- Aktuelle Fragen aus der Frauenheilkunde
An der Nachlese zum Jahreskongress des American College of Physicians, welche die VZI unter dem Motto «Highlights from Philadelphia als Multiple small Feedings of the Mind» präsentiert hat, wurden 3 klinisch aktuelle Fragen an die Frauenärztin von KD Dr. med. Stephanie von Orelli mit Blick auf die Antworten der amerikanischen Kollegen aus Schweizer Sicht beantwortet.
Frau KD Dr. med. Stefanie von Orelli, Zürich, nimmt Stellung zur Frage «Was sind die neuesten Erkenntnisse bezüglich Risiken, Nutzen und Dauer der postmenopausalen Hormonersatztherapie?» Die Referentin präsentiert neue Daten der Womens Health Initiative (WHI), der Studie, die ursprünglich dazu geführt hat, dass bei vielen Frauen in der Menopause die Hormonersatztherapie abgebrochen wurde mit der Folge von erheblichen Beschwerden. Nach einem Follow up von 18 Jahren zeigt sich nun bei den 16608 beobachteten Frauen, die im Schnitt während 5.6 Jahren unter Östrogen und Gestagen standen, dass sich kein Unterschied ergibt bezüglich Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität und totaler Krebsmortalität. Auch bei den 10 739 während im Schnitt 7.2 Jahren nur mit Östrogen behandelten Frauen zeigt sich nach 18 Jahren kein Unterschied bezüglich Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität und Krebsmortalität. Zu einem ähnlichen Schluss kam eine koreanische Metaanalyse. Weder unter Östrogen Monotherapie noch unter Kombinationstherapie konnte eine Verschlechterung der Überlebensraten aufgezeigt werden, im Gegenteil ergaben sich Hinweise auf eine geringe, nicht signifikante Verbesserung. Eine 2016 im New England Journal publizierte Berichtigung von 2 der Autoren der WHI-Studie führte zu einem kleinen Erdbeben. Nach deren Einschätzung seien die Resultate der WHI-Studie unangemessen verwendet worden, um Entscheidungen bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, die unter Wallungen leiden, zu treffen. Viele Nebenwirkungen der WHI-Studie würden sich nicht auf jüngere Frauen anwenden lassen. Der minimale Anstieg von Herzkrankheiten, Stroke und Brustkrebs in der Gruppe der Kombinationsbehandlung wird durch die reduzierte Gesamtmortalität mehr als kompensiert, nebst einer Reduktion an Frakturen und Diabetes. Die Resultate unter Östrogen-Monotherapie sind noch günstiger. Konkret ist das Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse im Alter < 60 Jahre mit 1-2/ 10 000 Frauenjahre sehr klein, jedoch im Alter > 60 signifikant erhöht. Es gibt ein optimales Fenster für eine Hormonsubstitution, man soll eine solche nicht bei Frauen über 60 Jahre beginnen. Bei Frauen unter 60 Jahre soll nach zusätzlichen Risiken gemäss Framingham Risk Score geforscht werden und positivenfalls eine transdermale Substitution, die ein etwas weniger grosses Risiko aufweist, in Betracht ziehen. Das gleiche gilt bei Risiko für venöse Thromboembolien. Zusammenfassend hält die Referentin fest, dass bei starken menopausalen Symptomen, wie insbesondere starken Hitzewallungen, Östrogene und Gestagene gegeben werden dürfen. Prophylaktische Ziele stellen eher keine Indikation dar. Es gibt ein günstiges Fenster – wenn die Ersatztherapie innert 10 Jahren nach der Menopause respektive vor dem 60. Lebensjahr gegeben wird, übersteigt der Nutzen das Risiko. Möglichst nicht länger als 5 Jahre. Bei persistierendem Leidensdruck kann versucht werden, die Dosierung ausschleichend auf das tiefst mögliche Niveau zu reduzieren. Der Begriff der «bioidentischen Hormone» ist nicht einheitlich definiert, einige Autoren verwenden den Ausdruck für 17-beta-Estradiol (v.a. transdermal in Gel und Pflaster verwendet) im Gegensatz zu Estradiol-Valerat. Bei allen Östrogenen gilt die Pflicht zur Kombination mit Gestagenen bei erhaltenem Uterus.
«Wie beraten wir Patientinnen über Brustkrebsrisiko im Zusammenhang mit topischen Östrogenen und oralen Verhütungsmitteln». Basierend auf einer dänischen Register Studie kommt die Referentin zum Schluss, dass das Brustkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Anwendungsdauer gering erhöht ist, das relative Risiko steigt nach 5 - 10-jähriger Anwendung auf rund 1.3 und nach über 10 Jahren auf 1.5. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine Reihe von weiteren Faktoren das Risiko ebenfalls um rund 20% steigern, wie z.B. Obesitas oder moderater Alkoholkonsum. Sicher ungünstig ist die Kombination all dieser Risikofaktoren, während der alleinige Östrogengebrauch bei einer schlanken, sportlichen Person ohne signifikanten Alkoholkonsum klinisch kaum ins Gewicht fällt. Dementsprechend ist eine kombinierte hormonelle Kontrazeption gemäss der neuesten Empfehlung des CDC sogar bei Patientinnen mit gutartigen Brusterkrankungen und bei positiver Familienanamnese für Brustkrebs ohne Einschränkung möglich.
Hingegen ist eine menopausale Hormonsubstitution während oder nach einem Mammakarzinom ein absolutes «no go». Eine entsprechende randomisierte Studie musste abgebrochen werden, nachdem innert 2,1 Jahren unter Hormonsubstitution das Risiko für ein Brustkrebsereignis um den Faktor 3,3 auf über 25% gesteigert war.
Zur Frage, ob wenigstens lokal Östrogene nach Brustkrebs eingesetzt werden können, erläutert eine aktuelle ACOG Commitee Opinion, dass üblicherweise lokal Estriol, E3, angewendet wird, welches als grosses Molekül kaum resorbiert wird und dementsprechend die Östrogenwerte im Blut kaum ansteigen. Ausnahme bei Patientinnen unter Therapie mit Aromatasehemmern. Aktuelle Daten zeigen keine erhöhte Rückfallraten. Trotzdem sollen lokale Östrogene in dieser Population nur bei fehlender Wirksamkeit anderer lokaler Applikationen, wie Befeuchtungsmittel o.ä. angewendet werden.
«Wie beeinflusst die Brustdichte unser Vorgehen in der Brustkrebsvorsorge?». Die Dichte der Brust wird in 4 Kategorien eingeteilt, «Primär Fett», «Fibroglandulär», «Heterogen» und «Extrem dicht». Die mittleren beiden sind am häufigsten anzutreffen, die Dichte nimmt tendenziell mit dem Alter zu, so dass v.a. Frauen ab 50 von einem Screening profitieren, während bei jüngeren Frauen die Bildgebung oft falsch positiv ist oder nicht aussagekräftig. Das ist eine Frage an den Radiologen, aber Frau Dr. von Orelli nimmt sie zum Anlass, grundsätzlich auf das Thema Brustkrebsvorsorge einzugehen. Sie ist in der Schweiz nicht einheitlich organisiert, so dass oft ein sog. wildes Screening durchgeführt wird. Für die Referentin ist essenziell, dass Frauen über das Mammographie Screening informiert sind, wenn sie sich ihm unterziehen. Als Grundlage ist das Faktenblatt der Krebsliga nützlich. Von 1000 Frauen mit Screening benötigen 250 weitere Abklärungen wegen unklaren Befunden. Schlussendlich kann die Diagnose bei 65 Frauen gestellt werden, davon versterben 20 am Brustkrebs. Bei 1000 Frauen ohne Screening wird in 55 Fällen die Diagnose gestellt, davon versterben 16 an Brustkrebs, also 4 weniger als mit Screening. Von den 10 häufiger diagnostizierten Fällen werden lediglich 4 gerettet, bei den übrigen bestehen Überdiagnosen und Übertherapien. Ein Vorteil bezüglich Gesamtmortalität besteht nach ungezieltem Screening nicht! Im 2014 publizierten Canadian Trial fand sich sogar über 25 Jahre kein Vorteil bezüglich Brustkrebs-spezifischer Mortalität. So kommt Frau Dr. von Orelli zum Schluss, dass keine Empfehlungen bestehen zu einer Änderung des Screenings bei erhöhter Brustdichte und auch in Leitlinien keine Empfehlungen für den Einsatz von CT oder Tomosynthese. Jedoch favorisiert die Referentin, Frauen mit einem hohen à priori-Risiko (>20% Lebensrisiko) zu identifizieren und diese dann einer Beratung für genetische Testung und gegebenenfalls einer intensivierten Bildgebund mit MRI zuzuführen. Dazu eignet sich der modifizierte IBIS Kalkulator, welcher neben dem neuen Kriterium Brustdichte das Alter, den BMI, die Parität, Alter bei Menarche, Familienanamnese für Brust- oder Ovarialkarzinom, Ashkenazy Jüdische Herkunft, eigene Anamnese für High Risk Läsionen, lobuläres Ca in situ oder Ovarialkarzinom, Menopausenstatus und menopausale Hormontherapie berücksichtigt
(http://www.ems-trials.org/riskevaluator/).
Quelle: VZI Highlights from Philadelphia, 4. Juli 2019, Lake Side, Zürich
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