Fortbildung AIM

Chronische Heiserkeit – wann abklären?



Fragen:

Was ist die Ursache der Heiserkeit?
A. Stimmlippenpolyp
B. Stimmlippenparese
C. Reinke-Ödeme
D. Aufgrund des Stimmbefundes kann keine klinische
Diagnose gestellt werden

Welche sind Ihre weiteren Schritte?
A. Keine Therapie, Kontrolle in 3 Wochen
B. Laryngoskopie oder Überweisung zum HNO Arzt oder Phoniater
C. CT Larynx und Hals
D. MRI Larynx und Hals

Diskussion

Wir haben vor uns eine 58-jährige Raucherin mit chronischer Heiserkeit, ohne weitere Symptome. Zur Beschreibung des Heiserkeitstyps wird das RBH-System benutzt (R = Rauigkeit, B = Behauchtheit, H = Heiserkeit). Dabei werden Werte von 0-3 vergeben. Eine normale Stimme wird mit R0 B0 H0 beurteilt, bei unserer Patientin ist die Stimme mit R2 B0 H2 mittelgradig rau, nicht behaucht und mittelgradig heiser.
Die Ursachen der Heiserkeit sind sehr unterschiedlich, von banalem Infekt bis zu einem malignen Tumor. Dabei kann eine Diagnose rein anhand des akustischen Befundes der Stimme nicht gestellt werden. Man kann zwar anhand der Anamnese und Dauer der Heiserkeit gewisse Vermutungen anstellen, eine Laryngoskopie bei einem HNO Arzt oder Phoniater ist jedoch unerlässlich. Eine Laryngoskopie wird grundsätzlich empfohlen, wenn eine neu aufgetretene Heiserkeit länger als 3 Wochen persistiert und nicht abklingen will. Die Dringlichkeit hängt zudem von den Begleitumständen (Stridor, Hämoptoe) und den Risikofaktoren (Nikotin- und Alkoholabusus) ab.
Bei unserer Patientin mit über Monate rauer Stimme kommen am ehesten folgende Diagnosen in Frage:

Chronische Laryngitis (Abb. 1):
Bei chronischem Nikotinkonsum (als weitere ätiologische Faktoren werden auch ein gastro-ösophagealer Reflux, Allergien, Irritation durch trockene staubige Luft oder ätzende Dämpfe, Mundatmung oder fehlende Stimmschonung nach akuter Laryngitis diskutiert).

Stimmlippenkarzinom (Abb. 2):
Hier würde man eher eine kürzere Symptomdauer von 2-4 Monaten erwarten. Es wäre jedoch auch eine Entartung auf Grund einer chronischen Laryngitis mit somit längerer Anamnese möglich. Bei Stimmlippenkarzinomen ist eine Früherkennung durch eine rechtzeitige Laryngoskopie wichtig und auch möglich, da sich bereits kleine Stimmlippenkarzinome meistens rasch durch Heiserkeit manifestieren. In frühem Stadium kann eine günstige Prognose durch alleinige mikrolaryngoskopische Resektion oder primäre kleinvolumige Bestrahlung erwartet werden.

Stimmlippenpolyp (Abb. 3):
Es spielen ursächlich mechanische Faktoren wie Stimmüberlastung und Rauchen eine Rolle.

Reinke-Ödeme:
Ein Ödem im sogenannten Reinke-Raum der Stimmlippen, also im spaltförmigen Raum zwischen dem Stimmlippenepithel und dem darunterliegenden Bindegewebe. Das Reinke-Ödem ist gut als glasige Schwellung meistens beider Stimmlippen in der Lupenlaryngoskopie erkennbar.

Larynxpapillomatose (Abb. 4):
Diese virale Kehlkopferkrankung, verursacht durch Humane Papillomaviren (HPV), kann in jedem Alter auftreten. Auf den Stimmlippen sind kleine Papillome mit himbeerartigem Charakter erkennbar. Eine Biopsie ist empfehlenswert, einerseits mit Frage nach Virustyp (6 und 11 gehören zur «Low-Risk-Gruppe» für Malignitätspotenzial, 16 und 18 gehören dagegen zur «High-Risk-Gruppe»), anderseits mit Frage nach bereits vorhandenen Dysplasien.
Als weitere Differenzialdiagnosen sind auch Presbyphonie, funktionelle Dysphonie oder Stimmlippenzysten zu erwähnen.

Bei unserer Patientin zeigte sich folgender laryngostroboskopischer Befund:
Bei dieser glasigen und glatten Schwellung der beiden Stimmlippen kann eindeutig die Diagnose eines Reinke-Ödems gestellt werden. Typische Patienten sind rauchende und kommunikative Frauen im Alter von 50-60 Jahren. Eine maligne Entartung muss nicht befürchtet werden. Für die Prognose ist das Sistieren des Nikotinkonsums wichtig. Bei geringem Leidensdruck oder Initialstadium kann mit logopädischer Stimmtherapie und Nikotinstopp eine gewisse Besserung erreicht werden, in den meisten Fällen ist jedoch eine phonochirurgische Abtragung in einer kurzen Narkose nötig. Insbesondere ist eine Abtragung indiziert, wenn es bei grossen Ödemen bereits zur Belastungsdyspnoe kommt.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Christoph Schlegel-Wagner

Klinik für Hals-Nasen-Ohren- und Gesichtschirurgie (HNO)
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6004 Luzern

christoph.schlegel@luks.ch

Dr. med. Andrea Rambousek

Luzerner Kantonsspital Luzern, Abteilung Phoniatrie und
Pädaudiologie
Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren- und
Gesichtschirurgie
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

andrea.rambousek@luks.ch

Dr. med. Seo Simon Ko

Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie
Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren- und Gesichtschirurgie
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

seosimon.ko@luks.ch

Kein Konflikt in Zusammenhang mit diesen Fallbesprechungen.

◆ Eine über 3 Wochen anhaltende und nicht abklingende Heiserkeit soll mittels Laryngoskopie, in der Regel bei einem HNO-Arzt/Phoniater, abgeklärt werden, insbesondere bei Risikofaktoren wie Nikotin- und Alkoholabusus.
◆ Reinke-Ödeme sind typisch bei rauchenden Frauen >40 Jahre mit hoher Stimmbelastung und tiefer rauer Stimme. Je nach subjektivem Leidensdruck durch die Dysphonie können sie mikrolaryngoskopisch abgetragen werden.