Wandertipp

Im «Jagdgebiet des medinfo-Stammes»

Amazonas am Zürichsee



Zum 10-jährigen Jubiläum des medinfo-Verlags möchten wir anhand des Erlenbacher Tobels zeigen, dass es auch in unmittelbarer Umgebung des Verlagshauses neben den offensichtlichen Schönheiten des Zürichsee-Gebietes auch versteckte Kleinode zu entdecken gibt, die erst noch einfach zu erreichen und ohne grosse Anstrengung begangen werden können. Das Erlenbacher Tobel liegt in einem Gebiet, das durch die alpine Gebirgsbildung und die Eiszeit geprägt wurde. Mit der Heraushebung der Alpen begann unmittelbar auch der Abtrag des Gebirges und führte zur Ablagerung des Erosionsgeschiebes, der sogenannten Molasse im Norden und Süden der Auffaltung. Im Laufe der Gebirgsbildung wurden im Norden die alpinen Decken über die Molasse geschoben. Dabei wurden die der Alpenfront am nächsten gelegenen Molasse-Schichten übereinander geschoben und schräg gestellt, wie dies an der Rigi oder am Rossberg gut beobachtet werden kann. Weiter im Norden, so auch am Pfannenstiel, kam es nur noch zu Anhebungen und Faltenbildungen.

Abb. 2: Alte Eiche oberhalb der Blüemlisalp

Die Abhänge des Pfannenstiels sind zudem durch Moränenzüge und Findlinge aus der Eiszeit geprägt. So wurde der Wetzwilerbach durch einen Moränenzug zu einer Fliessrichtung gegen Nordwesten parallel zum Hügelrücken gezwungen, bis er auf Höhe des heutigen Dorfes Erlenbach eine Abflussmöglichkeit zum Seebecken finden konnte. Dank des relativ grossen Gefälles war der Bach in der Lage, sich deutlich in die anstehende Molasse einzutiefen. Mit dem mitgeführten Schutt hat er zudem ein Delta im Seebecken aufgeschüttet, auf dem heute der Dorfkern von Erlenbach steht. Im Erlenbacher Tobel finden sich immer noch Findlinge aus der Eiszeit, die der Bach nicht fortzuschwemmen vermocht hat. Die Molasseschichten in diesem Tobel bestehen aus Mergel und Sandstein. Nagelfluhbänke finden sich hier nicht, obwohl diese am Pfannenstiel ebenfalls vertreten sind und auch im benachbarten Küsnachter Tobel anstehen. Auffallend im Bereich des grossen Wasserfalls ist der sogenannte Knauersandstein. Als Knauer bezeichnet man die brotlaibförmig herausgewitterten, stärker verdichteten Sandsteinpartien (1).

Wir beginnen unsere kleine Rundwanderung beim Bahnhof Erlenbach, wenden uns in südlicher Richtung und queren die Geleise über die erste Strassenbrücke. Gleich jenseits der Brücke beim Haus zur Lerche mit den schönen Flachreliefs in Sandstein des ehemaligen Kolonialwarenladens Alwin Gossweiler biegen wir gleich wieder in die erneut nach Süden weisende Quartierstrasse. Bei der nächsten Kreuzung wählen wir die untere nach Osten weisende Strasse, die uns ins Erlenbacher Tobel führt (Abb. 1). Den Fussweg erreichen wir über die zweite Brücke, die den Dorfbach quert. Hier tauchen wir in eine völlig andere Welt ein, die uns an diesem regnerischen Tag an tropische Wälder erinnert – es ist feucht und warm. Stille umgibt uns, die nur noch durch das Rauschen des Baches und Vogelgezwitscher durchbrochen wird. Beim Zufluss des Mülibachs wenden wir uns dem Arm des Tobels zu, der aus Nordosten kommt. Wir überschreiten die von der Kittenmüli herkommende Strasse und gehen weiter dem Bach entlang bis zum bergseitigen Eingang des Tobels, wo wir nach Süden abbiegen und durch herrliche Blumenwiesen zu einer mächtigen alten Eiche gelangen (Abb. 2).

Abb. 3: Blüemlisalp mit Blick Richtung Zentralalpen

Hier öffnet sich der Blick bei schönem Wetter über das Zürichsee-Becken hinweg bis zu den Zentralschweizer Alpen. Zu unseren Füssen liegt das Restaurant Blüemlisalp, wo wir zu einem währschaften Mittagessen einkehren, gerade noch rechtzeitig vor einem heftigen Gewitter, das uns erst recht das Gefühl gibt, in den Tropen zu sein (Abb. 3).


Gut genährt erreichen wir weiter in südlicher Richtung einen kleinen Zufluss des Mülibachs, der aus dem eingangs erwähnten Wetzwilerbach hervorgeht. Diesem folgen wir über die Einmündung in den Mülibach hinaus bis zum eigentlichen Erlenbacher Tobel zurück, das uns zum Ausgangspunkt unserer Wanderung zurückbringt (Abb. 4). Das Gewitter hat seine Spuren hinterlassen. Der Dorfbach führt mittlerweile gut doppelt so viel Wasser wie zuvor und braunes Geschiebe mit sich, wie schon seit Urzeiten.

1. Escher K, Pavoni M: Die Bedeutung unserer Bachtobel, am Beispiel des Erlenbacher Tobels. In: Naturschutz-Exkursionen zur Zürcher Schulsynode, S. 497. www.ngzh.ch/archiv/1964_109/109_4/109_26.pdf

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 10
  • Ausgabe 10
  • Oktober 2020