- Erektile Dysfunktion arterieller Genese
Die Erektile Dysfunktion (ED) ist eine häufig anzutreffende Störung bei Männern, deren Prävalenz mit zunehmendem Alter ansteigt. Die betrifft aber auch viele Patienten jüngeren Alters. Betroffene Männer sprechen nicht gerne über die Krankheit, da der Urwert der Männlichkeit – die Standhaftfähigkeit – hierdurch infrage gestellt wird. Es lohnt sich aber für betroffene Patienten in mehrerlei Hinsicht, zum Arzt zu gehen. Denn in vielen Fällen ist die ED ein Indiz für weitere schwerwiegendere Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, deren Früherkennung von sekundärpräventiven Massnahmen gefolgt sein sollte.
Die ED ist somit nicht nur ein lästiges Problem für viele Männer im besten Alter, sondern sie kann die erste klinische Manifestation einer Atherosklerose sein, die bei Nicht-Beachtung zu anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Daher ist die ED ein klinisches Problem mit nicht zu unterschätzender medizinischer Tragweite und zunehmender sozioökonomischer Bedeutung.
Eine nicht auf Medikamente ansprechende arteriell bedingte ED ist heute keine Palliativsituation mehr: In den meisten Fällen liegt eine Obstruktion von an der Erektion beteiligten Arterien vor, die heute mittels Angioplastie behandelt werden kann. Die moderne endovaskuläre Therapie der ED ist klinisch sinnvoll bei Patienten, die nicht auf konservative Massnahmen ansprechen, oder bei denen diese Nebenwirkungen haben.
Definition und Epidemiologie der erektilen Dysfunktion
Die ED ist eine «andauernde oder wiederholte Unfähigkeit, eine Erektion zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, die ausreicht, um die sexuelle Aktivität zu befriedigen» (1). Um vorübergehende Störungen auszuschliessen, muss der Patient mindestens 3 Monate lang an einer ED gelitten haben, die nicht nach einem Trauma oder einer Operation aufgetreten ist (2).
Entgegen einer häufig anzutreffenden Fehleinschätzung darf die ED nicht als Ausdruck einer im Alter nachlassenden sexuellen Aktivität fehlinterpretiert werden, sondern ist auch nach Einschätzung der WHO, des amerikanischen National Institutes of Health und der europäischen Gesellschaft für Urologie als Krankheit zu werten. Der durch die ED verursachte Leidensdruck ist somit nicht durch den behandelnden Arzt, sondern durch den Patienten selbst zu definieren. Um eine normale Erektion zu gewährleisten, sind mehrere Komponenten erforderlich, nämlich, ein funktionierendes Nervensystem, ein guter arterieller Fluss, gesunde Schwellkörper und die Fähigkeit, das Auslaufen von venösem Blut zu blockieren. Bei Vorliegen einer ED sind deshalb umfassende Abklärungen angezeigt, da Symptome ein wichtiger früher Marker für bisher unerkannte Erkrankungen sein könnten. Damit ist die ED eine sogenannte Sentinel-Krankheit (3).
Diagnostik der ED
Die notwendigen Schritte bei der Diagnostik erfolgen durch nichtinvasive, semi-invasive und invasive Abklärungsmethoden und entsprechen den Leitlinien der Deutschen Urologie Gesellschaft (DGU) und der European Association of Urology (EAU) (4).
Ein standardisierter Fragebogen, wie der International Index of Erectile Function (IIEF), kann zur besseren Quantifizierung sinnvoll sein. Der Schwellkörper Injektionstest (SKAT-Test) mit Duplexsonografie zur Evaluation der arteriellen penilen Gefässe gehört zur semi-invasiven Diagnostik. ED wird als durch arterielle Obstruktionen verursacht angesehen, wenn die arterielle systolische Spitzen-Geschwindigkeit einer oder beider Kavernosalarterien ≤ 0,3 m / s zehn Minuten nach einer intrakavernosalen Injektion von 10 μg Alprostadil (Prostaglandin E1 (PGE-1)) am proximalen Rand des Penisschafts beträgt. Heute kann eine Kontrastmittel-verstärkte Computertomografie (CT) wichtige Informationen liefern und somit für die Planung eines endovaskulären Eingriffs hilfreich sein.
Sobald die Diagnose einer arteriell bedingten ED gesichert ist, empfiehlt sich ein fachärztliches Workup. Häufig finden sich bei Patienten mit arteriell bedingter ED auch Pathologien in anderen arteriellen Stromgebieten (Abb. 1, 2).
Eine von uns kürzlich publizierte Studie zeigte, dass die meisten Befunde, die eine sofortige Behandlung erforderten, im Zusammenhang mit koronar-arteriellen Verkalkungen standen. Solche wurden bei Kontrastmittel-verstärkter CT-Untersuchung bei 37,5% der ED-Patienten beobachtet.
Insgesamt zeigten in dieser Arbeit 168/200 (84,0%) männliche Patienten mehrere zufällige CT-Befunde. Andere häufige Zufallsbefunde sind Aneurysma, Tumore, Prostata-Hyperplasien, Steatosis hepatis, Kolon-Divertikulose, Hernien, Nieren- und Leberzysten und Degeneration des Spinalkanals (5).
Therapie der ED
Medikamentöse Behandlungsansätze
Abhängig von der Ursache und dem Schweregrad der ED stehen verschiedene Behandlungsoptionen wie PDE-5-Hemmer-Therapie, Testosteronersatztherapie, PGE-1 wie Alprostadil, Penispumpen und Implantate zur Verfügung.
PDE-5-Hemmer können bei bis zu 50% der ED-Männer keine oder nur eine nicht ausreichende Wirkung entfachen, limitierende Nebenwirkungen können bei bis zu 25% der Patienten auftreten (6,7). Sofern weder PDE-5-Hemmer noch das intrakavernöse Prostaglandin wirken, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine vaskuläre Genese deutlich an (8, 9).
Offen-chirurgische Revaskularisation erektionsabhängiger Arterien
In den 70er Jahren wurde erstmals die modifizierte mikro-chirurgische Technik (10) und ihre Ergebnisse vom Universitätsspital Zürich publiziert. Es zeigte sich jedoch rasch, dass diese Anastomosen in Kürze nicht offenblieben und thrombosierten. Heute gilt diese vergleichsweise invasive Methode in der Regel als obsolet, da sie mit Nebenwirkungen wie Wundheilungsstörungen eine hohe Morbidität aufweist und aufgrund dieser klinischen Probleme oftmals auch nicht mit einer Verbesserung der Erektion der behandelten Patienten einherging. Daher befindet sich die offenchirurgische Revaskularisation in der Schweiz auf der Negativliste der KLV.
Nicht nur semantisch, sondern auch chronologisch muss die offen-chirurgische von der endovaskulären Revaskularisation klar getrennt werden. Die erste Studie zur endovaskulären Revaskularisation begann im Jahre 2009, also 15 Jahre nach Aufführung der chirur-gischen Revaskularisation in der KLV-Negativlistung von 1994 (11).
Endovaskuläre Revaskularisation erektionsabhängiger Arterien
Zwischenzeitlich hat die Miniaturisierung des Kathetermaterials die endovaskuläre Therapie von Arterien kleinen Kalibers ermöglicht (12, 13). In Analogie zu den Entwicklungen der Kathetertherapie wagen sich heute erfahrene Interventionalisten nun immer tiefer in die Penis-versorgenden Arterien vor. Bei Obstruktionen der A. iliaca interna oder der A. glutea inferior kann neben einer arteriell bedingten ED auch eine Glutealclaudicatio vorliegen. Mit einer Katheter-Revaskularisation kann man hier häufig zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen (Abb. 3).
Die ZEN Studie beschäftigte sich mit der klinischen Effizienz der Implantation Medikamenten-beschichteter Koronarstents in Pudenda Obstruktionen (11). Die Obstruktionen waren fokaler Natur (durchschnittliche Läsionslänge 18 mm), der durchschnittliche Gefässdurchmesser betrug 2,6 mm. In allen Fällen wurde ein technischer Angioplastie- bzw. Stent-Erfolg verzeichnet, wobei sich im Nachgang herausstellte, dass bei 5 von 30 Patienten aus Versehen nicht erektions-bezogene-Arterien gestentet wurden, was die anatomische Komplexität dieser Eingriffe unterstreicht. Im Rahmen neuerer Untersuchungen zeigte eine Arbeitsgruppe, dass selbst die technisch nicht triviale Angioplastie in Händen erfahrener Interventionalisten sicher ist (14).
Eine detaillierte Studie von uns zeigte, dass die endovaskuläre Behandlung mit atherosklerotischer ED sicher und wirksam war. Der Erfolg wurde bei 49 (98%) von 50 Patienten erzielt. Nach 12 Monaten erreichten 65% der Patienten eine Verbesserung nach IIEF-6-Scores und die Veränderung des Scores war konsistent (15). So lange es noch keine randomisierten Studien gibt, sollte die Stentbehandlung für ED Patienten reserviert sein, die nicht auf konservative Therapiemassnahmen (PDE-5-Hemmer oder intrakavernöses Prostaglandin) ansprechen. Abbildung 4 zeigt eine komplexe Intervention bei einem 66-jährigen ED-Patienten mit Stenose der Penisarterien-Bifurkation. In koronarer Bifurkations-Technik wird der Abgang der A. cavernosa zunächst mit einem Sirolimus-beschichteten Stent überstentet (Abb. 4b) um den Fluss in die für die Rigidität der Eichel wichtige A. dorsalis penis zu gewährleisten. Im Anschluss wird die für die Rigidität des proximalen Penisschaftes wichtige A. cavernosa mit einem Draht sondiert und mit einem weiteren beschichteten Stent durch die Maschen hindurch gestentet (Abb. 4c).
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Zentrum für Gefässmedizin Mittelland
Aarenaustrasse 2B
5000 Aarau
vignes.mohan@usb.ch
Zentrum für Gefässmedizin Mittelland
Zentrum für Erektionsstörungen
Aarenaustrasse 2B
5000 Aarau
www.angiologie-aargau.ch
www.erektionsstoerungen-behandlung.com
nicolas.a.diehm@gmail.com
Unrestricted grant durch die Firma Endoscout, Deutschland
- ED ist ein häufiges Problem
- Da ED als frühzeitiger Marker für kardiovaskuläre Erkrankungen, Arteriosklerose und Diabetes mellitus erkannt wird, sollte diesem Phänomen mit grosser Aufmerksamkeit begegnet werden
- Bei zunehmender Unverträglichkeit der Erstlinientherapie mit Phosphodiesterase-5 (PDE5) -Hemmer können heutzutage Patienten mit ED von einer vaskulären Standortbestimmung und möglicherweise von interventionellen Behandlungen profitieren.
1. Castro RP, Hernández PC, Casilda RR, García JR, Tapia MJR. [Epidemiology of erectile dysfunction. Risk factors]. Arch Esp Urol. 2010;
2. Brotons FB, Campos JC, Gonzalez-Correales R, Martín-Morales A, Moncada I, Pomerol JM. Core document on erectile dysfunction: Key aspects in the care of a patient with erectile dysfunction. International Journal of Impotence Research. 2004.
3. Uddin SMI, Mirbolouk M, Dardari Z, Feldman DI, Cainzos-Achirica M, DeFilippis AP, et al. Erectile dysfunction as an independent predictor of future cardiovascular events: The multi-ethnic study of atherosclerosis. Circulation. 2018.
4. Hatzimouratidis K, Amar E, Eardley I, Giuliano F, Hatzichristou D, Montorsi F, et al. Guidelines on male sexual dysfunction: erectile dysfunction and premature ejaculation. Eur Urol. 2010;
5. Jan S, Vignes M, Schumacher Martin C, Markus B, Keo Hak H, Heinz S, et al. Incidental findings during computed tomographic angiography diagnostic work-up in patients with arteriogenic erectile dysfunction. Swiss Med Wkly. 2019;149(49–50):1–7.
6. Chen L, Staubli SEL, Schneider MP, Kessels AG, Ivic S, Bachmann LM, et al. Phosphodiesterase 5 inhibitors for the treatment of erectile dysfunction: A trade-off network meta-analysis. European Urology. 2015.
7. Campbell HE. Clinical monograph for drug formulary review: erectile dysfunction agents. Journal of managed care pharmacy : JMCP. 2005.
8. Wespes E, Rammal A, Garbar C. Sildenafil non-responders: Haemodynamic and morphometric studies. Eur Urol. 2005;
9. Pelit ES, Dokumacı DŞ, Kati B, Yağmur İ, Arslan E, Tunçtekin A, et al. Carotid artery intima-media thickness can predict the response of patients with erectile dysfunction to phosphodiesterase 5 inhibitors. Int J Impot Res. 2019;
10. Hauri D. A new operative technique in vasculogenic erectile impotence. World J Urol. 1986;
11. Rogers JH, Goldstein I, Kandzari DE, Köhler TS, Stinis CT, Wagner PJ, et al. Zotarolimus-eluting peripheral stents for the treatment of erectile dysfunction in subjects with suboptimal response to phosphodiesterase-5 inhibitors. J Am Coll Cardiol. 2012;
12. Diehm N, Borm AK, Keo HH, Wyler S. Interdisciplinary options for diagnosis and treatment of organic erectile dysfunction. Swiss Medical Weekly. 2015.
13. Diehm N, Marggi S, Ueki Y, Schumacher D, Keo HH, Regli C, et al. Endovascular Therapy for Erectile Dysfunction—Who Benefits Most? Insights From a Single-Center Experience. J Endovasc Ther. 2019;
14. Wang TD, Lee WJ, Yang SC, Lin PC, Tai HC, Liu SP, et al. Clinical and Imaging Outcomes up to 1 Year Following Balloon Angioplasty for Isolated Penile Artery Stenoses in Patients with Erectile Dysfunction: The PERFECT-2 Study. J Endovasc Ther. 2016;
15. Diehm N, Marggi S, Ueki Y, Schumacher D, Keo HH, Regli C, et al. Endovascular Therapy for Erectile Dysfunction—Who Benefits Most? Insights From a Single-Center Experience. J Endovasc Ther. 2019;
der informierte @rzt
- Vol. 10
- Ausgabe 7
- Juli 2020