P, Distasio CC, et al. Refining the Definition of Polypharmacy and Its Link to Disability in Older Adults: Conceptualizing Necessary Polypharmacy, Unnecessary Polypharmacy, and Polypharmacy of Unclear Benefit. TPJ. 2020;24(1):18.212.
19. American Psychiatric Association, American Psychiatric Association, Herausgeber. Diagnostic and statistical manual of mental disorders: DSM-5. 5th ed. Washington, D.C: American Psychiatric Association; 2013. 947 S.