Infektiologie und Reisemedizin

FSME und Lyme im Fokus

Durch Zecken übertragene Erreger in der Schweiz

Unter den durch Zecken übertragenen Krankheiten in der Schweiz werden vor allem die Lyme Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis als Risiko für die Gesundheit wahrgenommen und in diesem Artikel schwerpunktmässig dargestellt. Seltenere durch Zecken übertragene Erreger umschliessen Anaplasma phagocytophilum, Babesia spp., Borrelia miyamotoi, Candidatus Neoehrlichia mikurensis, Francisella tularensis und Rickettsia spp.



Of the more than 800 types of ticks in the world, only about 30 species sting regularly. In Europe in particular, ticks of the genus Ixodes, primarily Ixodes ricinus, play an important role as vectors for the transmission of pathogens to humans (Figure 1) (1).

The most common tick-borne pathogens in Switzerland

Borrelia burgdorferi

It is known that Lyme borreliosis is caused by the tick-borne bacterium Borrelia burgdorferi sensu stricto. The pathogen was first isolated in the USA in 1983; in Europe, he was found in a tick study the following year in a field study at the University of Neuchâtel (2). Since then, more than 20 different species belonging to the so-called Borrelia burgdorferi sensu lato complex have been identified. Not all species of this complex are considered pathogenic; of medical importance are B. burgdorferi sensu stricto, B. garinii, B. afzelii and B. bavariensis. Also B. spielmanii and B. valaisianahave been demonstrated in isolated cases but are not yet clearly identified as causing Lyme borreliosis (3). While only B. burgdorferi sensu stricto circulates in the USA , all four species that are pathogenic to humans occur in Switzerland. The pathogens of Lyme borreliosis are transmitted in the USA mainly by the tick species Ixodes scapularis , in Europe I. ricinus is the most important vector of B. burgdorferi sensu lato (1).
In Switzerland, 5 – 50% of all I. ricinusTicks carriers the pathogens of Lyme borreliosis. The bacteria are in the gut of the ticks; After a tick bite, it takes 16 hours for the pathogens to leave the vector via the salivary glands and infect the host. The risk of developing a borreliosis after a tick bite is around 2 – 3%, so antibiotic prophylaxis after a tick bite is not indicated (4). With about 12,000 cases per year (BAG Bulletin 37/2018), Lyme disease is the most common tick-borne disease in Switzerland. In Europe, infections with B. burgdorferi manifestsensu lato with a variety of clinical pictures that were described long ago, such as the acrodermatitis chronica atrophicans (Buchwald 1883), the erythema (Afzelius 1908), the lymphocytoma (1911) or the “tick paresia” (1922). For a detailed summary of the clinical manifestations and treatment options of Lyme disease and the procedure for diagnostics, we refer to the guidelines of the Swiss Society for Infectious Diseases (4, 5, 6).

TBE virus

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) wird durch das FSME-Virus verursacht. Das FSME-Virus ist das wichtigste durch Zecken übertragenen Arbovirus in Europa und Asien. Es existiert in drei Subtypen (Europäisch, Sibirisch, Fernöstlich), welche sich im Schweregrad und im Verlauf der verursachten Erkrankungen unterscheiden. In Europa wird das Virus hauptsächlich durch I. ricinus Zecken übertragen (7). Die Trägerrate in endemischen Gebieten der Schweiz liegt bei 0.46% (8). Da sich die Viren in den Speicheldrüsen des Vektors aufhalten und im Falle eines Stiches sofort übertragen werden, verhindert auch eine rasche Entfernung der Zecke eine allfällige Infektion nicht (7). Den zuverlässigsten Schutz bietet darum die Impfung, welche für Personen, die in einem Risikogebiet wohnen (alle Kantone ausser Genf und Tessin), empfohlen wird (9). Eine spezifische Therapie ist bisher nicht möglich (7).
Infektionen mit FSME-Viren verlaufen in 70 – 95% aller Fälle ohne Symptome. Symptomatische Infektionen mit dem in der Schweiz vorkommenden Europäischen Virussubtyp verlaufen typischerweise zweiphasig, mit einer virämischen Phase mit grippeartigen Symptomen etwa eine Woche (4 – 28 Tage) nach dem Zeckenstich, einem asymptomatischen Intervall von etwa einer Woche (1 – 33 Tage) und einer zweiten Krankheitsphase mit neurologischen Manifestationen, die von einer milden Meningitis bis zur schweren Enzephalitis mit oder ohne Myelitis und Spinalparalyse reichen können (7, 10).
Als Methode der Wahl für den Nachweis einer FSME gilt die Serologie ab Beginn der zweiten Krankheitsphase (11, 12).

Seltenere durch Zecken übertragene Erreger

Anaplasma phagocytophilum ist ein bekannter Erreger in der Veterinärmedizin; das Bakterium verursacht Erkrankungen bei Wiederkäuern und Pferden. A. phagocytophilum kann jedoch auch den Menschen infizieren und dabei milde, selbstlimitierende Erkrankungen mit grippeartigen Beschwerden, Durchfall und Übelkeit bis hin zu schweren Erkrankungen mit Blutungen, Ateminsuffizienz und Organversagen verursachen (13). 1.71% der Zecken in der Schweiz sind Träger von A. phagocytophilum (14).

Babesia spp. sind intraerythrozytäre Parasiten, die Erkrankungen bei Tieren verursachen. B. divergens, B. venatorum und B. microti können jedoch auch den Menschen infizieren. Die Babesiose kann sich mit grippeartigen Symptomen oder einer hämolytischen Anämie manifestieren und kommt vor allem bei immunkompromittierten Patienten vor (15). In der Schweiz ist die Prävalenz von Babesia spp. in I. ricinus Zecken tief (16).

Borrelia miyamotoi gehört zu den durch Zecken übertragenen Rückfallfieber-Borrelien. Über das Vorkommen dieses seltenen Krankheitserregers in Europa existieren bisher nur wenige Publikationen. In der Schweiz wurde noch kein Krankheitsfall dokumentiert, jedoch konnte der Erreger in I. ricinus Zecken nachgewiesen werden (16). B. miyamotoi verursacht fiebrige Erkrankungen, die sich als Rückfallfieber manifestieren können. Bei immundefizienten Patienten sind schwerwiegende Infektionen möglich (17).

Bartonella henselae ist bekannt als Erreger der Katzenkratzkrankheit. B. henselae DNA konnte auch in Zecken nachgewiesen werden (18); ob die Zecken die Bakterien jedoch auf ihre Wirte übertragen können und dadurch eine entsprechende Erkrankung entsteht, muss noch untersucht werden. Aus der Schweiz liegen bisher keine Daten zum Vorkommen von B. henselae in Zecken vor.

Candidatus Neoehrlichia mikurensis wurde bereits mehrfach in I. ricinus Zecken in der Schweiz nachgewiesen, zudem wurden auch Krankheitsfälle beim Menschen dokumentiert. Symptomatische Infektionen kommen vor allem bei immunkompromittierten Personen vor und äussern sich mit Fieber, Gewichtsverlust oder einer Sepsis (16, 19).
Die Tularämie, verursacht durch das Bakterium Francisella tularensis, ist eine Krankheit unter wildlebenden Säugern (v.a. Mäuse, Ratten, Hasen). Der Mensch infiziert sich unter anderem durch den Umgang mit infizierten Tieren oder den Stich eines infizierten Arthropoden. In der Schweiz können Zecken der Gattung Ixodes und Dermacentor als Vektor für F. tularensis fungieren, die Trägerraten sind jedoch sehr tief (~0.02%) (20, 21). Die in der Schweiz vorkommende Bakterien-Subspezies F. tularensis subsp. holarctica verursacht in den meisten Fällen eine ulceroglanduläre Krankheitsform, die mit Antibiotika gut therapierbar ist. Der Nachweis einer Infektion kann mittels molekularbiologischer oder serologischer Methoden erfolgen (22).

Rickettsia spp. werden in eine Typhus- und eine Fleckfieber-Gruppe eingeteilt, wobei letztere durch Zecken übertragen werden. In der Schweiz sind R. helvetica und R. monacensis von Bedeutung. Infektionen mit diesen Spezies können grippeartige Symptome, einen Hautausschlag oder einen Eschar verursachen (16, 23).

Auch Rhabdochlamydia spp. und andere Bakterien der Gattung Chlamydiales konnten in Zecken in der Schweiz mit einer Prävalenz von 0.89% nachgewiesen werden. Etwa ein Drittel der detektierten Chlamydiales-Bakterien gehört zur Familie der Rhabdochlamydiaceae; die entsprechende bakterielle Belastung in den untersuchten Proben war hoch (105 Bakterien pro ml DNA). Bakterien der Gattung Chlamydiales können Entzündungen der Haut verursachen; ihre DNA wurde in 53 von 73 Hautbiopsien des sogenannten «Granuloma annulare», welche ursprünglich einer Borrelien-Infektion zugeordnet wurden, nachgewiesen (25).

Dr. Rahel Ackermann-Gäumann

Co-Leiterin Molekulare Analytik
Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern
Friedbühlstrasse 51
3010 Bern

Prof. Dr. Gilbert Greub

Nationales Referenzzentrum für durch Zecken übertragene
Krankheiten NRZK
Institut de microbiologie du Centre Hospitalier Universitaire Vaudoise
Rue du Bugnon 48
1011 Lausanne

gilbert.greub@chuv.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die wichtigsten durch Zecken übertragenen Krankheiten in der Schweiz sind die Lyme Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis.
  • Neben den beiden wohlbekannten Krankheiten werden auch Erreger anderer Infektionskrankheiten durch Zecken übertragen, so zum Beispiel Anaplasma phagocytophilum, Babesia spp., Borrelia miyamotoi, Candidatus Neoehrlichia mikurensis, Francisella tularensis und Rickettsia spp.

1. Gern L. Die Biologie der Zecke Ixodes ricinus. Ther Umsch. 2005 Nov;62(11):707-12.
2. Barbour, A. G., W. Burgdorfer, S. F. Hayes, O. Péter, A. Aeschlimann. Isolation of a cultivable spirochete from Ixodes ricinus ticks of Switzerland. Current Micro-biology 1983 8:123-126.
3. Persönliche Kommunikation Volker Fingerle, Referenzzentrum für Borrelien Deutschland
4. Evison J, Aebi C, Francioli P, Péter O, Bassetti S, Gervaix A, Zimmerli S,
Weber R. Lyme disease Part 2: clinic and treatment. Rev Med Suisse. 2006 Apr 5;2(60)925-8, 930-4
5. Evison J, Aebi C, Francioli P, Péter O, Bassetti S, Gervaix A, Zimmerli S, Weber R. Lyme disease Part I: epidemiology and diagnosis. Rev Med Suisse. 2006 Apr 5;2(60):919-24
6. Evison J, Aebi C, Francioli P, Péter O, Bassetti S, Gervaix A, Zimmerli S, Weber R. Lyme disease Part 3: prevention, pregnancy, immunodeficient state, post-Lyme disease syndrome. Rev Med Suisse 2006 Apr 5;2(60):935-6, 938-40
7. Lindquist L. Tick-borne encephalitis, in: Tselis, A. (Ed.), Handbook of Clinical Neurology. Elsevier 2014, pp. 531-559
8. Gäumann R, Mühlemann K, Strasser M, Beuret CM. High-throughput procedure for tick surveys of tick-borne encephalitis virus and its application in a national surveillance study in Switzerland. Appl Environ Microbiol. 2010 Jul;78(13):4241-9
9. Bundesamt für Gesundheit. Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Ausweitung der Risikogebiete; BAG-Bulletin 6/2019, 12-14
10. Lindquist L, Vapalahti O, 2008. Tick-borne encephalitis. Lancet 371, 1861-1871.
11. Bogovic P, Strle F. Tick-borne encephalitis: A review of epidemiology, clinical characteristics, and management. World J Clin Cases 2015 3, 430-441.
12. Holzmann H. Diagnosis of tick-borne encephalitis. Vaccine 2003 1, S36-40.
13. Bakken JS, Dumler JS: Clinical diagnosis and treatment of human granulocytotropic anaplasmosis. Ann N Y Acad Sci 2006:236-247.
14. Pilloux L, Baumgartner A, Jaton K, Lienhard R, Ackermann-Gäumann R, Beuret C, Greub G. Prevalence of Anaplasma phagocytophilum and Coxiella burnetii in Ixodes ricinus ticks in Switzerland: an underestimated epidemiological risk. New Microbes New Infect. 2019 Jan; 27:22-26
15. Oechslin C, Heutschi D, Lenz N, Tischhauser W, Péter O, Rais O, Beuret CM, Leib SL, Bankoul S, Ackermann-Gäumann R. Prevalence of tick-borne pathogens in questing Ixodes ricinus ticks in urban and suburban areas of Switzerland. Parasit Vectors 2017;10:558
16. Hunfeld KP, Hildebrandt A, Gray JS: Babesiosis: recent insights into an ancient disease. Int J Parasitol 2008, 38(11):1219-1237
17. Krause PJ, Fish D, Narasimhan S, Barbour AG: Borrelia miyamotoi infection in nature and in humans. Clin Microbiol Infect 2015, 21(7):631-639.
18. Dietrich F, Schmidgen T, Maggi RG, Richter D, Matuschka FR, Vonthein, R, Breitschwerdt EB, Kempf VAJ. Prevalence of Bartonella henselae and Borrelia burgdorferi sensu lato DNA in Ixodes ricinus Ticks in Europe. Appl Environ Microbiol. 2010 Mar; 76(5): 1395-1398
19. Fehr JS, Bloemberg GV, Ritter C, Hombach M, Luscher TF, Weber R, Keller PM: Septicemia caused by tick-borne bacterial pathogen Candidatus Neoehrlichia mikurensis. Emerg Infect Dis 2010, 16(7):1127-1129.
20. Petersen JM, Schriefer ME, Araj GF. Francisella and Brucella; in: Versalovic J et.al, Manual of Clinical Microbiology, 10’th Edition, 2011; American Society for Microbiology, Washington DC ASM Press, 751-769
21. Wittwer M, Altpeter E, Pilo P, Gygli SM, Beuret C, Foucault F, Ackermann-Gäumann R, Karrer U, Jacob D, Grunow R, Schürch N. Population Genomics of Francisella tularensis subsp. holarctica and its implication on the eco-epidemiology of tularaemia in Switzerland. Front Cell Infect Microbiol. 2018 Mar 22;8:89
22. Rusterholz S, Fiechter R, Eriksson U, Altpeter E, Wittwer M, Schürch N, Karrer U, Hofer D. Tularämie – eine seltene Ursache der Pneumonie. Swiss Medical Forum 2018;18(32):636-640
23. Parola P, Paddock CD, Raoult D: Tick-borne rickettsioses around the world: emerging diseases challenging old concepts. Clin Microbiol Rev 2005, 18(4):719-756
24. Pilloux L, Aeby S, Gaümann R, Burri C, Beuret C, Greub G. The high prevalence and diversity of Chlamydiales DNA within Ixodes ricinus ticks suggest a role for ticks as reservoirs and vectors of Chlamydia-related bacteria. Appl Environ Microbiol. 2015 Dec;81(23):8177-82.
25. Tolkki L, Hokynar K, Meri S, Panelius J, Puolakkainen M, Ranki A. Granuloma Annulare and Morphea: Correlation with Borrelia burgdorferi Infections and Chlamydia-related Bacteria. Acta Derm Venereol. 2018 Mar 13; 98 (3): 355-360