- Akute Lungenembolie
Die akute Lungenembolie (LE) gehört zu den kardiovaskulären Notfällen. Interventionelle Behandlungsansätze der akuten LE versprechen neben einer effektiven Behandlung unter anderem auch ein niedriges Komplikationsprofil. Die vorhandene Literatur gewährt aktuell nur Einblicke in die Effektivität und das Sicherheitsprofil von einzelnen kathetergestützten Therapieoptionen, dennoch sind die Ergebnisse konsistent und vielversprechend. Der nachfolgende Übersichtsartikel bietet einen Einblick in die gängigsten interventionellen Therapieansätze für die LE und die dazugehörigen Studienresultate.
Patienten mit einer akuten Lungenembolie (LE) sind kardiovaskuläre Notfälle, die von einem raschen therapeutischen Vorgehen profitieren. Zur Akutbehandlung der LE zählt, neben dem unmittelbaren Beginn einer Antikoagulation, die unterstützende Gabe von Sauerstoff für die Korrektur der Hypoxämie, die vorsichtige intravenöse Volumen-Bolusgabe zur Erhöhung der kardialen Vorlast, der rechtsventrikulären (RV) Dehnung und somit der RV-Kontraktilität, und der eventuelle Einsatz von kreislaufunterstützenden, vasoaktiven Medikamenten zur Stabilisierung der Hämodynamik. Bei Patienten mit massiver LE oder kardiogenem Schock sollte eine Reperfusionstherapie zur zügigen Auflösung des embolischen Materials und Entlastung des rechten Ventrikels in Erwägung gezogen werden. Obwohl die systemische, thrombolytische Therapie in dieser lebensbedrohlichen Situation mit einem klaren Überlebensvorteil verbunden ist, wird diese potentiell lebensrettende Therapie nur sehr zögerlich und erst nach umfangreicher Abwägung der Alternativen eingesetzt. Hohe Raten an schweren Blutungskomplikationen und die Möglichkeit eines fehlenden Therapieansprechens wurden in der Literatur beschrieben und werden mit der systemischen Thrombolyse in Verbindung gebracht.
Unterschiedliche minimal-invasive, interventionelle Reperfusionstechniken haben in den letzten Jahren Einzug in lokale Behandlungsalgorithmen der akuten LE gefunden und versprechen, neben einer zielgerichteten, vor allem auch eine schonende Behandlung des Patienten bei niedriger Komplikationsrate. Ob nun der Therapieansatz eine lokale und niedrigdosierte Lysetherapie mit einfachen Infusionskathetern umfasst oder mit aufwändiger ultraschallassistierter Kathetertechnik durchgeführt wird oder ob die Therapie durch Aspiration des embolischen Materials oder Extraktion des Embolus durch grosslumige Katheter erfolgt – alle diese Therapieverfahren versprechen eine effektive und sichere Therapiealternative zur systemischen Thrombolyse und der chirurgischen Embolektomie. Ob sich jedoch die einzelnen interventionellen Techniken ergänzen, oder ob die eine der anderen in Effektivität oder Sicherheit der Anwendung überlegen ist, wird durch die aktuelle Studienlage noch nicht beantwortet. Zudem verbleibt bisher unbeantwortet, ob die Wahl des speziellen Kathetersystems durch spezielle anatomische Gegebenheiten, die Lokalisation des Embolus oder auch individuelle klinische Voraussetzungen beeinflusst werden sollte. In erfahrenen Lungenembolie-Zentren wird die derzeitige Anwendung der einzelnen Systeme durch die Menge und Lokalisation des Embolus, die Hämodynamik und Klinik des Patienten, das antizipierte Blutungsrisiko sowie die Erfahrung des Operateurs oder der Institution vorgegeben.
Katheterbasierte und minimalinvasive, perkutane Behandlungsstrategien wurden bereits frühzeitig in der Literatur für die Behandlung der akuten LE beschrieben (1), beschränkten sich damals jedoch auf die mechanische Fragmentation des Embolus und eine lokale Bolusgabe von thrombolytischen Substanzen. Während die mechanische Segmentation des Embolus über eine simple, manuelle Rotation eines Pigtail-Katheters, durch Manipulation mit Führungsdrähten oder mit einem Swan-Ganz-Katheter im Bereich der teilokkludierten Pulmonalarterie erreicht wurde, erfolgte die lokale Lysegabe über kleinkalibrige Infusionskatheter oder den bereits verwendeten Pigtail-Katheter. Die periphere Embolisation des fragmentierten, zentralen Thrombusmaterials führte dabei jedoch zum Teil zu unantizipierbaren Ergebnissen mit klinischer und hämodynamischer Verschlechterung, welche durch eine zusätzliche vaskuläre Widerstandserhöhung und Belastung des RV bedingt waren. Die Entwicklung dedizierter Katheter und Instrumente für die Behandlung der akuten LE machen diese Behandlungstechnik obsolet.
Kathetergestützte Thrombolyse
Der frühe Beginn der kathetergestützten Thrombolyse wurde durch einfache Infusionskatheter geprägt. Die lokale Platzierung dieser 4-5 French grossen Infusionskatheter (Unifuse (Angiodynamics, Latham, NY, USA), oder Cragg-McNamaraTM Katheter (Medtronic, USA)) in den Bereich der betroffenen Lungenarterien führte zu einer effektiven Behandlung der Lungenembolie unter Einsatz von deutlich reduzierten Dosen von medikamentöser Thrombolyse (2).
Die vorliegende Evidenz zur kathetergestützten thrombolytischen Therapie der akuten LE wurde grösstenteils mit dem EkoSonicTM Endovascular System (EKOSTM) generiert. Der EKOSTM-Katheter besteht aus einem 5.4 French grossen Infusionskatheter mit mehreren kleinen Seitenlöchern im Bereich der Behandlungszone und einem integrierten Ultraschallkern (Abb. 1). Die Verwendung von Niedrig-energie-Ultraschall soll dabei durch ein mikroskopisches Aufbrechen der Fibrinfibrillen des Embolus zu einer verbesserten Penetration der medikamentösen Lyse führen, und die kumulative Dosis der Lyse auf das benötigte Minimum beschränken. EKOSTM wurde im Rahmen des randomisierten ULTIMA Trial (ULTrasound Accelerated ThrombolysIs of PulMonAry Embolism) gegen unfraktioniertes Heparin (UFH) bei LE-Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko verglichen (3). Auch wenn die Patientenzahl dieser Studie auf gesamthaft 59 Teilnehmer beschränkt war, konnte die Effektivität des Systems in der Entlastung des RV demonstriert werden bei gleichzeitig vergleichbarer Sicherheit in beiden Behandlungsgruppen (EKOSTM und UFH gegen UFH) (Abb. 2). In der Beobachtungsstudie SEATTLE II erfolgte die Bestätigung der Ergebnisse des ULTIMA-Trials bei alltäglichen Patienten (4). In einer Analyse von 150 Studienpatienten zeigte sich bereits innerhalb von 48 Stunden nach Beginn der EKOSTM-Therapie eine Verbesserung der RV-Funktion und Reduktion des pulmonal-arteriellen Druckes. Auch wenn das Behandlungsprotokoll von ULTIMA und SEATTLE II bereits niedrige Dosierungen von 20mg rt-PA während 15 Stunden und 24mg rt-PA während 12 oder 24 Stunden mit EKOSTM vorgesehen hatte, konnte die Dosierung der Lysetherapie in der Studie OPTALYSE PE weiter reduziert werden (5). Dosen von 4–12mg rt-PA / Lunge über einen Behandlungszeitraum zwischen 2 und 6 Stunden bestätigen gleichwohl die Effektivität des EKOSTM-Systems bei einer niedrigen Rate an Blutungskomplikationen. Zugleich war jedoch aufgefallen, dass die Menge der Lysetherapie direkt mit der Resolution der Thrombuslast in den Lungenarterien assoziiert war.
Ob die zusätzliche Ultraschalltechnologie von EKOSTM in vivo die Effektivität der lytischen Wirkung auf den Embolus zusätzlich verbessert, wird aktuell in der Literatur heftig diskutiert (6). Befürworter der Technologie finden sich in den Resultaten einer kürzlich veröffentlichten systematischen Review und Meta-Analyse bestätigt. Nach der Zusammenlegung der Ergebnisse von 20 Studien mit knapp 1200 Patienten zeigte sich ein signifikanter Vorteil durch den Einsatz der ultraschallassistierten lokalen Thrombolyse für den Endpunkt des klinischen Erfolgs (kombinierter Endpunkt aus Überleben während der initialen Hospitalisation ohne hämodynamische Verschlechterung oder schwere Komplikationen) (7). Kritiker jedoch propagieren die Ergebnisse des SUNSET-PE-Trials (8). In dieser Studie wurden 81 Patienten mit akuter LE zur lokalen Lysetherapie mit entweder der ultraschallassistierten Technologie (EKOSTM) oder einem Standard-Infusionskatheter randomisiert. Beide Technologien waren ähnlich effektiv in der Behandlung der LE und zeigten keinen signifikanten Unterschied in der Reduktion der RV-Belastung und in der CT-Auswertung eines Obstruktions-Index während des Beobachtungszeitraums.
Ob die ultraschallassistierte Technologie einen zusätzlichen positiven Effekt auf die lokale Lysetherapie hat, kann aktuell durch die bestehende Datenlage nicht konklusiv beantwortet werden. Gut geplante randomisierte Studien mit einem standardisierten Behandlungsprotokoll müssen in naher Zukunft Antworten auf die verbleibenden Fragen bringen.
Interventionelle Embolektomie
Auch wenn lokale, kathetergestützte Lysetechniken in der klinischen Praxis angekommen sind und in erfahrenen Kliniken routinemässig eingesetzt werden, ist bei einer relevanten Patientenpopulation mit akuter LE der Einsatz jeglicher fibrinolytischer Massnahmen aufgrund eines deutlich erhöhten Blutungsrisikos kontraindiziert. Tabelle 1 gibt einen Überblick über absolute und relative Kontraindikationen für den Einsatz einer thrombolytischen Therapie. Minimal-invasive und kathetergestützte Verfahren zur Embolektomie oder Thrombaspiration komplementieren das Armamentarium für die Behandlung der akuten LE. Zwei unterschiedliche Embolektomie-Systeme haben aufgrund der verfügbaren Studienergebnisse Einzug in den klinischen Alltag gefunden.
Das FlowTriever® Embolektomie/Aspirationssystem (Inari Medical, Irvine, CA, USA) besteht aus einem flexiblen, grosslumigen (16/20/24 French)-Aspirationskatheter, welcher über einen femoralen Venenzugang in die pulmonale Zirkulation eingebracht werden kann. Dabei ist die Spitze des Katheters weich und atraumatisch, erleichtert die Passage durch den RV und vermeidet lokale Traumata an der dünnen Gefässwand. Der Katheter wird mit einer Aspirationsspritze verbunden, und nach Herstellen eines manuellen Vakuums wird der Sog direkt an die Katheterspitze freigegeben. Die manuelle Aspiration verhindert auf der einen Seite eine unkontrolliert starke Sogwirkung auf die Gefässwand und zudem einen unkontrollierten Blutverlust (Abb. 3). Neben der Aspirationsmöglichkeit verfügt das FlowTriever®-System über einen speziellen Katheter, der anhand von drei Nitinol-Disks die zusätzliche manuelle Extraktion des Embolus in den Aspirationskatheter möglich macht. In der multizentrischen FLARE-Studie konnte die unmittelbare Effektivität des FlowTriever® bei niedriger Komplikationsrate gezeigt werden (9). Eindrücklich war dabei, dass durch den sofortigen Effekt der Aspirationstherapie auf Hämodynamik und Beschwerden des Patienten in 4 von 10 Patienten keine Behandlung auf einer Intensivstation oder einer Intermediate-Care-Überwachung notwendig war.
Dem FlowTriever®-Embolektomie/Aspirationssystem steht das Penumbra Indigo®-Aspirationssystem gegenüber. Hier wird über einen 8–12 French-Aspirationskatheter und eine automatisierte Vakuum-Pumpe die Embolektomie bis in die peripheren Gefässe durchgeführt. Während die automatisierte Vakuum-Pumpe einen gewissen Vorteil in der kontinuierlichen Aspiration von Emboluspartikeln hat, ist ein unkontrollierter Blutverlust durch die kontinuierliche Aspiration unbedingt zu vermeiden. Im multizentrischen EXTRACT-PE-Trial wurde der bei 73.1% der Patienten der peri-prozedurale Blutverlust mit <400ml beschrieben (10). Dabei war die Effektivität und das Sicherheitsprofil von Penumbra insgesamt vergleichbar mit der Extraktionstechnologie des FlowTriever®.
Beurteilung
Unterschiedliche interventionelle Behandlungsstrategien finden ihren Einsatz für den Patienten mit akuter LE in der klinischen Routine und im Studiensetting. Dennoch verbietet die aktuell sehr limitierte Studienlage jedoch den unselektiven Einsatz der Katheterverfahren bei Patienten mit akuter LE. Nach einem Update der ESC Guidelines zur Diagnose und dem Management der akuten LE im Jahr 2019 ist es zu einem Upgrade der Behandlungsempfehlung von einer Klasse-IIb- auf eine Klasse-IIa-Empfehlung für die alternative Behandlung mittels Kathetertherapie gekommen (11). Der Einsatz der Katheterbehandlung ist in diesem ESC-Dokument jedoch noch auf Patienten mit einer Hochrisiko-LE, bei denen eine systemische Lysetherapie kontraindiziert ist oder auf Patienten mit hämodynamischer Verschlechterung als Alternative zu einer systemischen Thrombolyse beschränkt.
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Der Autor hat Forschungsgelder an die Institution von Edwards Lifesciences, Medtronic, Abbott Vascular und Boston Scientific erhalten; er fungiert als Berater für Boston Scientific/BTG und Teleflex und hat Honorare für Vortragstätigkeit von Boston Scientific und BTG erhalten.
◆ Minimal-invasive, kathetergestützte Reperfusionstechniken haben in den letzten Jahren Einzug in lokale Behandlungsalgorithmen der akuten LE gefunden,und versprechen neben einer zielgerichteten vor allem auch eine schonende Behandlung des Patienten bei niedriger Komplikationsrate.
◆ Der Therapieansatz einer niedrig-dosierten, lokalen Lysetherapie oder mechanischer Aspiration und Embolusextraktion mittels Kathetertechnik wird Patienten mit akuter LE in erfahrenen Lungenemboliezentren angeboten.
◆ Grossangelegte Studienresultate über die Effektivität und die Sicherheit der einzelnen Systeme fehlen aktuell noch, werden jedoch die entsprechende Literatur in der nahen Zukunft bereichern.
1. Schmitz-Rode T, Janssens U, Schild HH, Basche S, Hanrath P, Gunther RW. Fragmentation of massive pulmonary embolism using a pigtail rotation catheter. Chest 1998;114:1427-36.
2. Dudzinski DM, Giri J, Rosenfield K. Interventional Treatment of Pulmonary Embolism. Circ Cardiovasc Interv 2017;10.
3. Kucher N, Boekstegers P, Muller OJ et al. Randomized, controlled trial of ultrasound-assisted catheter-directed thrombolysis for acute intermediate-risk pulmonary embolism. Circulation 2014;129:479-86.
4. Piazza G, Hohlfelder B, Jaff MR et al. A Prospective, Single-Arm, Multicenter Trial of Ultrasound-Facilitated, Catheter-Directed, Low-Dose Fibrinolysis for Acute Massive and Submassive Pulmonary Embolism: The SEATTLE II Study. JACC Cardiovasc Interv 2015;8:1382-1392.
5. Tapson VF, Sterling K, Jones N et al. A Randomized Trial of the Optimum Duration of Acoustic Pulse Thrombolysis Procedure in Acute Intermediate-Risk Pulmonary Embolism: The OPTALYSE PE Trial. JACC Cardiovasc Interv 2018;11:1401-1410.
6. Sista AK. Is it Time to Sunset Ultrasound-Assisted Catheter-Directed Thrombolysis for Submassive PE? JACC: Cardiovascular Interventions 2021;14:1374-1375.
7. Avgerinos ED, Saadeddin Z, Abou Ali AN et al. A meta-analysis of outcomes of catheter-directed thrombolysis for high- and intermediate-risk pulmonary embolism. J Vasc Surg Venous Lymphat Disord 2018;6:530-540.
8. Avgerinos ED, Jaber W, Lacomis J et al. Randomized Trial Comparing Standard Versus Ultrasound-Assisted Thrombolysis for Submassive Pulmonary Embolism: The SUNSET sPE Trial. JACC Cardiovasc Interv 2021;14:1364-1373.
9. Tu T, Toma C, Tapson VF et al. A Prospective, Single-Arm, Multicenter Trial of Catheter-Directed Mechanical Thrombectomy for Intermediate-Risk Acute Pulmonary Embolism: The FLARE Study. JACC Cardiovasc Interv 2019;12:859-869.
10. Sista AK, Horowitz JM, Tapson VF et al. Indigo Aspiration System for Treatment of Pulmonary Embolism: Results of the EXTRACT-PE Trial. JACC Cardiovasc Interv 2021;14:319-329.
11. Konstantinides SV, Meyer G, Becattini C et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS). Eur Heart J 2020;41:543-603.
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- Vol. 11
- Ausgabe 7
- Juli 2021