Die etwas andere Embolie

Fallbericht

Ein 79-jähriger Patient wurde aufgrund einer fortgeschrittenen, symptomatischen Coxarthrose zur elektiven Implantation einer Hüftprothese in unser Spital aufgenommen. An relevanten Vorerkrankungen lagen eine arterielle Hypertonie, eine Hypercholesterinämie, ein Vorhofflimmern sowie ein Status nach ischämischem Kleinhirninfarkt links vor zwei Jahren vor. Die Dauermedikation bestand aus Rivaroxaban 20 mg, Valsartan 160 mg und Rosuvastatin 20 mg.

Die Operation verlief am Aufnahmetag planmässig. Dem Patienten wurde eine zementierte Hüfttotalprothese nach vorherigem Einsetzen einer Markraumsperre implantiert.

Unmittelbar nach dem Eingriff zeigte sich der Patient wach, orientiert und gab abgesehen von Hüftschmerzen keine Beschwerden an. In der folgenden Nacht fiel jedoch eine psychomotorische Verlangsamung auf, die weitere neurologische Untersuchung zeigte zudem eine Desorientierung, eine Dysarthrie und ein Absinken im Armhalteversuch rechts (NIHSS: 8 Punkte). Die Vitalparameter waren mit einem Blutdruck von 132/79 mmHg sowie einer Pulsfrequenz von 92/min im Normbereich. Die Sauerstoffsättigung betrug minimal 91 %. In der internistischen Untersuchung fanden sich an den Händen subunguale Hämorrhagien bei sonst unauffälligen Befunden.

Laborchemisch zeigte sich eine Anämie von 9.3g/dl sowie eine milde Thrombozytopenie von 142 × 10⁹/l. Der Blutzucker war mit 5.4 mmol/l normwertig.

Als Ursache der akuten neurologischen Symptome wurde primär ein Schlaganfall bei bekanntem Vorhofflimmern und pausierter oraler Antikoagulation vermutet. Differenzialdiagnostisch standen unter anderem protrahierte medikamentöse Nebenwirkungen nach Vollnarkose oder ein postiktaler Zustand nach möglichem unbeobachtetem Anfall zur Diskussion (Tab. 1).

In der notfallmässigen Schädel-CT mit Angiographie und Perfusion zeigte sich ein normaler Befund ohne Hinweise auf eine intrakranielle Blutung, eine frische Ischämie oder einen Gefässverschluss. Am Folgetag wurde eine erweiterte Diagnostik mit MRT des Kopfes und EEG durchgeführt. Letzteres zeigte ein enzephalopathisches Bild ohne epilepsietypische Potenziale. In der MRT konnten diffuse, im Grosshirn verteilte, punktförmige Ischämien wie auch Mi­kroblutungen nachgewiesen werden (Abb. 1 und Abb. 2). Aufgrund des charakteristischen radiologischen Bildes («starfield pattern») ergab sich der Verdacht auf eine zerebrale Fettembolie. Aufgrund negativer Duke-Kriterien galt eine aufgrund des MRT-Befundes differenzialdiagnostisch evaluierte Endokarditis als unwahrscheinlich. Eine Thorax-CT mit Angiographie schloss eine Lungenembolie oder anderweitige pulmonale Auffälligkeiten aus.

Es erfolgte eine rein supportive Therapie. Abgesehen von einer intensiven physio- und ergotherapeutischen sowie logopädischen Betreuung wurden keine weiteren spezifischen Massnahmen ergriffen. Im Verlauf der nächsten 14 Tage kam es darunter zu einer kompletten Rückbildung der neurologischen Symptome. Am zweiten postoperativen Tag wurde eine prophylaktische Antikoagulation mittels Rivaroxaban 10 mg begonnen. Die ursprüngliche Dosierung von 20 mg wurde am 15. postoperativen Tag wiederaufgenommen.

Diskussion

Eine Fettembolie (FE) beschreibt den Verschluss kleiner Gefässe durch im Blut transportierte Fettpartikel. Dabei sind insbesondere die Präkapillaren und Kapillaren der Lunge betroffen. Gelangen einzelne Fettpartikel durch die Lunge in den arteriellen Kreislauf und verschliessen dort die kleineren Gefässe, etwa in der Niere, der Haut oder im Gehirn, spricht man von einer arteriellen FE. Treten klinische Symptome auf, wird dies als Fettembolie-Syndrom (FES) bezeichnet (1).

Das FES, erstmalig 1861 beschrieben, besteht klassischerweise aus der Trias von akuter respiratorischer Insuffizienz, zerebraler Dysfunktion und Petechien. Hauptsächlich tritt das FES im Zusammenhang mit Frakturen langer Knochen, insbesondere des Femurs oder des Beckens, auf.
Die Inzidenz einer asymptomatischen FE liegt bei Traumapatienten bei bis zu 90 %, während die Inzidenz eines FES bei Patienten mit einer Fraktur eines langen Knochens zwischen 0.5 und 2 % variiert. Bei multiplen Knochenfrakturen steigt sie auf 5–10 %. Die Mortalität liegt in diesen Fällen zwischen 1 und 20 % (1, 2, 3), wobei bei Patienten, welche Symptome innerhalb der ersten zwölf Stunden nach dem auslösenden Ereignis entwickeln, eine deutlich höhere Mortalität besteht. Ein milderer Verlauf wird entsprechend beschrieben, wenn sich die Symptome erst nach 24 bis 72 Stunden entwickeln (3).

Die Pathogenese der Fettembolisation bzw. des Fettembolie-Syndroms ist nicht vollständig geklärt. Es bestehen drei pathophysiologische Theorien, wobei auch eine Kombination daraus möglich ist:

1. Die mechanische Theorie postuliert, dass anlässlich eines Knochentraumas Fett aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf übertritt. Bei einem Trauma grosser Knochen mit höherem Knochenmarkanteil kann es zu Verletzungen oder Abrissen der am Knochen anliegenden Venen kommen. Dadurch können Knochenmarkbestandteile leichter in den Blutkreislauf eindringen. Während orthopädischer Operationen können die Manipulation der Knochen oder das Einbringen von Marknägeln oder Markraumsperren den intramedullären Druck erhöhen, wodurch das Eindringen von intramedullärem Fett in den Kreislauf begünstigt wird.

2. Gemäss einer biochemischen Hypothese kommt es nach einem Trauma zu einer Freisetzung von freien Fettsäuren in Form von Chylomikronen, Low Density Lipoproteinen (LDL) und Liposomen. Durch eine Agglutination mit Akute-Phase-Proteinen kann es zu einer Embolisierung kommen (4, 12).

3. Eine weitere These geht davon aus, dass es bei Frakturen grosser Knochen zu einer Freisetzung von Thromboplastin kommt, wodurch die Aktivierung des Komplementsystems sowie der extrinsischen Koagulationskaskade ausgelöst wird (6).

Eine Fettembolie kann durch Obstruktion pulmonaler Kapillaren respiratorische Symptome hervorrufen. Ist sie ausgeprägt, führt ein Ventilations-Perfusions-Mismatch zu einer ausgeprägten Hypoxämie, welche ein schweres Rechtsherzversagen zur Folge haben kann (4). Darüber hinaus kann eine FE durch eine paradoxe Embolie (z.B. über ein offenes Foramen ovale) oder eine Mikroembolisation in den arteriellen Kreislauf gelangen (5). In einem solchen Fall können neurologische Symptome und Petechien auftreten. Die neurologischen Symptome entstehen vermutlich durch zwei Mechanismen: durch die Obstruktion kleiner cerebraler Arteriolen und durch die zytotoxische Wirkung freigesetzter Fettsäuren, welche eine erhöhte kapilläre Permeabilität und damit einhergehend zerebrale Mikroinfarkte und Mikroblutungen verursachen (6).

Typischerweise manifestiert sich ein FES 24–72 Stunden nach dem auslösenden Trauma. Respiratorische Symptome, beispielsweise Dyspnoe, Tachypnoe und Hypoxämie, sind häufig die ersten klinischen Anzeichen. Eine Hypoxämie tritt bei bis zu 96 % der betroffenen Patienten auf (3). Zusätzlich können neurologische Ausfälle auftreten.

bis hin zu schweren fokalen Ausfällen (7). Im Falle einer primär neurologischen Symptomatik wird von einer zerebralen Fettembolie (ZFE) gesprochen – einer seltenen Form, die etwa 10 % der FE-Fälle ausmacht (8). In einem Drittel der Fälle treten zudem Petechien auf, die durch eine Embolisation kleinerer Hautgefässe ausgelöst werden. Petechien zeigen sich typischerweise 36 Stunden nach dem auslösenden Ereignis und sind nach sieben Tagen in der Regel nicht mehr nachweisbar. Unspezifische Manifestationen des FES können ferner Fieber, Tachykardie oder laborchemische Auffälligkeiten wie eine Thrombozytopenie oder Anämie sein. In den meisten Fällen ist ein FES innerhalb weniger Tage vollständig reversibel (6).

Die Diagnose des FES wird primär klinisch gestellt. Es existieren verschiedene Diagnosekriterien, welche allerdings nicht validiert oder universell akzeptiert sind (9) (10). Die Gurd-Kriterien, die später von Wilson modifiziert wurden, werden am häufigsten verwendet (Tab. 2). Für die Diagnose eines FES müssen entweder zwei Hauptkriterien oder ein Haupt- und vier Nebenkriterien erfüllt sein (7, 11). Obwohl die Diagnose primär klinisch gestellt wird, können bildgebende Verfahren, insbesondere beim ZFE, eine wertvolle Unterstützung bieten.

fusionsgewichteten Sequenzen der Nachweis eines «starfield pattern», welches durch multiple kleine, nicht konfluierende, hyperintense Läsionen gekennzeichnet ist (Abb. 1)(12). Das «starfield pattern», erstmalig 2001 von Parizel et al. beschrieben, ist als unspezifisch charakterisiert und ein Zeichen von diffusen, subkortikalen Mikroembolien (13). Ein wichtiges Zusatzkriterium sind subkortikale Mikroblutungen in den SWI- und T2-Sequenzen, welche ebenfalls diffus verteilt auftreten und eine einheitliche Grösse haben (Abb. 2). Typischerweise liegen diese in einem «walnut kernel pattern» vor (14). Laborchemische Untersuchungen sowie Sputum- oder Urinanalysen zum Nachweis von Fettpartikeln gelten hingegen als unspezifisch. Da die oben genannten diagnostischen Kriterien vor der Einführung der MRT entwickelt wurden, ist die MRT in den bisherigen Kriterien noch nicht als wichtiges diagnostisches Mittel verankert.

Die Therapie des FES erfolgt symptomorientiert. Im Vordergrund stehen eine adäquate Oxygenierung, Stabilisierung der Hämodynamik und Volumensubstitution (7, 12). Als mögliche weitere Therapie wird der Einsatz von Kortikosteroiden diskutiert, welche durch eine Stabilisierung der pulmonalen Kapillarmembran, die Unterbindung einer Entzündungsreaktion und die Verzögerung einer Plättchenadhäsion ein FES verhindern sollen. Eine Metaanalyse, die 389 Patienten aus sechs Studien einschloss, zeigte, dass die Gabe von Kortikosteroiden das Risiko eines FES um 80 % reduzieren konnte. Einflüsse auf die Mortalität konnten hingegen nicht nachgewiesen werden (1, 15). Die Anwendung von Kortikosteroiden ist weiterhin umstritten, da sie insbesondere die Erhöhung des Infektionsrisikos bedingen kann (16). Sonstige medikamentöse Massnahmen, etwa die Gabe von Heparin, Albumin oder Aspirin, zeigten in den Studien keinen nachweisbaren Nutzen.
Wichtige präventive Massnahmen zur Vermeidung eines FES umfassen die frühzeitige Reponierung von Frakturen sowie die Begrenzung des intraossären Drucks während orthopädischer Eingriffe.

Zusammenfassend hat es sich bei dem beschriebenen Patientenfall um eine isolierte zerebrale Fettembolie gehandelt, da die Kriterien für eine FES letztlich nicht eindeutig erfüllt waren. Die Diagnose der ZFE wurde im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang mit der OP sowie der MRT-Bildgebung gestellt.

Abkürzungen:
CT Computertomographie
EEG Elektroenzephalogramm
FE Fettembolie
FES Fettembolie-Syndrom
LDL Low Density Lipoprotein
MRT Magnetresonanztomographie
NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale
ZFE Zerebrale Fettembolie

Historie
Manuskript eingegangen: 05.11.2024
Angenommen nach Revision: 22.01.2025

Sebastian Axmann

Klinik für Allgemeine Innere Medizin
Spitäler Schaffhausen
Geissbergstrasse 81
8208 Schaffhausen

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Fettembolien können nach Traumen oder nach orthopädischen Operationen auftreten und sind meistens asymptomatisch. Wichtig ist jedoch, im Falle einer akuten neurologischen Verschlechterung nach Frakturen grosser Knochen oder orthopädischen Eingriffen differenzial­diagnostisch an ein Fettembolie-Syndrom zu denken.
• Das Fettembolie-Syndrom wird durch die Trias von respiratorischen und neurologischen Symptomen sowie Petechien definiert. Meist treten die Symptome 24–72 Stunden nach dem auslösenden Ereignis auf. Die Diagnose wird primär klinisch gestellt, wobei die Bildgebung wertvolle diagnostische Unterstützung bietet.
• Die Pathogenese des Fettembolie-Syndroms ist vermutlich multifaktoriell mit mechanischen, biochemischen und gerinnungsbeeinflussenden Faktoren.
• Eine ursächliche Behandlung existiert nicht, die Therapie erfolgt supportiv. Als präventive Massnahmen werden eine zügige operative Versorgung von Frakturen sowie eine Limitierung des intraossären Drucks bei orthopädischen Eingriffen empfohlen.

1. C. Forster, M. Jöhr und J.-O. Gebbers, «Fettembolie und Fettembolie-Syndrom,» Schweiz Med Forum Nr. 28, pp. 673-678, 2002.
2. P. D. Stein, A. Y. Yaekoub, F. Matta und M. Kleerekoper, «Fat embolism syndrome,» American journal of the medical sciences, 336(6), pp. 472-477, 2008.
3. E. M. Bulger, D. G. Smith, R. v. Maier und G. J. Jurkovich, «Fat embolism syndrom; a 10-Year review background,» The archives of surgery; 132 (4), pp. 435-439, 1997.
4. A. Pell, D. Hughes, J. Keating, J. Christie, A. Busuttil und G. Sutherland, «Brief report: fulminating fat embolism syndrome caused by paradoxical embolism through a patent foramen ovale,» New england journal of medicine; 329 (13), pp. 926-929, 1993.
5. C. A. Sulek, L. K. Davies, F. Kayser Enneking, P. A. Gearen und E. B. Lobato, «Cerebral microembolism diagnosed by transcranial doppler during total knee arthoplasty, correlation with transesophageal echocardiography,» Anesthesiology; 91 (3), pp. 672-676, 1999.
6. D. Sethi, S. Kajal und A. Saxena, «Neuroimaging findings in a case of cerebral fat embolism syndrome with delayed recovery,» Indian Journal of critical care medicine; 19(11), pp. 674-677, 2015.
7. R. Saigal, M. Mittal, A. Kansal, Y. Singh, P. R. Kolar und S. Jain, «Fat embolism syndrom,» Journal of the association of physicians of india, pp. 245-249, 2008.
8. C. Couturier, G. Dupont, F. Vassal, C. Boutet und J. Morel, «Effectiveness of decompressive hemicraniectomy to treat a life-threatening cerebral fat embolism,» Case reports in critical care, 2019.
9. S. A. Schonfeld, R. Ploysongsang und J. D. e. a. Dilisio, «Fat embolism prophylaxis with corticosteroids, a prospective study in high-risk patients,» Annals of internal medicine, pp. 438-443, 1983.
10. B. Lindeque, H. Schoeman, G. Dommisse, M. Boeyens und A. Vlok, «Fat embolism and the fat embolism syndrome. A double-blind therapeutic study.,» The journal of bone and joint surgery; 69(1), pp. 128-131, 1987 .
11. M. Kwiatt und M. Seamon, «Fat embolism syndrome,» International journal of critical illness and injury science; 3(1) , pp. 64-68, 2013.
12. P. Wöhler, B. Hirl und W. Kellermann, «Kasuistik – Zerebrales Fettemboliesyndrom nach beidseitiger Oberschenkelfraktur,» Anasthesiologie Intensivmedizin Notfallmedizin Schmerztherapie; 48(5), p. 300–302, 2013.
13. K. H. Kuo, Y. J. Pan, Y. J. Lai, W. K. Cheung, F. C. Chang und J. Jarosz, «Dynamic MR imaging patterns of cerebral fat embolism: A systematic review with illustrative cases,» American Journal of Neuroradiology, p. pp. 1052–1057, 2014.
14. O. Giyab, B. Balogh, P. Bogner, O. Gergely und A. Tóth, «Microbleeds show a characteristic distribution in cerebral fat embolism.,» Insights into Imaging, pp. 1-12, 2021.
15. S. Bederman, M. Bhandari, M. McKee und E. Schemitsch, «Do corticosteroids reduce the risk of fat embolism in patient with long bone fractures? A meta-analysis.,» Canadian journal of surgery; 52 (5), pp. 386-393 , 2009.
16. T. Kubota, T. Ebina, M. Tonosaki, H. Ishihara und A. Matsuki, «Rapid improvement of respiratory symptoms associated with fat embolism by high-dose methylpredonisolone: A case report,» Journal of Anesthesia; 17(3) , p. 186–189, 2003.

Oropouche-Virus nach Kuba-Reise

Anamnese

Ein 75-jähriger Mann stellte sich Ende Juni 2024 mit starken Kopfschmerzen, retrobulbären Augenschmerzen, orthostatischem Schwindel, Appetitlosigkeit, Nausea sowie Müdigkeit und Kraftlosigkeit auf unserer Notfallstation vor. Er berichtete, dass die Beschwerden vor etwa drei Tagen schleichend begonnen hätten. Vor zwei Tagen sei er mit seiner Partnerin von einer Reise aus Kuba zurückgekehrt, er habe sich in der Provinz Santiago de Cuba aufgehalten und sei von vielen Mücken gestochen worden. Zudem habe er vor etwa einer Woche für drei Tage ähnliche Symptome verspürt: Fieber, Nausea mit Emesis und Gliederschmerzen. Da die Symptome auf eine symptomatische Behandlung gut ansprachen, konnte er den Rückflug beschwerdefrei antreten.

Seine Partnerin erfuhr in der Vorwoche ähnliche Symptome (Fieber, Gliederschmerzen, Nausea), weitere Personen im nahen Umfeld sind nicht erkrankt. Die Partnerin des Patienten informierte uns im Verlauf über einen aktuellen Ausbruch des Oropouche-Fiebers in der bereisten Region in Kuba.

Nebendiagnostisch seien ein intermittierendes Vorhofflimmern und eine Prostatahyperplasie bekannt, regelmässig nehme er ASS Cardio und Tamsulin ein.

Status

Klinisch präsentierte sich der Patient hämodynamisch stabil, subfebril mit 37.5 °C. Er war zu allen Qualitäten orientiert und kooperativ, jedoch objektiv verlangsamt und mit einer Konzentrationsschwäche. Die Herz- und Lungenauskultation ergaben keine pathologischen Befunde. Es bestanden weder Meningismus noch fokal-neurologische Auffälligkeiten. An den Unterschenkeln hatte er viele reizlose Mückenstiche.

Befunde

Laborchemisch bestand bei Eintritt eine Thrombozytopenie 73 10E3/μl (Norm: 150–370 10E3/μl), normale Leukozyten 4.85 10E3/μl (3.6–10.5 10E3/μl), mit tiefen Lymphozyten 0.85 10E3/μl (1.1–4 10E3/μl) bzw. 17.5 % (20–44 %) und prozentual erhöhten Monozyten von 16.7 % (2–9.5 %). Das C-reaktive Protein (CRP) war 1.3mg/l (≤ 5 mg/l), die Alanin-Aminotransferase (ALT) leicht erhöht mit 91 U/l (≤ 35 U/l), die Aspartat-Aminotransferase (AST) normwertig.

In der durchgeführten Lumbalpunktion zeigte sich der Liquor klar mit erhöhten Leukozyten von 36/μl (≤ 5/μl), davon 25/μl mononukleäre und 11/μl polynukleäre. Die Multiplex-PCR-Analyse für neuroinvasive Erreger fiel negativ aus.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Aufgrund der Reiseanamnese veranlassten wir Serologien für das Dengue- (inklusive Dengue-NS1-Antigen), Zika- und Chikungunya-Virus. Kuba gilt als malariafrei. Für eine spezifische rt-PCR-Untersuchung auf das Oropouche-Virus wurde EDTA-Blut und Liquor an die Virologie des Unispitals Genf (HUG) gesandt.

Verlauf

Auf der Notfallstation begannen wir mit einer symptomatischen und empirischen intravenösen antibiotischen Therapie mit Amoxicillin und Ceftriaxon. Das Amoxicillin sistierten wir nach Erhalt des negativen Befundes für Listerien in der Multiplex-PCR aus dem Liquor. Nach Erhalt der positiven PCR-Serologie für das Oropouche-Virus am dritten Hospitalisationstag sistierten wir noch vor Erhalt des negativen Liquor-Serum-Indexes für Borrelien auch die Therapie mit Ceftriaxon. Im Verlauf bestätigte sich das Oropouche-Virus ebenfalls im Liquor. Die weitere
Behandlung erfolgte symptomatisch.

Bis zum Austritt persistierten Kopfschmerzen, eine starke Müdigkeit und rezidivierende Fieberschübe bis 38.5 °C. Die neurologischen Untersuchungen waren weitgehend unauffällig. Wegen passagerer Wortfindungsstörungen wurde eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels veranlasst, welche keine entzündlichen Veränderungen meningoenzephal und keine akute Ischämie zeigte. Die Thrombopenie persistierte bis zum Spitalaustritt, mit leicht steigender Tendenz auf 88 10E3/μl (150–370 10E3/μl). Bei anhaltender Erschöpfung wurde eine Neurorehabilitation aufgegleist, wobei sich der Patient gut erholen konnte. Zehn Tage nach dessen Austritt berichtete der Patient subjektiv, ca. 80 % der vorbestehenden Leistungsfähigkeit wiedererlangt zu haben.

Detaillierte Diagnose

Unseres Wissens ist es der erste gemeldete Fall einer Oropouche-Virus-Infektion in der Schweiz. Zwei weitere Fälle wurden Ende Mai / Anfang Juni 2024 in Italien bei Reiserückkehrern aus Kuba diagnostiziert (1). Gern unterstreichen wir die Wichtigkeit der Reiseanamnese sowie das Verbreitungsgebiet des Oropouche-Virus auf Mittel-/Südamerika, Kuba und andere karibische Länder auszuweiten.

Das Oropouche-Virus wird durch Mückenstiche auf den Menschen übertragen. Am 27. Mai 2024 meldete das Gesundheitsministerium Kubas Ausbrüche des Oropouche-Virus-Fiebers in zwei Provinzen: Santiago de Cuba und Cienfuegos (Abb. 1) (2). Das Virus ist in vielen südamerikanischen Ländern, sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten, endemisch. Periodische Ausbrüche werden in Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Französisch-Guayana, Panama, Peru und Trinidad und Tobago gemeldet (Abb. 2) (3).

Die Inkubationszeit der Oropouche-Virus-Infektion beträgt nach dem infektiösen Stich zwischen drei und zehn Tagen. Die Krankheit äussert sich meistens durch Fieber, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, seltener mit anhaltender Übelkeit und Erbrechen, einem Hautausschlag und dauert in der Regel drei bis sechs Tage. Ein Rückfall der Symptome tritt nach sieben bis vierzehn Tagen bei bis zu 60 % der Fälle auf (2, 4, 5). Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) entwickeln bis zu 4 % der Patienten neurologische Symptome wie Meningitis/Enzephalitis nach der initialen fieberhaften Erkrankung (4). Die genauen Mechanismen des biphasischen Verlaufs sind noch nicht vollständig verstanden. Einerseits könnte das Oropouche-Virus in immunprivilegierten Geweben oder solchen mit schlechter Virusclearance persistieren und eine zweite Freisetzung von Viruspartikeln bewirken. Ferner könnte eine überschiessende Reaktion der entzündungsfördernden Zytokine die zweite Krankheitsphase auslösen.

Die klinische Diagnose des Oropouche-Fiebers ist aufgrund der Ähnlichkeit der Krankheitssymptome, die durch andere mückenübertragene Viren wie Dengue, Zika und Chikungunya verursacht werden, nicht möglich. Der Nachweis des Virus kann in Serumproben während der ersten Infektionswoche erfolgen. Das Virus lässt sich in den ersten Tagen der Infektion leicht kultivieren und wird in der Regel nach dem fünften Tag nicht mehr nachgewiesen. Allerdings kann virale RNA noch einige Tage lang nachgewiesen werden, nachdem das Virus nicht mehr vorhanden ist. Gegen Ende der ersten Krankheitswoche bilden sich IgM-Antikörper, gefolgt von IgG-Antikörpern. Wobei es unseres Wissens nach zurzeit keine kommerzielle Serologie gibt. Ebenso gibt es keine spezifische antivirale Behandlung oder Impfung zur Verhinderung der Oropouche-Virus-Infektion (4, 5).

Abkürzungen:
ALT Alanin-Aminotransferase
ASS Acetylsalicylsäure
AST Aspartat-Aminotransferase
CRP C-reaktives Protein
EDTA Ethylendiamintetraazetat
HUG Hôpitaux Universitaire Genève
MRT Magnetresonanztomographie
(rt-)PCR (Reverse Transkriptase) polymerase chain reaction

Historie
Manuskript eingegangen: 02.09.2024
Angenommen nach Revision: 26.02.2025

Danksagung
Wir bedanken uns bei PD Dr. med. A. Neumayr, Leiter des Zentrums für Tropen- und Reisemedizin Basel, für die akademische Unterstützung sowie bei Alissa Schneller und Riccarda Capaul des Zentrallabors des KSGRs sowie Dr. Francisco Perez Rodriguez der Virologie des Unispitals Genf für deren Unterstützung bezüglich des Oropouche-Nachweises für den ersten Schweizer Fall.

PD Dr. med. Alexia Cusini

Leitende Ärztin für Infektiologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

alexia.cusini@ksgr.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Eine Infektion mit dem Oropouche-Virus präsentiert sich mir Fieber/Schüttelfrost, häufig retrobulbären Kopfschmerzen, Muskel-/Gliederschmerzen und mittels Exanthem oder Nausea/Emesis. Etwa die Hälfte der Patienten zeigt nach ein bis zwei Wochen einen zwei­gipfligen Krankheitsverlauf.
• Wir empfehlen, an diese (noch) seltene virale Infektion bei Reiserückkehrern aus den Endemiegebieten mit Fieber zu denken, falls die Diagnostik für die Viren Dengue (Serologie und Dengue-NS1-Antigen) und die Serologie für Zika und Chikungunya negativ ausfällt. Die entsprechende Diagnostik für das Oropouche-Virus erfolgt mittels PCR aus dem Blut. Eine kommerzielle Serologie gibt es zurzeit (noch) nicht.
• Es gibt keine spezifische antivirale Behandlung oder Impfung zur Verhinderung der Oropouche-Virus-Erkrankung.
• Reisende in die Tropen sollen über Präventionsmassnahmen aufgeklärt werden: Mückenschutzmittel und -netze verwenden, helle und langärmlige Kleidung tragen.

1. Castilletti C, Mori A, Matucci A, Ronzoni N, Van Duffel L, Rossini G, et al. Oropouche fever cases diagnosed in Italy in two epidemiologically non-related travellers from Cuba, late May to early June 2024. Euro Surveill. 2024;29(26).
2. World Health Organization. Disease Outbreak News; Oropouche virus disease in Cuba [Internet]. 2024 June 11. Available from: https://www.who.int/emergencies/disease-outbreak-news/item/2024-DON521
3. World Health Organization. Epidemiological alert: Oropouche in the Region of the Americas. Geneva: World Health Organization; 2024 May 9. Available from: https://www.paho.org/en/documents/epidemiological-alert-oropouche-region-americas-9-may-2024
4. Centers for Disease Control and Prevention. Oropouche virus disease: Clinical overview [Internet]. Atlanta (GA): CDC; [cited 2025 Jan 14]. Available from: https://www.cdc.gov/oropouche/hcp/clinical-overview/index.html
5. Zhang Y, Liu X, Wu Z, Feng S, Lu K, Zhu W, et al. Oropouche virus: A neglected global arboviral threat. Virus Res. 2024;341:199318.

Zwei Fallberichte einer seltenen, potenziell reversiblen Enzephalopathie

Fallbeschreibung

Vorgestellt werden zwei Patienten mit unterschiedlichem Verlauf bei rasch fortschreitenden Wesensveränderungen und Demenz.

Fall 1

Ein 69-jähriger Mann litt seit März 2019 an unklaren rezidivierenden Dysästhesien und einer motorischen Beinschwäche links. Eine Magnetresonanztomographie (MRI) mit Angiographie des Neurokraniums zeigte keine Hinweise auf eine Durchblutungsstörung, Ischämie oder Raumforderung. Im Sommer 2019 erfolgte bei einer notfallmässigen Vorstellung aufgrund derselben Symptomatik eine Computertomographie (CT) mit Angiographie. Hier fanden sich weiterhin keine Hinweise auf eine Ischämie, jedoch kam eine mässige, am ehesten mikroangiopathische Leukenzephalopathie zur Darstellung. In der nachfolgenden Elektroenzephalographie (EEG) zeigte sich ein bitemporaler Herdbefund rechtsbetont mit Epilepsie-verdächtigen Einzelpotenzialen. Bei Verdacht auf rezidivierende fokal-epileptische Ereignisse wurde eine anfallssupprimierende Therapie mit Levetiracetam eingeleitet. Zunächst kam es zu keinen erneuten epileptischen Ereignissen. Neu wurde seitens der Ehefrau eine depressive Symptomatik beschrieben. Ein Montreal-Cognitive-Assessment(MoCA-) -Test im Januar 2020 fiel mit 18/30 Punkten pathologisch aus, sodass eine demenzielle Entwicklung vermutet wurde. Die empfohlene neuropsychologische Testung wurde nicht durchgeführt. Im Sommer 2020 wurde der Patient schliesslich bei raschem Fortschreiten der demenziellen Entwicklung und Allgemeinzustandsverschlechterung bei uns auf der neurologischen Station hospitalisiert. In der Lumbalpunktion fanden sich nun neben einer Schrankenstörung eine stark erhöhte Proteinzahl von 3600 mg/l (Normwert: 150–450 mg/l) und eine Erhöhung der Zellzahl von 21 mononukleären Zellen/μl (Normwert: < 4 Zellen/μl). Das Tau-Protein war mit 1266 pg/ml (Normwert: < 445 pg/ml) ebenfalls erhöht und das Beta-Amyloid-Protein mit 282 pg/ml (Normwert: > 375 pg/ml) erniedrigt. Das Phospho-Tau-Protein lag mit 35.5 pg/ml im Normalbereich (Normwert: < 61 g/ml). Diese Konstellation im Liquor mit erhöhtem Tau-Protein und erniedrigtem Beta-Amyloid-Protein kann sowohl für eine Demenzform wie Alzheimer aber auch eine inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (Englisch: cerebral amyloid angiopathy related inflammation; CAA-RI) sprechen. Ein MRI des Neurokraniums mit Kontrastmittel zeigte eine ausgeprägte superfizielle Siderose, eine frische subarachnoidale Sickerblutung und ein Ödem frontal beidseits (Abb. 1). Diese Befunde waren passend für eine CAA-RI. Eine zentrale Manifestation einer systemischen Vaskulitis erschien bei negativen antinukleären Antikörpern (ANA) und antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) unwahrscheinlich. Eine serologische Testung des sauren Gliafaserproteins (Englisch: glial fibrillary acidic protein; GFAP) und der Neurofilament-Leichtketten (NFL) erfolgte nicht. Insgesamt wurde nun die Verdachtsdiagnose einer inflammatorischen cerebralen Amyloidangiopathie gestellt. Eine Steroidstosstherapie mit Methylprednisolon intravenös 1 g/Tag über 5 Tage mit anschliessender Erhaltungsdosis mit Prednisolon von 1 mg/kg Körpergewicht wurde eingeleitet. Hierunter kam es zu keiner signifikanten klinischen Besserung. Im MRI des Neurokraniums mit Kontrastmittel nach 1 Woche konnte noch keine wesentliche Befundänderung dokumentiert werden. Die zuvor in der Liquorpunktion erhöhten Werte waren rückläufig (Proteinzahl 465 mg/l, 12 mononukleäre Zellen/μl).

Es erfolgte ein Übertritt in die neurologische Rehabilitation über 1 Monat. Dort wurde vor allem die antiepileptische und psychiatrische Therapie weiter angepasst. Insgesamt blieb der Patient im Antrieb stark gemindert, selektiv mutistisch und konnte keine Handlungen ohne Handlungsplan durchführen. Der Patient wurde anschliessend bei Verdacht auf ein hypoaktives Delir direkt in die Psychia­trie zur weiteren medikamentösen Einstellung überwiesen. Aufgrund einer akuten Vigilanzminderung, Fieber, Tachykardie und Meningismus wurde er nach 10 Tagen wieder ins Spital überwiesen. Laborbefunde zeigten nun ein isoliert erhöhtes CRP. Im CT-Schädel fand sich eine diskrete akute Subarachnoidalblutung im rechten Temporallappen. Neben einer wieder erhöhten Proteinzahl von 1398 mg/l (Normwert: 150–450 mg/l) war die Liquoruntersuchung inklusive einer Multiplex-PCR (polymerase chain reaction) für Meningitis-Erreger unauffällig. Blutkulturen blieben ohne Wachstum. Entsprechend wurde die auf dem Notfall etablierte antimikrobielle Therapie mit Ceftriaxon und Aciclovir wieder ausgesetzt. Auch ein Therapieversuch mit Levetiracetam, welcher bei Verdacht auf einen nicht konvulsiven Status epilepticus gestartet wurde, zeigte keine Symptombesserung, und die Therapie wurde im Verlauf abgebrochen. Da eine Hochdosis-Steroidtherapie bei der ersten Hospitalisation ohne Besserung auf die rasch fortschreitende demenzielle Entwicklung blieb, wurde auf einen zweiten Zyklus verzichtet.

In Rücksprache mit den Angehörigen wurde bei infauster Prognose schliesslich eine palliative Therapie eingeleitet, und der Patient verstarb auf der Palliativstation am 10. Hospitalisationstag Ende Oktober 2020. Die Autopsie bestätigte schliesslich die Diagnose einer CAA-RI aufgrund einer deutlichen Beteiligung der Gefässe in den Leptomeningen und im Cortex, mit fokal geringer begleitender T-lymphozytärer Entzündungsreaktion sowie zahlreichen kortikalen Infarkten und perivaskulären Mikroblutungen (Abb. 2). Die CAA-RI führte über Gefässverschlüsse zu ­einer diffusen vaskulär-ischämischen Leukenzephalopathie und mehreren frischen und älteren, nicht raumfordernden Subarachnoidalblutungen. Das gesamte Bild sprach für eine CAA-RI und nicht für eine Beta-Amyloid-assoziierte Angiitis (ABRA), welche ein ähnliches histologisches Bild zeigt, jedoch mit ausgeprägter vaskulitischer Komponente und fibrinoiden Gefässwandnekrosen. Es zeigten sich dazu deutliche Alzheimer-assoziierte Veränderungen mit Tau-positiven Neurofibrillendegeneraten und neuritischen Plaques im Hippocampus und Temporal-Cortex und vereinzelt Tangles im frontalen Cortex (Stadium IV nach Braak und Braak, CERAD-3 und ABC-Score A3 B2 C3), dies bei deutlicher äusserer und innerer Hirnatrophie. Zudem fand sich überraschenderweise ein Hämatom der vorderen Bauchwand mit einem Volumen von ca. 1500 ml, und es wurde eine Lobärpneumonie beider Lungen dia­gnostiziert. Ob die Pneumonie ursächlich für die bislang unklare CRP-Erhöhung war oder die Infektion in den letzten Lebenstagen auf der Palliativstation entwickelt wurde, konnte nicht abschliessend geklärt werden. Die Ätiologie des Hämatoms blieb letztlich unklar. Histologisch fanden sich hier keine Hinweise auf eine Gefässmalformation, Amyloidangiopathie oder Vaskulitis. Ein stumpfes Trauma wurde in der aktuellen Hospitalisation nicht beobachtet, der Patient war nicht antikoaguliert, und während der letzten Hospitalisation erfolgten keine Massnahmen abdominal (z. B. Insulin- oder Heparinspritzen). Nicht eruierbar waren mögliche Vorfälle in den vorangehenden Institutionen. Abdominale Blutungen bei Patienten mit CAA-RI wurden bisher nicht als Assoziation beschrieben. Als Todesursache wurde ein kardiopulmonales Versagen aufgrund der Pneumonie sowie Volumenmangel aufgrund des Hämatoms angegeben.

Fall 2

Eine 74-jährige Patientin wurde im Januar 2022 mit seit einigen Wochen fortschreitender Verwirrtheit, Verlangsamung sowie kognitiver Beeinträchtigung aus einem peripheren Spital in unsere Notaufnahme überwiesen. Ausserdem bestand ein progredienter Mutismus, welcher im Rahmen einer Trauersituation nach dem Tod des Ehemannes 1 Monat zuvor aufgrund von Covid-19 angesehen wurde. Die Patientin selbst litt an Covid-19 mit milden Symptomen. Nun zeigte das MRI des Neurokraniums eine ausgedehnte Leukenzephalopathie, ein vasogenes Ödem und mehrere Mikroblutungen (Abb. 3). Die Ergebnisse des Liquors waren negativ für Treponema pallidum und Lyme-Borreliose, ebenso eine Multiplex-PCR für Meningitis-Erreger. Die Immunphänotypisierung im Liquor, welche bei Verdacht auf ein Lymphom durchgeführt wurde, war negativ für B-Zell- und T-Zell-Neoplasien. Eine Bestimmung im Liquor von Beta-Amyloid, Tau-Protein und Phospho-Tau-Protein als Demenzmarker sowie Neurofilament-Leichtketten (NFL) als Marker bei Multipler Sklerose erfolgte nicht. Ebenso wurden die Biomarker GFAP und NFL serologisch nicht untersucht. Es wurde ein EEG angefertigt. Neben moderaten Allgemeinveränderungen und bifrontaler fokaler Verlangsamung fanden sich Epilepsieverdächtige Einzelpotenziale rechtshemisphärisch, welche unter Levetiracetam-Therapie nach 1 Woche abnahmen. Klinisch kam es jedoch noch zu keiner objektivierbaren Verbesserung. Die Patientin erzielte im MoCa-Test 12/30 Punkte, was für eine starke kognitive Beeinträchtigung steht. Schliesslich wurde eine Biopsie des Hirngewebes entnommen. Diese zeigte Veränderungen im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit mit Tau-positiven Neuronen, neurofibrillären Tangles und eine grosse Menge an Beta-Amyloid-Plaques sowie Amyloidablagerungen an den Gefässwänden (Abb. 4). Zusätzlich fanden sich subarachnoidal Zeichen einer wenige Tage alten Einblutung. Aufgrund der perivaskulären Entzündung wurde schliesslich eine cerebrale Amyloidangiopathie-assoziierte Entzündung (CAA-RI) als am wahrscheinlichsten angesehen. Eine Therapie mit Methylprednisolon intravenös 1 g/Tag gefolgt von oralem Prednisolon mit 1 mg/kg Körpergewicht wurde eingeleitet. Nach der Entlassung erfolgte eine stationäre neurologische Rehabilitation. Hier kam es zu einer klinischen Verbesserung mit jedoch relevanten Einschränkungen in Bezug auf die täglichen Routinen und das Kurzzeitgedächtnis. Die Prednisolon-Dosis wurde langsam reduziert.


In den Verlaufskontrollen bis August 2022 nahmen die Ödemareale im MRI des Gehirns weiter ab, und es fanden sich keine neuen Läsionen. Die multiplen Mikroblutungen supratentoriell beidseits und vereinzelt infratentoriell blieben stationär. Klinisch zeigte die Patientin weiter eine Besserung mit weniger anhaltenden Einschränkungen. Im MoCA-Test wurden 3 Monate nach Diagnosestellung und Therapiebeginn 15/30 Punkte und 7 Monate nach Dia­gnose 25/30 Punkte erzielt. Im November 2023 wurde eine neuropsychologische Testung durchgeführt, da die Patientin die Fahrtauglichkeit wieder anstrebte. Hier konnte eine Verbesserung der Grundaktivierung, allerdings aber auch eine relevante Verschlechterung der Aufmerksamkeitsteilung, objektiviert werden. Die kognitiven Defizite umfassten fronto-temporo-parietale Ausfälle, und es bestand ein unveränderter Unterstützungsbedarf im Alltag. Die Fahreignung konnte aus neuropsychologischer Sicht weiterhin nicht bestätigt werden. Auch wurde aufgrund der Befunde des letzten MRI des Gehirns von 2022 von keiner weiteren Regredienz der kognitiven Defizite ausgegangen.

Diagnose und Kommentar

Die inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (CAA-RI) ist eine seltene Erkrankung und potenziell reversibel. Sie gehört zu den cerebralen Amyloidangiopathien (CAA), bei denen es zu einer Ablagerung von Beta-Amyloid-Peptiden in den vorwiegend kleineren cerebralen Arterien kommt (1). Hierdurch entstehen degenerative Veränderungen, Gefässverschlüsse, Mikroaneurysmen, welche schliesslich zu einer diffusen vaskulär-ischämischen Leukenzephalopathie und Hirnblutungen führen. Die CAA ist für ca. 20 % aller intrazerebralen Blutungen verantwortlich (1).

Die Amyloidablagerungen sind bei einem Teil der Patienten mit einer Entzündung der Gefässwand vergesellschaftet, was schliesslich zu einem multifokalen Marklagerödem führt. Insgesamt zeigen diese Veränderungen im MRI ein typisches Bild, welche für die Diagnosestellung einer CAA-RI wesentlich sind. Die Veränderungen lassen sich vor allem in der FLAIR-Sequenz (fluid attenuated inversion recovery) und bei der SWI (Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung) feststellen (2, 3). Dazu gehören Mikroblutungen, eine kortikale superfizielle Siderose und eine asymmetrische fleckförmige oder konfluierende Leukenzephalopathie, welche den angrenzenden Kortex und das subkortikale Marklager miteinbeziehen können. Ebenfalls kann sich als Zeichen der entzündlichen Reaktion ein vasogenes Ödem in der ADC- (apparent diffusion coefficient) Wichtung präsentieren (2, 4, 5). Es wurden die sogenannten modifizierten Boston-Kriterien entwickelt, welche auf eine gute Sensitivität und Spezifität geprüft wurden (6) (Tab. 1) und bei der Diagnosesicherung helfen. Zusätzliche klinische Diagnosekriterien sind ein akuter/subakuter Symptombeginn, Alter über 55 Jahre, Symptome wie Kopfschmerzen, Wesensveränderungen, kognitive Defizite oder fokal neurologische Defizite oder epileptische Anfälle. Andere Ursachen (z. B. infektiös oder paraneoplastisch) müssen ausgeschlossen werden. Sind alle diese Kriterien erfüllt, gilt eine CAA-RI als wahrscheinlich. Zur definitiven Diagnosesicherung wird eine histologische Bestätigung im Rahmen einer Autopsie benötigt, wobei sich neben frischen und alten Ischämien und Einblutungen auch entzündliche, perivaskuläre Veränderungen ohne Gefässbeteiligung finden lassen. Hier kann eine Unterscheidung zur Beta-Amyloid-assoziierten Angiitis (ABRA) gemacht werden, welche ausgeprägtere vaskulitische Veränderungen und fibrinoide Gefässwandnekrosen zeigt. Diese erheblichen Zerstörungen des Hirnparenchyms direkt durch invasive zytotoxische T-Lymphozyten und indirekt durch vaskulitische oder begleitthrombotische Gefässverschlüsse bedingen eine stärkere Immunsuppression als bei der CAA-RI. Teils wird in der Literatur jedoch die ABRA synonym zur CAA-RI genannt. Ob eine Histologie zur Diagnosestellung einer CAA-RI immer zwingend ist, steht aktuell immer noch zur Diskussion. Eine genaue Diagnose hat jedoch teils therapeutische Konsequenzen. Vor allem bei fehlendem Therapieansprechen sollte eine Biopsie angestrebt werden.

Männer und Frauen sind etwa gleich häufig von einer CAA-RI betroffen (7). Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei ca. 67 Jahren. Tritt die Erkrankung bei jüngeren Personen auf, kann eine seltene familiäre Form einer CAA-RI in Betracht gezogen werden (8). Es werden monophasische, schubförmige und primär progrediente Verlaufsformen beschrieben. Über 70 % der Patienten mit CAA-RI sind homozygot für das Apolipoprotein-E-ε4-Allel (ApoE-ε4), jedoch nur < 5 % der Patienten mit CAA (7, 9, 10). ApoE-ε4 ist ebenfalls assoziiert mit der Alzheimer-Erkrankung. Eine Überlappung von Alzheimer mit CAA-RI wird auch in Autopsiestudien beschrieben. Typischerweise sind bei der CAA-RI die Proteine und Zellzahl im Liquor erhöht, das Beta-Amyloid ist erniedrigt.

Differenzialdiagnostisch zur CAA-RI sind neben der ABRA und der primären ZNS-Angiitis (primary angiitis of the central nervous system; PACNS) unter anderem das posteriore reversible Enzephalopathie-Syndrom (PRES), eine progrediente multifokale Leukenzephalopathie (PML), Neurosarkoidose, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit oder eine Herpes-simplex-Enzephalitis zu nennen (11–13). Zunehmend häufiger werden Autoimmunenzephalitiden diagnostiziert, welche ebenfalls einen subakuten kognitiven Abbau, eine langsame Bewusstseinstrübung und epileptische Anfälle zeigen können. Weitere gut behandelbare und daher relevante Differenzialdiagnosen sind die Steroid-responsive Enzephalopathie assoziiert mit autoimmuner Thyroiditis (SREAT, Hashimoto-Enzephalopathie), eine Riesenzellarteriitis und die superfizielle Siderose des Zentralnervensystems (14–16).

Die CAA-RI zeigt ein gutes Ansprechen auf Kortikosteroide, worunter es zu einer klinischen Besserung und Regredienz der radiologischen Befunde kommt. Am geringsten kommt es zu einer Verbesserung der kognitiven Symptome. Die rechtzeitige und frühe Therapieeinleitung ist essenziell, um ein möglichst gutes Outcome zu erreichen. Bei Nichtansprechen auf die Steroidtherapie oder bei einer Progression oder Rezidiv (ca. 25 % der Fälle [7]) wurden teils erfolgreich auch andere immunsuppressive Therapien (z. B. Methotrexat, Cyclophosphamid, Immunglobuline) eingesetzt (13, 17). Die Therapiedauer mit einem langsamen Ausschleichen der Kortikosteroide ist eine Einzelfallentscheidung und vom Verlauf abhängig.

Die Diagnose einer CAA-RI gestaltet sich aufgrund des unterschiedlichen, wenig spezifischen klinischen Bildes oft als sehr schwierig. Bei entsprechenden Symptomen soll aber auch an eine CAA-RI gedacht werden und entsprechend die weitere Diagnostik verfolgt werden. Wichtige Säulen bilden das MRI und, sofern möglich, die Histologie.

Dipl. med. Dominik Imhoff

Medizinisches Zentrum gleis d
Gürtelstrasse 46
7000 Chur

d.imhoff@mez-chur.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die inflammatorische cerebrale Amyloidangiopathie (CAA-RI) ist eine seltene und potenziell reversible Erkrankung, welche sich klinisch in rasch progredienten Wesensveränderungen, Kopfschmerzen, kognitiven Defiziten und epileptischen Anfällen zeigt.
• Multiple, auf lobäre, kortikale oder kortikosubkortikale Regionen beschränkte Blutungen im MRI oder der CT des Neurokraniums oder auch in einer Hirnbiopsie erhärten die Verdachtsdiagnose einer CAA-RI.
• Zur Diagnosebestätigung wird eine vollständige Obduktion benötigt.
• Eine rechtzeitige Therapieeinleitung ist essenziell, um ein gutes Ansprechen zu erreichen, wobei primär Kortikosteroide das Mittel der Wahl sind.

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Fieber und Panzytopenie – nicht immer ein Fall für die Onkologie

Anamnese und Befunde

Wir berichten über einen 68-jährigen Patienten mit Fieber bis 40 °C, Nachtschweiss, Inappetenz und Nausea ohne Emesis seit 10 Tagen. Der Patient war zuvor von einem Aufenthalt in Salerno (Süditalien) zurückgekehrt. Er besuchte dort immer wieder seine Mutter. Der Patient unternahm dort keine speziellen Aktivitäten ausserhalb des Alltags, eine Exposition zu Tieren oder Insektenstiche waren nicht erinnerlich.

Initial zeigte sich ein kardiopulmonal stabiler Patient in reduziertem Allgemeinzustand. Klinsch präsentierte sich ein febriler Patient ohne objektivierbare kardiopulmonale oder abdominelle Auffälligkeiten. Laboranalytisch konnte eine leichte Panzytopenie mit deutlich erhöhtem CRP nachgewiesen werden (Tab. 1a). Bei persistierendem Fieber, zervikaler Lymphadenopathie und unklarem Infektfokus erfolgte eine CT des Halses/Thorax/Abdomens zur Suche nach Infektfokus, neoplasieverdächtiger Raumforderung und pathologischen Lymphknoten. Diese zeigte eine zervikale Lymphadenopathie und eine Splenomegalie ohne weitere pathologische Befunde. Bei unklarem Infektfokus erfolgte initial eine empirische antimikrobielle Therapie mit Co-Amoxicillin und Valacyclovir.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Fieber und Panzytopenie erfordern eine umfassende Abklärung, da sie auf bakterielle, virale oder parasitäre Infektionen, hämatologische Erkrankungen wie aplastische Anämie, Myelodysplastisches Syndrom oder Leukämie, Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder maligne Knochenmarkinfiltrationen hinweisen können. Auch medikamentöse Ursachen müssen differenzialdiagnostisch miteinbezogen werden.

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

In der serologischen Diagnostik gelang ein Ausschluss von HIV, viralen Hepatitiden, CMV, EBV, der nasopharyngeale Abstrich auf SARS-CoV-2 und Influenza war negativ. In den Blutkulturen gelang kein Keimnachweis. Mittels Immunfixation konnte eine monoklonale Gammopathie ausgeschlossen werden. Im mikroskopischen Differenzial-blutbild am Eintrittstag wurden in den Monozyten keine Leishmanien beschrieben, im zur Anreicherung hergestellten «Dicken Tropfen» gelang ebenfalls kein Nachweis von Malaria oder anderen Parasiten. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Progredienz der Panzytopenie mit laboranalytischen Zeichen einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) (sinkende Thrombozyten und Fibrinogen, erhöhte D-Dimere) sowie einem Anstieg des CRP, Ne­opterins und Interleukin-2-Rezeptors (sIL-2 Rezeptor). In der erweiterten infektiologischen Diagnostik konnten HSV, Parvovirus, Rickettsien und Francisella tularensis ausgeschlossen werden. Die Leishmanien-Serologie war hingegen positiv. Zeitgleich erfolgte aufgrund der Progredienz der Panzytopenie eine Knochenmarkbiopsie 5 Tage nach Eintritt. Hier konnte kein klarer Nachweis auf einen lymphoproliferativen Prozess oder eine Plasmazell-Dyskrasie gefunden werden. Stattdessen zeigten sich phagozytierende Histiozyten mit intrazytoplasmatischen Strukturen, verdächtig auf eine Leishmaniose (Abb. 1). Die qPCR für Leishmania sp. aus Blut und Knochenmark war positiv. Die Sequenzierung des Mini-Exon-Gens identifizierte den Erreger als Vertreter des L. donovani-/L. infatum-Komplexes (Tab. 1b).

Diagnose

Bei passender Klink (Fieber, AZ-Reduktion), Epidemiologie (Aufenthalt in Salerno), Labor (Panzytopenie, Hämophagozytose, erhöhtes Neopterin), radiologischen Befunden (Splenomegalie) sowie positiver Leishmanien-Serologie und mikroskopischem und molekularem Nachweis von Leishmanien im Knochenmarkaspirat waren die Beschwerden des Patienten im Rahmen einer viszeralen Leishmaniose erklärt.

Bei erhöhtem löslichem Interleukin-2-Rezeptor (sIL-2- Rez.) und Hyperferritinämie waren zusätzlich die laboranalytischen Kriterien für ein Makrophagenaktivierungssyndrom (MAS) erfüllt.

Kommentar

Die Tropenkrankheit Leishmaniose, eine parasitäre Infektionskrankheit, stellt auch im 21. Jahrhundert weiterhin eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Die Leishmaniose ist besonders in Mittelamerika, West- und Südostasien sowie in Nord- und Ostafrika vertreten (1). In Europa ist die viszerale Leishmaniose (VL) eher sporadisch und hauptsächlich im Mittelmeerraum verbreitet mit Vorkommen insbesondere in Italien, Spanien und Griechenland (2). 2022 wurden der WHO aus der Schweiz 8 allochthone Fälle gemeldet (1), die Erkrankung ist allerdings nicht meldepflichtig. Bei der VL handelt es sich um eine disseminierte Form der Leishmaniose. Die Leishmaniose selbst ist eine parasitäre Infektionskrankheit ausgelöst durch Protozoen der Gattung Leishmania (3).

Bei immunkompetenten Patienten verursachen Leishmania donovani und Leishmania infantum die viszerale Form der Leishmaniose (4). Als Vektor dient die weibliche Sandmücke (Phlebotominae), die Übertragung erfolgt über ihren Stich (3). Patienten präsentieren meist Fieber, Gewichtsverlust, Diarrhoe und eine Hepatosplenomegalie. Eine Lymphadenopathie in Zusammenhang mit VL ist selten in Gebieten ausserhalb von Ostafrika und hat daher, bei Ansteckungen innerhalb Europas, meist keine klinische Relevanz (5). Laboranalytisch zeigt sich typischerweise die Reduktion einzelner Zelllinien im peripheren Blut oder eine Panzytopenie (6).

Derzeit wird davon ausgegangen, dass nach der Übertragung L. infantum und L. donovani über die Haut in Lymphknoten einwandern und von dort in Milz, Knochenmark und Leber vordringen. Überwindet der Parasit die Immunabwehr, folgt eine Anpassung der Immunantwort an die Bedürfnisse des Parasiten inklusive der Hochregulierung von Makrophagen, die Erkrankung bricht aus (3). Im Rahmen der Hochregulierung von Makrophagen kommt es zu einem Anstieg von Neopterin (7).

Das MAS ist eine akute, generalisierte Entzündungsreaktion. Ein MAS kann z. B. im Rahmen rheumatologischer Erkrankungen oder als Komplikation von Infektionen (parasitär, viral, bakteriell) auftreten (8, 9). Pathophysiologisch betrachtet liegt eine verminderte Aktivität der Killerzellen und Perforin vor. Dies führt zu einer übermässigen Aktivierung von Lymphozyten mit der Ausschüttung von INF‑γ- und Granulocyte-Macrophage-Colony-Stimulating-Factor (GM-CSF). Es kommt zu einer unkontrollierten Aktivierung und Proliferation von Makrophagen (9). Derzeit besteht noch kein internationaler Konsens bezüglich Diagnosekriterien für das MAS. Davi et al. benennen die 9 häufigsten klinischen, laboranalytischen und histopathologischen Merkmale des MAS wie folgt: fallende Thrombozytenzahl, Hyperferritinämie, Makrophagen-Hämophagozytose im Knochenmark, Transaminasenerhöhung, fallende Leukozytenzahl, Fieber > 38 °C, fallende BSG, Hypofibrinogenämie, Hypertriglyceridämie (10). Als weniger häufig wird ein Anstieg des sIL-2-Rez. genannt.

Im hier vorgestellten Fall präsentierte der Patient bei beiden Krankheitsbildern beschriebene Merkmale. Passend zur Diagnose des MAS zeigten sich eine Erhöhung des sIL-2-Rez. sowie eine Hypofibrinogenämie und Hyperferritinämie. Bei zusätzlichem Nachweis von Leishmanien im Knochenmark und Leishmania-DNA und IgG mit erhöhtem Neopterin waren aus unserer Sicht die Diagnosekriterien für sowohl MAS als auch VL erfüllt. Aus Sicht der Autoren sollte die Diagnose einer (viszeralen) Leishmaniose bei Fieber, Gewichtsverlust, Hepatosplenomegalie, Panzytopenie und Aufenthalt in einem Endemiegebiet in Betracht gezogen werden. Zur Diagnostik ist in der Schweiz eine PCR Goldstandard, die Serologie ist hauptsächlich in wenig entwickelten Ländern mit hoher Prävalenz wichtig, da Sensitivität und Spezifität mit steigender Prävalenz ebenfalls zunehmen (11). Im peripheren Blutausstrich sind nur selten Amastigoten zu sehen, weshalb dieser im Alltag zur Diagnostik einer Leishmaniose keine Relevanz hat (5).
Die Therapie der VL hängt von der Region ab, in der die Infektion erworben wurde. Derzeit ist liposomales Amphotericin B die empfohlene Erstlinientherapie basierend auf Daten verschiedener Endemiegebiete weltweit (4). Die Dosierung und Therapiedauer variieren gemäss Endemiegebiet und Immunstatus. Bei unserem Patienten erfolgte die Gabe von 3 mg/kg KG liposomales Amphotericin B an den Tagen 1–5, 14 und 21 (12). Eine Kostengutsprache zur Verschreibung von Amphotericin B, auch im ambulanten Setting, ist nicht notwendig. Gemäss der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit darf die Erstverschreibung allerdings nur durch eine/einen Fachärzt/-in Infektiologie oder Hämatologie erfolgen (13).

Die Therapie des MAS basiert zum grössten Teil auf der hoch dosierten, intravenösen Gabe von Steroiden. Etoposide wird in der Literatur ebenfalls als Therapieoption diskutiert (14, 15). Unser Patient erhielt Steroide und Etoposide 300 mg i.v. zweimalig im Abstand von 4 Tagen. Aufgrund der Steroidtherapie erfolgte eine Pneumocystis-jiro­ve-
­­cii-Prophylaxe mit Trimethoprim/Sulfamethoxazol.

In den darauffolgenden ambulanten Verlaufskontrollen zeigten sich eine stetige Besserung des Allgemeinzustands des Patienten sowie ein kontinuierlicher Abfall der Antikörper mit zudem negativer PCR. Generell wird der Behandlungserfolg anhand klinischer Verlaufskontrollen über 12 Monate überprüft. Es sollte sich eine Besserung des klinischen Bildes mit z. B. Gewichtszunahme, Rückgang der Hepatosplenomegalie und Abklingen des Fiebers zeigen. Ein Zeitfenster von 12 Monaten sollte eingehalten werden, da die meisten Rückfälle innerhalb von 6–12 Monaten auftreten (16). Der Verlauf der Serologie hat keinen prognostischen Wert und wurde in diesem Fall aus Inte­resse bestimmt.

Fälle wie dieser zeigen, wie schwierig die Diagnosestellung von VL und MAS, insbesondere in Kombination, ist. Speziell bei Patienten, die nicht in Endemiegebieten leben. Verzögerte Diagnosestellung und Therapie verschlechtern die Prognose bei ohnehin deutlich erhöhtem Mortalitätsrisiko beider für sich genommenen Erkrankungen.

Historie
Manuskript eingereicht. 24.09.2024
Manuskript angenommen: 04.11.2024

Stephanie Kirch

Stadtspital Zürich Waid
Klinik für Innere Medizin
Tièchestrasse 99, 8037 Zürich

stephanie.kirch@gmx.net

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Unspezifische klinische, laboranalytische und histopathologische Merkmale, Seltenheit und ähnliche Präsentation der VL und des MAS erschweren die Diagnostik.
• Eine schnellstmögliche Diagnosestellung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung bei hohem Mortalitätsrisiko.

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Das VEXAS-Syndrom – ein Chamäleon der entzündlichen Syndrome

Anamnese und Status

Ein 72-jähriger Patient wird aufgrund von Anämie und rezidivierenden orbitalen Entzündungen in unser Ambulatorium zur weiteren Abklärung zugewiesen. Nach einer initialen Blepharokonjunktivitis kam es im selben Monat zu einer bilateralen periorbitalen Zellulitis mit einer Begleitkonjunktivitis, welche antibiotisch behandelt wurde. Circa fünf Monate später erfolgte aufgrund einer Orbitaphlegmone des linken Auges eine erneute antibiotische Behandlung. Trotz des vorübergehenden Ansprechens auf Antibiotika trat ein Rezidiv rechtsseitig auf.

Bereits seit dem ersten Spitalaufenthalt wurde eine milde Anämie festgestellt. In der erweiterten Anamnese berichtete der Patient über einen Gewichtsverlust von 20 kg innerhalb der letzten sechs Monaten. Ferner wurde er aufgrund anhaltenden Fiebers über zwei Wochen in einem anderen Spital etwa sechs Monate zuvor hospitalisiert. Alle bildgebenden Verfahren sowie serologischen Untersuchungen lieferten keine wegweisenden Ergebnisse, und die Symptome besserten sich spontan. Der Patient leidet an arterieller Hypertonie sowie an einer substituierten Hypothyreose. Hinsichtlich Noxen bestand ein sistierter Nikotinkonsum mit fünf pack years, kein Alkohol- oder Drogenkonsum. Eine Koloskopie zur Krebsvorsorge, die vier Jahre zuvor durchgeführt wurde, ergab unauffällige Befunde. Die Familienanamnese war unauffällig. Zum Zeitpunkt der Überweisung war sowohl der internistische als auch der neurologische Status unauffällig.

Befunde

Im Hämatogramm fielen eine milde hyporegenerative normochrome und normozytäre Anämie (Hämoglobinwerte zwischen 110 g/l und 129 g/l), eine milde Thrombozytopenie (Thrombozyten 100–121 g/l) sowie eine Leukozytose (Leukozyten 15–17.3 g/l) auf. Der Gerinnungsstatus war unauffällig. Das mikroskopische Blutbild zeigte reichliche Vakuolen in den myeloiden Vorstufen. Ferner wurden schwankende CRP-Werte bis 74 g/l bei normwertigem Procalcitonin festgestellt. Die Substrate (Eisen, Vitamin B12, Folsäure) waren normwertig. Urinstatus und Urinsediment waren bland, ohne Hinweise auf eine Nephritis. In den weiteren serologischen Abklärungen waren die Komplementfaktoren sowie antinukleäre Antikörper und Anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper negativ. Die ergänzende Eiweisselektrophorese im Serum und im Urin ergab einen normalen Befund. Die HIV-, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Serologien sowie der Quantiferon-Test zeigten sich negativ. In sämtlichen abgenommenen Blut- und Urinkulturen kam es zu keinem bakteriellen Wachstum. In den Bildgebungen zeigten sich keine Hinweise auf eine thorakoabdominale Raumforderung. Stattdessen wurde wiederholt eine orbitale Entzündung abwechselnder Lokalisation festgestellt (Abb. 1 A und B).

Differenzialdiagnostische Überlegungen und weitere Abklärungsschritte

Bei Fieber und unklarem Entzündungszustand ist die Differenzialdiagnose sehr breit. Nach Ausschluss einer Immunosuppression kann man die möglichen Ursachen in vier Gruppen unterteilen: infektiöse Erkrankungen, Neoplasien, entzündliche Erkrankungen und weitere Ursachen. Die weiteren Überlegungen richten sich nach den Befunden, die durch eine ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Basisuntersuchungen im Labor sowie Röntgen des Thorax und Ultraschall des Abdomens festgestellt wurden. Wie bereits aus den oben genannten Befunden hervorgeht, ergaben sich beim Patienten keine Hinweise auf eine infektiöse Genese.

In Zusammenschau der rezidivierenden orbitalen Entzündungen wurde mit dem Verdacht auf eine entzündliche Systemerkrankung eine empirische Steroidtherapie eingeleitet, unter welcher sich sowohl die Symptome verbesserten als auch die Entzündungsparameter abfielen. Die Reduktion der Steroidtherapie ging mit rasch steigenden CRP-Werten einher. Zur weiteren Abklärung des unklaren rezidivierenden Entzündungszustands wurde eine PET-CT veranlasst, bei der eine Grossgefässvaskulitis ausgeschlossen wurde.

Angesichts der Bizytopenie mit Anämie und Thrombozytopenie kam eine beginnende myeloproliferative Erkrankung infrage; differenzialdiagnostisch wurde aufgrund der Vakuolisierung im peripheren Blut sowie bei multiplen orbitalen Entzündungen das VEXAS-Syndrom als mögliche Diagnose in Betracht gezogen. Im Falle einer Vakuolisierung müssen jedoch weitere Differenzialdiagnosen wie ein myelodysplastisches Syndrom, eine Alkohol- oder Zinkintoxikation sowie ein Kupfermangel ausgeschlossen werden.

Bei diesem Patienten erfolgte somit als nächster Schritt eine Knochenmarkpunktion, die eine dysplasiefreie, ausreifende Hämatopoese zeigte. Auch hier fiel eine gehäufte Vakuolisierung der myeloischen und erythropoetischen Vorläuferzellen auf (Abb. 2). Die molekulargenetische Diagnostik konnte schliesslich eine pathogene Variante des UBA1-Gens nachweisen, womit die Diagnose eines VEXAS-Syndroms bestätigt wurde.

Diagnose

Das VEXAS-Syndrom

Das VEXAS-Syndrom ist eine autoinflammatorische Systemerkrankung, die erstmalig von Beck et al. bei 25 Männern mit Inflammation und Myelodysplasie im Jahr 2020 beschrieben wurde. Es betrifft überwiegend Männer mittleren bis höheren Alters und ist durch eine somatische Mutation im UBA1-Gen auf dem X-Chromosom gekennzeichnet, wodurch die Protein-Ubiquitinierung beeinträchtigt wird. Das Akronym VEXAS steht für «vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic» (1). Die Mutation führt zu einer Dysfunktion des UBA1-Proteins, wodurch eine verminderte Ubiquitinierug resultiert und dadurch Signalwege des angeborenen Immunsystems inadäquat aktiviert werden.

Klinik

Zu den häufigsten Symptomen zählen Fieber, Gewichtsverlust und Lymphadenopathie sowie verschiedene hämatologische Manifestationen wie makrozytäre Anämie, Thrombozytopenie, rezidivierende Thrombosen und myelodysplastische Syndrome. Okuläre und orbitale Manifestationen, die initial bei etwa 28 % der Patienten auftreten, umfassen vor allem ein periorbitales Ödem, können sich aber auch als Dakryoadenitis, Blepharitis, Konjunktivitis und Augenmuskelmyositis bis hin zur orbitalen Zellulitis, Uveitis, Skleritis und Episkleritis präsentieren. Selten sind beide Augen simultan betroffen (2, 3). In der Studie von Vitale et al. wurde die okuläre/orbitale Beteiligung bei 92 % der Patienten als erstes Symptom des VEXAS-Syndroms beschrieben (3). Im Allgemeinen kann jedoch fast jedes Organ von der Erkrankung betroffen sein (Abb. 3) (4, 5). Insbesondere wird über rezidivierende Polychondritiden, pulmonale Infiltrate und Alveolitis sowie dermatologische Manifestationen wie kutane Vaskulitiden, das Sweet-Syndrom und das Erythema nodosum berichtet (4). In einer Studie von Lavialle et al. wird der Phänotyp der Erkrankung erweitert, indem zusätzlich Beschwerden im gastrointestinalen Trakt sowie Arthralgien im Rahmen des VEXAS-Syndroms identifiziert wurden. Darüber hinaus werden drei unterschiedliche Cluster vorgeschlagen. Im ersten Cluster finden sich Patienten mit Thrombosen und MDS, welche zusammen mit den Polychondritiden relativ häufig gleichzeitig auftreten können. Der zweite Cluster umfasst Patienten mit einem milderen Verlauf, die in der Regel weniger Fieber, Chondritiden und Thromboembolien aufweisen. Im dritten Cluster werden Patienten mit ausgeprägter Entzündung zusammengefasst; in diesem Fall sind häufig kutane Manifestationen und eine hohe Rezidivrate zu beobachten (6). Typischerweise liegt eine Vakuolisierung der Erythrozyten- und Granulozyten-Vorläuferzellen vor, wobei die genaue Pathogenese dieses Phänomens nicht vollständig aufgeklärt ist (7).

Diagnostik

Die Diagnose wird aufgrund des klinischen Verdachts und mittels Genetik durch Nachweis einer Mutation im UBA1-Gen gesichert. Bisher liegen keine konkreten Empfehlungen vor, wann eine Mutation im UBA1-Gen gesucht werden sollte. In der Publikation von Hagiya et al. werden Symptome und Befunde aufgeführt, bei denen eine Testung evaluiert werden sollte. Diese Kriterien sind in der Tab. 1 zusammengefasst (Tab. 1) (7). Die Vakuolisierung im peripheren Blut und im Knochenmark stellt ebenfalls einen sehr häufigen Befund dar. Bei der Beteiligung von erythroiden und myeloiden Vorläuferzellen scheint ein VEXAS-Syndrom wahrscheinlicher zu sein (8).

Therapie und Prognose

Zurzeit gibt es keinen Konsens über die Therapie, welche individualisiert an die Symptomatik erfolgen sollte. In der Literatur werden mehrere Ansätze vorgeschlagen. Insbesondere wird neben dem initialen Ansatz mit Glukokortikoiden, welche in der Regel zu einem vorübergehenden Ansprechen führen, über Azacytidine und JAK-Inhibitoren berichtet (9, 10).

Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass JAK-Inhibitoren und insbesondere Ruxolitinib, durch eine selektive Inhibition von JAK1 und JAK2, eine vielversprechende Wirkung zeigen. Unter dieser Therapie kann eine klinische und laborchemische Besserung erreicht werden, die eine nachhaltige Reduktion der Steroiddosis ermöglicht (11).
Ferner wurde ebenfalls häufig mit Immunosuppressiva wie Methotrexat, Tocilizumab und Anakinra behandelt. Jüngere Patienten respektive Patienten mit lebensbedrohlichen, nicht einstellbaren Entzündungszuständen wurden gelegentlich mit einer allogenen Stammzelltransplantation therapiert, wobei der Erfolg spärlich war (9, 10).
Aufgrund der multiplen schwerwiegenden Komplikationen besteht eine hohe Mortalität von bis zu 40 % (1).

Therapie und klinischer Verlauf

In diesem Fall wurde die initial eingeleitete Steroidtherapie fortgeführt und nach Diagnosestellung durch eine Therapie mit Methotrexat sowie dem JAK-Inhibitor Upadacitinib ergänzt. Zu Beginn wurde Methotrexat in einer Dosierung von 7,5 mg wöchentlich verabreicht, welche bei guter Verträglichkeit auf 15 mg wöchentlich gesteigert wurde. Nach Erhalt der Kostengutsprache wurde zusätzlich Upadacitinib in einer Dosis von 15 mg täglich verschrieben, welche im weiteren Verlauf auf 30 mg täglich erhöht wurde. Vor der Diagnosestellung erhielt der Patient bis zu 100 mg Prednison täglich, wobei wiederholt Ausschleichversuche durchgeführt wurden. Nach Einleitung der oben genannten immunsuppressiven Therapie konnte die Steroiddosis innerhalb von sechs Monaten in 2.5-mg-Schritten von 25 mg auf 5 mg reduziert werden.

Kommentar

Das VEXAS-Syndrom ist ein autoinflammatorisches Syndrom, welches erst in den letzten Jahren beschrieben wurde. Angesichts der Symptomvielfalt ist die Diagnosestellung oft schwierig und erfolgt dementsprechend häufig verzögert. Daher ist es wichtig, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, damit immer mehr Ärzte die Krankheit rechtzeitig erkennen können. Bei unklarem Entzündungszustand sollte das VEXAS in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn eine Vakuolisierung der hämatopoeitischen Vorläuferzellen nachweisbar ist. Die Therapie ist noch nicht eindeutig definiert und sollte individuell für jeden Patienten gemäss klinischer Manifestation besprochen werden.

Abkürzungen
CRP C-reaktives Protein
HIV Human Immunodeficiency Virus
JAK Januskinase
MDS Myelodysplastisches Syndrom
MGUS Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz
PET-CT Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie
UBA1 Ubiquitin-like modifier activating enzyme 1
VEXAS vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic

Historie
Manuskript eingegangen: 28.08.2024
Angenommen nach Revision: 03.12.2024

Verdankungen
Wir bedanken uns bei Frau Dr. med. Janna Pape für die sprachliche Revision sowie bei Herr Dr. med. Marco Roncador für die Hämatologiebilder.

Author Contributions
Konzept, Schreiben, Überprüfen, Editieren, dipl. Ärztin Elisa Leggeri; Radiologiebilder und Befunde, Überprüfen, KD Dr. med. Athina Pangalu; Supervision, Editieren, Überprüfen Prof. Dr. med. Florence Vallelian. Alle Autorinnen haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.

Dipl. Ärztin Elisa Leggeri

Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

elisa.leggeri@usz.ch

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Das VEXAS-Syndrom ist ein neu beschriebenes autoinflammatorisches Syndrom, welches durch eine Vielzahl an Symptomen und Befunden gekennzeichnet ist, die anderen Erkrankungen ähneln können.
• Zu den häufigsten Symptomen des VEXAS-Syndroms gehören Fieber, hämatologische Manifestationen (MDS, Thrombosen) sowie Polychondritiden und pulmonale Infiltrate. Orbitale/okuläre Beschwerden treten jedoch auch häufig als erste Manifestation des Syndroms auf. Das Syndrom kann nahezu jedes Organ betreffen, einschliesslich der Haut, des muskuloskelettalen und gastrointestinalen Systems und der Niere.
• Mit wachsender Kenntnis der Erkrankung lässt sich die Diagnose zunehmend schneller stellen.

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Brucellose als Reisesouvenir

Anamnese und Befunde

Anamnese

Die Zuweisung des 66-jährigen-Patienten in der infektiologischen Sprechstunde des Zuger Kantonsspitals erfolgte zur Abklärung eines unklaren Entzündungszustandes. Anamnestisch bestanden seit einem Monat trockener Husten, Kopfschmerzen, generalisierte Myalgien und Arthralgien. Weiter wurden über Müdigkeit, vermehrtes Schwitzen sowie Inappetenz mit konsekutivem Gewichtsverlust von 2 Kilogramm seit Symptombeginn berichtet. Die Beschwerden hätten anlässlich eines mehrwöchigen Ferienaufenthaltes mit seiner Familie im Heimatland Kosovo begonnen. In der medizinischen Vorgeschichte des Patienten fanden sich eine koronare Herzkrankheit, eine arterielle Hypertonie, eine Dyslipidämie sowie eine periphere arterielle Verschlusskrankheit.

Befunde

Klinisch präsentierte sich der Patient in leicht reduziertem Allgemeinzustand, hämodynamisch stabil mit einer Temperatur von 37.1 °C, in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Bis auf ein 2/6 Systolikum mit Punctum maximum über dem 2. Interkostalraum rechts ergaben sich keine pathologischen Untersuchungsbefunde.
Im Labor bestand eine isoliert humorale Entzündungsaktivität (CRP 54 mg/l; Norm < 5 mg/l). Das Blutbild war bis auf eine milde normochrome normozytäre Anämie unauffällig (Hb 138 g/l; Norm 140–180 g/l). Elektrolyte, Nierenfunktion, Transaminasen und Cholestaseparameter waren normal.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die klinische Präsentation sowie die laboranalytischen Befunde erlaubten eine breite Differenzialdiagnose aus dem infektiologischen, onkologischen und rheumatologischen Formenkreis. Aufgrund der grippalen Symptomatik dachten wir an eine virale Genese, insbesondere HIV, Hepatitis B und C. Gegen diese Hypothese sprachen eine unauffällige Expositionsanamnese sowie normwertige Transaminasen. Weiter dachten wir aufgrund der Reiseanamnese an mit einer Reise oder mit dem Heimatland des Patienten assoziierte Erkrankungen wie Tuberkulose, Brucellose und Q-Fever. Gemäss Angaben des Patienten hatte der Patient im Heimatland unpasteurisierten Ziegenkäse gegessen. Aufgrund der protrahierten konstitutionellen Symptome erwogen wir auch eine infektiöse Endokarditis. Auch ein Malignom, insbesondere ein Bronchuskarzinom oder ein Lymphom, erschien uns plausibel. Die generalisierten Myalgien und Arthralgien liessen uns weiter an eine rheumatologische Erkrankung denken.

Weitere Abklärungsschritte und Diagnosestellung

Es wurden Blutkulturen asserviert. Zudem erfolgte eine Testung auf Hepatitis B, C und HIV, welche negativ ausfielen. Die Bestimmung des Rheumafaktors war negativ. Im Röntgen-Thorax ergaben sich keine pathologischen Veränderungen, insbesondere keine Hinweise für eine Tuberkulose. Nach einer Bebrütungszeit von zwei Tagen zeigten sich die Blutkulturen positiv mit Nachweis von Brucella melitensis. Somit konnte die Diagnose eines Maltafiebers (Brucellose) gestellt werden.

Therapie und Verlauf

Eine antiinfektive Therapie mit Gentamicin 5 mg/kg i.v. alle 24 h und Doxycyclin 100 mg p.o. alle 12 h wurde eingeleitet. Aufgrund von zwischenzeitlich entwickeltem Fieber und dem neu beschriebenen Systolikum wurde eine transthorakale und danach eine transösophageale Echokardiographie durchgeführt, welche als unauffällig beurteilt wurden. Bei zwei Minor-Duke-Kriterien (Mikrobiologie, Fieber) wurde somit eine Endokarditis als unwahrscheinlich erachtet. Unter der etablierten Antibiotikatherapie zeigte sich ein rasches klinisches Ansprechen. Gentamicin wurde für sieben Tage verabreicht, Doxycyclin für sechs Wochen. Am Therapieende war der Patient beschwerdefrei. Das Blutbild war normalisiert, und es bestand keine Entzündungsaktivität mehr.

Akquiriert wurde die Infektion mutmasslich durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Der Patient hatte anlässlich seines Aufenthaltes im Kosovo, rund zwei Wochen vor Symptombeginn, unpasteurisierten Ziegenkäse gegessen.

In den folgenden drei Monaten stellte sich die Ehefrau und später der Sohn des Patienten in unserem Spital vor. Sie litten an Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen. Bei beiden gelang der Nachweis von B. melitensis in den Blutkulturen. Unter Therapie mit Gentamicin und Doxycyclin kam es zu einer Restitutio ad integrum. Es stellte sich he­raus, dass auch Ehefrau und Sohn denselben Ziegenkäse gegessen hatten, mit welchem sich auch der Patient mutmasslich infiziert hatte.

Kommentar

Die Brucellose ist eine Zoonose, welche durch Bakterien der Gattung Brucella verursacht wird. Brucellen sind hitzeempfindliche, aerob wachsende gramnegative kokkoide Stäbchenbakterien. Humanpathogen sind die Spezies B. melitensis, B. suis und B. canis. Die Transmission erfolgt durch Konsum kontaminierter Lebensmittel oder durch direkten Kontakt zu infizierten Nutz- und Haustieren. Bei Brucella melitensis, dem Auslöser des Maltafiebers, sind Ziegen und Schafe das Reservoir. Unpasteurisierte Schaf- und Ziegenmilchprodukte stellen die Hauptinfektionsquelle dar (1, 2).

Die Inzidenz der Brucellose ist nicht bekannt. 2006 wurde global von ca. 500 000 Neuinfektionen pro Jahr berichtet (3). Aufgrund von mangelhafter Surveillance wird von einer grossen Dunkelziffer ausgegangen. Eine aktuelle modellbasierte Schätzung postuliert weltweit über zwei Millionen Fälle pro Jahr (4, 5). Der Mittelmeerraum, Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie die arabische Halbinsel stellen das Endemiegebiet dar (3, 6). Durch Tourismus, Migration und Tierhandel können Erkrankungsfälle aber auch in Länder, wie z. B. die Schweiz, importiert werden, welche als brucellosefrei gelten. In der Schweiz sind Infektionen mit Brucella sp. sowohl beim Menschen wie auch beim Tier meldepflichtig. Die Fallmeldungen beim Menschen in der Schweiz lagen in den letzten Jahren kon­stant unter zehn pro Jahr (7) (Abb. 1).

Ein Pathogenitätsmerkmal von Brucellen ist die Fähigkeit, intrazellulär zu überleben und sich zu vermehren. Nach Inokulation werden Brucellen durch Gewebelymphozyten aufgenommen und gelangen via regionale Lymphknoten in die Blutbahn. Durch hämatogene Dissemination kann es in nahezu jedem Organ zu einer Absiedelung kommen, wobei ein Tropismus für das retikuloendotheliale System besteht (1). Die klinische Manifestation der Erkrankung ist entsprechend der Pathogenese vielfältig. Leitsymptom ist anhaltendes, intermittierend oder schubweise auftretendes Fieber. Begleitend kann es zu ausgeprägtem Schwächegefühl, Arthralgien und Nachtschweiss kommen (8). Die Mehrheit der Infektionen verlaufen jedoch subklinisch. Unbehandelt können sich lokale Komplikationen und chronische Verläufe entwickeln. Osteoartikuläre Komplikationen, insbesondere Sakroiliitis und vertebrale Osteomyelitis, treten bei bis zu 70 % der betroffenen Patienten auf. Wesentlich seltener sind urogentiale (Orchitis, Epididymitis) und neurologische Komplikationen (Meningitis, Encephalitis, Myelitis) (9–11).

In Anbetracht der unspezifischen klinischen Präsentation bedarf es zur Diagnosestellung einen hohen Verdachtsgrad. Schlüsselelement ist eine detaillierte Anamnese und beinhaltet das Erfragen der Reiseaktivität, des Konsums von unpasteurisierten Milchprodukten oder Kontakts zu (kranken) Tieren in einem Endemiegebiet. Die variable Inkubationszeit (Wochen bis mehrere Monate) sollte bei der Anamnese berücksichtigt werden. Die klinische Untersuchung und Laboruntersuchungen weisen oft unspezifische Befunde auf und sind daher für den diagnostischen Prozess wenig hilfreich. Gemäss einer Metaanalyse aus China, in welche 68 Studien inkludiert wurden, zählten Lymphadenopathie (32 %), Hepato- (23 %) oder Splenomegalie (29 %) zu den häufigsten klinischen Auffälligkeiten, im Labor waren es Anämie (23 %), Thrombopenie (15 %) und Leukozytose (10 %) (12) (Tab. 1).

Die definitive Diagnose kann durch den kulturellen Nachweis des Organismus aus Gewebe oder Körperflüssigkeiten (Blut, Liquor, Urin) gestellt werden. Die Kultur gilt zwar als Goldstandard, die Anzucht von Brucellen ist aber aufgrund ihrer Anforderungen an Kulturbedingungen anspruchsvoll. Alternativ kann die Diagnosesicherung mittels Serologie erfolgen. Ein vierfacher Titeranstieg in zwei aufeinanderfolgenden (im Abstand von zwei bis drei Wochen entnommenen), parallel untersuchten Serumproben gilt als beweisend für eine akute Infektion (13). Bei begründetem Verdacht auf eine Infektion mit Brucella sp. sollte das mikrobiologische Labor informiert werden, da die Verarbeitung der klinischen Proben die Einhaltung erhöhter Sicherheitsmassnahmen (Biosicherheitsstufe 3) bedingt.

Therapie der Wahl ist Doxycyclin p.o. für 6 Wochen in Kombination mit Gentamicin i.v. für sieben Tage. Alternativ kann anstelle des Aminoglykosids Rifampicin für sechs Wochen verabreicht werden, mit dem Vorteil einer peroralen Gabe und reduzierter Nephrotoxizität bei allerdings breitem Interaktionspotenzial. Von Monotherapien oder verkürzter Therapiedauer ist aufgrund von hohen Rezidivraten abzusehen (14). Patienten mit osteoartikulären Komplikationen, Endokarditis und Neurobrucellose werden deutlich länger und zum Teil mit angepassten Therapieschemata behandelt (15). Trotz adäquater Behandlung kann es zu einem Rezidiv der Erkrankung kommen, dieses tritt meist innerhalb der ersten sechs Monate nach Therapieende auf (17). Bis anhin kam es bei sämtlichen Familienmitgliedern aus unserer Fallserie zu keinem Rezidiv.

Historie
Manuskript eingegangen: 23.10.2024
Manuskript angenommen: 08.01.2025

Dipl. Arzt Valentino Monaco

Schlössliweg 2
6345 Neuheim

vmonaco1289@gmail.com

Die Autorenschaft hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Die Brucellose ist eine meldepflichtige Zoonose.
• Leitsymptom der Erkrankung ist Fieber. Dieses ist oftmals begleitet von unspezifischen Allgemeinsymptomen (Malaise, Arthralgien, Nachtschweiss). Die Verdachtsdiagnose ergibt sich bei Fieber, passender Reise- und Expositionsanamnese (Konsum von unpasteurisierten Milchprodukten, Kontakt zu kranken Schafen/Ziegen).
• Goldstandard ist der kulturelle Erregernachweis aus Blut oder anderen biologischen Materialien. Alternativ kann die Diagnose serologisch gestellt werden.
• Das Labor sollte über die Verdachtsdiagnose der Brucellose informiert werden. Die Probenverarbeitung bedarf erhöhte Sicherheitsmassnahmen (BSL 3).

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