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Chronischer Husten

Der chronische Husten ist als neuropathische Erkrankung zu betrachten. Er zeichnet sich durch eine gesteigerte Sensitivität des Hustenreflexes aus, weshalb schon geringe Stimuli zur Auslösung führen können. Die Diagnostik sollte strukturiert und stufenweise erfolgen – von den häufigen Ursachen zu den seltenen. Trotz seiner Häufigkeit sind Therapieoptionen limitiert und mit einschneidenden Nebenwirkungen vergesellschaftet.



Chronic cough should be considered a neuropathic disease. It is characterized by an increased sensitivity of the cough reflex, which is why even small stimuli can lead to triggering. Diagnosis should be structured and stepwise – from common causes to rare ones. Despite its frequency, therapeutic options are limited and associated with drastic side effects.
Key Words: chronic cough, neuropathic disease, cough reflex

Husten ist eine Reflexhandlung der Atemwege, die dazu dient, die oberen Atemwege zu befreien (1). Chronischer Husten, der länger als 8 Wochen anhält, ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Gemäss einer Metaanalyse wird die Prävalenz des chronischen Hustens auf 10% geschätzt (2), wobei Frauen generell und insbesondere in der fünften und sechsten Lebensdekade überproportional betroffen sind (3, 4). Zu den Ursachen gehören Zigarettenrauchen, Exposition gegenüber Zigarettenrauch und Umweltverschmutzung, insbesondere Feinstaub. Zu den Krankheiten, die chronischen Husten verursachen, gehören Asthma bronchiale, Erkrankungen der oberen Atemwege («upper airway cough syndrome» (UACS), die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), Rhinosinusitis,
chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Lungenfibrose und Bronchiektasie.

Bei einigen Patienten lässt sich keine Ursache feststellen, was zur Diagnose eines idiopathischen Hustens führt. Chronischer Husten ist häufig mit einer verstärkten Reaktion auf Reizstoffe verbunden. Plastische Veränderungen der intrinsischen und synaptischen Erregbarkeit im Hirnstamm, in der Wirbelsäule oder in den Atemwegsnerven können den Hustenreflex verstärken und auch ohne das auslösende Hustenereignis bestehen bleiben. Strukturelle und entzündliche Veränderungen der Atemwegsschleimhaut bei nicht-asthmatischem chronischem Husten könnten die Ursache oder die traumatische Reaktion auf wiederholtes Husten sein. Eine wirksame Kontrolle des Hustens erfordert nicht nur die Kontrolle der den Husten auslösenden Krankheit, sondern auch die Desensibilisierung der Hustenwege.

Neurophysiologie des chronischen Hustens

Chronischer Husten wird heute als ein Zustand neuronaler Dysregulation verstanden. Husten ist ein Reflex, der durch sensorische Nerven aus dem Gebiet der vagalen Afferenzen aktiviert wird (5). Als Reaktion auf die Erkennung potenziell schädlicher Reize durch sensorische Nozizeptoren der Atemwege wandern die Impulse den Nervus vagus hinauf über die Nodus- und Jugularganglien zur Medulla, wo sie durch zentrale Bahnen moduliert werden. Über somatische Efferenzen wird dann ein Signal an den Kehlkopf, die Atemmuskulatur und das Zwerchfell gesendet, das zu Husten führt (5-7). Chronischer Husten wird häufig durch eine geringe thermische, mechanische oder chemische Belastung ausgelöst, was auf eine gemeinsame Ätiologie hinweist, die als Hustenüberempfindlichkeitssyndrom (CHS) bekannt ist (8, 9). Das CHS ist durch eine Dysregulation der Nervenbahnen und Rezeptoren im zentralen Nervensystem, in den vagalen afferenten sensorischen Nerven und in den Ganglien gekennzeichnet (2, 9-13) was durch die Beobachtung belegt wird, dass viele hustenstillende Medikamente neuromodulatorische Eigenschaften haben (7, 13, 14).

Bei der Entstehung des chronischen Hustens ging man traditionell von einem Zusammenhang mit Virusinfektionen der Atemwege oder durch klinisch diagnostizierte Krankheiten wie Asthma oder gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) aus. Diese werden neu mehr als Trigger des chronischen Hustens angesehen (15, 16). Es können aber auch bestimmte Medikamente wie Angiotensin-konvertierende Enzyminhibitoren die Hustenempfindlichkeit erhöhen (17). Diese Bedingungen erfassen jedoch nicht die komplexe Heterogenität des Erscheinungsbildes dieser Atemwegserkrankungen in der Klinik, und in den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Atemwegs­erkrankungen von den behandelbaren Merkmalen auszugehen Insbesondere die Empfindlichkeit der Nervenbahnen, die für die Auslösung von Husten verantwortlich sind, scheint ein einheitliches Merkmal von Patienten mit chronischem Husten zu sein, unabhängig von der klinischen Gesamtpräsentation. Das Husten-Hypersensitivitätssyndrom stellt daher einen spezifischen Krankheitszustand dar, der weiterer intensiver Forschung bedarf (9). Klinische Studien mit neuen Therapieansätze untermauern seine Relevanz (18).

Abklärung des chronischen Hustens

Jeder Husten, welcher länger als acht Wochen andauert, macht eine strukturierte Abklärung notwendig. Die Basisabklärung umfasst eine ausführliche Anamnese, die klinische Untersuchung, sowie ein Thorax-Röntgenbild (19). Die Basisdiagnostik erlaubt naheliegende Ursachen zu entdecken. Liegt eine zugrundeliegende Krankheit vor, sollten zielgerichtete Untersuchungen eingeleitet werden. Diese umfassen eine Echokardiographie bei Hinweisen auf eine Herzinsuffizienz oder eine Computertomographie bei Verdacht auf ein Malignom (20). Ein häufiger Grund für chronischen Husten ist die Einnahme von ACE-Hemmern. Bis zu 15% der PatientInnen unter einer ACE-Hemmer-Therapie klagen über chronischen Husten. In diesen Fällen empfiehlt sich die Umstellung auf eine andere antihypertensive Therapie oder ein Auslassversuch über mindestens 3 Wochen (21). Ein weiterer wichtiger Auslöser chronischen Hustens ist das Rauchen, welches direkt mit dem Auftreten der chronischen Bronchitis und der COPD verbunden ist.

Falls die Basisdiagnostik keine richtungsweisenden Angaben erlaubt, sollten die häufigsten Ursachen wie Asthma, UACS oder GERD mit weiteren diagnostischen Schritten abgeklärt werden (22).

Asthma bronchiale

Der asthmatische Husten wird in drei Subgruppen unterteilt: Klassisches Asthma, Husten als Asthmaäquivalent und Nichtasthmatische eosinophile Bronchitis (23). Neben den typischen Asthma-Symptomen kann Husten bei Asthma auch als alleiniges Symptom auftreten. Der Verdacht auf ein Asthma kann mit Hilfe einer Spirometrie objektiviert werden. Dabei ist der tiefe Voraus­sagewert dieser Untersuchung zu berücksichtigen. Eine normale Spirometrie schliesst ein Asthma bronchiale nicht aus. Die bronchiale Hyperreagilität, wie sie typischerweise beim klassischen Asthma oder beim Husten als Asthma-Aequivalent auftritt (24) kann mittels Methacholin-Provokationstest abgeklärt werden.

Eine Eosinophilie > 3% kann entweder auf ein eosinophiles Asthma oder auf eine nichtasthmatische eosinophile Bronchitis hinweisen. Die Eosinophilen können im Blut, im Sputum oder in der bronchoalveolären Lavage (BAL) gemessen werden. Zusätzlich kann in der Atemluft fraktioniertes exhaliertes NO (FeNO) bestimmt werden. Deutlich erhöhtes FeNO spricht für Allergien bzw. Asthma bronchiale (4, 5). Wenn sich trotz adäquater Therapie der Husten nicht bessert, spricht man von einem refraktären Husten (5, 20, 25).

Gastroösophagealer Reflux

Die Zusammenhänge zwischen GERD und chronischem Husten werden mitunter kontrovers diskutiert (4, 26). Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2011 fand eine ungenügende Evidenz dafür, sodass eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren nicht generell zu empfehlen ist. Bei tatsächlichem Vorhandensein von Refluxbeschwerden, hat sich in der Praxis ein mindestens zweimonatiger empirischer Therapieversuch mit Protonenpumpenhemmern bewährt. Fehlen indes Reflux-Symptome ist eine ausführliche Refluxdiagnostik empfohlen. Bei fehlender Refluxsymptomatik gibt es keine empirische Therapie (4, 26).

Man tendiert heute zu der These, dass die Stimulation von Afferenzen in der Nase oder im Pharynx und im Larynx durch entzündliche Mediatoren den Husten verursacht. Eine einmonatige Therapie mit topischen Kortikosteroiden kann empirisch versucht werden. Bestehen Probleme der oberen Atemwege empfiehlt sich die Zuweisung zu einer HNO-Spezialistin, einem HNO-Spezialisten (27, 28). Bleiben obige Abklärungen ergebnislos, können eine Computertomografie des Thorax und eine Bronchoskopie wegweisend sein, um auch seltene Ursachen aufzudecken (29).

Therapie des chronischen Hustens

Die Therapie richtet sich grundsätzlich nach dem Krankheitsbild, welches den chronischen Husten verursacht. Dadurch kann bei vielen PatientInnen eine Linderung der Symptomatik erreicht werden. Wenn sich der Husten nicht erklären lässt und die Hustenproblematik nur unzureichend kontrolliert werden kann, müssen alternative Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Eine gezielte medikamentöse Behandlung des unerklärten Hustens ist bislang nicht vorhanden. In der Praxis versucht man die Symptomatik mit neuromodulatorischen Medikamenten wie Gabapentin, Pregabalin oder Morphin zu bessern. Als nichtmedikamentöse Therapieform ist die Logopädie zu empfehlen. Dabei üben die PatientInnen den Hustenreflex zu unterdrücken und lernen zusätzlich unterstützende Atem- und Entspannungstechniken.

Das Nutzen-Risiko-Verhältnis bzw. mögliche Nebenwirkungen müssen bei jeder Therapie individuell mit den PatientInnen besprochen werden. Neue Therapieansätze, die auf bestimmte zentrale und periphere Rezeptoren abzielen, werden erforscht, konnten bisher aber keine entscheidenden Erfolge verbuchen (1, 13, 26). In einer Studie konnte durch einen TRPV1-Antagonisten (Transient receptor potential vanilloid 1) die Sensitivität auf Capsaicin (Inhaltsstoff von Chili) gesenkt werden, doch zu einer Verbesserung der Hustensymptomatik führte dies nicht (29). Demnächst steht uns der P2X3-Rezeptor-Antagonist Gefapixant zur Verfügung, welcher auf die vagalen afferenten Nerven der Atemwege wirkt und damit, wie es scheint, den unerklärten bzw. therapie­refraktären Husten signifikant reduziert (30).

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Prof. Dr. med.Jörg D. Leuppi

Facharzt Allgemeine Innere Medizin und Pneumologie
Klinischer Professor für Innere Medizin Universität Basel
Chief Medial Officer und Leiter Universitäres Instiut Innere Medizin
Kantonsspital Baselland

joerg.leuppi@ksbl.ch

med. pract. Anja Makhdoomi

Medizinische Universitätsklinik
Kantonsspital Baselland, 4410 Liestal
Medizinische Fakultät, Universität Basel
4001 Basel

Prof. Dr. med. Andreas Zeller

Universitätsinstitut für Hausarztmedizin beider Basel (UNIHAM-BB)
Medizinische Fakultät
Universität Basel
4001 Basel

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Diagnostik des chronischen Hustens stellt eine Herausforderung dar und erfordert grossen Aufwand.
◆ Bei der Diagnostik ist ein strukturiertes Vorgehen mit Priorisierung der Ursachen nach Häufigkeit wichtig, d.h. von den häufigen Ursachen zu den seltenen.
◆ Gemäss allgemeinem Konsens gilt der Husten als neuropathische Erkrankung, die sich durch eine gesteigerte Sensitivität des Husten­reflexes auszeichnet. Somit lösen bereits geringe Stimuli den Husten aus.
◆ Chronischer Husten ist ein häufiges Symptom, das die Lebensqualität Betroffener einschränkt. Dennoch sind die Therapieoptionen leider limitiert und mit einschneidenden Nebenwirkungen verbunden. Die Erforschung neuer spezifischer Medikamente ist jedoch im Gang.

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