Fortbildung AIM

Akuter Drehschwindel – peripher oder zentral?



Fragen

1. Was vermuten Sie als Ursache für den akuten Drehschwindel ?
A. Morbus Menière
B. akutes vestibuläres Syndrom
C. Cholesteatom
D. Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel BPLS

Antwort: Richtig ist B. Ein akutes vestibuläres Syndrom äussert sich durch plötzlich einsetzenden Schwindel mit Nystagmus, Übelkeit und/oder Erbrechen sowie Gangunsicherheit und Bewegungsintoleranz. Gegen einen Morbus Menière sprechen das Fehlen einer Hörverminderung und eines Rauschtinnitus. Ein BPLS zeigt sich typischerweise mit kurzdauernden, selbstlimitierenden Drehschwindelanfällen, welche durch Lageänderungen ausgelöst werden. Das Cholesteatom äussert sich selten mit akutem Drehschwindel. Zudem haben sie es mit der Otoskopie weitgehend ausgeschlossen.

2. Ein akutes vestibuläres Syndrom kann sowohl peripherer wie zentraler Genese sein. Mit welcher Untersuchungsmethode lässt sich dies in der Praxis am wenigsten differenzieren (mehrere Antworten möglich)?
A. Überweisung für ein notfallmässiges MRI Schädel
B. HINTS
C. affirmative Diagnose einer peripher-vestibulären Funktionsstörung
D. Neurostatus

Antwort: Richtig ist A. Schwindelanamnese und klinischer Untersuch mit HINTS (Kopfimpuls-Test, Nystagmusanalyse, vertikale Augenachsenabweichung) und Neurostatus sind in der Detektion von akuten zentralen Pathologien der hintern Schädelgrube und des Hirnstamms der Bildgebung mittels CT oder MRI überlegen. Zudem ist die affirmative Diagnose einer peripher-vestibulären Erkrankung (Vestibularisausfall, M. Menière, BPLS) eine effektive Strategie, eine zentral-vestibuläre Pathologie auszuschliessen.

3. Welche Nystagmusformen sprechen für eine zentral-vestibuläre Pathologie in der Akutsituation (mehrere Antworten möglich)?
A. vertikaler Nystagmus
B. gerichteter horizontaler Spontannystagmus
C. rotatorischer Spontannystagmus
D. Richtungswechsel des Nystagmus bei Wechsel der Blickrichtung

Antwort: Richtig sind A, C und D. Ein vertikaler oder rotatorischer Nystagmus sowie ein bidirektionaler Nystagmus bei Blickrichtungswechsel sprechen in der Akutsituation für eine zentrale Pathologie. Bei einer akut-peripheren Funktionsstörung findet sich ein unidirektionaler horizontaler Spontannystagmus.

Diskussion

Bei akutem Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen kombiniert mit Spontannystagmus, Gangunsicherheit und Bewegungsintoleranz liegt ein akutes vestibuläres Syndrom vor, wie man es oft im Notfalldienst begegnet. Fehlen neurologische Symptome, handelt es sich zwar um eine subjektiv für den Patienten massiv belastende Situation, objektiv aber in der Regel um eine harmlose akut peripher-vestibuläre Funktionsstörung (Vestibularisausfall, «Neuronitis vestibularis»). Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass man sich als Notfallärztin/Notfallarzt verunsichert fühlt und symbolisch ein Damokles-Schwert im Nacken spürt, da man befürchtet, eine schwerwiegende zentrale Pathologie zu verpassen. Mittels spezifischer Strategien kann erreicht werden, diese Unsicherheiten zu minimieren. Im Zentrum steht dafür die klinische Untersuchung mit den sogenannten «HINTS», also der Suche nach Hinweisen, die für oder gegen eine peripher- oder zentral-vestibuläre Pathologie sprechen. Das Akronym HINTS steht für Head Impulse Test, Nystagmus und Test of Skew. Beim Kopfimpuls-Test (head impulse test) wird der vestibulo-okkuläre Reflex VOR klinisch geprüft. Bei einer akut-peripheren Funktionsstörung ist der VOR auf der betroffenen Seite unterbrochen, und es findet ein pathologischer Kopfimpulstest mit einer Rückstellsakkade statt. Ein physiologischer Kopfimpulstest spricht hingegen eher für eine zentrale Pathologie. Daneben hilft die Nystagmusanalyse weiter. Ein unidirektionaler horizontaler Spontannystagmus spricht für eine peripher-vestibuläre Funktionsstörung, während bidirektionale Nystagmen (Wechsel der Schlagrichtung bei Wechsel der Blickrichtung) sowie vertikale und rotatorische Nystagmen für eine zentral-vestibuläre Funktionsstörung sprechen. Beim «Test of Skew» wird eine vertikale Abweichung der Augenachsen gesucht. Man deckt dabei alternierend wiederholt ein Auge ab. Steht dabei ein Auge in der vertikalen Achse höher als das andere, spricht dies für eine Hirnstammläsion. Eine weitere effektive Strategie, bei akutem Drehschwindel eine zentral-vestibuläre Funktionsstörung auszuschliessen, besteht in der affirmativen Diagnose einer peripher-vestibulären Erkrankung mit eindeutigen Kriterien wie ein Morbus Menière oder ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel.

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Dr. med. Christoph Schlegel-Wagner

Klinik für Hals-Nasen-Ohren- und Gesichtschirurgie (HNO)
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6004 Luzern

christoph.schlegel@luks.ch

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

der informierte @rzt

  • Vol. 13
  • Ausgabe 9
  • September 2023