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Aspirin ohne Nutzen, aber Schaden

Aspirin hat aufgrund seiner entzündungshemmenden und antithrombotischen Wirkung einen festen Platz in der Sekundärprävention von kardiovaskulären Ereignissen. Den heutigen Stellenwert in der Primärprävention zu klären, war Ziel mehrerer kürzlich veröffentlichter Studien.



Nachdem in grossen Studien zur Primärprävention, wie z.B. der Physicians’ Health Study und der Women’s Health Study, ein gewisser kardiovaskulärer Nutzen aufgewiesen werden konnte, avancierte Aspirin zu einer der weltweit meistgebrauchten Substanzen in dieser Indikation, wenn auch schon von allem Anfang an klar war, dass die Substanz mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Die ersten Studien erfolgten zu einer Zeit, als Rauchen noch häufiger war, die Blutdruckeinstellung oft suboptimal und eine aggressive Lipidkontrolle selten. Verschiedene Studien hatten jetzt zum Ziel, den Stellenwert von Aspirin in der Primärprävention in der aktuellen Zeit zu überprüfen. Die ASCEND Studie untersuchte 15480 Patienten mit Diabetes, die ARRIVE Studie 12546 Hoch-
risikopatienten ohne Diabetes und die ASPREE Studie 19114 Menschen ab 70 Jahre.
In der ASCEND Studie war eine Senkung von vaskulären Ereignissen um 12% durch eine Steigerung von relevanten Blutungen um 29% kontrastiert bei unbeeinflusster Gesamtmortalität.
In der ARRIVE Studie blieb der primäre kombinierte Endpunkt unbeeinflusst, jedoch war die Rate an gastrointestinalen Blutungen unter Aspirin signifikant doppelt so hoch, wie unter Plazebo bei unbeeinflusster Gesamtsterblichkeit.
In der ASPREE Studie blieben alle in separaten Artikeln publizierten Endpunkte wie Behinderungs-freies Überleben und kardiovaskuläre Ereignisse unbeeinflusst und die Gesamtmortalität fiel unter Aspirin sogar höher aus als unter Plazebo, hauptsächlich auf Kosten von häufigeren Karzinomen, ein Resultat, das zu allen anderen Interventionsstudien mit Aspirin im Widerspruch steht und laut Autoren entsprechend vorsichtig interpretiert werden soll. Auch in dieser Studie wurde ein erhöhtes Blutungsrisiko beobachtet, signifikant um 39%.
In seinem Editorial vergleicht der Autor Paul Ridker diese Studie mit aktuellen Statin-Studien. Bei Studien zur Primärprävention zeigten diese konsistent eine Reduktion des Risikos für grosse vaskuläre Ereignisse um 25% pro 1 mmol/l Senkung (38,7 mg/dl) von LDL-Cholesterin bei beachtlichem Sicherheitsprofil insbesondere ohne Blutungsrisiko. Er kommt zum Schluss, dass neben Einhaltung einer gesunden Kost, körperlicher Bewegung und Verzicht auf Rauchen in der heutigen Zeit die beste Strategie für den Einsatz von Aspirin in der Primärprävention dessen Ersatz durch ein Statin sei.

Quelle:
The ASCEND Study Collaborative Group. Effects of aspirin for primary prevention in persons with diabetes mellitus. N Engl J Med 2018;379:1529-1539.
Gaziano JM et al. Use of aspirin to reduce risk of initial vascular events in patients at moderate risk of cardiovascular disease (ARRIVE): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2018 August 24 (Epub ahead of print).
McNeil JJ et al. Effect of aspirin on disability-free survival in the healthy elderly. N Engl J Med 2018;379:1499-1508.
McNeil JJ et al. Effect of aspirin on cardiovascular events and bleeding in the healthy elderly. N Engl J Med 2018;379:1509-1518.
McNeil JJ et al. Effect of aspirin on all-cause mortality in the healthy elderly. N Engl J Med 2018;379:1519-1528.
Ridker PM. Should Aspirin Be Used for Primary Prevention in the Post-Statin Era? N Engl J Med 2018; 379:1572-1574

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

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  • Vol. 8
  • Ausgabe 11
  • November 2018