- Eine Zweitagestour fern touristischer Hektik
Die erste Tagesetappe beginnt in Monte Carasso bei der Bushaltestelle Cunvént. 150 Meter südwestlich zweigt bergwärts eine Strasse ab, die uns zum Beginn des Saumpfades führt, über den wir, an der Chiesa Santa Trinità vorbei, nach rund einer Stunde jene von San Bernardo erreichen. Wer die Kirche betritt, wird von einem unerwartet farbigen und stilreichen Bilderzyklus überrascht, der vom späten Mittelalter über die Renaissance bis in die Barockzeit reicht (Kirche in der Hauptsaison tagsüber geöffnet, übrige Zeit Schlüssel im nahe gelegenen Ristorante Ostello Curzútt erhältlich). Uns haben die Fresken über eine Stunde lang in ihren Bann gezogen, deren Beschreibung würde aber den Rahmen dieses Tourenberichts bei weitem sprengen. Bergwärts der mehrfach umgebauten und erweiterten Kirche sind noch das Pfarr- und Beinhaus erhalten. Im Gegensatz zu heute lagen die Dauersiedlungen früher nicht in der von Malaria verseuchten und wiederkehrend von Hochwassern heimgesuchten Piano di Magadino, sondern im unteren Teil der vor allem nach Süden ausgerichteten Berghänge. In Curzútt lebten bis zu 900 Personen, deren Siedlungsspuren noch heute im Wald deutlich zu erkennen sind. Die frühere Grösse und somit Bedeutung dieser Siedlung dürften die prunkvollen Fresken erklären, die zum Teil der berühmten Malerfamilie der Seregnesi aus Lugano zugeschrieben werden.
Gegen Osten vorerst an-, dann absteigend erreichen wir nach kurzer Zeit den Ponte Tibetano, eine weit gespannte Hängebrücke über die Valle di Sementina. Diese stabile Stahlkonstruktion bietet zwar einen atemberaubenden Tiefblick in das tief eingeschnittene Tal, vermag aber nicht den Nervenkitzel zu verursachen, den wir vor vielen Jahren auf Hängebrücken in Nepal erlebten, die auf das absolut Notwendige reduziert waren und erbärmlich schaukelten.
Auf der gegenüberliegenden Talseite erreichen wir die südwestliche Talkante und die verstreut in Waldlichtungen liegenden Monti della Costa. Über weite Kehren durch lichten Birkenwald und vorbei an den Maiensiedlungen Gana, Cantìr Marsc, Ghiringhelli und Canva gewinnen wir schliesslich den Sattel westlich des Mött. Nun bleibt noch ein letzter Hang mit Buchenwald zu überwinden, bevor wir aus dessen kühlendem Schatten auf die Breite Hangschulter mit der ehemaligen Alp und der Capanna Mognone hinaustreten. Hier weitet sich der Blick weit über die im Dunst liegende Piano di Magadino hinaus, ein herrlicher Ort zum Übernachten. Die Selbstversorgerhütte bietet allen notwendigen Komfort vom Gas- und Holzkochherd, Schlafraum mit Decken bis hin zur Toilette und Dusche. Nur eben den Proviant muss er oder sie selbst hochtragen. Noch luftiger liegt die Alpe Morisciolo, deren malerischen Anblick man sich auf einem kleinen Abendspaziergang auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Zudem gewinnt man von der nahe gelegenen Cimetta d’ Orino aus einen eindrücklichen Blick auf die Siedlungen der Alpe di Ruscada.
Der zweite Tag beginnt gemütlich mit einer Traverse zur etwas tiefer gelegenen Alpe Orino im Westen, wo eine weitere Selbstversorgerhütte liegt. Über eine weite Kehre gegen Nordosten gelangen wir zu einer Carbonera, einer Stelle, wo früher Kohlenmeiler betrieben wurden. Noch heute finden sich an diesen Stellen Holzkohlestücke in der schwarzen Erde. Hier zweigt nach Westen der schmale Pfad zum Corte di Mezzo der Alpe di Ruscada ab. Dieser Wegabschnitt ist in seinem ersten Teil exponiert und erfordert Trittsicherheit. Nach Erreichen der Alphütten verlassen wir diesen obersten Teil der Valle di Cugnasco gleich wieder in westlicher Richtung zur Forcola hinauf, da uns der viele Schnee den Übergang zur Capanna Borgna verwehrt. Die Forcola gewährt einen wunderbaren Blick in die Val della Porta mit seinen diversen Alpsiedlungen und auf den Pizzo di Vogorno.
In südwestlicher Richtung steigen wir zu den Monti di Colla und Monti della Gana ab, bei deren untersten Häusern der Verbindungsweg zu den gleich hoch gelegenen Monti di Gola Secca nach Westen abzweigt. Auf den Monti di Gola Secca beginnt bei der obersten Ruine der Weg zur Alpe di Foppiana hinauf, den wir aber kurz nach einer Wasserfassung eben aus wieder verlassen, um die Gratschulter am Ausgang der Valle Verzasca zu erreichen, die uns über die Monti della Scesa zu den Monti di Motti hinunterleitet. Das kurze Stück Fahrstrasse ist zwar lästig, dafür braucht man sich auf diesem Abschnitt für einmal nicht darauf zu konzentrieren, wohin man seine Füsse stellt. Zudem entschädigt die Sicht auf die Verzascheser Berge für die Unbequemlichkeit des Hartbelags. Nach kurzer Einkehr im Grotto steigen wir über die immer gleiche Talkante und die Monti di Metri nach Gordemo ab, einem Dorfteil von Gordola. Hier führen viele Wege zu den an der Strasse in die Valle Verzasca gelegenen Häusern von Scalate hinunter, wo, ‚nomen est omen‘, uns ein steiler Treppenweg erwartet. Dieser lässt uns nochmals die vielen überwundenen Höhenmeter spüren und bringt uns zur Strassenbrücke über die Verzasca hinunter. Beim Dorfplatz von Tenero wenden wir uns gegen Süden und erreichen nach wenigen Minuten den Bahnhof (Abb. 4).
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