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Akutes Koronarsyndrom

Akute Koronarsyndrome (ACS) repräsentieren diverse Zustände, in denen Patienten mit akuten Symptomen, EKG-Veränderungen oder/und Troponinerhöhungen vorstellig werden. Die breite Palette klinischer Präsentationen erfordert eine sorgfältige Triage und Diagnose. Die gezielte Anamnese und eine schnelle klinische Untersuchung sind entscheidend (insbesondere auch für differentialdiagnostische Überlegungen). Das Ruhe-12-Kanal-EKG ist das Hauptinstrument zur ACS-Diagnose und kann Patienten in STEMI und NSTEMI/unstabile Angina unterteilen. Hochsensitive Troponin-Tests spielen eine zusätzliche Rolle in der Diagnose und Risikostratifizierung. Die Erstversorgung umfasst Sauerstoffgabe bei Hypoxämie, sublinguale Nitrate und intravenöse Opioide zur Symptomlinderung sowie Aspirin. Antikoagulation ist essenziell und sollte individuell angepasst werden. Allfällige Revaskularisationsmassnahmen sollten in Abhängigkeit der gewählten Behandlungstrategie/klinischer Präsentation notfallmässig oder zeitnah erfolgen. In der Nachsorge sind Sekundärpräventionmassnahmen entscheidend, beginnend frühzeitig nach dem Ereignis. Die Behandlungsziele sind klar definiert und sollten auf individuellen Patientenbedürfnissen basieren. Die umfassende Betreuung von ACS-Patienten erfordert eine präzise Diagnose, eine zeitnahe Versorgung/Intervention und eine effektive Sekundärprävention.



Acute Coronary Syndromes (ACS) encompass various conditions where patients present with acute symptoms, EKG changes, or elevated troponin levels. The broad spectrum of clinical presentations requires careful triage and diagnosis. Targeted history-taking and a rapid clinical examination are crucial, especially for differential diagnostic considerations. The resting 12-lead electrocardiogram (ECG) is the main instrument for ACS diagnosis, categorizing patients into ST-segment elevation myocardial infarction (STEMI) and non-ST-segment elevation myocardial infarction (NSTEMI)/unstable angina. High-sensitivity troponin tests play an additional role in diagnosis and risk stratification. Initial care includes oxygen supplementation in hypoxemia, sublingual nitrates, and intravenous opioids for symptom relief, along with aspirin. Anticoagulation is essential and should be tailored individually. Revascularization procedures, if needed, should occur urgently or promptly depending on the chosen treatment strategy and clinical presentation. In post-ACS care, secondary prevention measures are crucial and should commence early after the event. Treatment goals are clearly defined and should be based on individual patient needs. Comprehensive care for ACS patients requires precise diagnosis, timely intervention, and effective secondary prevention.
Key words: Akutes Koronarsyndrom (ACS), Elektrokardiogramm (EKG), hochsensitives kardiales Troponin (hs-cTn)

Einleitung

Akute Koronarsyndrome (ACS) (1) umfassen verschiedene Zu­stände, bei denen Patienten mit kürzlichen klinischen Symp­tomen vorstellig werden, und allenfalls Veränderungen im 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG) oder akute Anstiege der kardialen Troponinkonzentrationen zeigen. ACS sind mit einer breiten Palette klinischer Präsentationen verbunden – von symptomfreien Patienten bis zu Patienten mit anhaltenden Brustbeschwerden/Symptomen sowie Patienten mit Herzstillstand, elektrischer/hämodynamischer Instabilität oder kardiogenem Schock.

Patienten mit Verdacht auf ACS werden in der Regel anhand des EKGs und der klinischen Stabilität bei der Vorstellung für das initiale Management klassifiziert. Danach können Patienten je nach Vorhandensein oder Fehlen einer Erhöhung des kardialen Troponins weiter klassifiziert werden. Diese Merkmale (EKG-Veränderungen und Erhöhung des Troponins) sind wichtig für die initiale Triage und Diagnose von ACS-Patienten, um Patienten zu risikobewerten und die initiale Managementstrategie zu lenken. Ärzte müssen in jeder Phase der Versorgung von ACS-Patienten sorgfältig andere Differentialdiagnosen in ihre klinische Bewertung einbeziehen, da sie häufig sind, mit verschiedenen zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen verbunden sind, unterschiedliche Prognosen haben und oft unterschiedliche Behandlungsansätze erfordern.

Nach der akuten Management- und Stabilisierungsphase sind die meisten Aspekte der anschliessenden Behandlungsstrategie jedoch für alle ACS-Patienten (unabhängig vom anfänglichen EKG-Muster oder dem Vorhandensein/Fehlen einer kardialen Troponinerhöhung bei der Vorstellung) gemeinsam und können daher unter einem gemeinsamen Pfad betrachtet werden (Abb. 1). Die Nachbetreuung (postinterventionelle Überwachung, stationäre oder ambulante Rehabilitation, sekundärprophylaktische Präventiv-Massnahmen, fachärztliche Weiterbetreuung) ist essenzieller Bestandteil einer langfristig orientierten Patientenversorgung. Dabei werden individuelle Patientenbedürfnisse und krankheits-spezifische Aspekte berücksichtigt. Etablierte Kooperationen (Grundversorger, Rehabilitationszentren, niedergelassene Kardiologen) vereinfachen und optimieren die Nachsorge.

Triage und Diagnostik

Patienten mit Verdacht auf ACS präsentieren sich in einer Vielzahl von klinischen Situationen (in der Arztpraxis, ausserklinisch/zuhause, in der Notaufnahme oder im stationären Bereich). Es ist entscheidend, eine gezielte Anamnese durchzuführen und die vorliegenden Symptome genau zu charakterisieren, um den Patienten so schnell wie möglich über den geeigneten Versorgungsweg zu behandeln.

Anamnese

Akute Brustbeschwerden, die als Schmerz, Druck, Enge, Schwere oder Brennen beschrieben werden können, sind das führende Symptom, das zur Überlegung der klinischen Diagnose eines ACS und zur Einleitung von Tests gemäss spezifischen diagnostischen Algorithmen führt. Als Brustschmerzäquivalent gelten Atemnot, epigastrischer Schmerz sowie Schmerzen im linken oder rechten Arm oder im Nacken/Kiefer. Vegetative Begleitsymptome (Übelkeit, Schwindel, Kaltschweissigkeit, u.a.) sind zu berücksichtigen. Fehldiagnosen oder verzögerte Diagnosestellung sind oft auf eine unvollständige Anamnese oder Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Symptomen zurückzuführen.

Klinischer Untersuch

Bei Patienten mit Verdacht auf ACS wird eine schnelle Beurteilung der Vitalzeichen sowie eine körperliche Untersuchung empfohlen, um differenzialdiagnostische Überlegungen auszuschliessen und Hochrisiko-Merkmale zu identifizieren. Dies kann insbesondere für Patienten relevant sein, die einen Herzstillstand, Anzeichen von Schock und hämodynamische oder elektrische Instabilität aufweisen. Eine gezielte körperliche Untersuchung sollte die Überprüfung aller peripheren Pulse, die Messung des Blutdrucks an beiden Armen, das Abhören von Herz und Lunge sowie die Beurteilung von Anzeichen von Herzinsuffizienz oder zirkulatorischer Beeinträchtigung umfassen.

12-Kanal-EKG

Das Ruhe-12-Kanal-EKG ist das diagnostische Hauptinstrument in der Bewertung von Patienten mit Verdacht auf ACS. Es wird empfohlen, dass ein EKG sofort bei ersten medizinischen Kontakt («first-medical-contact», FMC) durchgeführt und von einem qualifizierten Rettungssanitäter oder Arzt innerhalb von 10 Minuten interpretiert wird. Basierend auf dem initialen EKG können Patienten mit Verdacht auf ACS in zwei Arbeitsdiagnosen unterteilt werden:

1. ST-Segment-Elevation-Myokardinfarkt, STEMI

Patienten mit akuten Brustschmerzen (oder Brustschmerz-äquivalenten Zeichen/Symptomen) und anhaltender ST-Segment-Elevation (oder ST-Segment-Elevation-Äquivalenten) im EKG (Arbeitsdiagnose: ST-Segment-Elevation-Myokardinfarkt, STEMI).

Im geeigneten klinischen Kontext wird eine ST-Segment-Elevation (gemessen am J-Punkt) in folgenden Fällen als Hinweis auf einen akuten Verschluss einer Koronararterie betrachtet: Neue ST-Elevation am J-Punkt in mindestens zwei benachbarten Ableitungen (≥2,5 mm bei Männern <40 Jahren, ≥2 mm bei Männern ≥40 Jahren oder ≥1,5 mm bei Frauen unabhängig vom Alter in den Ableitungen V2–V3 und/oder ≥1 mm in den anderen Ableitungen (in Abwesenheit von linksventrikulärer Hypertrophie oder Linksschenkelblock [LBBB]). Bei Verdacht auf einen inferioren ST-Hebungsinfarkt wird empfohlen, rechtspräkordiale Ableitungen (V3R und V4R) aufzuzeichnen, um eine rechtsventrikuläre Beteiligung zu identifizieren (schlechtere Prognose, vermehrte Komplikationen). Neu aufgetretene Blockbilder (Linksschenkelblock und Rechtsschenkelblock) gelten als ST-Hebungs-Äquivalente.

2. NSTEMI oder instabile Angina pectoris

Patienten mit akuten Brustschmerzen (oder Brustschmerz-äquivalenten Zeichen/Symptomen), aber ohne anhaltende ST-Segment-Elevation (oder ST-Segment-Elevation-Äquivalenten) im EKG (Arbeitsdiagnose: Nicht-ST-Elevation-ACS, NSTEMI oder instabile Angina pectoris).

Diese Patienten können andere EKG-Veränderungen aufweisen, einschliesslich anhaltender oder vorübergehender ST-Segment-Depression und T-Wellen-Abnormalitäten (hyperakute T-Wellen, T-Wellen-Inversion, biphasische T-Wellen, flache T-Wellen und Pseudonormalisierung von T-Wellen). Alternativ kann das EKG normal sein.

Zudem sind atypische EKG-Manifestationen zu berücksichtigen: Linkslaterale Ableitungen (V7–V9) können aufgezeichnet werden, um einen posterioren ST-Hebungsinfarkt zu identifizieren, insbesondere bei Patienten mit anhaltenden Symptomen und einem nicht eindeutigen Standard-12-Kanal-EKG. Eine Mehrgefässischämie («Hauptstammäquivalent») kann mit ST-Senkungen ≥1 mm in ≥6 Oberflächenableitungen, gekoppelt mit ST-Hebung in aVR und/oder V1 einhergehen. Dynamische T-Negativitäten über den Brustwandableitungen treten bei kritischen proximalen RIVA-Stenosen auf («Wellens-Syndrom»).

Labor (Troponin)

Nach klinischem elektrokardiographischem Ausschluss eines STEMI oder Hochrisiko-NSTEMI, spielen Biomarker eine ergänzende Rolle bei der Diagnose, Risikostratifizierung und Behandlung von Patienten mit Verdacht auf ACS. Die Messung eines Biomarkers für Schädigung von Kardiomyozyten, vorzugsweise des hochsensitiven kardialen Troponins (hs-cTn), wird bei allen Patienten mit Verdacht auf ACS empfohlen. Wenn die klinische Präsentation mit Myokardischämie vereinbar ist, deutet ein dynamischer Anstieg und/oder Abfall von cTn über den 99. Perzentilwert gesunder Personen auf die Diagnose eines Herzinfarkts hin (Kriterien gemäss der vier

ten universellen Myokardinfarkt-Definition) (2). Bei Patienten mit Myokardinfarkt steigen die cTn-Werte nach Beginn der Symptome schnell an (in der Regel innerhalb von 1 Stunde bei Verwendung von hochsensiblen Assays) und bleiben für eine variable Zeitspanne erhöht (in der Regel mehrere Tage). Die Werte von hs-cTn sollten als quantitative Marker für die Schädigung von Kardiomyozyten interpretiert werden (d.h. je höher der Wert, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Myokardinfarkts): Die Begriffe «positive» und «negative» Troponinwerte sollten vermieden werden. Stattdessen werden bevorzugt «erhöhte» und «nicht-erhöhte» Troponinwerte verwendet. Erhöhungen über das Fünffache des oberen Referenzwertes haben eine hohe (>90%) positive Vorhersagewahrscheinlichkeit (PPV) für einen akuten Myokardinfarkt. Erhöhungen bis zum Dreifachen des oberen Referenzwertes haben nur eine begrenzte (50–60%) PPV für einen Infarkt und können mit einem breiten Spektrum von Zuständen assoziiert sein. Zudem sind erhöhte cTn-Werte auch bei gesunden Personen festzustellen. Aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit können cTn-Werte auch bei akuten und chronischen Zuständen ohne Myokardinfarkt erhöht sein (Tab. 1). Steigende und/oder fallende cTn-Werte unterscheiden einen akuten Myokardinfarkt von chronischer, jedoch nicht von akuter Myokardschädigung anderer Ätiologie.

Fortschritte in der Labordiagnostik haben zu einer Verfeinerung der cTn-Assays geführt und ihre Genauigkeit bei der Erkennung und Quantifizierung von Kardiomyozytenschädigungen verbessert. Hochsensitive cTn-Assays erhöhen die diagnostische Genauigkeit für einen Herzinfarkt zum Zeitpunkt der Vorstellung im Vergleich zu konventionellen Assays, insbesondere bei Patienten, die früh nach dem Beginn von Brustschmerzen vorstellig werden, was spezifische diagnostische Algorithmen zum Ausschluss resp. Bestätigung eines ACS/NSTEMI ermöglicht («Rapid rule-in/rule-out»-Algorithmen, Abb. 2): Aufgrund ihrer höheren Empfindlichkeit und diagnostischen Genauigkeit bei der Erkennung von Myokardinfarkten (MI) bei der Vorstellung kann der Zeitraum bis zur zweiten Bestimmung des kardialen Troponins (cTn) mit Hilfe von hochsensitiven (hs) cTn-Tests verkürzt werden. Dies führt zu erheblich verkürzten Diagnoseverzögerungen, was sich in kürzeren Aufenthalten in der Notaufnahme, niedrigeren Kosten und weniger diagnostischer Unsicherheit für die Patienten niederschlägt. Die ESC 0 h/1 h und 0 h/2 h-Algorithmen basieren auf der Idee, dass hs-cTn eine kontinuierliche Variable ist und die Wahrscheinlichkeit eines MI mit zunehmenden hs-cTn-Werten steigt. Die Algorithmen beruhen auf optimalen Schwellenwerten, die in grossen Studien herstellerspezifisch (!) validiert wurden (Tab. 2).

Es wird empfohlen, den 0 h/1 h-Algorithmus (beste Option) oder den 0 h/2 h-Algorithmus (zweitbeste Option) zu verwenden. Die Blutentnahme für die Messung von kardialen Troponinen mit hochsensitiven Assays sollte unmittelbar nach der Vorstellung erfolgen, und die Ergebnisse sollten innerhalb von 60 Minuten nach der Blutentnahme vorliegen. Patienten, die dem «Rule-out»-Pathway zugeordnet sind, weisen eine sehr niedrige Rate von klinischen Ereignissen bis zu 30 Tagen auf. Die «Rule-in»-Pathway-Patienten benötigen in der Regel eine Krankenhausaufnahme und invasive Koronarangiographie. Zusätzliche Tests nach 3 Stunden werden empfohlen, wenn die ersten beiden hs-cTn-Messungen des 0 h/1 h-Algorithmus nicht eindeutig sind und keine alternativen Diagnosen vorliegen («Observe»-Pathway). Die Anwendung dieser Algorithmen erfordert stets auch eine klinische Einschätzung und Wiederholungsblutentnahmen bei anhaltenden oder wiederkehrenden Brustschmerzen.

Therapie

Erstversorgung

In der ACS-Erstversorgung gilt es primär ein adäquates EKG-Monitoring zur Erfassung allfälliger Rhythmusstörungen sowie einen peripher-venösen Zugang zu installieren (Reanimationsbereitschaft erstellen). Nachfolgend wird eine akute Pharmakotherapie eingeleitet:

• Sauerstoffgabe wird bei ACS-Patienten mit Hypoxämie (Sauerstoffsättigung <90%) empfohlen. Bei Patienten ohne Hypoxie (Sauerstoffsättigung >90%) sind klinische Vorteile nicht nachgewiesen und daher nicht empfohlen.
• Sublinguale Nitrate können zur Linderung ischämischer Symptome hilfreich sein. Nitrate sollten nicht bei Patienten mit Hypotonie, ausgeprägter Bradykardie oder Tachykardie, rechtsventrikulärem Infarkt, bekannter schwerer Aortenstenose oder kürzlicher Anwendung von Phosphodiesterase-5-Inhibitoren in den letzten 24–48 Stunden verabreicht werden.
• Intravenöse Opioide (z.B. Morphin 5–10 mg) sollten zur Linderung schwerer Brustschmerzen in Betracht gezogen werden. Morphin kann jedoch Übelkeit und Erbrechen provozieren und die gastrointestinale Aufnahme von oralen Medikamenten verlangsamen, was den Wirkungseintritt der oral verabreichten Thrombozytenaggregationshemmung verzögern kann. Es gibt Hinweise darauf, dass intravenöses Morphin bei Patienten mit anhaltender akuter Koronararterienokklusion die Myokard- und Mikrozirkulationsschädigung reduzieren kann.
• Die Behandlung mit Aspirin wird mit einer Initialdosis (150–300 mg oral oder 75–250 mg i.v.) so schnell wie möglich begonnen, gefolgt von der Erhaltungstherapie. Die aktuelle Evidenz unterstützt eine Erhaltungsdosis (ED) von 75–100 mg einmal täglich.
• Die routinemässige präinterventionelle Gabe eines P2Y12-Inhibitors (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) wird nicht empfohlen, in ausgesuchten Situationen kann dies diskutiert werden.
• Die Antikoagulation ist eine wichtige Komponente der initialen Behandlung des ACS. Daher wird eine parenterale Antikoagulation für alle ACS-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose empfohlen. Hierfür stehen heutzutage verschiedene Medikamente (unfraktioniertes Heparin (UFH), Enoxaparin, Fondaparinux, Bivalrudin) mit entsprechenden Anwendungsprotollen zur Verfügung, die Wahl ist abhängig von Situation und Verfügbarkeit. Im Allgemeinen sollte ein Wechsel zwischen Antikoagulanzien bei Patienten mit ACS vermieden werden (mit Ausnahme der Zugabe von UFH zu Fondaparinux, wenn ein Patient mit NSTEMI im Verlauf interventionell behandelt wird). Antikoagulanzien sollten im Allgemeinen unmittelbar nach der PCI abgesetzt werden, ausser in spezifischen klinischen Situationen wie dem nachgewiesenen Vorhandensein eines LV-Aneurysmas mit Thrombusbildung oder Vorliegen von Vorhofflimmern, das eine Antikoagulation erfordert.

Revaskularisation/Therapiestrategie:

Invasive Management-Strategien in der Akutbehandlung sind zeitkritisch (Abb. 2). Es wird empfohlen, dass Patienten mit Verdacht auf anhaltende akute Koronararterienokklusion (d.h. anhaltende ST-Segment-Hebung oder STEMI-Äquivalente) oder aber NSTEMI mit Risikomerkmalen (Anhaltende Thoraxschmerzen, hämodynamische Instabilität, Rhythmusstörungen), so schnell wie möglich eine Notfallangiographie erhalten. Patienten mit NSTEMI gemäss den 0 h/1 h oder 0 h/2 h ESC-Algorithmen sollten für eine frühzeitige invasive Strategie in Betracht gezogen werden (d.h. Durchführung einer Angiographie innerhalb von 24 Stunden).

Nachsorge

Sekundärprävention nach einem ACS ist entscheidend, um die Lebensqualität zu verbessern und die Morbidität und Mortalität zu verringern. Diese sollte so früh wie möglich nach dem Indexereignis beginnen. Das Thema wird ausführlich in den Richtlinien zum chronischen Koronarsyndrom von 2019 (3) und den Präventionsrichtlinien von 2021 (4) behandelt. Die Aufgaben der Nachsorge und die Behandlungsziele sind gut definiert und werden in Abbildung 1 zusammengefasst.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Christophe Alain Wyss

Herzklinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

christophe.wyss@hirslanden.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Akute Koronarsyndrome (ACS) repräsentieren diverse Zustände, in denen Patienten mit akuten Symptomen, EKG-Veränderungen oder/und Troponinerhöhungen vorstellig werden. Die breite Palette klinischer Präsentationen erfordert eine sorgfältige Triage und Diagnose.
  • Das Ruhe-12-Kanal-EKG ist das Hauptinstrument zur ACS-Diagnose und kann Patienten in STEMI und NSTEMI/unstabile Angina unterteilen.
  • Hochsensitive Troponin-Tests nach spezifizierten Anwendungsprotokollen sind hilfreich in der Diagnosestellung und Risikostratifizierung.
  • Invasive Management-Strategien in der Akutbehandlung sollten in Abhängigkeit der gewählten Behandlungstrategie resp. klinischer Präsentation notfallmässig oder zeitnah erfolgen.
  • Sekundärprävention nach einem ACS ist für den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend

1. Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, Barbato E, Berry C, Chieffo A, et al. 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J. 2023;44(38):3720-826.
2. Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS, Chaitman BR, Bax JJ, Morrow DA, et al. Fourth universal definition of myocardial infarction (2018). Eur Heart J. 2019;40(3):237-69.
3. Knuuti J, Wijns W, Saraste A, Capodanno D, Barbato E, Funck-Brentano C, et al. 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. Eur Heart J. 2020;41(3):407-77.
4. Visseren FLJ, Mach F, Smulders YM, Carballo D, Koskinas KC, Bäck M, et al. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J. 2021;42(34):3227-337.