Schmerz-Management

Oft unmittelbare Therapie erforderlich

Akute Bauchschmerzen

Akute Bauchschmerzen treten häufig auf, definiert sind sie als plötzlicher Beginn von starken Schmerzen mit einer Dauer von weniger als 24 Stunden. Die Ursachen sind sehr zahlreich, sodass eine strukturierte Herangehensweise sinnvoll ist. Einige Ursachen erfordern eine unmittelbare Therapie, meist einen chirurgischen Eingriff: hierzu gehören Blutungen und Perforationen.



Intra-abdominelle Blutungen: Das rupturierte abdominelle Aortenaneurysma erfordert meist eine sofortige Vorstellung beim Gefässchirurgen. Andere Blutungsursachen bluten meist weniger stark, erfordern aber trotzdem eine schnelle Abklärung: eine rupturierte ektope Schwangerschaft, ein blutendes Magenulkus, stumpfes Abdominaltrauma. Diese Patienten präsentieren sich meist im hypovolämen Schock (Tachykardie, Blässe, Kaltschweissigkeit, schwacher Puls).

Perforation innerer Organe: Eine generalisierte Peritonitis ist eine Entzündungsreaktion, welche meistens durch die Perforation eines abdominellen Organs verursacht wird: ein perforiertes peptisches Ulcus, Dünn- oder Dickdarm-Obstruktion, Divertikulitis perforata, chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Diese Patienten liegen oft sehr unbeweglich im Bett (im Gegensatz zu einer Nierenkolik, wo sich die Patienten stark bewegen) und sind in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand. Klinisch imponiert ein hartes Abdomen, eine Abwehrspannung, Loslassschmerzen sowie sehr schwache oder fehlende Darmgeräusche.

Ischämie: Patienten mit starken und diffusen Bauschmerzen aber mit unauffälligem klinischen Status haben bis zum Beweis des Gegenteils eine Ischämie (Tabelle 1). Die Patienten haben meistens eine kardiovaskuläre Vorerkrankung. Ein wichtiger Hinweis liefert die arterielle Blutgasanalyse, wo eine Azidose und das erhöhte Laktat einen Hinweis auf die Schwere der Ischämie geben. Die Diagnose wird mittels Computertomographie gestellt, die auch die Diagnose von weitern Pathologien wie z.B. eine Intussuszeption oder Coecum-Volvulus erlaubt.
Weniger dringliche Bauchschmerzen sind Koliken, bei welchen der Patient den Schmerz als Crescendo/Decrescendo beschreibt. Typischerweise sind dies Ureter Obstruktionen (Harnsteine) und Darmverschlüsse. Eine biliäre Kolik zeigt zwar ein wellenförmiges Auftreten, die Schmerzen klingen jedoch nie ganz ab.
Der Peritonismus (nicht Peritonitis!) ist eine lokalisierte Reizung des Peritoneums verursacht durch entzündete innere Organe, welche das viszerale (und anschliessend das peritoneale) Peritoneum reizen. Der Patient kann den Startpunkt der Schmerzen oft genau beschreiben, welche dann im Verlauf an einem andern Ort auftreten. Das typische Beispiel ist die akute Appendizitis, wo der Schmerz von umbilikal in den rechten Unterbauch wandert. Die Lokalisation erlauben eine erste Differentialdiagnose (Tabelle 2).

Seltene Ursachen für akute Bauchschmerzen sind die Appendizitis epiploica (mit Peritoneum überzogene Fettanhängsel des Darms), die mesenterische Panniculitis (Entzündung des Mesenteriums) oder der Gallensteinileus, wo ein Gallenstein eine Perforation in den Dünndarm und dort einen Ileus verursacht.


Nicht zu vergessen sind extra-abdominelle Ursachen, welche ebenfalls Bauchschmerzen verursachen können: Hodentorsion, rupturierte ektope Schwangerschaft, diabetische Ketoazidose, Herzinfarkt und basale Pneumonie oder Pleuritis, Addison-Krise, Hyperkalzämie, Sichelzellerkrankung, Porphyrie, Quecksilber-Vergiftung, Opiat-Entzug, Spinnenbiss (schwarze Witwe) oder das Bauchwandhämatom.
Bei akuten Bauchschmerzen sollten immer folgende Untersuchungen durchgeführt werden:

Anamnese

Körperliche Untersuchung mit Vitalparametern (inkl. Atemfrequenz) zur schnellen Erfassung eines hypovolämen oder septischen Schocks.

Laboruntersuchungen

  • Die arterielle Blutgasanalyse liefert schnelle Resultate bei Blutungen und septischen Patienten, besonders pH, pO2, pCO2, und das Laktat zur Beurteilung einer Gewebeminderperfusion sind wertvolle Parameter, welche innerhalb weniger Minuten zur Verfügung stehen.
  • Routinelabor: Blutbild, CRP, Leber- und Cholestasewerte, Amylase, Kalzium. Dabei ist bemerkenswert, dass die Amylase nicht nur bei der akuten Pankreatitis erhöht ist, sondern auch bei mesenterialer Ischämie, ektoper Schwangerschaft, Darmperforationen und diabetischer Ketoazidose u.a. Falls der Patient operiert werden könnte, sollte auch ein Type & Screen abgenommen werden.
  • Blutkulturen, falls eine Infektion zur Differentialdiagnose stehtUrinstatus, insbesondere auch ein Schwangerschaftstest.

EKG

Bei jedem akuten Abdomen (Myokardinfarkt, Vorhofflimmern als Ursache von mesenterialen Ischämien).

Bildgebungen

Ein Ultraschall sollte als Orientierung auf der Notfallstation bei jedem akuten Abdomen zur schnellen (Ausschluss-)Diagnose
Aortenaneurysma, -dissektion, freie Flüssigkeit durchgeführt werden. Die Vorteile sind der Zeitgewinn bis zum CT, keine Therapieverzögerung mit «Warten auf das Labor» (Gallenwege und Leber bei Verdacht auf Gallensteinen, Nieren und ableitende Harnwege bei Verdacht auf Harnsteine, Uterus und Ovarien bei V.a. extrauteriner Pathologie).
Ein Thorax-Röntgenbild dient zum Nachweis einer Hohlorganperforation (subphrenisch freie Luft) sowie zum Nachweis einer basalen

Pneumonie

In der Computertomographie ohne Kontrastmittel können Nierensteine nachgewiesen werden. In 95% kann bei starken Schmerzen die Diagnose mit i.v.- und oralem Kontrastmittel gestellt werden.
Eine Gastroskopie sollte bei Verdacht auf ein peptisches Ulkus sowie bei einer oberen gastrointestinalen Blutung erfolgen. Eine Koloskopie ist zum Nachweis einer Darmischämie je nach Situation durchzuführen. Hier gilt ein sorgfältiges Abwägen zwischen Perforationsrisiko und Nutzen der Diagnostik.

Dr. med.Roger Wanner

Gastroenterologie Zürich AG
Seefeldstrasse 214
8008 Zürich

roger.wanner@hin.ch

Dr. med. Anouk Chuffart

Co-Leiterin Notfallstation
Spital Männedorf
Asylstrasse 10
8708 Männedorf

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Akute Bauchschmerzen müssen sofort durch einen erfahrenen Kliniker beurteilt werden – einige Krankheitsbilder erlauben keine
    diagnostische Verzögerung.
  • Das Spektrum der Ursachen ist sehr gross und reicht von Perforationen, Blutungen, Entzündungen und Ischämien der abdominellen Organe auch zu extraabdominalen Ursachen wie einem Myokardinfarkt oder einer Pneumonie.
  • Die Notwendigkeit einer notfallmässigen Operation sollte immer bedacht werden.

der informierte @rzt

  • Vol. 9
  • Ausgabe 3
  • März 2019