- Chirurgische Behandlungsmöglichkeit der Refluxkrankheit
Die chirurgische Antirefluxtherapie zeichnet sich durch eine Vielzahl technischer Varianten aus. Neben unterschiedlichen Möglichkeiten der Fundoplicatio als Goldstandard der chirurgischen Refluxtherapie, finden nun auch andere operative Therapien Beachtung. In diesem Artikel werden sowohl die Grundlagen der Indikationsstellung für ein operatives Vorgehen als auch die unterschiedlichen operativen Techniken kurz dargestellt.
Die Indikation zur chirurgischen Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) basiert auf verschiedenen Kriterien, die auf dem Boden einer stabilen Datenlage formuliert sind (1, 2).
Erstes Kriterium ist die sogenannte aktive Form der GERD. Diese ist definiert durch das Vorliegen typischer Symptome (Sodbrennen, Regurgitation), den Nachweis von Funktionsdefekten (Hiatushernie, inkompetenter unterer Ösophagussphinkter) und das Vorhandensein komplizierender struktureller Schäden der Speiseröhre (Ösophagitis, Barrett-Ösophagus). Auch die Notwendigkeit einer Dosissteigerung eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) zum Erreichen einer Beschwerdefreiheit ist hier zu nennen.
Zweites Kriterium ist das Vorliegen säureunabhängiger Symptome trotz ausreichender Medikation mit PPI. Zu nennen ist hier insbesondere der sogenannte «Volumenreflux», der in der Impedanzmessung objektiviert werden kann.
Drittes Kriterium ist das erneute Auftreten der Symptomatik im Rahmen eines Auslassversuches einer initial erfolgreichen medikamentösen Therapie.
Die im deutschsprachigen Raum publizierten Leitlinien zur Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-013.html) fassen diese Kriterien für die Indikationsstellung einer Antirefluxchirurgie in folgender Auflistung zusammen:
1. Typische Symptome (Anamnese)
2. Jahrelange Refluxanamnese (Anamnese)
3. Präsenz einer Hiatushernie (Endoskopie)
4. Inkompetente Antirefluxbarriere (Manometrie,
High-Resolution-Manometrie)
5. Pathologische Säureexposition mit Symptomkorrelation
(pH-Metrie, Impedanz-pH-Metrie, Symptom- Association Probability)
6. Positives Ansprechen auf PPI- Therapie (PPI-Response)
7. Notwendige PPI-Dosissteigerung
8. Reduzierte Lebensqualität
Es ist offensichtlich, dass das Ansprechen auf eine Medikation mit PPI für die Indikation einer chirurgischen Therapie eine wichtige Rolle spielt. Allerdings wurde diesbezüglich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen: Früher wurden insbesondere Patienten, die nicht oder nicht mehr auf eine PPI-Medikation ansprachen, für eine operative Behandlung ihres Refluxes in Betracht gezogen. Heute hingegen weiss man, dass vor allem diejenigen Patienten am meisten von einer operativen Intervention profitieren, die durch eine medikamentöse Blockade der Säureexposition eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden erfahren. Dieser Indikationswandel ist in der interdisziplinären Diskussion mit den Kollegen der Gastroenterologie zu beachten und im Rahmen der fachlichen, datenbasierten Therapieentscheidung unbedingt zu berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund der mittlerweile gut dokumentierten und zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen einer für gewöhnlich lebenslang notwendigen Langzeittherapie mit PPI (z.B. höhere Inzidenz einer Osteoporose mit erhöhter Gefahr hüftgelenksnaher Femurfrakturen, dokumentierte Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms), ist die chirurgische Therapie der Refluxkrankheit also nicht bloss eine zusätzliche Therapiealternative, die diskutiert werden kann, sondern eine Option, die interdisziplinär diskutiert werden muss (3, 4).
Die laparoskopische Fundoplicatio
Über viele Jahre hinweg war die Klärung der Pathophysiologie einer GERD Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Als gesichert gilt, dass ein anatomischer bzw. funktioneller Defekt an der Zwerchfellschlinge und am unteren Ösophagussphinkter die Entstehung einer GERD begünstigt. Deshalb ist das Ziel der chirurgischen Therapie, den Druck in diesem Bereich der Antirefluxbarriere zu erhöhen. Unabhängig davon, wie diese Druckerhöhung erzielt wird, wird die zusätzliche Versorgung einer meist gleichzeitig vorhandenen Hiatushernie verlangt (5). Ob diese Versorgung mit oder ohne Netz-Verstärkung erfolgen sollte, ist weiterhin Gegenstand intensiver fachlicher Diskussionen und soll hier nicht weiter beleuchtet werden.
Als Goldstandard der operativen Druckerhöhung im Rahmen einer chirurgischen Antireflux-Therapie gilt nach wie vor die klassische laparoskopische Fundoplicatio (6). Die minimal-invasive Technik der Fundoplicatio hat sich in der Zwischenzeit gegenüber den offenen Verfahren eindeutig durchgesetzt. Die Vorteile nach minimal-invasivem Vorgehen sind eine schnellere postoperative Rekonvaleszenz und bessere Kosmetik bei mindestens gleich guter symptomatischer Refluxkontrolle. Dies gilt insbesondere auch für Revisionseingriffe, da hierbei eine wesentlich bessere Visualisierung der anatomischen Situation gewährleistet werden kann. Die gebräuchlichen laparoskopischen Techniken zur Verbesserung der Schliessfunktion des unteren Ösophagussphinkter sind die Fundoplicatio nach Toupet mit einer partiellen posterioren 270° Manschette und die Fundoplicatio nach Nissen mit einer 360° Vollmanschette, jeweils immer in Verbindung mit der Versorgung einer meist gleichzeitig vorliegenden axialen Hiatushernie (Abb. 1 – 3). In ihrer Wirksamkeit wurden beide Techniken im Rahmen von randomisierten Studien mehrfach gegen die medikamentöse Therapie mit PPI getestet. Gefunden wurde, dass in allen Untersuchungen die laparoskopische Fundoplicatio der medikamentösen Therapie mit PPI nicht nur gleichwertig, sondern im kurz- und mittelfristigen Beobachtungsfenster hinsichtlich Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit auch überlegen zu sein scheint (7). Ein kritischer Aspekt der laparoskopischen Antireflux-Chirurgie ist sicherlich die immer wieder diskutierte Rate postoperativer Dysphagie und Unmöglichkeit des Aufstossens (sog. gas bloat Syndrom), beides für betroffene Patienten höchst unangenehme Zustände. Die Datenlage ist unklar, es zeichnet sich aber eine zumindest tendenziell deutlich niedrigere Dysphagierate nach einer Toupet-Fundoplicatio (270°-Manschette) im Vergleich zu einer Nissen-Fundoplicatio (360°-Manschette) ab (8). Aus diesem Grund wird erstgenannte Technik in vielen Zentren, so auch in unserem, als Goldstandard betrachtet.
Zweifelsohne ist die medikamentöse Therapie der Refluxkrankheit mittels PPI hoch effektiv. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere die Langzeit-PPI-Therapie mit Nebenwirkungen assoziiert ist, die zumindest zur Kenntnis genommen werden müssen. Auch wird die PPI-Therapie nicht von allen betroffenen GERD-Patienten vertragen, so dass hier chirurgische Therapiealternativen in Betracht gezogen werden müssen. Festzuhalten bleibt, dass bei Beachtung der oben genannten Indikationskriterien und nach Durchführung einer umfassenden, interdisziplinären Diagnostik in einem selektierten Patientengut (ca. 40-50% aller GERD-Patienten) die chirurgische Antireflux-Therapie mittels laparoskopischer Fundoplicatio sicher und erfolgreich durchgeführt werden kann und somit empfohlen werden sollte.
Neuere chirurgische Techniken
In den letzten Jahren wurden weitere interventionelle und chirurgische Techniken zur Behandlung der Refluxkrankheit entwickelt, die zum Teil auch bereits ausserhalb klinischer Überwachungsstudien zur Anwendung kommen. Die wichtigsten werden im Rahmen
dieser Darstellung genannt.
1. Das LINX-System
Hierunter versteht man ein aus kleinen Titanplättchen bestehendes Magnetband, welches laparoskopisch um den unteren Ösophagussphinkter platziert wird und der Weite bzw. Dicke des jeweiligen Ösophagus individuell angepasst wird. Bei geschlossenem Magnetband soll der Ruhedruck am unteren Ösophagussphinkter so eingestellt sein, dass kein Reflux vorliegt. Bei Passage von Nahrungsbrei wird durch den Bolus das Magnetband gedehnt und nimmt nach Passage wieder die ursprüngliche, Reflux-vermeidende Position ein. Die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Verfahrens ist in mehreren Studien belegt und 5-Jahres Ergebnisse liegen mit einer guten Symptomkontrolle und akzeptabler Dysphagierate von 6% vor (9, 10).
2. Das EndoStim®-System
Auch dieses System wird laparoskopisch eingebracht. Nach Präparation des unteren Ösophagus werden am Ösophagussphinkter zwei Elektroden angebracht, die mit einem subkutan platzierten Schrittmacher verbunden sind. Der untere Ösophagussphinkter wird elektrisch stimuliert mit dem Ziel, den Ruhedruck in diesem Bereich zu erhöhen und somit einen gastroösophagealen Reflux zu vermeiden. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer axialen Hiatushernie wird diese in gleicher Operation mit einer Hiatoplastik versorgt. Da es sich hierbei nicht um eine direkte kontraktile Stimulation der Muskulatur des unteren Ösophagussphinkters handelt, ist frühestens nach drei Monaten mit einer objektivierbaren Besserung der Refluxproblematik zu rechnen (11). Daher ist eine überlappende Medikation mit PPI notwendig. In der Zwischenzeit liegen auch hier 2-Jahres Daten vor, die eine sehr gute Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit dokumentieren (12). Allerdings ist der Hersteller aktuell in wirtschaftliche Schieflage geraten, so dass der weitere Einsatz des Verfahrens mehr als fraglich erscheint.
3. Das RefluxStop™-System
Dies ist ein neues operatives Verfahren, bei dem nach laparoskopischer Versorgung der Hiatushernie ein Silikonwürfel von gut 2 cm Kantenlänge in unmittelbarer Nachbarschaft des unteren Ösophagussphinkters in eine Art Serosatasche fixiert wird und dafür sorgen soll, dass der untere Sphinkter unterhalb des Zwerchfellschenkels verbleibt und ohne Beeinträchtigung der Nahrungspassage eine suffiziente Refluxbarriere entsteht. Erste vielversprechende 1-Jahres Ergebnisse liegen vor, weitere Untersuchungen sind aber notwendig.
Stv. Chefarzt Viszeralchirurgie
Spital Männedorf
Asylstrasse 10
8307 Männedorf
a.thalheimer@spitalmaennedorf.ch
Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
- Die GERD ist eine sehr häufige Erkrankung. Grundlage der Therapie ist nach entsprechender Diagnostik (Funktionsdiagnostik inkl. Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes, Impedanz-pH-Metrie und High-Resolution Manometrie) die medikamentöse Behandlung mit PPI.
- Unter Berücksichtigung bestimmter Selektionsparameter ist in einer gut definierten Subgruppe der Patienten eine chirurgische Therapie indiziert.
- Idealerweise erfolgt die Indikationsstellung für eine Operation im interdisziplinären Kontext zusammen mit den Kollegen der Gastroenterologie.
- Goldstandard der operativen Therapie ist auch weiterhin die laparoskopische Fundoplicatio. Bei Berücksichtigung der genannten Selektionskriterien ist eine sehr gute Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit auch im langfristigen Verlauf nach operativer Therapie zu erreichen.
1. Fein M, Bueter M, Thalheimer A, Pachmayr V, Heimbucher J, Freys SM, Fuchs KH: Ten-year outcome of laparoscopic antireflux surgery. J Gastrointest Surg 2008;12(11):1893-1899.
2. Dallemagne B, Weerts J, Markiewicz S, Dewandre JM, Wahlen C, Monami B, Jehaes C: Clinical results of laparoscopic fundoplication at ten years after surgery. Surg Endosc 2006;20(1):159-165.
3. von Rahden BH, Scheurlen M, Filser J, Stein HJ, Germer CT: (Newly recognized side-effects of proton pump inhibitors. Arguments in favour of fundoplication for GERD?). Chirurg 2012;83(1):38-44.
4. Bruno G, Zaccari P, Rocco G, Scalese G, Panetta C, Porowska B, Pontone S, Severi C: Proton pump inhibitors and dysbiosis: Current knowledge and aspects to be clarified. World J Gastroenterol 2019;25(22):2706-2719.
5. Lundell L, Attwood S, Ell C, Fiocca R, Galmiche JP, Hatlebakk J, Lind T, Junghard O, collaborators Lt: Comparing laparoscopic antireflux surgery with esomeprazole in the management of patients with chronic gastro-oesophageal reflux disease: a 3-year interim analysis of the LOTUS trial. Gut 2008;57(9):1207-1213.
6. Broeders JA, Rijnhart-de Jong HG, Draaisma WA, Bredenoord AJ, Smout AJ, Gooszen HG: Ten-year outcome of laparoscopic and conventional nissen fundoplication: randomized clinical trial. Ann Surg 2009;250(5):698-706.
7. Rickenbacher N, Kotter T, Kochen MM, Scherer M, Blozik E: Fundoplication versus medical management of gastroesophageal reflux disease: systematic review and meta-analysis. Surg Endosc 2014;28(1):143-155 und Erratum 2014;28:2002.
8. Hajibandeh S et al: Impact of Toupet Versus Nissen Fundoplication on Dysphagia in Patients With Gastroesophageal Reflux Disease and Associated Preoperative Esophageal Dysmotility: A Systematic Review and Meta-Analysis. Surg Innov 2018;25(6): 636–644
8. Ganz RA, Edmundowicz SA, Taiganides PA, Lipham JC, Smith CD, DeVault KR, Horgan S, Jacobsen G, Luketich JD, Smith CC et al: Long-term Outcomes of Patients Receiving a Magnetic Sphincter Augmentation Device for Gastroesophageal Reflux. Clin Gastroenterol Hepatol 2016;14(5):671-677.
9. Lipham JC, DeMeester TR, Ganz RA, Bonavina L, Saino G, Dunn DH, Fockens P, Bemelman W: The LINX(R) reflux management system: confirmed safety and efficacy now at 4 years. Surg Endosc 2012;26(10):2944-2949.
10. Stephan D, Attwood S, Labenz J, Willeke F: (EndoStim(R) treatment-a new minimally invasive technology in antireflux surgery). Chirurg 2018, 89(10):785-792.
11. Rodriguez L, Rodriguez P, Gomez B, Ayala JC, Oxenberg D, Perez-Castilla A, Netto MG, Soffer E, Boscardin WJ, Crowell MD: Two-year results of intermittent electrical stimulation of the lower esophageal sphincter treatment of gastroesophageal reflux disease. Surgery 2015;157(3):556-567.
der informierte @rzt
- Vol. 10
- Ausgabe 4
- April 2020