Editorial

Die Vielfalt der Hausarztmedizin: Ein persönlicher Einblick



Nach einer eher langen und bewusst breit gewählten Ausbildung bin ich seit nun mittlerweile neun Jahren als Hausarzt in Baselland (Lausen) tätig.

Was ist Hausarztmedizin?
«Die Hausarztmedizin» gibt es nicht, denn jede Hausärztin und jeder Hausarzt praktiziert auf seine Art und Weise und entwickelt ihren bzw. seinen eigenen Stil – abhängig von der Ausbildung, den erworbenen Fertigkeiten und individuellen Fähigkeiten, den Erfahrungen; abhängig von der Region, in der man praktiziert (Distanzen und Zugänge zu Spitälern und Spezialisten variieren stark), sowie von den Erwartungshaltungen der Patientinnen (die in städtischen Regionen oft anders sind als in ländlichen).

Und trotzdem gibt es bestimmt Gemeinsamkeiten:
Als Hausärzte sind wir sehr oft die erste Anlaufstelle für unsere Patienten, und nicht selten die letzte («der Spezialist hat nichts gefunden, ich habe immer noch Schmerzen»). Wir können unsere Patientenfälle nicht «abschliessen» und die Patienten wieder den Hausärzten zurückschicken; wir betreuen die Patienten weiter, ob wir ihnen «helfen» können oder nicht, ob wir eine genaue Diagnose stellen können oder nicht.
Wir können uns nicht immer an Richtlinien halten, weil bestimmte Beschwerdekomplexe nicht genau einzuordnen sind oder in keine Schublade passen, wir wollen und müssen oft individuell auf unsere Patienten eingehen und gelegentlich auch mal ein «therapeutisches» Blutbild, CRP und EKG machen, damit der Patient sicher ist, dass sich hinter seinem Husten keine Pneumonie versteckt und sein stechender Thoraxschmerz kein Herzproblem ist.

Wir Hausärztinnen und Hausärzte geben viel, und es ist ein herausfordernder Beruf: Wir haben lange Arbeitstage, ein akutes Problem kann nicht erst in drei Tagen gesehen werden, da wir «keine freien Termine mehr haben», sondern der Patient bekommt am Ende der Sprechstunde einen Platz eingeräumt. Wir müssen uns stets fortbilden, um den Anschluss an Neuerungen nicht zu verpassen; dazu kommen Management-Aufgaben als selbstständig Erwerbender.
Wir Hausärzte erhalten aber auch viel zurück: das grosse Vertrauen, das viele Patienten in uns haben, ist berührend. Eine seltene Diagnose gestellt zu haben, ist genugtuend, oder das Leiden eines Patienten gelindert zu haben, freut einen selber.

Unser Tag ist sehr vielfältig – aus meiner Sicht eine gute Mischung aus Routine und Herausforderungen.

Schade, dass ich nach bereits zwei Jahren als tätiger Hausarzt einen Patientenaufnahmestopp einführen musste, denn ich möchte meinen bestehenden Patienten gerecht werden, aber auch meiner Familie und mir selber; auch ich benötige Zeit für mich und meine Ausgleiche.
Würde ich wieder Hausarzt werden wollen? – Ja.

Hoffen wir, dass sich die Bedingungen in der Grundversorgung nicht verschlechtern und dass Nachwuchs nachkommt!

Ein herzliches Dankeschön an all meine Kolleginnen und Kollegen, die diesen Beruf gewählt haben und sich fürs Wohl ihrer Patienten einsetzen und danke auch an all jene, die sich zusätzlich für unseren Berufsstand politisch engagieren.Speziell hervorheben möchte ich das Engagement des Verbandes der Haus- und Kinderärzte Schweiz, mfe, den ihr mit einer Mitgliedschaft unterstützen könnt!

Dr. med. Gabriel Lenherr
Lausen

Dr. med. Gabriel Lenherr

Lausen

der informierte @rzt

  • Vol. 14
  • Ausgabe 12
  • Dezember 2024