Editorial

Ein persönlicher Rückblick auf die Corona-Impfaktionen



Die Corona-Pandemie beschäftigt uns nun schon bald zwei Jahre, jedermann ist damit alltäglich konfrontiert. Und es wurde in den letzten 24 Monaten wohl über kein Thema so viel geschrieben, diskutiert und kontrovers debattiert wie über Corona. Eigentlich würde sich also ein Editorial zu dieser Pandemie erübrigen. Dennoch greife ich zur Feder, nachdem ich mehrere Monate lang (wie zahlreiche andere Kollegen und Kolleginnen auch) aktiv als Leitender Schichtarzt in einem grossen regionalen Impfzentrum mitgewirkt habe. Ich hatte so vielfältige Gelegenheit zu Reflexionen über die aktuelle Impfsituation. An den strubsten Tagen impften wir deutlich über 1000 Impfwillige täglich, am Schluss nahm die Zahl aber leider deutlich ab und es musste über neue Strategien nachgedacht werden, um die zögernden Impfzweifler auch heranzulocken.

Es ist bewundernswert, in welch kurzer Zeit die Pharma-Industrie weltweit neue wirksame Impfstoffe in grosser Menge hat zur Verfügung stellen können. Bei keiner anderen Infektionskrankheit waren die global praktikablen Impfmassnahmen so rasch einsetzbar. Offenbar hatte der Konkurrenzdruck für einmal auch sein Gutes. Die verschiedenen Impfstoffe haben unbestritten eine hohe Erfolgsrate und die Nebenwirkungen sind bezogen auf die hohe Ansteckungsgefahr bei Ungeimpften nachweislich gering. Leider trüben in den letzten Wochen die neu aufgetretenen gefährlicheren Mutationen das positive Bild.

Es war auch höchst erfreulich, wie rasch die verschiedenen regio­nalen Impfzentren landesweit hochgefahren wurden und die weiteren Impfstellen (Hausärzte, Apotheken, Pflegeinstitutionen) trotz grosser Mehrbelastung das Angebot zur Vakzination vermehrten. Dies war eine immense logistische Aufgabe auf allen Stufen, die nicht genügend gewürdigt werden kann.

In allen regionalen Impfzentren wurden alltäglich manche Dutzend Helfer eingesetzt. Sie kamen aus allen Berufsschichten, mit oder ohne medizinischem Hintergrund, und sie waren vorgängig vielfach vorübergehend coronabedingt arbeitslos. Alle waren – unter fachkundiger Anleitung – bestrebt, ihr Bestes zu geben. Das kameradschaftliche Teamwork war ebenso beeindruckend wie auch die gute Organisation aller Zentren. Sie wurden von allen Frischgeimpften immer wieder gelobt. Alle Beteiligten, unbesehen von Funktion und angestammtem Beruf, verdienen für ihren Einsatz deshalb grosses Lob. Bei der kürzlich verfügten, nur vorübergehenden (?) Schliessung der Zentren fiel übrigens mehrfach eine stille Träne bei den jetzt wieder freigestellten Mitarbeitern – es war für sie ein zwar anstrengender und anspruchsvoller, aber sehr schöner, persönlich bereichernder Zeitabschnitt.

Der Rückblick wäre unvollständig, wenn nicht auch das Nega-tive erwähnt würde. Es gibt ja immer Nörgeler und Zweifler, Unpünktliche und allzu-Anspruchsvolle. Sie können weggesteckt werden. Viel belastender sind aber die Anfeindungen der militanten Impfgegner, die langen Diskussionen mit unqualifizierten Besserwissern, die teils fundamentalistischen Kommentare vieler notorischer Leserbriefschreiber. Sie erschweren die Aufklärungsarbeit von uns Ärzten sehr, und sie verunsichern die Unentschlossenen. Wir wissen aber alle: das möglichst umfassende Impfprogramm ist notwendig und nützlich, denn die Pandemie ist leider noch lange nicht besiegt.

Dr. med. Hans-Ulrich Kull

Küsnacht

der informierte @rzt

  • Vol. 11
  • Ausgabe 8