Fortbildung AIM

Eisenreiche Ernährung, orale oder intravenöse Eisensubstitution

Aspekte des Eisentherapie-Managements

«Wann ist eine Eisentherapie indiziert? Orale versus intravenöse Eisensubstitution – welche der beiden Therapieformen ist vorzuziehen? Oder ist die alleinige eisenreiche Ernährung ausreichend? Ein Eisenmangel führt ohne Behandlung zu einer Eisenmangelanämie, welche die häufigste Form der Anämie ist.



Bei ausgewogener oraler Ernährung werden im Durchschnitt 1-2 mg Eisen täglich im Duodenum und oberen Jejunum resorbiert. Eisen wird für den Transport durch die Blutbahn an das Protein Transferrin gebunden. An Ferritin gebundenes Eisen ist Speichereisen. Ferritin als Eisenreserve des Körpers findet sich in allen Zellen und Körperflüssigkeiten. Vorwiegend in der Leber, Milz und Knochenmark. Der Gesamteisengehalt des menschlichen Organismus liegt nach unterschiedlichen Angaben der Literatur bei etwa 35 bis 45 mg pro kg Körpergewicht. Eisen ist essenzieller Bestandteil des Hämoglobins, Myoglobins und fungiert als Kofaktor etlicher Enzyme. Die physiologische Eisenexkretion von 1-2 mg pro Tag findet u.a. über abgeschilferte Darmepithelzellen statt. Die Menstruationsblutung führt bei Frauen zu einem zusätzlichen Eisenverlust.

Diagnostik

Das Endstadium des Eisenmangels (Stadium 3) ist die hypochrome mikrozytäre Eisenmangelanämie. Die körpereigenen Eisenspeicher sind in diesem Stadium vollständig ausgeschöpft.
Schwäche, Müdigkeit, Leistungsintoleranz, Kopfschmerzen, Haarausfall, Restless - Legs sind nur einige Symptome des fehlenden Eisens. Eine Anämie muss im Stadium 2 einer eisendefizitären Erythropoese nicht zwingend vorliegen. Im Stadium 1 handelt es sich um einen Mangel an Speichereisen mit normalem Hämoglobin und normalen erythrozytären Indizes (Tab 1.).
Im Folgenden seien nur einige wegweisende labordiagnostische Parameter erwähnt. Ein erniedrigtes Serum-Ferritin ist das frühe Zeichen einer negativen Eisenbilanz. Das erhöhte Serum-Transferrin und die abfallende Transferrin-Sättigung sind weitere Warnsignale für die schwindenden Eisenreserven mit eisendefizitärer Erythropoese. Das Hämoglobin (Hb), das mittlere Erythrozytenvolumen (MCV), und die mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC), die richtungsweisenden Parameter für eine hypochrom-mikrozytäre Anämie, sinken erst später.

Indikation Eisentherapie

Eine Eisenmangelanämie erfordert unabhängig von der vorliegenden Symptomatik immer eine Abklärung der Ursache und eine Behandlung. Die Therapie der Wahl ist die Eisensubstitution. Bluttransfusionen sind in der Regel nur bei schwerer Anämie mit hämodynamischer Instabilität indiziert. Patienten mit symptomatischem Eisenmangel ohne Anämie können von einer Eisensubstitution profitieren. Das Auffüllen der Eisenspeicher kann allfällige Beschwerden lindern. Ein Therapieversäumnis dagegen würde höchstwahrscheinlich zu einer Anämie mit dem Risiko für ischämische Organschäden führen. Insbesondere bei chronischen Herz- und Nierenerkrankungen. Klinische Studien mit jüngeren (14. bis 21. Lebensjahr) und prämenopausalen Frauen belegten den positiven Effekt der intravenösen Eisensubstitution bei Eisenmangel assoziierter Müdigkeit (1, 2). Eine Eisensubstitution ist nur bei einem dokumentierten Eisenmangel indiziert. Die Behandlung des Eisenmangels mit oder ohne Anämie beinhaltet mehr als nur das Ersetzen des Eisens. Die Ursachen des Eisenmangels (Tab. 2) sollten identifiziert und nach Möglichkeit mittels kausaler Therapie behoben werden. Anämien ohne gesicherten Eisenmangel, Zustände mit Eisenüberladung wie z.B. die Hämochromatose oder die chronische Hämolyse, sowie Hämoglobinopathien mit Eisenverwertungsstörung wie z.B. die Thalassämie (ebenfalls eine hypochrome mikrozytäre ​Anämie) sind Kontraindikationen für jegliche Formen der Eisensubstitution.

Eisenreiche Ernährung

In wirtschaftlich entwickelten, rohstoffreichen Ländern wie der Schweiz kann der physiologische Eisenverlust durch die Verfügbarkeit von Eisen in vielen Fleischsorten und Gemüsen gedeckt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Bioverfügbarkeit des Eisens im Gemüse niedriger ist als im Fleisch. Durch die hochregulierte Eisenabsorption können sogar minime Verluste ausgeglichen werden. Ein chronischer Eisenverlust durch Hypermenorrhoe oder okkulte gastrointestinale Blutungen kann dagegen nicht zur Genüge kompensiert werden. Von einem ernährungsdefizitären Eisenmangel sind oft Säuglinge, Kleinkinder, Jugendliche, Vegetarier, aber auch Alkoholsuchtkranke betroffen.
Die Optimierung der oralen Eisenzufuhr mittels der täglichen Nahrung dient vielmehr als Prophylaxe in der oben erwähnten Populationsgruppe. Ein durch Malnutrition bedingter Eisenmangel mit oder ohne Anämie bedarf, um die Eisenspeicher zu füllen, immer einer Substitutionstherapie. Die Ernährungsberatung ist ein zusätzlicher Support mit dem Ziel, ein Rezidiv zu verhindern.

Orale Eisentherapie

Die Einnahme oraler Eisenpräparate ist die sicherere und kostengünstigere Therapievariante. Orale Eisenpräparate werden im Allgemeinen bei Eisenmangel bzw. der hypochromen mikrozytären Anämie ohne schwere Symptome oder unkontrollierten Blutverlust verwendet. Die Dosierung ist abhängig vom geschätzten Eisendefizit und der Schnelligkeit mit der dieses korrigiert werden soll. Bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen ist die orale Substitution zu bevorzugen. Beispielsweise empfiehlt die Schweizer Arzneimittelinformation (3) für die 100 mg Eisen(II)-Fumarat-Formulierung täglich 1 Kapsel einzunehmen, bei schwerem Eisenmangel auch 2-3 Kapseln über den Tag verteilt. Dabei muss man sich bewusst sein, dass bei Gabe von mehreren täglichen Dosen die fraktionierte Resorptionsrate wegen Stimulation von Hepcidin sinkt. Eine höhere Einzeldosis wird im Vergleich zu mehreren Teildosen ebenfalls resorbiert (4). Als alternatives Dosierungsschema bewirkte die Verabreichung von Eisenpräparaten an alternierenden Tagen bei Frauen mit Eisenmangel eine verbesserte Eisenresorption (5). Eine Normalisierung der laborchemischen Werte ist nach drei Monaten zu erwarten. Um die Eisenspeicher aufzufüllen sind weitere 3-6 Monate erforderlich. Eisen-II-sulfat, Eisen-II-gluconat oder Eisen-II-fumarat haben eine vergleichbare Effizienz und müssen nüchtern eingenommen werden. Eisen-III-Polymaltose muss hingegen während oder direkt nach dem Essen eingenommen werden. Das dreiwertige Eisen muss durch die Fe-Reduktase im Dünndarm zu zweiwertigem Eisen reduziert werden, da es nur in dieser Form intestinal resorbiert werden kann. Präparate mit Eisen(III)-Verbindungen sind daher nicht ideal. Häufige unerwünschte Arzneimittelwirkungen der oralen Eisentherapie sind abdominelle Schmerzen, Diarrhoe, Obstipation, Nausea und Dyspepsie. Die oft berichtete Schwarzfärbung des Stuhls ist auf die Ausscheidung des nicht resorbierten Eisens zurückzuführen und ergibt keine falsch positiven Ergebnisse bei der Testung auf okkultes Blut. Ein reduzierter Säuregehalt des Magens, verursacht durch Antacida, Protonenpumpenhemmer oder H2-Rezeptor-Antagonisten, kann sich negativ auf die Eisenresorption auswirken. Eisen bildet mit Chinolonen, Bisphosphonaten, Levodopa und Levothyroxin schwer lösliche Komplexe. Die Resorption und somit Bioverfügbarkeit aller an der Interaktion beteiligten Substanzen wird vermindert. Eine um 2 bis 3 Stunden versetzte Einnahme des Eisenpräparates kann diesem Mechanismus entgegenwirken. Obwohl besser verträglich, kann die gleichzeitige Einnahme mit der Nahrung die Bioverfügbarkeit von zweiwertigen Eisen deutlich senken.

Intravenöse Eisentherapie

Die parenterale Eisentherapie ist indiziert bei Erkrankungen, die mit einer Resorptionsstörung des Gastrointestinaltrakts einhergehen, wie chronisch entzündliche Magen-Darmerkrankungen, bei unkontrolliertem Blutverlust, bei einer renalen Anämie unter Erythropoietin-Therapie und in präoperativen Situationen mit Eisenmangel, in denen ein rasches Auffüllen der Eisenspeicher erforderlich ist sowie bei Non-Compliance peroraler Präparate. Auch bei der Herzinsuffizienz NYHA II-III führte die intravenöse Gabe von Eisen(III)-Carboxymaltose in zwei Studien zur Besserung, wobei Ferritin als Einschlusskriterium in dieser Patientengruppe weniger gut definiert ist (in einer der Studien fand sich kein Unterschied im Therapieerfolg zwischen Patienten mit und Patienten ohne vorbestehende Anämie) (6, 7). Neuere, dextranfreie Präparate wie Eisen(III)-hydroxid-Saccharose-Komplex oder Eisen(III)-Carboxymaltose sind gut verträglich. Parenterale Eisenpräparate bergen neben dem Problem der höheren Kosten die seltene Gefahr einer akuten Überempfindlichkeitsreaktion vom Soforttyp. Hautreizung und Thrombophlebitis mit Thrombosegefahr sind lokale unerwünschte Reaktionen an der Einstichstelle. Akzidentelle paravasale Gaben führen zu einer langanhaltenden braunen Hautverfärbung. Häufige unerwünschte Wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Bauchschmerzen, Obstipation, Diarrhoe und Hautausschlag. Bei unsachgemässer Anwendung kann es zur – iatrogenen – Eisenüberladung kommen, wenn zu hohe, individuell nicht benötigte Eisenmengen verabreicht werden (Tab. 3). Die kumulative Gesamtdosis von parenteralen Eisenpräparaten sollte individuell berechnet und nicht überschritten werden. Die Hersteller der meisten Präparate empfehlen die Formel nach Ganzoni zu verwenden, basierend auf Körpergewicht, aktuellem Hämoglobinwert und der Menge an elementarem Eisen des jeweiligen Eisenprodukts (vgl. Arzneimittelinformation) .

Dr. med. Livia Hajbok

Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

livia.hajbok@usz.ch

Prof. Dr. med. Gerd A. Kullak-Ublick

Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Jede Form eines nachgewiesenen Eisenmangels erfordert neben der Abklärung der Ursache eine Substitutionstherapie.
  • Der Eisenersatz ist eine symptomatische, aber keine kausale Therapie.
  • Grundleiden, Begleiterkrankungen, Alter des Patienten, Verträglichkeit des Präparates, individuelle Patientenbedürfnisse und nicht zuletzt die Behandlungskosten sind entscheidend bei der Auswahl und Verabreichungsform des Eisenersatzproduktes.
  • Perorale Eisentherapien sind die Erstlinientherapien bei stabilen
    Patienten. Parenterale Therapien sind u.a. indiziert bei ungenügender Wirksamkeit oder Unverträglichkeit peroraler Präparate, bei chronisch entzündlichen Magen-Darmerkrankungen oder bei Non-Compliance

1. Sharma R, Stanek JR, Koch TL, et al. Intravenous iron therapy in non-anemic iron-deficient menstruating adolescent females with fatigue. Am J Hematol 2016; 91:973.
2. Krayenbuehl PA, Battegay E, Breymann C, et al. Intravenous iron for the treatment of fatigue in nonanemic, premenopausal women with low serum ferritin concentration. Blood 2011; 118:3222.
3. Arzneimittelinformation Swissmedic (abgerufen 07/2018)
4. Moretti D. et al.: Oral iron supplements increase hepcidin and decrease iron absorption from daily or twice-daily doses in iron-depleted young women. Blood. 2015 Oct 22;126:1981-9.
5. Auerbach M, Schrier S. Treatment of iron deficiency is getting trendy. Lancet Haematol 2017; 4:e500.
6. Anker S. D., Comin-Colet J., Filippatos G. et. al. Ferric Carboxymaltose in Patients with Heart Failure and Iron Deiciency. The New England Journal of Medicine. 2009;361:2436-48.
7. Ponikowski P., van Veldhuisen D. J., Comin-Colet J. Beneficial effects of long-term inravenous iron threapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomatic heart failure and iron deficiency. European Heart Journal (2015) 36, 657–668.

• Schrier S. L., Auerbach M. Treatment of iron deficiency anemia in adult. In:UpToDate® (abgerufen: 06/2018).
• Thomas Karow und Ruth Lang-Roth. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 26. Auflage 2018.
• Aktories Förstermann und Hofmann Starke. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 11. Auflage 2013.