Eosinophile Lungenerkrankungen: Zeitdruck im Dickicht der Differenzialdiagnosen

Wir präsentieren einen Fall einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und geben einen Überblick über eosinophile Lungenerkrankungen. Dabei beleuchten wir die diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen dieser Krankheitsgruppe. Zudem diskutieren wir die Klassifizierung des Schweregrads der EGPA und bieten Einblicke in aktuelle Behandlungskonzepte.

Schlüsselwörter: Eosinophile Lungenerkrankungen, eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, Hypereosinophilie, Eosinophile

Anamnese und Befunde

Ein 61-jähriger Mann wurde durch den Hausarzt bei Verdacht auf eine ambulant erworbene Pneumonie in ein wohnortnahes peripheres Spital zugewiesen. Neben purulentem Auswurf imponierten bei dortiger Aufnahme eine disseminierte leicht palpable Purpura (Abb. 1 und Abb. 2) mit enoraler Aussparung, ausgeprägte bilaterale Unterschenkelödeme sowie eine Bluteosinophilie von 3.1 G/l (0.0–0.7 G/l). In der CT-Thorax wurde eine basale Bronchiolitis mit weiteren bronchiolitischen Veränderungen im rechten Oberlappen ohne Konsolidationen oder Pleuraergüssen sowie Groundglass-Opazitäten in beiden Unterlappen nachgewiesen (Abb. 3). Eine antiinfektive Theapie mit Amoxicillin/Clavulansäure wurde initiiert, welche im Verlauf auf Ceftriaxon und Clarithromycin eskaliert wurde. Ausserdem veranlasste man eine Stanzbiopsie der Purpura im Bereich der streckseitigen Unterschenkel. Eine geplante diagnostische Bronchoskopie musste bei periinterventioneller hämodynamischer Instabilität und Sättigungsabfällen abgebrochen werden. Daraufhin erfolgte die Verlegung ins Universitätsspital Zürich zur weiteren pneumologischen Abklärung.

Kurze Anamnese mit Betonung des jetzigen Leidens

Bei Eintritt im Universitätsspital Zürich präsentierte sich ein 61-jähriger Patient in vermindertem, initial afebrilem Allgemeinzustand, kardiorespiratorisch stabil mit ausgeprägten bilateralen Unterschenkelödemen sowie leicht palpabler Purpura an Körperstamm und den unteren Ex­tremitäten. Auskultatorisch imponierte ein 2/6 Systolikum mit punctum maximum über der Aortenklappe. Die Gelenke waren allseits schmerzfrei beweglich ohne palpable Synovitiden. Der Neurostatus war unauffällig. Im weiteren stationären Verlauf kam es zu täglichen Fieberepisoden bis max. 39.2 °C.

Der Patient berichtete, an einem langjährigen eosinophilen Asthma und einer Rhinosinusitis mit chronisch behinderter Nasenatmung zu leiden. An weiterer Vorerkrankung war eine valvuläre und koronare Dreigefässerkrankung mit Status nach biologischem Aortenklappenersatz und aortokoronarer Bypassoperation im Jahr 2015 bekannt.

In unserem Eintrittslabor sahen wir erneut eine Bluteosinophilie von 2.94 G/l, welche mikroskopisch bestätigt wurde. Im mikroskopischen Differenzialblutbild zeigten sich keine weiteren Auffälligkeiten, insbesondere kein Nachweis von Blasten. Es imponierte eine humorale Entzündungsaktivität mit einem C-reaktivem Protein von 96 mg/l (< 5mg/l), das Procalcitonin lag bei 0.13 µg/l (< 0.1 µg/l). Das Gesamt-IgE war mit > 2000 ku/l (< 100 ku/l) deutlich erhöht. Die ANCA-Serologie war negativ. In der Spirometrie fand sich eine fixierte obstruktive Ventilationsstörung mit einer FEV1/FVC 67 % bzw. einem Z-Score von –1.49 (> 75 %) ohne Diffusionsstörung. Als Leitsymptom berichtet der Patient über einen produktiven Husten sowie eine ausgeprägte und progrediente Belastungsdyspnoe.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Unser Patient präsentierte neben den beidseitigen pulmonalen Infiltraten eine Hypereosinophilie, die das differenzialdiagnostische Spektrum einer eosinophilen Lungenerkrankung eröffnet hat. Dieses beinhaltet eine heterogene Gruppe verschiedener Krankheitsentitäten. Als Gemeinsamkeit findet sich eine Infiltration von Eosinophilen innerhalb der Atemwege, Alveolen und/oder dem Lungeninterstitium (1). Des Weiteren wird häufig eine periphere Eosinophilie nachgewiesen.

Die definitive Diagnosestellung im Akutstadium sowie die Abgrenzung der verschiedenen Krankheitsentitäten untereinander stellen eine klinische Herausforderung dar. Nach der Diagnosesicherung einer eosinophilen Lungenerkrankung gilt es im Abklärungsalgorithmus darum, einen möglichen Auslöser und eine extrapulmonale Organbeteiligung zu evaluieren. Folgende Kriterien definieren eosinophile Erkrankungen mit Lungenbeteiligung (2): periphere Eosinophilie (absolute Eosinophilenzahl ≥ 500 Eosinophile/µl) und Opazitäten in der pulmonalen Bildgebung. Erhöhter Eosinophilenanteil in der bronchoalveolären Lavage (> 10 %) und/oder histologischer Nachweis von eosinophilen Entzündungszellen in den Atemwegen oder dem Lungengewebe.

Bezüglich der Klassifikation sollte eine Unterteilung in akut und chronisch sowie eine pulmonale und systemische Manifestation erfolgen (Tab. 1) (3).

In unserem Fall kann das bekannte eosinophile Asthma bereits eine periphere Eosinophilie bedingen, ist allerdings auch als Begleiterkrankung bei anderen eosinophilen Lungenerkrankungen wie der chronischen eosinophilen Pneumonie, der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und des hypereosinophilen Syndroms (HES) beschrieben. Ein unkontrolliertes Asthma bronchiale in Verbindung mit steigenden eosinophilen Zellen und IgE-Titer muss differenzialdiagnostisch ebenfalls an eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) denken lassen. Eine Bestimmung der Aspergillus-spezifischen IgG- und IgE-Titer sollte hier erfolgen. Andere Auslöser einer peripheren Eosinophilie mit Lungenbeteiligung wie Infektionen (v.a. Parasiten, Medikamente oder Tumorerkrankungen) sollten anamnestisch eruiert und bei Verdacht weiter abgeklärt werden. Es gilt, weiterhin eine systemische Erkrankung mit extrapulmonaler Manifestation zu erfassen. Hierfür müssen eine breite Systemanamnese inklusive Beachtung etwaiger Vaskulitiszeichen, eine weitreichende körperliche Untersuchung inklusive Neurostatus, Labor -, Funktionsdiagnostik und Bildgebung erfolgen. Ein extrapulmonaler eosinophiler Organbefall schliesst eine chronische eosinophile Pneumonie aus und bedingt die Fokussierung auf die differenzialdiagnostische Evaluation einer EGPA und eines HES. Diese mitunter schwierige Differenzierung wird mit der Evaluation der Wahrscheinlichkeit eines primären (klonalen) HES begonnen. Hierfür bietet sich die Bestimmung von Tryptase und Vitamin B12, ein Hepatomegalie- Screening sowie ein mikroskopisches Blutbild mit Frage nach Blasten an (5). Auch eine steroid-refraktäre Eosinophilie sollte an ein HES denken lassen. Ist die Vortestwahrscheinlichkeit hoch, sollte im Rahmen einer Stufendiagnostik erst ein Screening auf die häufigste molekulargenetische Aberration, FIP1L1-PDGFRA-Rearrangement, mittels PCR oder FISH erfolgen, bevor Knochenmarkbiopsie und weitere zytogenetische oder molekulargenetische Untersuchungen folgen. Bei niedriger Vortestwahrscheinlichkeit oder klarem Surrogat einer Vaskulitis sollte eine EGPA abgeklärt werden. Es ist zu bedenken, dass es keine validierten einheitlichen Diagnostikkriterien für die EGPA gibt. Wechsler et al. etablierten im Rahmen des Mirra Trial Einschlusskriterien (6), die bei der Diagnose einer EGPA helfen können. Diese Kriterien umfassen Asthma und Bluteosinophilie (>1.0 G/l) sowie zwei der folgenden Faktoren:

– histologischer Nachweis einer eosinophilen Vaskulitis, perivaskuläre eosinophile Infiltrate, eosinophile, granulomatöse Entzündung
– Neuropathie
– sinunasaler Befall
– Kardiomyopathie
– Glomerulonephritis
– alveoläre Hämorrhagie
– palpable Purpura
– positive ANCA

Es ist zu bedenken, dass nur ca. 30–40 % der EGPA-Patienten positive ANCA (meist p-ANCA) aufweisen. Diese Patienten werden dem vaskulitischen Phänotyp des ­ANCA-Spektrums zugeordnet und präsentieren häufiger Nierenbeteiligung, Mononeuritis und Purpura.
Die ACR/EULAR-Kriterien erlauben zwar eine Differenzierung gegenüber anderen Vaskulitiden, aber keine de novo EGPA-Diagnose (7). Unser Patient zeigte mit der Purpura Zeichen einer kutanen Vaskulitismanifestation, die histologisch als solche bestätigt werden konnte.

Weitere Abklärungsschritte

Zur differenzialdiagnostischen Abklärung wurden Blutkulturen und eine Urinkultur angelegt sowie eine parasitologische Stuhluntersuchung veranlasst. Die Ergebnisse waren allesamt ohne Erregernachweis. Ebenso verblieben alle infektiologisch relevanten Serologien (HIV, Hepatitis B/C, Lues-Screening, Quantiferontest) negativ. Ein Urinsediment war ohne Erythrozyturie, zeigte jedoch eine prärenale Proteinurie mit Hinweisen einer tubulären Schädigung. Die Nierenfunktion lag mit einer eGFR (CKD-EPI2009) mit 85 ml/min im Normalbereich. Die extern veranlassten Hautbiopsien demonstrierten das Bild einer Kleingefäss-vaskulitis mit ausgeprägter Eosinophilie und fibrinoiden Gefässnekrosen. Eine zwischenzeitlich durchgeführte Biopsie aus der unteren Nasenmuschel zeigte keinen Hinweis für eine Vaskulitis, Granulome oder eosinophile Entzündung. Eine initial geplante diagnostische Bronchoskopie wurde bei fehlender therapeutischer Konsequenz abgesagt. In einer TTE/TEE-Untersuchung ergab sich kein Hinweis für eine kardiale Manifestation der vermuteten Grunderkrankung. In einer ergänzenden Abdomensonographie ergab sich kein Anhalt einer abdominalen Organmanifestation, Lymphadenopathie oder Hepatosplenomegalie.

Diagnose

In der Zusammenschau der Befunde und nach Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen wurde eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis diagnostiziert.

Kommentar über Therapie und Verlauf

Aufgrund von persistierenden Fieberepisoden und progredienter Purpura wurde bei hochgradigem Verdacht einer EGPA bereits vor Erhalt der Biopsieergebnisse mit einer Hochdosis-Steroidtherapie (Methylprednison 500mg/24h intravenös über 3 Tage) unter der prophylaktischen Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor und der Gabe von Calcium/Vitamin D3 begonnen. Anschliessend wurde eine orale Steroidtherapie mit Prednison 1mg/kg Idealgewicht fortgeführt (4). Bei langfristiger Prednisontherapie mit einer Tagesdosis von über 20 mg (> 4 Wochen) initiierten wir zusätzlich eine Pneumocystis jirovecii (PJP)-Prophylaxe mit Sulfamethoxazol/Trimethoprim. Nach definitiver Diagnosestellung und bei Fehlen von schlechten Prognosefaktoren planten wir im weiteren Verlauf eine Antikörpertherapie mit Mepolizumab.

Unter der Steroidtherapie kam es bei kardialer Vorerkrankung zu einer rechtsführenden kardialen Dekompensation, sodass eine Negativbilanzierung mittels Schleifendiuretikum etabliert werden musste. Die bisherige Herzinsuffi­zienztherapie wurde um einen Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten und einen SGLT2-Inhibitor ergänzt.

Unter der etablierten Therapie sahen wir eine rasche Normalisierung der Bluteosinophilie und der humoralen Entzündungsaktivität. Klinisch blasste die Purpura vollständig ab, weitere Fieberepisoden traten nicht auf. In der CT-graphischen Kontrolle ca. 2 Monate nach Therapieeinleitung waren die Groundglass-Opazitäten und bronchio­litischen Veränderungen vollständig regredient.

Wir beschreiben hier einen 61-jährigen Patienten mit langjährig bestehendem eosinophilen Asthma und einer Erstmanifestation einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis. Es handelt sich um eine perakute, potenziell lebensbedrohliche Erkrankung mit diversen möglichen Organmanifestationen. Die Diagnosestellung erfordert aufgrund verschiedener Differenzialdiagnosen aus dem eosinophilen und rheumatischen Formenkreis eine enge Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen und setzt sich aus Elementen der klinischen Untersuchung, Laboranalytik, Funktionsdiagnostik, Bildgebung und Histopathologie zusammen.

Das Therapieschema ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Dieser kann z.B. mittels Five-factor Score (Tab. 2) eingeschätzt werden (8). Die Induktionstherapie besteht aus Glucocorticoiden, welche bei schwerer Erkrankung mit Cyclophosphamid oder Rituximab kombiniert werden müssen. Mittels Glucocorticoid-Monotherapie konnte analog Ribi et. al (9) bei Fehlen von schlechten Prognosefaktoren in 93 % der Fälle eine Remission induziert werden, jedoch kam es hierbei zu einer Rezidivrate von 35 % im ersten Jahr. Durch eine Kombinationstherapie mit dem monoklonalen Interleukin-5-Antikörper Mepolizumab konnte eine signifikant längere Remissionsdauer mit konsekutiver Glucocorticoid-Einsparung erzielt werden (6). Alternativ ist eine Kombination von Glucocorticoiden und Azathioprin, Methotrexat oder Mycophenolat möglich. Die Behandlung mit Cyclophosphamid oder B-Zelldepletion ist schweren, organ- bzw. lebensgefährdenden Verläufen vorbehalten.

Abkürzungen
ABPA Allergische bronchopulmonale Aspergillose
ACR/EULAR American College of Rheumatology / European League Against Rheumatism
ANCA Antineutrophile-cytoplasmatische Antikörper
CT Computertomographie
CKD-EPI Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration
eGFR Estimated Glomerular Filtration Rate
EGPA Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
FEV1 Forced Exspiratory Volume in one Second
FISH Fluorescence in Situ Hybridization
FIP1L1-PDGFRA FIP1-like1-platelet-derived Growth Factor Receptor ∂
FVC Forced Vital Capacity
G/l Giga pro Liter
HES Hypereosinophiles Syndrom
HIV Human Immunodeficiency Virus
IgE Immunglobulin E
IgG Immunglobulin G
PCR Polymerase Chain Reaction
PJP Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie
SGLT2 Sodium Glucose Transporter 2
ZNS Zentrales Nervensystem

Prof. Dr. med. Silvia Ulrich

Klinik für Pneumologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

silvia.ulrich@usz.ch

Eosinophile Lungenerkrankungen sind eine heterogene Gruppe verschiedener Krankheitsentitäten, die aufgrund potenziell lebensbedrohlicher Differenzialdiagnosen eine rasche und strukturierte diagnostische Abklärung im interdisziplinären Team bedingen.
Die EGPA ist eine Vaskulitis der kleinen und mittleren Gefässe, die sich als Multisystemerkrankung insbesondere pulmonal und kutan manifestiert, darüber hinaus ist eine kardiale, renale, gastrointestinale und ZNS-Beteiligung möglich. Sie muss differenzialdiagnostisch gegenüber einem HES abgegrenzt werden.
Die Schweregradeinteilung erfolgt analog der Organmanifestation mittels Five-factor Score (revised).
Da es sich um eine schubförmig verlaufende Erkrankung handelt, sind engmaschige Verlaufskontrollen obligat.

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4. Holle JU et al. Eosinophilie: hypereosinophiles Syndrom versus eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis. Z Rheumatol. 2023;82(4):307-320. German. doi: 10.1007/s00393-023-01345-2.
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8. Ribi C et. al. French Vasculitis Study Group. Treatment of Churg-Strauss syndrome without poor-prognosis factors: a multicenter, prospective, randomized, open-label study of seventy-two patients. Arthritis Rheum. 2008. doi: 10.1002/art.23198.

Eine seltene Ursache der Milzruptur

Die Milzruptur nach einer Koloskopie ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Komplikation. Bei akuten Schmerzen im linken Oberbauch, arterieller Hypotonie bis hin zum hämorrhagischen Schock sollte daran gedacht werden. Die Diagnose erfolgt anhand einer Computertomographie oder sonographisch. Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad und umfasst konservatives Management, arterielle Embolisation oder Splenektomie.

Schlüsselwörter: Koloskopie, Milzruptur, Milzblutung, atraumatische Milzruptur

Fallbeschreibung:

Die Zuweisung des 73-jährigen Patienten erfolgte zur Abklärung eines ungewollten Gewichtsverlusts von 12 kg innerhalb der letzten sechs Monate. Vorbekannt waren eine schwere chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Stadium Gold III, Risikogruppe E bei persistierendem Nikotinabusus vom mehr als 100 pack years, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, ein low-grade Urothelkarzinom der Harnblase sowie ein chronischer Alkoholabusus. Vor 5 Jahren waren bei einer Koloskopie multiple Kolonpolypen bis ca. 25 mm aus dem Kolon ascendens, dem Kolon transversum, dem Kolon descendens und dem Rektum entfernt worden. Als Dauermedikation nahm der Patient Rosuvastatin, Enalapril, Calcium und Vitamin D ein, inhalierte regelmässig Indacterol/Glycopyrronium sowie Salbutamol bei Bedarf. Zudem bestand die Versorgung mit intermittierend 2 l Heimsauerstoff. Im Labor waren bei Eintritt das Blutbild, INR und Elektrolyte normwertig.

Bei bisher nicht wahrgenommener Nachkontrolle der 2018 erfolgten Kontrollkoloskopie sowie zur Abklärung des Gewichtsverlustes erfolgte eine Koloskopie.

2018 war die Koloskopie aufgrund der COPD ohne Sedation erfolgt, musste jedoch bei Schmerzexazerbation abgebrochen und unter Sedation wiederholt werden.

Aktuell entschied man sich aufgrund der schweren COPD zur Durchführung in Intubationsnarkose. Als Koloskopiegas wurde routinemässig CO2 verwendet. Es fand sich eine weitgehend unauffällige Koloskopie. Im Kolon ascendens wurde ein flacher sessiler Polyp von 18 mm Durchmesser nach Unterspritzung mit Methylenblau und verdünntem Adrenalin mit kalter Schlinge komplett entfernt, ein weiterer sessiler Polyp von 6 mm Durchmesser wurde ebenfalls im Kolon ascendens mittels Schlinge entfernt. Histologisch stellten sich diese als tubulovillöse Adenome der Dickdarmschleimhaut mit low-grade Dysplasie dar. Nach einer beschwerdefreien Nacht traten am Folgetag progrediente, kolikartige Abdominalschmerzen auf.

Ungefähr 24 Stunden nach der Koloskopie präsentierte sich der Patient kaltschweissig, hatte eine arterielle Hypotonie von 88/53 mmHg und eine Tachykardie von 135/min. Das Abdomen zeigte klinisch eine ubiquitäre Abwehrspannung und Défense. In der Blutuntersuchung zeigte sich ein Hämoglobinabfall von 136 g/l auf 93 g/l, ein Anstieg der Leukozyten von 6.19×103/µl auf 14.8×103/µl (Normwert 3.6–10.5×103/µl), die Thrombozyten lagen mit 232×103/µl im Normbereich (Normwert 150–370×103/µl), der INR mit 1.0 war ebenfalls normwertig.

Welche Differenzialdiagnose kommt eher nicht infrage?

a) Darmperforation
b) Gastrointestinale Blutung
c) Milzruptur
d) Postpolypektomie-Syndrom
e) Passagäre Nebenwirkung durch das bei der Koloskopie eingeleiteten Gases

Die Screeningkoloskopie ist eine Untersuchung mit einer geringen Komplikationsrate. Die häufigsten schweren Komplikationen sind Blutungen (1–2 %) und Perforationen des Gastrointestinaltraktes (0.1–0.2 %). Diese machen einen Hauptteil der Koloskopie-verursachten Mortalität aus, welche jedoch mit 0.006–0.5 % sehr gering ausfällt (1).

Die arterielle Hypotonie, Tachykardie und abdominelle Abwehrspannung wären für eine Perforation passend. Der Hämoglobinabfall würde eher auf eine gastrointestinale Blutung hinweisen. Hämatemesis, Blutabgang ab ano oder Teerstuhl waren jedoch nicht aufgetreten. Für eine gastrointestinale Blutung eher untypisch wäre auch die abdominelle Abwehrspannung.

Verletzungen der Milz durch eine Koloskopie sind mit etwa 0.004 % sehr selten (2).

Diese treten gewöhnlich innerhalb der ersten 24 Stunden nach Koloskopie auf, können sich aber auch mit bis zu 10 Tagen Verzögerung manifestieren. Bei der Untersuchung in Sedation können sehr frühe Symptome maskiert werden (3). Typische Symptome sind Schmerzen im linken Oberbauch, zum Teil mit Ausstrahlung in die linke Schulter mit Zunahme bei Inspiration (Kehr-Zeichen) und Peritonismus. Im Rahmen des Blutverlustes können vor allem eine arterielle Hypotonie und ein Abfall des Hämoglobinwertes beobachtet werden (2).
Das Postpolypektomie-Syndrom entsteht durch Setzen von transmuralen Verbrennungen der Darmwand durch Elektrokoagulation mit konsequenter Peritonitis, Schmerzen und lokaler Abwehrspannung (4).

Was wäre der nächste diagnostische Schritt?

a) Re-Koloskopie
b) Computertomographie
c) Ultraschall Abdomen
d) Gastroskopie
e) Laparotomie

führend. Die Computertomographie ist das diagnostische Mittel der Wahl. Hier kommen freie Luft, entzündliche Veränderungen, intraabdominale Flüssigkeit und Verletzungen intraabdominaler Organe zur Darstellung. Mit der Ultraschalluntersuchung kann freie Flüssigkeit dokumentiert werden, in diesem Fall ist die Differenzialdiagnose jedoch zu breit (5–6). Eine Ursache im oberen Gastrointestinaltrakt erscheint unwahrscheinlich, eine Gastroskopie ist daher nicht indiziert. Bei diesem kreislaufinstabilen Patienten sollte vor einer Laparotomie eine Computertomographie erfolgen, um zur Diagnose zu kommen.

In der Computertomographie (Abb. 1) konnte intraabdominal viel freies Blut dokumentiert werden. Ätiologisch zeigte sich eine Milzblutung mit grossem subkapsulärem Hämatom und eine aktive Blutung der Milz in die Bauchhöhle (Abb. 2 und 3), entsprechend einer Verletzung Grad IV nach der American Association for the Surgery of Trauma (AAST) grading scale for splenic lacerations (7). Diese Einteilung richtet sich nach der Grösse des subkapsulären Hämatoms, dem Vorhandensein eines Kapselrisses, dem Ausmass der Organlazeration und dem Vorhandensein einer aktiven Blutung.

Was stellt einen Risikofaktor für eine ­Milzruptur während der Koloskopie dar?

a) Splenokolische Adhäsionen und Splenomegalie
b) Kardiovaskuläre Erkrankungen und Antikoagulation
c) Starke Distension des Dickdarms
d) Weibliches Geschlecht
e) Alle der oben genannten

Als Risikofaktoren für eine Verletzung der Milz während der Koloskopie werden einerseits splenokolische Adhäsionen nach Operationen oder Entzündungen, andererseits eine Splenomegalie (insbesondere > 15 cm), starke Distension des Dickdarms durch die eingeleitete Luft, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen und orale Antikoagulation beschrieben (2). Polypektomien im Bereich der linken Kolonflexur und Untersuchungstechniken, die zur Torsion des splenokolischen Ligamentes führen oder ein kräftiger Druck von aussen, erhöhen das Risiko einer Blutung (8–9). Ursächlich beschrieben werden eine direkte Verletzung der Milz durch das Endoskop an der splenischen Flexur, vor allem bei Entnahme von Biopsien in diesem Bereich, ein Riss der Milzkapsel durch Zug am Ligamentum splenocolicum oder ein Riss der Milzkapsel durch Traktion von Adhäsionen zwischen Milz und Colon (2).

Im vorliegenden Fall lagen weder eine Splenomegalie noch splenokolische Adhäsionen vor. Gerinnungshemmende Medikamente wurden nicht eingenommen. Mit der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ist eine vaskuläre Erkrankung bekannt, bei ausgeprägtem Nikotinabusus ist eine Gefässpathologie anzunehmen. Ein externes Trauma erfolgte nicht. Als Ursache der Milzruptur kommt nach Ausschluss anderer Ursachen somit am ehesten die Koloskopie infrage.

Welcher therapeutische Schritt ist bei einer Milzruptur keine Option?

a) Analgesie, Flüssigkeitssubstitution
b) Bluttransfusionen, Tranexamsäure
c) Embolisation der Milzarterie
d) Koloskopische Versorgung der Milzruptur
e) Splenektomie

Die Therapie richtet sich nach dem klinischen Zustand des Patienten sowie dem Grad der Verletzung. Die Milzruptur ist eine äusserst seltene Komplikation nach Koloskopie (10). Spezifische Leitlinien existieren nicht, die Leitlinien für traumatische Milzläsionen sind nur bedingt anwendbar. Je nach Situation muss ein individuelles Vorgehen gewählt werden. Bei hämodynamisch stabilen Patienten kann ein konservativer Therapieversuch mittels Analgesie, intravenöser Flüssigkeitssubstitution und Bluttransfusionen unter Kontrolle von Vitalzeichen und Hämoglobin erfolgen. Bei Fortbestehen der Blutung beziehungsweise hämodynamischer Instabilität kann eine Embolisation der Arteria splenica erfolgen. Bei aktiver Blutung oder persistierender hämodynamischer Instabilität kann eine Splenektomie notwendig werden (11–12).

Der kreislaufinstabile Patient wurde auf die Intermediate Care Unit verlegt. Es wurden insgesamt 3 Erythrozytenkonzentrate und Tranexamsäure verabreicht. Bei inadäquatem Hämoglobinanstieg musste von einer weiterhin aktiven Blutung ausgegangen werden. Über die rechte Arteria femoralis communis erfolgte eine proximale Thermo-Embolisation der Arteria lienalis sowie das Einsetzen eines Vascular Plug.

Welches Procedere soll postinterventionell erfolgen?

a) Überwachung auf der Intermediate Care Abteilung oder Intensivstation
b) Intubation und Verlegung auf die Intensivstation für ein intensives Monitoring
c) Verlegung in ein Zentrumsspital zur Evaluation einer Splenektomie
d) Beobachtung auf einer Normalstation
e) Rasche Evaluation einer Splenektomie im Operationssaal

Postinterventionell wurde der stabile Patient zur Überwachung auf die Intensivstation verlegt. Er war fortan kreislaufstabil, sodass er auf die Normalstation verlegt werden konnte. Dies ist beachtlich, da in den überwiegenden Fällen der bisher beschriebenen Milzrupturen nach Koloskopie eine Splenektomie notwendig wurde. Im Verlauf kam es jedoch im Rahmen der COPD zu einer zunehmenden respiratorischen Verschlechterung. In Rücksprache mit dem Patienten und dessen Familie wurde auf eine rein symptomatische Behandlung umgestellt. Elf Tage nach Koloskopie verstarb der Patient aufgrund von respiratorischem Versagen im Rahmen der bekannten COPD.

Diskussion

In der Inneren Medizin ist die Milzruptur eine seltene Komplikation. Im Falle von hämatologischen Erkrankungen oder Infektionen, verbunden mit einer Splenomegalie, muss diese Komplikation bei zunehmenden, meist akut beginnenden Schmerzen im linken Oberbauch in Betracht gezogen werden. Klinisch kommt es neben den Schmerzen infolge des Blutverlustes zu einem hämorrhagischen Schock. Meist wird eine Milzruptur bei traumatologischen Notfällen beobachtet. Da es sich um eine seltene Komplikation handelt, besteht die Gefahr, dass die Diagnose verpasst beziehungsweise erst verspätet dia­gnostiziert wird.

Noch viel seltener ist die Milzruptur eine, praktisch immer lebensbedrohliche, Komplikation einer Koloskopie. Bei Abdominalschmerzen, insbesondere im linken Oberbauch mit Ausstrahlung in die linke Schulter, arterieller Hypotonie oder Hämoglobinabfall in den ersten zehn Tagen nach Koloskopie sollte an eine Milzruptur gedacht werden.

Splenokolische Adhäsionen, Splenomegalie, starke Distension des Dickdarms durch die bei der Koloskopie eingeleitete Luft, weibliches Geschlecht, kardiovaskuläre Erkrankungen und orale Antikoagulation stellen Risikofaktoren für eine Milzruptur bei Koloskopie dar, ebenso Polypektomien im Bereich der linken Kolonflexur und eine starke Torsion des splenokolischen Ligamentes beziehungsweise kräftiger Druck von aussen. Die Computertomographie ist die diagnostische Methode der Wahl. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung existieren keine spezifischen Leitlinien, die Therapie muss individuell gewählt werden. Leitlinien zur traumatischen Milzruptur können gegebenenfalls als Entscheidungshilfe dienen. Bei hämodynamisch stabilen Patienten kann ein konservativer Therapieversuch erfolgen. Bei persistierender Blutung und hämodynamischer Instabilität kann eine arterielle Embolisation oder Splenektomie notwendig werden.

Antworten
e, b, e, d, a

Danksagung
Wir bedanken uns bei der Radiologie des Kantonsspitals Graubünden für die computertomographischen Bildgebungen.

Dr. med. MSc Cristian Camartin

Leiter Palliative Care
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170 Chur
7000 Chur

cristian.camartin@ksgr.ch

Die Autorin und der Autor haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

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7. Kozar RA, Crandall M, Shanmuganathan K, Zarzaur BL, Coburn M, Cribari C, Kaups K, Schuster K, Tominaga GT; AAST Patient Assessment Committee. Organ injury scaling 2018 update: Spleen, liver, and kidney. J Trauma Acute Care Surg. 2018 Dec;85(6):1119-1122. doi: 10.1097/TA.0000000000002058. Erratum in: J Trauma Acute Care Surg. 2019 Aug;87(2):512. PMID: 30462622.
8. Ahmed A, Eller PM, Schiffman FJ. Splenic rupture: an unusual complication of colonoscopy. Am J Gastroenterol. 1997 Jul;92(7):1201-4. PMID: 9219800.
9. Olshaker JS, Deckleman C. Delayed presentation of splenic rupture after colonoscopy. J Emerg Med. 1999 May-Jun;17(3):455-7. doi: 10.1016/s0736-4679(99)00040-2. PMID: 10338238.
10. Primavesi F, Holzinger J, Öfner D, Hutter J. Milzruptur nach Koloskopie: Fallserie und Literatur-Review (Splenic Rupture after Colonoscopy: Case Series and Review of the Literature). Zentralbl Chir. 2015 Aug;140(4):453-5. German. doi: 10.1055/s-0032-1328355. Epub 2013 Jul 3. PMID: 23824610.
11. Aparicio-López D, Sancho Pardo P, Lahuerta Lorente L, Cantín Blázquez S. Splenic rupture after colonoscopy for colorectal cancer screening. Rev Esp Enferm Dig. 2023 May;115(5):279-280. doi: 10.17235/reed.2022.9177/2022. PMID: 36263818.
12. Zappa MA, Aiolfi A, Antonini I, Musolino CD, Porta A. Splenic rupture following colonoscopy: Case report and literature review. Int J Surg Case Rep. 2016;21:118-20. doi: 10.1016/j.ijscr.2016.02.038. Epub 2016 Mar 4. PMID: 26971282; PMCID: PMC4802200.

Albumin-korrigiertes Calcium

Für den klinischen Alltag ist es zentral, Limitationen und Hintergrund von Laborwerten und Korrekturformeln zu kennen, damit Laborbefunde korrekt interpretiert werden können. Die Bestimmung des Gesamtcalciums als Screening ist ausreichend, der klinische Goldstandard ist die Bestimmung des ionisierten Calciums. Eine Albumin-Korrektur kann zu Fehlinterpretationen, unnötiger Zusatzdiagnostik und Therapien führen und sollte kritisch hinterfragt werden.

Schlüsselwörter: Albumin-korrigiertes Calcium, ionisiertes Calcium, Hypalbuminämie, Hyperkalzämie, Zusatzdiagnostik

Fallbeschreibung

Ein 84-jähriger Patient wird nach einem Sturzereignis mit Liegetrauma der Notfallstation zugewiesen, nachdem er von Familienangehörigen auf dem Boden liegend verwirrt vorgefunden wurde.

Klinisch präsentiert sich ein 84-jähriger Patient, dehydriert und zeitlich desorientiert. Blutdruck 170/60 mmHg, Herzfrequenz 88/min, Temperatur 36.8 °C und einer Sauerstoffsättigung von 98 % unter Raumluft.

In der persönlichen Anamnese ist eine Leberzirrhose Child Pugh A im Rahmen einer Autoimmunhepatitis mit lokalem hepatozellulärem Karzinom (HCC) im Lebersegment VI bekannt. Dies wurde mittels Chemo-Embolisation und Radiofrequenzablation kurativ behandelt. Weiter besteht eine chronische Niereninsuffizienz KDIGO G3a, eine normozytäre Anämie und ein Diabetes mellitus Typ 2. In der initialen Laboruntersuchung zeigen sich folgende Befunde (Tab. 1).

Frage: Was ist die wahrscheinlichste Ursache des erhöhten Albumin-korrigierten Calciums?

a) Tumor-assoziierte Hyperkalzämie – lokal osteolytisch
b) Vitamin-D-Intoxikation
c) Primärer Hyperparathyreoidismus
d) Überschätzung des Calciums durch die Albumin-Korrektur bei Hypalbuminämie

Die richtige Antwort lautet d.

Beim erwähnten Patienten lag das physiologisch aktive, ionisierte Calcium mit 1.25 (Referenzbereich 1.15–1.30 mmol/l) im Normbereich. Die onkologischen Verlaufskontrollen des HCC ergaben keine Hinweise für ein Tumorrezidiv (Antwort a). Sowohl Cholecalciferol und Parathormon lagen beim Patienten im Normbereich (Antworten b/c). Ursache für die Hypalbuminämie ist die Leberzirrhose.

Kommentar

Die Bestimmung des physiologisch aktiven, ionisierten Calciums (iCa2+) gilt als klinischer Goldstandard zur Beurteilung des Calciumhaushalts. Diese Laborbestimmung ist jedoch aufwendig und fehleranfällig und wird mittels Blutgasanalyse bestimmt. Im klinischen Alltag einfacher und kostengünstiger ist die Bestimmung des Gesamtcal­ciums. Calcium wird im Plasma zu 40 % proteingebunden, hauptsächlich an Albumin (Abb. 1). Daraus entstand die Annahme, dass bei einer Hypalbuminämie das Gesamt-calcium unterschätzt wird. Basierend auf dieser Überlegung beschrieb R.B. Payne 1973 die noch heute am meisten verwendete Albumin-Korrekturformel (1).

Die Korrekturformel nach Payne geht von einer konstanten Calciumbindungsfähigkeit des Serumalbumins aus. Jedoch verhält sich die Bindungsfähigkeit pro Gramm Albumin umgekehrt proportional, das heisst, je tiefer das Albumin, desto mehr Calcium kann pro Einheit Albumin gebunden werden (Abb. 2) (2). Die Korrekturformel überschätzt also in Wahrheit die Calciumwerte bei einer ­Hypalbuminämie.

1973 kamen noch andere Messmethoden zum Einsatz. Die damals erarbeitete Formel hält aus heutiger Sicht einer belastbaren Validierung nicht mehr stand. Hingegen wurde die limitierte Wertigkeit der Payne-Korrekturformel in unterschiedlichen Patientenpopulationen (Geriatrie, Chi­rurgie, Intensivstation, Hämodialyse) aufgezeigt (3). Besonders ungenau scheint die Korrekturformel in Patienten mit einer Hypalbuminämie (3).

Die Sensitivität (Richtig-positiv-Rate) und Spezifität (Richtig-negativ-Rate) des Albumin-korrigierten Calciums zur Diagnose einer Hyper- und Hypokalzämie ist in Tabelle 2 dargestellt.

Als Lesebeispiel beträgt die Sensitivität, also die Wahrscheinlichkeit, bei vorliegender Hyperkalzämie diese durch ein Albumin-korrigiertes Calcium korrekt zu diagnostizieren, 60–97 %. Diese Wahrscheinlichkeit nimmt bei einer Hypalbuminämie, zugunsten einer sinkenden Spezifität (mehr falsch positive Resultate), zu. Zu beachten gilt, dass ca. 30 % der Albumin-korrigierten Werte «falsch normal» sind und effektiv eine Hypokalzämie vorliegt (3). Dieser Anteil steigt bei zunehmender Hypalbuminämie.

Eine Reihe weiterer Korrekturformeln wurden im Laufe der Jahre entwickelt mit dem Ziel, einen möglichst genauen Surrogat-Marker fürs iCa2+ zu definieren. Eine 2017 durchgeführte retrospektive Analyse mit über 20 000 Patienten konnte schliesslich aufzeigen, dass das Gesamtcalcium besser mit dem iCa2+ korreliert als sämtliche getesteten Korrekturformeln, unabhängig davon, ob eine Hypo-, Normo- oder Hyperalbuminämie vorliegt (4).

Durch die Albumin-Korrektur kann eine effektive Hypokalzämie maskiert oder eine «reale» Normokalzämie fälschlicherweise als Hyperkalzämie beurteilt werden. Dies kann negative Folgen für den Patienten mit sich bringen, da dadurch häufig unnötige Zusatzuntersuchungen (Parathormon, Parathormon related peptide, 25-OH-D3 und 1,25-[OH]2-D3) und für den Patienten potenziell schädliche Therapien (Hydrierung) eingeleitet werden. Die Kosten belaufen sich gemäss Analysenliste 2023 des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Calcium auf 2.5 Taxpunkte (TP), 2.3 TP für Albumin und 22.5 TP für ionisiertes Calcium (zum Vergleich: 25-OH-D3 47.7 TP, 1,25-[OH]2-D3 76.5 TP, PTH 33.3 TP, PTHrP 79.2 TP).

Für den klinischen Alltag ist es zentral, Limitationen und Hintergrund von Laborwerten und Korrekturformeln zu kennen und kritisch zu hinterfragen, damit Laborbefunde korrekt interpretiert werden können. Hierfür ist der Austausch zwischen Klinik und Labor wertvoll. Die Bestimmung des Albumin-korrigierten Calciums kann schlimmstenfalls irreführend sein im Sinne einer «falschen» Hyperkalzämie oder einer «maskierten» Hypokalz­ämie. Im klinischen Alltag genügt in den meisten Fällen deshalb die Bestimmung des Gesamtcalciums. Sollte dies von der Norm abweichen, ist die Bestätigung mittels ionisierten Calciums indiziert.

Dr. med. Patrick Hofmann

Department of Internal Medicine, Renal Division
Brigham and Women’s Hospital, Boston MA, USA

phofmann@bwh.harvard.edu

Prof. Dr. med. Thomas Fehr

Departement für Innere Medizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170, 7000 Chur

thomas.fehr@ksgr.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Payne RB, Little AJ, Williams RB, et al. Interpretation of Serum Calcium in Patients with Abnormal Serum Proteins. Brit Med J 1973; 4: 643.
2. Besarab A, Caro JF. Increased absolute calcium binding to albumin in hypoalbuminaemia.. J Clin Pathol 1981; 34: 1368.
3. Smith JD, Wilson S, Schneider HG. Misclassification of Calcium Status Based on Albumin-Adjusted Calcium: Studies in a Tertiary Hospital Setting. Clin Chem 2018; 64: 1713–1722.
4. Ridefelt P, Helmersson-Karlqvist J. Albumin adjustment of total calcium does not improve the estimation of calcium status. Scand J Clin Laboratory Investigation 2017; 77: 1–6.
5. Alhenc-Gelas M, Lefevre G, Bachmeyer C, et al. Poor performance of albumin or protein-adjusted plasma calcium to diagnose dyscalcemia in hospitalized patients: A confirmatory study in a general internal medicine department. La Revue De Médecine Interne 2022; 43: 206–211.

Ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie

Eine 47-jährige Patientin stellte sich mit einer Arthritis des PIP III der linken Hand vor. Es gab keine Hinweise auf eine Kollagenose oder Spondyloarthritis, jedoch waren HIV und Hepatitis B bekannt. Laborchemische Untersuchungen zeigten keine Anzeichen für eine systemische Entzündung. Eine Infiltration mit 10 mg Kenacort führte zunächst zu einer Besserung, doch die Arthritis trat nach einigen Monaten erneut auf. Zur weiteren Diagnostik wurde eine ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie durchgeführt, die überraschend Gichttophi zeigte. Die weitere Untersuchung der Hände mittels Dual-Energy-CT zeigte Uratkristalle in den umgebenden Weichteilen. Ultraschallgesteuerte Synovialbiopsien sind eine nützliche diagnostische Methode bei unklarer Arthritis. Sie sind kostengünstig, wenig invasiv und gut verträglich. Bei Gicht bleibt die Punktion mit Harnsäurekristallnachweis der Goldstandard, jedoch stellt die Biopsie eine wertvolle Alternative dar.

Schlüsselwörter: Gicht, ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie, Arthritis Title E: Chase the source to uncover the truth

Fallbericht

Wir berichten über eine 47-jährige Patientin, die sich in der rheumatologischen Sprechstunde mit einer schmerzhaften Schwellung und Überwärmung des proximalen Interphalangealgelenkes (PIP) III der linken Hand vorstellte. Die Patientin berichtete, dass die Beschwerden innerhalb eines halben Tages aufgetreten seien und seither persistieren. Zudem bestehe eine ausgeprägte morgendlich betonte Steifigkeit im Finger mit feinmotorischen Einschränkungen im Alltag. In der klinischen Untersuchung bestand ein palpabler Erguss mit lokaler Druckdolenz und leicht eingeschränktem Beugedefizit im PIP III links. In den übrigen Gelenken fanden sich keine tastbaren Synovitiden oder Druckdolenzen. Systemanamnestisch und in der körperlichen Untersuchung bestanden keine weiteren Hinweise für eine Kollagenose (Sicca-Symptomatik, Raynaund Phänomen, Hautfibrose, Sehnenreiben, Hautveränderungen, Aphthen etc.). Laborchemisch bestand keine humorale Entzündungsaktivität. Der Rheumafaktor und die Anti-CCP-Antikörper sowie der antinukleäre Antikörper-Titer (< 1:320) waren unauffällig. Die Harnsäure war normwertig. Die durchgeführten Röntgen der Hände und Füsse zeigten keine (post-)entzündlichen (Erosionen, Verkalkungen) oder degenerativen (subchondrale Sklerose, Gelenkspaltverschmälerung, Osteophyten) Veränderungen.

In der persönlichen Anamnese war zu erfahren, dass es bereits seit drei Jahren rezidivierend zu Schüben mehrerer Gelenke (Kniegelenk, oberes und unteres Sprunggelenk sowie Metatarsophalangeal- und proximale Interphalan­gealgelenke beidseits) kam, welche bei Verdacht einer seronegativen rheumatoiden Arthritis seither intermittierend mit Glukokortikoiden und Methotrexat behandelt wurden.

Zu den relevanten Vorerkrankungen zählte eine HIV-Infektion unter antiretroviraler Therapie, eine immunkon­trollierte Hepatitis B sowie ein Alkoholgebrauch von täglich zwei Shots Brandy und zwei Deziliter Wein.

Bei akuter Monoarthritis entschieden wir uns bei fehlender Punktionsmöglichkeit pragmatisch bei bekannter undifferenzierter Polyarthritis für eine Infiltration mit 10 mg Triamcinolon acetonid (Kenacort). Nach initialer Besserung manifestierte sich nach einigen Monaten eine erneute Arthritis im gleichen Gelenk sowie zusätzlich eine Arthritis im PIP III der rechten Hand (Abb. 1).

Bei fehlender Krankheitskontrolle unter der Therapie mit Methotrexat (> 6 Monate) und Glukokortikoiden entschieden wir uns bei Zweifel an der Diagnose einer rheumatoiden Arthritis für eine weiterführende Diagnostik mittels ultraschallgesteuerter Synovialbiopsie des PIP III links. Differenzialdiagnostisch kamen bei der Patientin mit zwei vorbestehenden Geschlechtskrankheiten eine reaktive Arthritis im Rahmen der bestehenden HIV-Infektion, eine neu aufgetretene Infektion mit Chlamydia tracheomatis oder Neisseria gonorrhoea, eine Arthritis im Rahmen der Hepatitis B und eine Kristallarthropathie in Betracht. Wobei in den Blutkontrollen der letzten Jahre keine HBV-DNA nachweisbar war und die HIV-Viruslast unter antiretroviraler Therapie konstant unter 50 Kopien HIV-RNA/ml lag und diese somit unwahrscheinlich waren.

Ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie

Synovialbiopsien werden einerseits für klinische Zwecke zur weiterführenden Diagnostik einer undifferenzierten Mono-, Oligo-, Polyarthritis bei fehlender Klärung durch bisher durchgeführte Untersuchungen wie Labor, Bildgebung und Punktatanalyse durchgeführt.
Andererseits werden auch für Forschungszwecke Synovialbiopsien entnommen, um die Pathogenese zu klären, Biomarker für das Fortschreiten der Erkrankung zu identifizieren und individualisierte Therapiemöglichkeiten im Sinne einer «personalisierten Medizin» zu entwickeln.

Die Gewinnung von Synovialgewebe kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Einerseits kann Gewebe bei Arthrotomien, Arthroplastien und Arthroskopien durch Orthopäden gewonnen werden. Alternativ kann durch eine sonographiegesteuerte Biopsie Synovialgewebe durch den Rheumatologen gewonnen werden.
In der Rheumatologie des Universitätsspitals Zürich erfolgt regelmässig unter Lokalanästhesie die ultraschallgesteuerte Biopsie mit einer Quick-Core-Biopsienadel (Abb. 2).

Im Vergleich zur Arthroskopie (derzeitiger Goldstandard) ist diese Methode günstiger, weniger invasiv und erfordert keinen Operationssaal mit Operationspersonal. Des Weiteren ist sie für kleine und grosse Gelenke anwendbar, wird von den Patientinnen und Patienten gut toleriert und liefert die gleiche Probenqualität. Mittels Ultraschall kann die Entzündung direkt dargestellt werden, sodass auch exakt die entzündete Synovia biopsiert werden kann. Die unerwünschten Nebenwirkungen sind in der Regel mild, transient und selten (ca. 0.5 %) (1). Zu den Kontraindikationen gehören eine entzündliche Hautveränderung im Punktionsareal, eine Antikoagulation und Gerinnungsstörungen. Bei der Entnahme für klinische Zwecke werden ungefähr die Hälfte der entnommenen Proben (ca. 6 Fragmente) in die Pathologie und die andere Hälfte zur Mikrobiologie geschickt. Im Anschluss erfolgten in der Mikrobiologie eine Gramfärbung, Kultur sowie eine PCR-Untersuchung auf diverse potenzielle Krankheitserreger. Die Synovialbiopsie weist im Vergleich zur Punktatanalyse eine erhöhte Sensitivität zur Erregerdiagnostik (z. B. Mykobakterien, Tropheryma whipplei oder Pilzen) auf.

In der Pathologie wird das in Formalin fixierte Synovialgewebe entwässert und mit Paraffin infiltriert. Es werden 2uM dünne Gewebeschnitte für die histologische Beurteilung angefertigt. Die Standardfärbung ist Hematoxylin-Eosin (HE). Um mögliche Kristalle mittels polarisierten Lichts im Mikroskop darstellen zu können, wird ein Teil der Proben nach Entnahme direkt in 70% Ethanol und nicht Formalin fixiert.

Der sogenannte Krenn-Score ermöglicht am HE-Schnitt eine Einteilung der chronischen Entzündung in gering, mittelgradig und schwer (2). Der Einsatz von Immunhistochemie erlaubt weiter eine Einteilung des Histio-Typen nach Pitzalis. Die Klassifikation erfolgt in drei Typen: 1. Diffus-myeloid (myeloische Zellen und wenig B-Lymphozyten), 2. Lympho-myeloid (Dominanz von B-Zellen, Plasmazellen mit myeloischen Zellen) und 3. Pauci-immun/fibroid (hauptsächlich Nachweis von Stromazellen) (3).
Die Unterscheidung in diese drei Histio-Typen ist von potenziellem Nutzen bei der Wahl der Therapie sowie der Beurteilung des Therapieansprechens und der Krankheitsaktivität und Prognose der Arthritis (1).

Allerdings lässt sich anhand des «Krenn synovitis score» und des Histio-type-Scores nach Pitzalis der Immunzellen noch nicht mit hinreichender Sicherheit die Ätiologie der Arthritis bestimmen (4).

Eine breite Differenzialdiagnose kann jedoch bereits durch spezifische Merkmale der entsprechenden Krankheit gestellt werden (z. B. Kristallarthropathien, M. Wilson, PVNS, synoviale Chondromatose, Ochronose, Sarkoidose, Fremdkörpersynovitis, Amyloidose und Hämochromatose).

Resultat

Histologisch lassen sich auch an Formalin fixiertem Gewebe sog. Gichtthophi nachweisen, auch wenn die Kristalle herausgewaschen sein sollten während der Gewebeprozessierung im Labor (Abb. 3). Solche typischen Veränderungen zeigen eine faserige Grundsubstanz mit einem entzündlichen Randsaum (meist Histiozyten und Lymphozyten) auf. Somit konnte die Diagnose einer Gicht gestellt werden.

In der ergänzend durchgeführten Dual-Energy Computed Tomography (DECT) der Hände zeigte sich eine kleine Uratablagerung in der Sehnenscheide um die Flexorsehne des Mittelfingers auf Höhe der Phalanx proximalis des dritten – biopsierten – Fingers (Abb. 4).

Diskussion

Der vorliegende Fall demonstriert die Eignung der Synovialbiopsie als diagnostisches Instrument bei undifferenzierter Arthritis. Die von der ACR und EULAR im Jahr 2015 erarbeiteten Gicht-Klassifikationskriterien besagen, dass eine Punktatanalyse mit Präsenz von Harnsäurekristallen oder sichtbaren Tophi, definiert als kreideartige subkutane Knoten unter transparenter Haut, diagnostisch für eine Gicht ist. In unserem Fall war eine Punktionsanalyse bei fehlendem Gelenkerguss nicht möglich. In den Klassifikationskriterien von 2015 wird nicht auf den Stellenwert der Synovialbiopsie bei der Diagnosestellung einer Gicht eingegangen, wobei auch wir keine Daten zur Sensitivität und Spezifität der Synovialbiopsie zur Erkennung einer Gicht in der Literatur finden konnten. Im Unterschied zu einer DECT besteht der Vorteil einer Synovialbiopsie in der Möglichkeit, mehrere Differenzialdiagnosen mit einem einzigen Test zu verfolgen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Stellenwert der ultraschallgesteuerten synovialen Biopsie in der Rheumatologie in Zukunft entwickeln wird; ein personalisierter Ansatz zur Behandlung von chronischen autoimmun-bedingten Arthritiden nach dem Krebsmodell wird angestrebt. Mit unserem Fall konnten wir zeigen, dass die ultraschallgesteuerte Biopsie auch unabhängig davon schon jetzt eine diagnostische Bereicherung darstellt.

Author Contributions
Konzept M. Bachmann, R. Micheroli; Schreiben, Überprüfen, Editieren, M. Bachmann, R. Micheroli, N. Colla, K. Zachariassen, C. Pauli. O. Distler. Supervision.
Alle Autorinnen und Autoren haben das eingereichte Manuskript gelesen und sind für alle Aspekte des Werkes mitverantwortlich.

Pract. med. Mauro Bachmann

Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

mauro.bachmann@usz.ch

Dr. med. univ. Katharina Zachariassen

Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie

Prof. Dr. med. Chantal Pauli

Leitende Oberärztin
Institut für Pathologie und Molekularpathologie

Dipl. Ärztin Nina Colla

Universitätsspital Zürich
Klinik für Rheumatologie

Prof. Dr. med. Oliver Distler

Klinikdirektor
Klinik für Rheumatologie
Universitätsspital Zürich

pract. med. Jonas Micheroli

Ärzte Netstal AG
Tschuoppisstrasse 39
8754 Netstal

jonasmicheroli@hin.ch

Die Autorinnen und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Bei unklarer Mono-, Oligo- und Polyarthritis sollte bei Gelenkerguss immer eine Gelenkpunktion zur weiteren Diagnostik angestrebt werden.
• Zur weiteren Diagnostik bei undifferenzierter Arthritis ist die Synovialbiopsie ein wertvolles Instrument.
• Die ultraschallgesteuerte Synovialbiopsie stellt eine wenig invasive, kostengünstige, gut tolerierte und qualitativ hochwertige Methode zur Gewinnung von Synovialgewebe kleiner bis grosser Gelenke dar.
• Es ist zu erwarten, dass mit der Synovialbiopsie zukünftig ein personalisierter Ansatz zur Behandlung chronisch-autoimmun bedingter Arthritiden möglich ist.

Literatur
1. Saraiva F. Ultrasound-Guided Synovial Biopsy: A Review. Front Med (Lausanne). 2021;8:632224. Published 2021 Apr 22.
2. Krenn V, Morawietz L, Burmester GR, et al. Synovitis score: discrimination between chronic low-grade and high-grade synovitis. Histopathology. 2006;49(4):358-364.
3. Humby F, Lewis M, Ramamoorthi N, et al. Synovial cellular and molecular signatures stratify clinical response to csDMARD therapy and predict radiographic progression in early rheumatoid arthritis patients. Ann Rheum Dis. 2019;78(6):761-772
Pitzalis C, Kelly S, Humby F. New learnings on the pathophysiology of RA from synovial biopsies. Curr Opin Rheumatol. 2013 May;25(3):334-44

XDR-Tuberkulose: Nicht nur medizinisch eine ­Herausforderung

Ein junger Patient aus Georgien präsentiert sich mit einer pulmonalen XDR-Tuberkulose, nachdem er in seinem Heimatland bereits über Monate erfolglos mit diversen Reservetherapeutika behandelt worden ist. Nach Bestätigung der Diagnose auf Basis von genotypischen Untersuchungen der Sputumproben sowie eines georgischen Resistenzogramms wurde eine empirische Therapie gestartet. Trotz vieler Unsicherheiten und im Verlauf schweren Therapienebenwirkungen, die Therapieanpassungen nötig machten, verlief die Behandlung erfolgreich mit klarem klinischen und radiologischen Ansprechen, und der Patient konnte nach knapp einem Jahr nach Georgien zurückkehren.

Schlüsselwort: XDR-Tuberkulose

Fallbericht

Anamnese und Befunde

Im Folgenden berichten wir von einem Fall von extensively drug-resistant Tuberkulose (XDR-Tb) bei einem Patienten aus Georgien, der nach frustraner Therapie in seinem Heimatland in der Schweiz Asyl beantragt hat, um sich hier behandeln zu lassen. Der 32-jährige Patient wurde vom Bundesasylzentrum auf unsere Notfallstation zugewiesen, nachdem er einen Tag zuvor mit seiner Familie in die Schweiz eingereist ist. Er berichtet, in Georgien über fast ein halbes Jahr erfolglos gegen eine resistente Form von pulmonaler Tuberkulose behandelt worden zu sein, wobei sich sein Zustand immer weiter verschlechtert habe. Er leide unter Husten, progredienter Schwäche und Gewichtsverlust. Auch sein sechsjähriger Sohn sei erkrankt und von schweren Therapienebenwirkungen betroffen.
Fünf Monate zuvor sei eine Therapie mit den Medikamenten Bedaquilin, Linezolid und Pretomanid begonnen und nach zwei Monaten auf eine Kombination aus Levo­floxacin, Linezolid, Delamanid, Paraaminosalicylsäure und Cycloserin umgestellt worden. Bei fehlendem Ansprechen habe man ihm schliesslich als letzte therapeutische Option eine Operation nahegelegt, was, neben dem schwierigen Verlauf beim Sohn, zum Entscheid geführt habe, sich in der Schweiz behandeln zu lassen.

Der Patient präsentierte sich bei Eintritt kachektisch mit einem BMI von 17,8 kg/m2, die pulmonale Auskultation ergab abgeschwächte Atemgeräusche über dem rechten Mittelfeld. Computertomographisch kamen postspezifische Veränderungen im rechten Ober- und Unterlappen mit ausgedehnten Konsolidierungen und mehreren Kavernen mit Anschluss an das Bronchialsystem zur Darstellung (Abb. 1).

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die resistente Tuberkulose wird von der WHO je nach Grad der Resistenz in fünf Kategorien unterteilt (Tab. 1).

 

Je mehr Medikamente der Standardtherapie und der Reservewirkstoffe unwirksam sind, desto höhergradig ist die Resistenz. Die Unterscheidung ist aufgrund unterschiedlicher Therapieregime von Bedeutung. Zur Differenzierung stehen geno- sowie phänotypische Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Eine kulturelle Anzucht der Mykobakterien zur direkten Austestung der Medikamentenwirksamkeit (phänotypische Resistenzprüfung) ist der Goldstandard, jedoch aufgrund der langen Generationszeit der Mykobakterien häufig erst nach langer Bebrütungszeit (bis zu mehreren Wochen) verfügbar. Wesentlich schneller sind die genotypischen Testungen, bei denen beispielsweise mittels PCR nach konkreten Resistenzmutationen gesucht wird. Nicht für jedes Tuberkulosemedikament ist jedoch eine entsprechende Resistenzmutation bekannt, sodass sich nicht alle Medikamente mittels genotypischer Methode austesten lassen. Unter einer ungeeigneten Therapie können sich schnell neue Resistenzen bilden und Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren, sodass eine präzise Diagnose für den Therapieerfolg zentral ist.

Weitere Abklärungsschritte

Säurefeste Stäbchen konnten mikroskopisch in zwei von sechs Sputumproben detektiert werden, der Direktnachweis des Mycobacterium tuberculosis-Komplex mittels PCR (GeneXpert) gelang aus drei von sechs Proben. Diese initiale PCR bestätigte auch das Vorliegen einer Rifampicin-Resistenz durch Nachweis der Resistenzmutation S450L/W im rpoB-Gen. Weiter konnten molekular mittels Line Probe Assay und Sequenzanalyse folgende Resistenzen nachgewiesen werden: Isoniazid high-level-Resistenz (katG-Gen, S315T Mutation), Pyrazinamid-Resistenz (pncA-Gen, H71R Mutation), Fluorchinolon-Resistenz (gyrA-Gen, D94N Mutation) sowie eine Streptomycin-Resistenz (rpsL-Gen, K88R Mutation). Eine kulturelle Anzucht aus kumulativ neun Proben mit Inkubation über zwölf Wochen gelang nicht, sodass keine phänotypische Resistenzprüfung durchgeführt werden konnte.

Mit einigem Aufwand liessen sich im Verlauf die georgischen Vorbefunde auftreiben. Es fand sich dabei ein Resistogramm aus der ersten kulturell positiven Sputumprobe, in dem zusätzlich Resistenzen auf die neueren Medikamente Bedaquilin und Delamanid beschrieben war. Mit dieser zusätzlichen Information war die Diagnose einer XDR-Tuberkulose gestellt.

Kommentar

Die extensively drug-resistant Tuberkulose (XDR-Tb) ist mit null bis drei Fällen pro Jahr in der Schweiz eine Seltenheit (E. Altpeter, Bundesamt für Gesundheit). In anderen Regionen der Welt, vor allem in Zentralasien und Osteuropa, sind resistente Formen der Tuberkulose verbreiteter. Bezogen auf die Ansteckungsrate unterscheiden sie sich nicht von der sensiblen Form, sind jedoch schwieriger zu behandeln und weisen eine deutlich höhere Morbidität und Mortalität auf (1). Die Therapieerfolgsrate ist mit 31 % sehr tief (2).

Präzise Zahlen zur Prävalenz weltweit sind nicht verfügbar, da in vielen Ländern Resistenztestungen aus Ressourcengründen nur sehr begrenzt durchgeführt werden. Im Jahr 2022 wurden weltweit nur ca. 70 % aller mikrobiologisch bestätigten Fälle von pulmonaler Tuberkulose auf das Vorliegen einer Rifampicin-Resistenz getestet (absolut 2.9 von 4 Millionen Fällen). Von den getesteten waren
4.4 % Rifampicin-resistent (RR), und bei wiederum ca. 15 % davon lag eine pre-XDR- oder XDR-Tb vor. Global werden jährlich nur ca. 43 % aller Patienten, die eine MDR/RR-Tb entwickeln, einer adäquaten Therapie zugeführt (3). Demgegenüber werden in der Schweiz alle diagnostizierten RR-, MDR-, preXDR- oder XDR-Tb-Fälle vom Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien (NZM, Institut für Med. Mikrobiologie, Universität Zürich) tiefergehend analysiert. Es wird eine umfassende phänotypische und genetische Resistenztestung für Erst- und Zweitlinien-Antituberkulotika sowie eine Typisierung mittels Next Generation Sequencing (NGS) durchgeführt.

Die Viererkombination aus Rifampicin, Isoniazid, Ethambutol und Pyrazinamid, die sich zur Therapie der sensiblen Tuberkulose etabliert hat, ist bei den resistenten Formen nicht wirksam (4).
Nachdem 1968 Rifampicin auf den Markt gekommen ist, dauerte es über 40 Jahre, bis 2012 mit Bedaquilin ein neuer Wirkstoff für die Behandlung der Tuberkulose von der FDA zugelassen wurde (5–7). Es folgten 2014 Delamanid (8) und 2019 Pretomanid (9). Diese neuen Wirkstoffe gelten als Reservemedikamente für die Therapie einer resistenten Tuberkulose.

In den 2022 veröffentlichten neuesten WHO-Guidelines zur Therapie der resistenten Tuberkulose wird zur Behandlung der MDR-Tb prioritär die Viererkombination der Medikamente Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin («BPaLM-Regimen») über sechs Monate empfohlen. Im Fall einer pre-XDR-Tb (zusätzliche Fluorchinolon-Resistenz) soll Moxifloxacin weggelassen werden. Bei Vorliegen einer XDR-Tb wird empfohlen, eine ‘individualisierte Therapie’ aus Zweitlinienmedikamenten zusammenzustellen auf Basis der Empfindlichkeitsprüfung und der Krankengeschichte.

Diese Zweitlinienmedikamente wurden von der WHO in die drei Gruppen A, B und C in absteigender Hierarchie nach Wirksamkeit, Sicherheit und Einfachheit in der Anwendung eingeteilt (Tab. 2). Die Therapie soll zusammengesetzt werden aus mindestens vier ‘wahrscheinlich wirksamen’ Medikamenten, nach Möglichkeit soll eine Kombination von drei Substanzen der Gruppe A und mindestens einer Substanz der Gruppe B gewählt werden. Wenn keine vier ‘wahrscheinlich wirksamen’ Medikamente in den Gruppen A und B vorhanden sind (bei Vorliegen von Resistenzen oder Intoleranzen), sollen welche der Gruppe C eingeschlossen werden. Die Therapiedauer beträgt 18–20 Monate (10).

Diese – vornehmlich sehr alten – Zweitlinienmedikamente sind mit einer Bandbreite an teils schwerwiegenden Nebenwirkungen assoziiert, die die Therapieerfolgsrate entscheidend negativ beeinflussen. Die Anwendung von Linezolid kann dosisabhängig zu therapielimitierender Knochenmarksdepression, Polyneuropathie, Laktatazidose und Optikusneuritis führen, während Amikazin aufgrund von irreversibler Innenohrschädigung mit Hörverlust gefürchtet ist (11–14). Unter Therapie mit Cycloserin sind vor allem neuropsychiatrische Nebenwirkungen beschrieben, die von Kopfschmerzen (meist nicht therapielimitierend) über Depression bis hin zu schweren Psychosen und Suizidalität reichen und die folglich nicht nur im Zusammenhang mit der Compliance von Bedeutung sind (15, 16).
Auch chirurgische Optionen zur Behandlung von Fällen mit ausgedehnter Medikamentenresistenz werden in den WHO-Guidelines von 2022 erwähnt. Eine pulmonale Wedge-Resektion oder Lobektomie kann unter bestimmten Umständen und zusätzlich zur bestmöglichen medikamentösen Therapie helfen, den Bakterienload zu verringern und die Prognose zu verbessern (10).

Therapie und Verlauf

Der Patient war über fünf Wochen unter aerogener Isolation hospitalisiert, bis die geeignete Therapie gestartet werden konnte. Nach interdisziplinärer Besprechung am Mykobakterien-Board, unter Beizug von Experten des deutschen Referenzzentrums für Mykobakterien sowie konsiliarisch der Thoraxchirurgie, fiel die Entscheidung auf eine empirische Therapie mit Linezolid p.o., Cycloserin p.o., Amikacin i.v. und Meropenem plus Clavulansäure i.v. (mangels Verfügbarkeit eines Clavulansäure-Monopräparats verabreichten wir Co-Amoxicillin plus Meronem). Cycloserin musste aus Japan bzw. den USA bestellt werden, was den Therapiestart um zwei Wochen verzögerte. Drei Wochen nach Beginn der Behandlung zeigte sich ein erfreuliches Ansprechen mit komplett sistiertem Husten, Afebrilität und einer Gewichtszunahme von 5 kg. Der Patient wurde zur Fortsetzung der Therapie unter weiterhin strenger Isolationsmassnahme in eine andere Klinik verlegt. Unter Therapie erfolgten zum Zeitpunkt sechs, sieben und acht Wochen erneute Sputumkontrollen, die mikro­skopisch und kulturell negativ blieben. Nach zweimonatiger Behandlung wurde eine Verlaufs-Computertomographie durchgeführt, die eine Resolution der pulmonalen Kavernen zeigte und das klinische Therapieansprechen radiologisch bestätigte (Abb. 2).

Die Isolation wurde aufgehoben, Meropenem/Clavulansäure i.v. durch Levofloxacin p.o. ersetzt, der Patient aus der Klinik entlassen und die Vierfachtherapie mit Linezolid, Levofloxacin, Cycloserin und Amikacin mithilfe der Spitex ambulant fortgesetzt.

Zur Monitorisierung erfolgte wöchentlich ein Polyneuropathie-Screening mittels Stimmgabeltest, eine initial wöchentliche Kontrolle von Blutbild, Kreatinin, Transaminasen und Laktat und regelmässige Audiometriekontrollen sowie Amikacin-Spiegel zur Früherkennung einer Innenohrschädigung. Nach knapp viermonatiger Therapie kam es zu ausgeprägter psychiatrischer Symptomatik mit selbst- und fremdaggressivem Verhalten, das eine notfallmässige Versorgung von Schnittwunden und eine Kurzhospitalisation in einer psychiatrischen Klinik nach sich zog. Nach Stoppen von Cycloserin sistierte die neuropsychiatrische Symptomatik, eine klassische Nebenwirkung dieser Sub­stanz, komplett. Weitere drei Monate später entwickelte der Patient eine schwergradige Hochtonschwerhörigkeit beidseits, sodass wir auch Amikacin absetzen mussten. Stattdessen sollte Paraaminosalicylsäure (PAS) eingesetzt werden, was jedoch weder in der Schweiz noch aus dem Ausland lieferbar war. Es wurde also eine Zweifach-Therapie mit Linezolid und Levofloxacin weitergeführt für eine kumulative Therapiedauer von zwölf Monaten. Solange hat der Patient (trotz negativem Asylentscheid) in der Schweiz bleiben können. Sein Sohn wurde unterdessen erfolgreich an einer Kinderklinik behandelt und konnte ebenfalls genesen nach Georgien zurückkehren.

Danksagung
Die Publikation wurde mit finanzieller Unterstützung durch die wissenschaftlichen Stiftung Stadtspital Zürich (Fonds Medizin) ermöglicht. Wir bedanken uns ausserdem herzlich bei Dr. sc. nat. Bettina Schulthess, Ko-Leiterin Nationales Zentrum für Mykobakterien, für die kritische Durchsicht dieses Beitrags.

Dipl. Ärztin Alexandra Schaeren

Klinik für Innere Medizin
Stadtspital Zürich Trieml

PD Dr. med. Johannes Nemeth

Klinik für Infektiologie
Universitätsspital Zürich

Dr. med. Bertram Feil

Institut für Radiologie und Nuklearmedizin
Stadtspital Zürich

Dr.med. Benjamin Preiswerk

Leitender Arzt Infektiologie
Leitung Med. Mikrobiologie
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Die Autorin und Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Bei Vorgeschichte einer Tuberkulosetherapie oder Herkunft aus einem Hochprävalenzland (z.B. Länder der ehemaligen Sowjetunion, Zentralasien) muss an die Möglichkeit einer DR-Tb gedacht und eine entsprechende Untersuchung durchgeführt werden.
• Bei Nachweis einer MDR-, pre-XDR- oder XDR-Tb sollte die Therapie in Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum besprochen werden.
• Unerwünschte Wirkungen der Therapie sind häufig, bisweilen schwer, und können therapielimitierend sein. Sie müssen streng monitorisiert werden.
• 2023 wurde in Zürich das interdisziplinäre Mykobakterien-Board ins Leben gerufen, an welchem alle vier Wochen bzw. bei Bedarf häufiger komplexe Fälle vorgestellt und interdisziplinär zwischen Infektiologen, Pneumologen und Mikrobiologen des NZM besprochen werden. Das Board findet online via Zoom statt, zu diskutierende Fälle sind vorgängig zu melden an Johannes.Nemeth@usz.ch oder Marisa.Kälin@usz.ch.

1. Dheda K, Mirzayev F, Cirillo DM, et al. Multidrug-resistant tuberculosis. Nat Rev Dis Primers. 2024;10:1.
2. Dahl VN, Butova T, Rosenthal A, et al. Drug-Resistant Tuberculosis, Georgia, Kazakhstan, Kyrgyzstan, Moldova, and Ukraine, 2017–2022. Emerg Infect Dis. 2024;30:831–3.
3. World Health Organisation. Global Tuberculosis Report 2023. 2023.
4. World Health Organisation. WHO consolidated guidelines on tuberculosis. Module 4, Treatment: drug-resistant tuberculosis treatment. Geneva: World Health Organization; 2020.
5. Brändli O. Tuberkuloseforschung ist wichtig und nötig. Swiss Medical Forum. 2020;20:767–8.
6. Approval Dates for Existing and Prospects for Development of New Antituberculosis Drugs and Vaccines – Ending Neglect – NCBI Bookshelf (nih.gov). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK225602/; letzter Zugriff: 11. April 2024.
7. Dooley KE, Nuermberger EL, Diacon AH. Pipeline of drugs for related diseases: tuberculosis. Current Opinion in HIV and AIDS. 2013;8:579–85.
8. Auflistung zugelassener Orphan Drugs einsehen | vfa. https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/orphan-drugs-list?filterWirkstoff=delamanid&filterIndikation=&sprungmarke=listmedikamenteorphan-90654#listmedikamenteorphan-90654; letzter Zugriff: 10. April 2024.
9. DailyMed – PRETOMANID tablet (nih.gov). https://dailymed.nlm.nih.gov/dailymed/drugInfo.cfm?setid=f1906fc9-cb3c-4e13-8a4a-da76100c1bf3; letzter Zugriff: 10. April 2024.
10. WHO operational handbook on tuberculosis. Module 4: treatment – drug-resistant tuberculosis treatment, 2022 update. 2022.
11. Wasserman S, Brust JCM, Abdelwahab MT, et al. Linezolid toxicity in patients with drug-resistant tuberculosis: a prospective cohort study. Journal of Antimicrobial Chemotherapy. 2022;77:1146–54.
12. Wangchuk P, Ram Adhikari T, Nima G, Dendup P. Audiological monitoring of patients undergoing multidrug resistant tuberculosis treatment at Jigme Dorji Wangchuk National Referral Hospital and Gidakom Hospital, Bhutan. Journal of Clinical Tuberculosis and Other Mycobacterial Diseases. 2021;23:1–4.
13. Wang S, Forsman LD, Xu C, Zhang H, Zhu Y, Shao G, u. a. Second-line antituberculosis drug exposure thresholds predictive of adverse events in multidrug-resistant tuberculosis treatment. International Journal of Infectious Diseases. 2024;140:62–9.
14. Borisov S, Danila E, Maryandyshev A, et al. Surveillance of adverse events in the treatment of drug-resistant tuberculosis: first global report. Eur Respir J. 2019;54:1–14.
15. Yadav S. Cycloserine-Induced Insomnia and Psychosis in Multidrug-Resistant Pulmonary Tuberculosis – A Case Report. Cureus. 2022;14:1–5.
16. Yadav S, Rawal G. Adverse drug reactions due to cycloserine on the central nervous system in the multidrug-resistant tuberculosis cases: a case series. PAMJ Clinical Medicine. 2019;1.

Selten, jedoch schwerwiegend: Metabolische Azidose durch gleichzeitige Anwendung von Paracetamol und Flucloxacillin

Ein 60-jähriger polymorbider Patient entwickelte während einer wochenlangen Behandlung mit Flucloxacillin und Paracetamol eine schwere metabolische Azidose. Die Azidose hatte eine gemischte Ätiologie und wurde durch eine 5-Oxoprolinakkumulation bei vorbestehen-den Risikofaktoren für einen Glutathionmangel sowie eine Ketoazidose bei Malnutrition ausgelöst. Nach supportiver Behandlung mit N-Acetylcystein sowie Hämofiltration war die Azidose vollständig rückläufig.

Schlüsselwörter: Oxoprolin, Hungerazidose, metabolische Azidose mit grosser Anionenlücke, Flucloxacillin, Paracetamol

Anamnese und Befunde

Ein sechzigjähriger Patient mit einer langjährigen Anamnese einer rheumatoiden Arthritis unter Immunsuppression mit Prednison, Adalimumab, Azathioprin und Hydroxychloroquin wurde aufgrund von Fieber und Rückenschmerzen in die Notaufnahme eingewiesen, nachdem vor zehn Tagen starke lumbale Schmerzen mit Ausstrahlung in die Beine erstmals aufgetreten waren. Bei Verdacht auf einen Schub der rheumatoiden Arthritis erhöhte der Hausarzt die Prednison-Dosis auf 60 mg täglich. Bei diesem septischen und hypotonen Patienten zeigte die Computertomographie Impressionsfrakturen der lumbalen Wirbelkörper 3 und 4, bilaterale Psoasabszesse sowie eine Spondylodiszitis als Infektfokus.

Der Patient wurde auf die Intermediate-Care-Station aufgenommen und eine empirische antiinfektive Therapie mit Piperacillin/Tazobactam und Vancomycin eingeleitet. Die Immunsuppression reduzierten wir auf Prednison 20 mg als Monotherapie. Nach dem Nachweis von Staphylococcus aureus in den Blutkulturen wechselten wir zu Flucloxacillin (kon-tinuierliche Infusion mit 12 g/24h). Nach Quantifizierung des Ausmasses der Abszesse und der Spondylodiszitis mittels MRT (Magnetresonanstomographie) führten wir eine Hemilaminektomie von L2 (2. Lumbalsegment) mit mikrochirurgischer Abszessdrainage sowie eine CT-gesteuerte (Computertomographie) Abszessdrainage in beiden Psoasmuskeln durch. Es gab keine Anzeichen einer Endokarditis in der transösophagealen Echokardiographie, die Blutkulturen bliebeb nach der Infektsanierung in Abständen von 2 Tagen repetitiv negativ.

Die starken Schmerzen behandelten wir mit Metamizol (4x500mg p.o. täglich), Paraceta-mol (4×500 mg p.o. täglich), Oxycodon und Ketamin. Drei Wochen nach der Aufnahme präsentierte sich der Patient mit akut aufgetretener Tachypnoe (Atemfrequenz >40/min), Sprechdyspnoe jedoch normalem Lungenauskultationsbefund. Die periphere Sättigung unter Raumluft war normal. Es gab keine Marmorierung der Haut, der Patient war hämo-dynamisch stabil (Blutdruck 170/95 mmHg, Herzfrequenz 112/min., rhythmisch), afebril (37 °C), die Halsvenen waren nicht gestaut, periphere Ödeme bestanden nicht. Die Darm-geräusche waren über allen vier Quadranten normal, der Bauch war weich und ohne Druckempfindlichkeit. Das EKG (Elektrokardiogramm) und die Laboruntersuchungen zeig-ten keine Anzeichen eines akuten Koronarsyndroms. Die Blutgasanalyse zeigte eine schwere metabolische Azidose (pH 7,162, pCO2 7.5 mmHg) mit erhöhter Anionenlücke (16,8 mmol/l), erniedrigtem Bikarbonat (6 mmol/L), normalem Laktat (1,1 mmol/l) und normalem Blutzucker (Tab. 1).

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die Bewertung von Säure-Basen-Störungen sollte die einfache Berechnung der Anionenlücke einschliessen. Sie wird wie folgt berechnet: Anionenlücke = Na+ – (Cl- + HCO3-) und liegt normalerweise bei 10 bis 12 mmol/l. Eine Vergrösserung der Anionenlücke ist in der Regel auf eine Zunahme ungemessener Anionen in der extrazellulären Flüssigkeit zurückzuführen (Additionsazidose) und seltener auf eine Abnahme ungemessener Kationen (Calcium, Magnesium, Kalium). Die ungemessenen Anionen umfassen Phosphat, Sulfat und organische Anionen. Darüber hinaus nimmt die Anionenlücke zu mit einer Zunahme des anionischen Albumins (Serumalbumin minus 10 g/L vom Normalwert (45 g/L) verringert die Anionenlücke um 2,5 mmol/l).
Bei normalem Serumalbumin wird eine Anionenlücke-Azidose also durch nicht-chloridhaltige Säuren verursacht: anorganische (Phosphat, Sulfat), organische (Ketonkör-per, Laktat, urämische organische Anionen), exogene (Salicylat oder aufgenommene Toxine mit Produktion von organischen Säuren) oder nicht identifizierte Anionen.

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

Bei dem Patienten lag eine schwere akute metabolische Azidose vor. Eine Laktatazidose lag nicht vor und die Nierenfunktion war normal (Messung der Cystatin C Clearance). Der Blutzucker war nicht entgleist, Ketonkörper konnten initial im Urin (mittels Streifentest) nicht nachgewiesen werden. Aufgrund der gleichzeitigen Therapie mit Flucloxacillin und Paracetamol bei einem Patienten in einem mangelernährten Zustand (Gewichtsabnahme von 10 kg im letzten Monat) wurde eine Akkumulation von 5-Oxoprolin vermutet.

Die Bestimmung des 5-Oxoprolin-Spiegels im Urin mit einem Wert von 21000 mmol/mol Kreatinin bestätigte die Diagnose (Normbereich bis 200 mmol/mol Kreatinin), was aber eine Anionenlücke von 16mmol/L erwarten lässt (1). Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist die schwere Hypoalbuminämie des Patienten (20 g/L) und eine hyperchlorämische Azidose (Chlorid 124 mmol/L). Die Ursache für diese Komponente war initial unklar. Während der Bestimmung von Oxoprolin im Urin wurden zusätzlich erhöhte Ketonkörper (3-Keto-Butyrat von 700 mmol/mol Kreatinin, Normwert <60; 3-Hydroxybutyrat von 2560 mmol/mol Kreatinin, Normwert <130) nachgewiesen.

Kurz nach Auftreten der ersten Symptome und der Blutgasanalyse erschöpfte sich der Patient respiratorisch und entsättigte bis 60%, weshalb die rasche Verlegung auf die Intensivstation erfolgte. Es wurde eine Therapie mit N-Acetylcystein durchgeführt mit dem Ziel das Glutathion auf-zufüllen. Natriumbicarbonat wurde verabreicht sowie eine kontinuierliche Hämofiltration eingeleitet zwecks Normalisierung der Stoffwechsellage. Die Hämofiltration inklusive Adsorption mittels Cytosorb diente zusätzlich der Clearance des Flucloxacillin. Im Verlauf konnte die Azidose innerhalb von 24 Stunden vollständig korrigiert werden. Nach weiteren 4 Wochen Antibiotikatherapie mit Cefazolin und Clindamycin wurde der Patient zuerst in eine Rehabilitationsklinik verlegt und er konnte diese schliesslich nach weiteren vier Wochen in gebessertem Zustand nach Hause verlassen.

Diagnose

Folgende primäre Ursachen führten zu dieser schweren gemischten metabolischen Azidose. Einerseits bestand eine Ketonurie, andererseits eine 5-Oxoprolinakkumulation nach einem Monat gleichzeitiger Therapie von Flucloxacillin und Paracetamol (Tab. 2). 5-Oxoprolin ist ein Metabolit des Gamma-Glutamyl-Zyklus. Es handelt sich um eine organische Säure, die bei Akkumulation eine metabolische Azidose mit vergrösserter Anionenlü-cke auslösen kann.


Im Gamma-Glutamyl-Zyklus kann 5-Oxoprolin durch die 5-Oxoprolinase zu Glutamat umgewandelt werden. Glutamat und Cystein bilden gemeinsam γ-Glutamylcystein, aus dem Glutathion und 5-Oxoprolin gebildet werden. Paracetamol verursacht einen Verbrauch von Glutathion durch seinen Metaboliten N-Acetylpbenzoquinonimin (3). Niedrige Glutathionspiegel lösen wiederum durch einen Rückkopplungsmechanismus einen Anstieg von γ-Glutamylcystein aus. Flucloxacillin hemmt die 5-Oxoprolinase (4). Dies führt zu einem Anstieg des 5-Oxoprolin-Spiegels und somit zu einer 5-Oxoprolinämie (Grafik 1). Das Risiko eines Gluthationmangels steigt bei Mangelernährung, Alkoholüberkonsum, fortgeschrittenem Alter sowie chronischen Erkrankungen.

Die Hyperchloridämie ist durch eine erhöhte renale Chloridreabsorption bedingt. Diese dient zur Kompensation der erhöhten Bikarbonatexkretion im Rahmen der Ketonkörper und Flucloxacillin-Ausscheidung (Flucloxacillin liegt als Kation, gebunden an Bikarbonat, im Urin vor). Eine renal-tubuläre Azidose vom Typ 1 im Rahmen der rheumatoiden Arthritis kam differentialdiagnostisch als Ursache der Hyperchloridämie ebenfalls in Frage, wurde aber bei einem Urin pH-Wert von 5 vor und mehrere Wochen nach dem Ereignis bei nor-malisiertem Säure-Base-Haushalt ausgeschlossen.

Die Ketoaziodse wurde im Rahmen der Malnutrition während des protrahierten Infektes gewertet. Während einer akuten Azidose verändert sich das Redox-Gleichgewicht im Kör-per erheblich. Das führt zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Beta-Hydroxybutyrat (BHB) und Acetoacetat (AcAc) zugunsten von BHB. Dies geschieht, weil das erhöhte Verhältnis von NADH zu NAD+ die Umwandlung von Acetoacetat in Beta-Hydroxybutyrat begünstigt und die Umkehrung dieser Reaktion hemmt. Infolgedessen wird während einer solchen Krise praktisch nur Beta-Hydroxybutyrat ausgeschieden, während Acetoacetat in geringeren Mengen vorliegt und im Urintest nicht nachweisbar ist. Der Urinstreifentest wird häufig erst im Verlauf positiv, was nicht ein Zeichen der Verschlechterung, sondern eine antizipierbare Folge der Besserung ist. Es ist wichtig zu wissen ist, dass im Urinstreifentest nur Acetoacetat nachgewiesen wird.

Kommentar

Bei einer schweren metabolischen Azidose mit ausgeprägter Hyperventilation als Kompensationsmechanismus droht jederzeit eine respiratorische Erschöpfung. Diese Patienten müssen unverzüglich auf eine Intensivstation verlegt werden. Wichtig zu wissen ist, dass die Gabe von Natriumbikarbonat bei akuten Azidosen schädlich sein kann. Durch die exogene Gabe wird die Produktion vom Kohlendioxid erhöht, was die Hyperventilation ver-stärken und zur respiratorischen Erschöpfung führen kann. (2) Ist eine künstliche Beatmung unumgänglich, muss die Hyperventilation auch nach der Intubation fortgeführt werden, damit die Azidose nicht schwerwiegender wird. Eine metabolische Azidose kann durch mehrere Ursachen gleichzeitig entstehen und für die richtige Diagnosestellung und Therapie braucht es ein systematisches Vorgehen.

Im Gegensatz zum deutschen Merkspruch «Kussmaul» ist im englischsprachigen Mnemonic «GOLD MARK» (5) Oxoprolin als Ursache für eine metabolische Azidose mit vergrösserter Anionenlücke aufgeführt. Die Verwendung des Mnemonic ermöglicht einen systematischen analytischen Ansatz zur Identifizierung der Ursachen der Additionsazidosen.

• Glycol (Ethylenglykol, Propylenglykol)
• Oxoprolin (Pyroglutaminsäure, das toxische Stoffwechselprodukt von übermässigem Paracetamol)
• L-Lactat (Standardlaktat, das bei Laktatazidose auftritt)
• D-Lactat (exogenes Lactat, das von Darmbakterien produziert wird)
• Methanol (dies umfasst allgemein Alkohole)
• Aspirin (Salicylsäure)
• Renal Failure (urämische Azidose)
• Ketone (diabetische, alkoholische und Hungerketose)

In der Fachliteratur werden neben Flucloxacillin weitere Arzneimittel als mögliche Ursachen einer Oxoprolinakkumluation genannt. Hierzu zählen Ciprofloxacin, Netilmicin und Vigabatrin. Der Nutzen von N-Acetylcystein bei akuter Paracetamol-Toxizität ist bekannt. Es wurde postuliert, dass N-Acetylcystein bei Fällen von erworbener 5-Oxoprolinämie eine positive Wirkung zeigt. Es erhöht die Glutathion- und Cystein-Spiegel bei Patienten mit erblichem Mangel an Glutathion-Synthetase. Theoretisch sollte die Auffüllung der Gluta-thion-Speicher die Rückkopplungsinhibition der γ-Glutamylcystein-Synthetase wiederher-stellen, was die Umwandlung von γ-Glutamylcystein in 5-Oxoproline verringert. Die Wiederherstellung der Cystein-Speicher sollte die Umwandlung von γ-Glutamylphosphat in γ-Glutamylcystein ermöglichen, was die Umwandlung von γ-Glutamylphosphat in 5-Oxoproline verhindert und den nutzlosen ATP-verbrauchenden Zyklus unterbricht. Die Literatur bezüglich N-Acetylcystein-Verabreichung bei 5-Oxoprolinämie ist begrenzt (6).

Es gibt nicht genügend Literatur über die Verwendung von Hämoadsorption zur Clearance von Flucloxacillin. Es gibt eine einzige Studie an Schweinen, die zeigt, dass die Hämoad-sorption mit CytoSorb mit einer vernachlässigbaren erhöhten Clearance für Flucloxacillin verbunden war (15% zusätzliche Clearance durch den Absorber) (7). Die Datenlage, ob eine Hämodiafiltration Einfluss auf die Heilung hat, ist begrenzt.

Abkürzungen
aBGA arterielle Blutgasanalyse
CT Computertomographie
EKG Elektrokardiogramm
i.v. intravenös
L2 2. Lumbalsegment
MRT Magnetresonanztomographie
p.o. per os

Nikolay Todorov

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

nikolay.todorov@usz.ch

Dr. med. Patrick Bader

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Schweiz

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

• Eine metabolische Azidose kann durch mehrere Ursachen gleichzeitig entstehen. Für die richtige Diagnosestellung und Therapie braucht es ein systematisches Vorgehen.
• GOLD MARK ist eine nützliche Eselsbrücke bei einer Azidose mit vergrösserter Anionenlücke.
• Die Kombination aus Flucloxacillin und Paracetamol kann insbesondere in Anwesenheit von Risikofaktoren zur Oxoprolin-Akkumulation führen.
• Risikofaktoren für die Entwicklung einer metabolischen Azidose aufgrund von 5-Oxoprolin-Akkumulation, neben der Einnahme von Flucloxacillin, Ciprofloxacin, Netilmicin, Vigabatrin und Paracetamol, umfassen: fortgeschrittenes Alter, weibliches Geschlecht, Mangelernährung, Niereninsuffizienz, chronische Leberinsuffizienz, Alkoholmissbrauch und Sepsis.
• Für die Behandlung einer metabolischen Azidose aufgrund von 5-Oxoprolin-Akkumulation gibt es keine Richtlinien. Neben dem Absetzen des auslösenden Medikaments kann eine unterstützende Behandlung mit N-Acetylcystein erfolgen.
• Eine schwere metabolische Azidose kann rasch zu einer respiratorischen Erschöpfung führen, was antizipiert werden muss.

1. Liss DB, Paden MS, Schwarz ES, Mullins ME. What is the clinical significance of 5-oxoproline (pyroglutamic acid) in high anion gap metabolic acidosis following paracetamol (acet-aminophen) exposure? Clin Toxicol (Phila). 2013;51(9):817-27.
2. Wilson R. F., Spencer A. R., Tyburski J. G., Dolman H., Zimmerman L. H. Bicarbonate ther-apy in severely acidotic trauma patients increases mortality. Journal of Trauma and Acute Care Surgery. 2013;74(1):45–50.
3. Weiler S, Bellmann R, Kullak-Ublick GA. [5-0xoproline (pyroglutamic acid) acidosis and acetaminophen- a differential diagnosis in high anion gap metabolic acidosis]. Ther Umsch. 2015;72(11-12):737-41.
4. Lenz JE, Alt V, Dienemann T. Severe acidosis due to 5-oxoprolinase inhibition by flucloxacillin in a patient with shoulder prosthesis joint infection. J Bone Jt Infect. 2022;7(2):71-4.
5. Mehta AN, Emmett JB, Emmett M. GOLD MARK: an anion gap mnemonic for the 21st century. Lancet. 2008;372(9642):892.
6. Hundemer GL, Fenves AZ. Acquired 5-oxoproline acidemia successfully treated with N-acetylcysteine. Proc (Bayl Univ Med Cent). 2017;30(2):169-70.
7. Schneider AG, André P, Scheier J, Schmidt M, Ziervogel H, Buclin T, Kindgen-Milles D. Pharmacokinetics of anti-infective agents during CytoSorb hemoadsorption. Sci Rep. 2021;11(1):10493.w