- COVID-19 vaskuläre Auswirkungen
«Coronavirus disease 2019» (COVID-19) beschreibt eine Infektion, welche durch das «severe acute respiratory syndrome»-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) verursacht wird. COVID-19 kann sich auf die oberen Atemwege beschränken oder aber auch in der Lunge manifestieren. Letzteres ist durch eine ausgesprägte Hypoxämie gekennzeichnet und kann sich bei einer Untergruppe von Patienten zu einer hyperinflammatorischen prothrombotischen Erkrankung mit Multiorganbeteiligung und Thromboembolie entwickeln. Erhöhte Titer von inflammatorischen Zytokinen und D-Dimeren sind bei hospitalisierten Patienten häufig. Thrombotische Komplikationen können zu einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) und anderen Organdysfunktionen beitragen. Das Vorhandensein einer vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankung ist mit einem erhöhten Sterberi-siko bei gleichzeitiger COVID-19-Erkrankung verbunden.
Coronavirus disease 2019 (COVID-19) wird durch das severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2) verursacht und kann ein schweres akutes respiratorisches Syndrom auslösen. Manifestationen schliessen Pneumonie und das akute Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome – ARDS) ein. Etwa die Hälfte der an COVID-19 erkrankten Patienten sind asymptomatisch oder zeigen nur milde Symptome, 3-10 % der Betroffenen müssen jedoch ins Krankenhaus eingeliefert werden, von denen wiederum bis zu 20 % von einer schweren Erkrankung und einer hohen Sterblichkeitsrate betroffen sind (1, 2). Patienten mit schwerer bis kritischer Erkrankung präsentieren mit Hypoxämie (niedriger Sauerstoffgehalt im Blut) und Dyspnoe (Kurzatmigkeit), die sich möglicherweise zu einem ARDS entwickeln können (3). Dieses Stadium der Erkrankung ist auch durch hohe Konzentrationen von pro-inflammatorischen Zytokinen, wie Interleukin-6 (IL-6), IL-1β, IL-18 und Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (GM-CSF) gekennzeichnet (4, 5). Letzteres sind Merkmale einer Hyperaktivierung des Immunsystems mit abnormalen Zytokin-Leveln, auch «Cytokine Storm» genannt (6). Ein weiteres entscheidendes Merkmal von COVID-19 ist die Entwicklung eines prothrombotischen Zustands (7). Innerhalb der Gruppe von Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen sind signifikant mehr mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder Diabetes mellitus. Letzteres könnte auf eine synergistische Aktivierung von vaskulären Entzündungswegen zurückzuführen sein, die sowohl mit COVID-19 als auch mit kardiometabolischen Erkrankungen assoziiert sind (8).
Kennzeichen einer COVID-19-spezifischen Koagulopathie
Das Auftreten einer COVID-19-spezifischen Koagulopathie ist gekennzeichnet durch erhöhte Spiegel von Fibrinogen, von Willebrand-Faktor (VWF) und dem Fibrinabbauprodukt D-Dimer im Blut. COVID-19 Patienten haben im Allgemeinen geringe oder keine Veränderungen in der Prothrombinzeit (ein Mass für die Zeit bis zur Gerinnung), der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (Gerinnungszeit), im Antithrombinspiegel, im aktivierten Protein-C-Spiegel und in der Thrombozytenzahl (7, 9, 10). Letztere beschreiben eine klassische disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC), während die Hyperkoagulabilität in COVID-19 eher mit einem schweren Entzündungszustand korreliert (7).
Nach aktuellem Stand lassen sich vier Kriterien für eine COVID-19-spezifische Koagulopathie festhalten: a) eine Abnahme der Thrombozyten (< 150 × 109/L); b) ein Anstieg der D-Dimer Spiegel (um mehr als das Zweifache der oberen Grenze der Norm); c) Prothrombinzeit > 1 s oder internationale normalisierte Ratio (INR) >1,2; d) das Vorhandensein einer Thrombose (Makrothrombose und/oder Mikrothrombose) (11). Zusätzlich können erhöhte Fibrinogenspiegel, erhöhte VWF-Spiegel (um mehr als das Zweifache der oberen Normgrenze) oder das Vorhandensein von Lupus-Antikoagulans und/oder hochtitrige Antiphospholipid-Antikörper detektiert werden (11). Wichtig ist ausserdem, dass COVID-19-assoziierte Koagulopathien weiter fortschreiten und/oder für DIC prädisponieren können, wenn der COVID-19-Schweregrad zunimmt.
Merkmale einer COVID-19-assoziierten endothelialen Dysfunktion
Obwohl COVID-19 als systemische Erkrankung verstanden werden muss, kommt es initial hauptsächlich zur Schädigung des vaskulären Lungenendothels. Die endotheliale Dysfunktion, als wichtiges pathophysiologisches Ereignis, ist auch bei Infektionen durch andere Coronaviren vorhanden, bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 aber verstärkt (12-14). COVID-19-assoziierte Pneumonie ist gekennzeichnet durch Infiltration der Lunge mit Makrophagen und Neutrophilen, welche diffuse Lungenalveolarschäden (ARDS) hervorrufen (15, 16). Bei COVID-19 tragen neben Alveolarschäden auch Gefässwandödeme, hyaline Thromben, Mikroblutungen und diffuse Thrombosen der peripheren kleinen Gefässe zur Ateminsuffizienz bei (17, 18). Endothelzellen der Lungenblutgefässe können ausserdem durch die hohen Konzentrationen von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, IL-6 und Tumornekrosefaktor) und Ferritin bei schweren COVID-19-Verläufen geschädigt werden (14). Weiterhin spiegelt auch die Konzentration von löslichem P-Selektin (ein Marker für endotheliale und Thrombozytenaktivierung)
die Schwere der Erkrankung wider, da Patienten, welche auf der Intensivstation behandelt werden mussten höhere Titer aufwiesen als Patienten, die keine intensivmedizinische Behandlung benötigten. Erhöhte Spiegel von Thrombomodulin (ein spezifischer Marker für endotheliale Aktivierung, welcher bei Endothelzellverletzungen freigesetzt wird) ging ausserdem mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko bei COVID-19 Patienten einher (10). Höhere Zahlen von zirkulierenden Endothelzellen in Patienten mit COVID-19 konnten ausserdem mit der Anzahl der Thrombozyten und Lymphozyten und der Konzentration des Endothelmarkers soluble vascular cell adhesion molecule 1 (sVCAM1) korreliert werden (19). Darüber hinaus ist die Thrombozytenaktivierung bei Patienten mit schwerem COVID-19 innerhalb der Mikrovaskulatur erhöht und korreliert mit ungünstigen Verläufen (20).
Thrombose-Management bei COVID-19
Da die Gerinnungskaskade bei COVID-19 dysreguliert ist, wurden Antikoagulationsansätze für die Behandlung erforscht. Insbesondere bei Patienten mit inzidenter venöser Thromboembolie (VTE) oder akutem Koronarsyndrom aufgrund einer Plaqueruptur (21) sind antithrombotische Behandlungen indiziert. Aus der Literatur geht hervor, dass 40 % der mit COVID-19 hospitalisierten Patienten ein erhöhtes VTE-Risiko aufweisen (22), und Daten aus einer grossen retrospektiven Patientenkohorte in den USA deuten darauf hin, dass eine Antikoagulation bei schweren Verläufen die Mortalität senken kann (23). Eine pharmakologische VTE-Prophylaxe, einschliesslich täglicher Gabe von niedermolekularem Heparin oder zweimal täglich subkutan verabreichtem unfraktioniertem Heparin, kann auch für Patienten von Nutzen sein, die mit COVID-19 hospitalisiert wurden und bettlägerig sind oder Intensivpflege benötigen, oder für Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen wurden, aber ein relevantes VTE-Risiko aufweisen – d.h. Personen mit eingeschränkter Mobilität, prothrombotischen Begleiterkrankungen (aktive Krebserkrankung oder Adipositas), höherem Alter, VTE in der Vorgeschichte und anhaltend erhöhten D-Dimer-Werten (21, 24). Studien zur Heparin-Behandlung von COVID-19 haben positive Ergebnisse gezeigt (21, 24), und dieser Wirkstoff ist nur einer von einer wachsenden Anzahl von Wirkstoffen, die zur Behandlung von COVID-19 entweder als prophylaktisches oder therapeutisches Medikament zur Verfügung stehen (25). Neben Heparin werden auch FXII-blockierende Antikörper und ein Serinprotease-Inhibitor von Thrombin, Plasmin und Trypsin in klinischen Studien zum Thrombosemanagement in COVID-19
untersucht.
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Medizinbereich Herz und Gefässe
Universitätsklinik für Angiologie
Inselspital, Universitätsspital Bern
Freiburgstrasse 18, 3010 Bern
yvonne.doering@insel.ch
Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte deklariert
◆ Aktuelle Studien unterstreichen die pathophysiologische Rolle von COVID-19-induzierten thrombotischen Komplikationen, die zu einer breiten Palette von Gewebepathologien und klinischen Komplikationen führen können.
◆ Eine gerinnungshemmende Therapie und immunmodulatorische Wirkstoffe sind wahrscheinlich wichtig, um hyperinflammatorische und prothrombotische Zustände bei COVID-19 zu lindern.
◆ Medikamente mit gerinnungshemmenden und entzündungshemmenden Eigenschaften, die für die Behandlung von kardiometabolischen Erkrankungen entwickelt wurden, werden in klinischen Studien mit COVID-19-Patienten untersucht.
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- Vol. 11
- Ausgabe 5
- Mai 2021