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Wie lässt sich die Prognose abschätzen?

Akute Pankreatitis

Die Diagnose der akuten Pankreatitis stützt sich auf die Enzyme (Lipase, Amylase) und die Bildgebung. Doch die Enzyme sind nicht sehr spezifisch. Wichtig auch im Hinblick auf das therapeutische Management ist eine frühe Einschätzung der Prognose.



Die akute Pankreatitis ist eine der häufigsten abdominellen Erkrankungen, die notfallmässig zu einer Hospitalisierung führen. Die Inzidenz liegt bei 34/100 000. Die häufigsten Ursachen einer akuten Pankreatitis sind Gallensteine und Alkohol, wobei letzteres auch einer genetischen Determinierung bedarf. Seltenere Ursachen sind die Hypertriglyzeridämie, die Hyperkalzämie, Medikamente, ERCP, virale Infekte, zystische Pankreasneoplasien und autoimmunologische Erkrankungen. Sehr seltene Ursachen sind das Pankreas divisum und das penetrierende Ulcus duodeni. Findet sich keine Ursache, so spricht man von einer idiopathischen Pankreatitis.

Enzymanstieg ist nicht spezifisch

Die Diagnose «akute Pankreatitis» erfordert das Vorliegen von 2 der folgenden 3 Kriterien:

  • typische Klinik
  • Amylase und/oder Lipase ≥ 3x über der Norm
  • typische radiologische Zeichen im CT

«Doch es gibt eine Reihe von Krankheitsbildern, die imitieren eine akute Pankreatitis und gehen mit einem Anstieg der Lipase bzw. Amylase einher», so Prof. Lukas Degen. Dazu gehören folgende abdominelle Erkrankungen:

  • Pankreaspseudozyste
  • chronische Pankreatitis
  • Pankreaskarzinom
  • Cholezystitis, Cholangitis, Choledocholithiasis
  • Darmobstruktion, -ischämie, -entzündung
  • akute Appendizitis
  • ektope Schwangerschaft.

Aber auch eine Reihe von extraabdominellen Erkrankungen kann mit einem Enzymanstieg einhergehen:

  • Niereninsuffizienz
  • Parotitis
  • Makroamylasämie/Makrolipasämie
  • Bronchialkarzinom
  • diabetische Ketoazidose
  • Schädeltrauma mit intrakranieller Blutung.

Dies zeigt, dass die Amylase bzw. Lipase nicht nur aus dem Pankreas sondern auch aus dem Speichel, den Leukozyten, der Lunge, der Leber und dem Gastrointestinaltrakt stammen können und diese Enzyme ebenfalls wie die Pankreasenzyme über die Nieren ausgeschieden werden. Die Höhe der Enzyme ergibt sich somit aus der Herkunft, der Nierenfunktion und der Reabsorption. «Und bei der Beurteilung des Schweregrads und des klinischen Verlaufs einer akuten Pankreatitis haben die Enzyme keinen Stellenwert», so Degen.

Zwei Verlaufsformen

Bei der akuten Pankreatitis gibt es zwei Verlaufsformen, nämlich die interstitiell-ödematöse (75-80%) und die nekrotisierende (5-10%) Pankreatitis. Diese beiden Formen unterscheiden sich im Hinblick auf die Komplikationen und der sich daraus ergebenden Prognose. Am Anfang der Erkrankung stehen die lokalen Komplikationen wie Pseudozysten, endokrine und exokrine Funktionsstörung, Ergüsse in seröse Höhlen, Darmobstruktion, Blutungen und Thrombose im Vordergrund. Nach 8 bis 10 Tagen können nicht-infektiöse systemische Komplikationen wie SIRS bzw. Multiorganversagen auftreten, und dann nach ca. 2 Wochen folgen die infektiösen Komplikationen (infizierte Nekrosen, Pankreasabszess, Sepsis). Die Mortalität der interstitiellen Pankreatitis beträgt lediglich 3%. Doch bei einer schweren Form steigt diese auf 12% bei sterilen und auf 30% bei infizierten Nekrosen an.

Zuverlässiger Risiko-Score

Für die prognostische Beurteilung hat sich im klinischen Alltag der BISAP-Score bewährt. Dieser umfasst folgende Risikoindikatoren:

  • Harnstoff im Blut > 25 mg/dl
  • Bewusstseinstrübung
  • SIRS > 2 Kriterien: Fieber (> 38ºC), Tachykardie (> 90/min),
  • Tachypnoe (> 20/min), Leukozytose (> 12.000/mm3)
  • Alter > 60 Jahre
  • Pleuraergüsse

Liegen < 2 Punkte vor, so beträgt die Mortalität < 1%, bei ≥ 3 Punkten steigt sie auf 8-27%.
Die Ziele der Therapie sind die Verhinderung der Progression und der Komplikationen. Wichtig sind die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Gewebeperfusion durch Zufuhr von kristalloiden Lösungen und die Korrektur des katabolen Zustands, um infektiöse Komplikationen zu verhindern. Die enterale Ernährung sollte möglichst frühzeitig nämlich nach 72 Stunden wieder aufgenommen werden, bei Bedarf über eine Sonde. «Eine Indikation für eine prophylaktische Antibiotika-Gabe gibt es nicht», so Degen.

Dr. med.Peter Stiefelhagen

der informierte @rzt

  • Vol. 11
  • Ausgabe 11
  • November 2021