Fortbildung AIM

Wenn der Geruch im Mund störend wird

Foetor ex ore und Halitosis

Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Menschen Masken tragen müssen, bemerkt der eine oder andere einen unangenehmen Geruch aus dem Mund. Eine bekannte Schweizer Sonntagszeitung hat im Juli über dieses Thema berichtet und verleitet immer mehr Patienten, sich in der hausärztlichen oder spezialärztlichen Sprechstunde vorzustellen. In diesem Artikel soll aufgezeigt werden, dass in der Vielzahl der Fälle mit oft einfachen Massnahmen eine Besserung der Beschwerden erreicht werden kann.



Daher ist es sicher wichtig und relevant, auf diese aktuelle Fragestellung zu blicken und eine Zusammenfassung diesbezüglich zu liefern. Die Beschwerden sind im klinischen Alltag nicht einfach zu objektivieren und werden daher oft als «es ist ja nicht so schlimm» abgetan. Dabei möchte ich hier zeigen, dass in der Vielzahl der Fälle oft mit einfachen Massnahmen eine Besserung der Beschwerden erreicht werden kann. Ich möchte dies als niedergelassener ORL Arzt in der Praxis tun und die Thematik so verständlich wie möglich aufarbeiten und Ihnen die wichtigen Ursachen und Therapien aufzeigen.

Foetor ex ore und Halitosis

Am Anfang ist es wichtig, die Begriffe genau zu definieren. Teilweise werden diese als Synonyme verwendet. Jedoch wird zwischen Foetor ex ore als Geruch aus der Mundhöhle mit einer enoralen Ursache der Geruchsentstehung und der Halitosis unterschieden. Die Halitosis beschreibt einen Mundgeruch der aufgrund von verschiedenen, systemisch metabolischen Ursachen entsteht und ausgeatmet wird. Also ein unangenehmer Geruch der Atemluft. Selten wird der Begriff Ozostomie oder Kakostomie verwendet (1).
Historisch gesehen tritt die Problematik bereits in der griechischen Mythologie auf unter dem Begriff des «lemnischen Frevel», als Aphrodite die Frauen der griechischen Insel Lemnos mit übelriechendem Atem bestrafte, weil sie ihre Heiligtümer vernachlässigt sah. Ebenso bekannt ist die Geschichte des französischen Sonnenkönigs Ludwig der XIV, der unter einem fürchterlichen Mundgeruch litt, nachdem bei ihm nach einer zahnärztlichen Behandlung eine faulige Entzündung auftrat. Im Film «vom Winde verweht» kam es zum berühmtesten Kuss der Filmgeschichte. Die Schauspielerin Vivian Leigh sagte später über den geküssten Schauspieler Clark Gable: «Er hat falsche Zähne und Mundgeruch».
Linus Pauling war ein US-amerikanischer Chemie Nobel Preisträger, welcher als erster eine Gaschromatografie durchführte und über 200 verschiedene flüchtige, meist organische Verbindungen feststellen konnte (2). In weiteren Studien mit verbessertem Instrumentarium fanden sich bis zu 3000 dieser flüchtigen Verbindungen. In der normalen Ausatemluft des Menschen zeigt sich ein Anteil von etwa 1% sonstiger Gase, neben Stickstoff und Sauerstoff, sowie Kohlendioxid. Dieses 1% sonstige Gase, kann extrem starke und geruchaktive flüchtige, meist schwefelhaltige Verbindungen enthalten, sodass die Atemluft als unangenehm oder gar unerträglich empfunden wird. Nicht nur der genannte Schauspieler und der ehemalige König von Frankreich sind betroffen ‒ eine neue Meta-Analyse zeigt eine Prävalenz von 31.8% (3). Es handelt sich also um ein häufiges Problem, mit welchem der Zahnarzt, der Hausarzt und auch der ORL Spezialist gerade in der aktuellen Zeit mit gehäufter Maskenpflicht vermehrt konfrontiert wird.

Ursachen

Bei den Ursachen (3 - 8) wird wie bei der Begriffsdefinition unterschieden zwischen einer enoralen Ursache also einem Foetor ex ore oder einer extraoralen Ursache wie bei einer Halitosis. Als enorale Ursachen tritt am häufigsten eine mangelnde Hygiene/Reinigung mit bleibenden Nahrungsresten in der Mundhöhle auf. Diese Nahrungsreste führen zu einer bakteriellen Besiedlung mit Bildung von flüchtigen, schwefelhaltigen Verbindungen, welche dann zum Foetor ex ore führen. Dies geschieht auch bei ungepflegten Prothesen oder eine Parodontose resp. kariösen Zähnen. Auch Entzündungen wie eine chronische Tonsillitis, eine Angina Tonsillaris, eine enorale Abszedierung, sowie seltene Infektion mit speziellen Erregern, wie z.B. bei einer Syphilis oder Diphtherie, können zu einem Foetor ex ore führen. Hier gilt es die Ozäna, also die Stinknase zu unterscheiden, welche zum Beispiel bei der Rhinitis atrophicans auftritt. Auch zerfallende Tumoren in der Mundhöhle oder im Larynx / Pharynx führen zu einer starken Geruchsentstehung. Eine Mundtrockenheit, wie bei Sprechberufen, einem OSAS oder bei Nahrungskarenz, sowie ein verminderter Speichelfluss, z.B. bei einem Sjögren-Syndrom, kann zu Mundgeruch führen. Die Geruchshaftung mit z.B. ätherischen Ölen, Alkohol oder beim Rauchen ist ebenfalls häufig anzutreffen. Zusammengefasst sind die enoralen Ursachen meistens auf eine mangelnde Reinigung oder eine lokale bakterielle Entzündung zurückzuführen. 85 - 90% der Patienten mit Mundgeruch haben eine orale Ursache, also einen Foetor ex ore.
In 10 - 15% der Fälle, kommt es zu einer Halitosis aufgrund verschiedener, systemisch metabolischer Ursachen, wie z.B. bei Erkrankungen des Atemtraktes mit eitriger Bronchitis, Bronchiektasien und Lungenentzündungen. Ebenfalls bei Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes mit Karzinomen, Retentions-Divertikel, Achalasie oder einer Magenausgangsstenose. Stoffwechselerkrankungen wie eine Urämie (Foetor uraemicus), Diabetes mellitus oder eine Leberinsuffizienz (Foetor hepaticus) können ebenfalls zu einer übelriechenden Atemluft führen. Bei langem Fasten kann die dadurch hervorgerufene Ketoazidose in der Atemluft festgestellt werden.
Seltener besteht eine funktionelle Ursache der Beschwerden. Ein Patient mit einer Pseudohalitosis ist fest von einer Halitosis, resp. einem Foetor ex ore überzeugt. Jedoch kann die Pseudohalitosis nicht objektiviert werden. Diese Patienten betreiben eine ausschweifende Mundhygiene und unsere Aufgabe muss es sein den, Patienten zu beruhigen und zu überzeugen, dass kein relevanter Mundgeruch besteht.

Diagnostik

In der Diagnostik wird in der Literatur oft von der subjektiven und objektiven organoleptischen Untersuchung gesprochen. Bei einer subjektiven organoleptischen Untersuchung soll ein geübter Arzt die Atemluft des Patienten mit dem eigenen Geruchssinn beurteilen. Der Befund wird dann mittels Tabelle dokumentiert und festgehalten. In der objektiven organoleptischen Untersuchung wird kann eine Messung mittels Gaschromatographen durchgeführt. Jedoch sind diese Geräte sehr gross und umständlich in der Bedienung und dem Unterhalt. Eine einfachere, handlichere Möglichkeit bietet sich in einer sogenannten VSC Messung (volatile sulphur compounds, also flüchtige Schwelverbindungen) mittels Halimeter (10) an. Damit können flüchtige Schwefelverbindungen quantifiziert und die Sym­ptomatik objektiv beurteilt werden. Die Scores der objektiven und subjektiven organoleptischen Untersuchung scheinen in der Literatur zu korrelieren (11), jedoch gerade in Zeiten des Coronavirus wird wahrscheinlich die subjektive Untersuchung nicht mehr standardmässig durchgeführt und scheint obsolet zu sein. Ich denke, dass solche Messungen ihren Platz vor allem in Spezialsprechstunden an grossen Zentrums-Spitälern haben. In meiner ORL-Ärztlichen Sprechstunde geht es vor allem darum, die oben erwähnten Pathologien, wie entzündliche Ursachen oder einen Tumor, mittels klinischer Untersuchung inkl. Nasenendoskopie und fiberendoskopischer Untersuchung des Pharynx und Larynx auszuschliessen. Dazu gehören eine gründliche Anamnese und eine sorgfältige klinische Untersuchung in Kenntnis der möglichen Ursachen. Weiterführende Untersuchungen, wie z.B. eine respiratorische Polygraphie bei V.a. OSAS oder ein Saxon Test mit Ultraschall der Speicheldrüsen bei V.a. ein Sjögren Syndrom, können zusätzlich indiziert sein.
Die hausärztliche Basisdiagnostik umfasst sicherlich eine Labor­untersuchung zum Ausschluss der oben genannten systemischen Ursachen. Ebenfalls gilt es, bei entsprechendem klinischem Verdacht weitere spezialärztliche Abklärungen z.B. bei einem ORL, Pneumo­logen oder Gastroenterologen zu veranlassen.

Behandlung

Da oft eine intraorale Ursache die Beschwerden auslöst, gilt es vor allem, den Patienten in der Mundhygiene zu unterrichten. Dabei geht es primär um eine ausführliche Zahnreinigung, sowie auch eine Reinigung der Zungenoberfläche z.B. mit einem Zungenschaber. Gerade der Zungenschaber erscheint als sehr zielführend und es existiert bezüglich Wirksamkeit eine gute Datenlage. Es geht darum, mittels regelmässiger Applikation eine Reduktion der bakteriellen Besiedlung in Kombination mit der Zahnhygiene zu erreichen. In der weiteren Literatur gibt es verschiedene therapeutische Ansätze, welche z.B. probiotische Substanzen auf den Zungenschaber applizieren und damit eine Reduktion des Foetor ex ore erzielen können (12). Hier kann bei Problemen oder kariösen Zähnen allenfalls auch auf den Zahnarzt verwiesen werden, um eine regelmässige Zahnreinigung einzuleiten. Ebenfalls können Mundspüllösung, wie z.B. Chlorhexidin angewandt werden. Als Hausmittel werden Schwarztee, Pfefferminze, Eukalyptus, Chlorophylltabletten und das Kauen von Kaffeebohnen empfohlen. Im ORL Bereich kann über eine Tonsillektomie diskutiert werden bei z.B. Tonsillensteinen oder rezidivierenden Infekten im Bereich der Tonsillen. Ebenfalls gilt es, Tumoren zu behandeln oder ein allfälliges Sjögren-Syndrom zu dia­gnostizieren. Ebenso ist es wichtig, in der Anamnese ein OSAS nicht zu verpassen und gegebenenfalls mittels respiratorischer Polygrafie die schlafbezogene Atemstörung zu objektivieren und zu behandeln, um so die Mundtrockenheit zu minimieren. Bei den eher selteneren Ursachen im Bereich der Erkrankungen des Atemtraktes oder Gastro­intestinaltraktes gilt es, den Untersuchungen und Abklärungen des Spezialarztes zu folgen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Mathias Henseler

Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten,
Schwerpunkt Hals- und Gesichtschirurgie
HNO-Praxis
Haldenstrasse 11
6006 Luzern

henseler@hno-praxis.ch

Der Autor hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Ein Mundgeruch wird unterteilt in 2 Begriffe: Der Foetor ex ore, einem stinkenden Geruch aus der Mundhöhle und einer Halitosis, einer unangenehm riechenden Atemluft.
  • In 85% der Fälle handelt es sich um einen Foetor ex ore mit einer zu behandelnden intraoralen Ursache. Nur 15% der Mundgeruch Beschwerden sind auf eine Halitosis mit einer extraoralen Ursache zurückzuführen.
  • Es lohnt sich, eine gute Anamnese durchzuführen und die Ursachen zu kennen.
  • Eine wichtige Therapiemassnahme ist die Instruktion zur Mundhygiene mit Zähneputzen und Zungenschaber.
  • Spezialsprechstunden existieren an Universitätsspitäler mit objektiven Untersuchungsmethoden, wie z.B. einem Halimeter. Diese sollen den komplizierten, schwierigen Fällen vorenthalten sein.

1. Facharztwissen HNO, PD Dr. med. Michael Reiss, HNO-Klinik, Elblandklinikum Radebeul
2. L. Pauling Quantitative analysis of urine vapor and breath by gas-liquid partition chromatography. Proc Natl Acad Sci U S A. Band 68, 1971, S. 2374–2376.
3. Estimated prevalence of halitosis: a systematic review and meta – regression analysis, Manuela F Silva, Clin Oral Investig. 2018 Jan ;22(1) :47-55
4. Halitosis-Ursache, Diagnose, Therapie – Schweiz. Med. Forum 2004;585-589
5. Mundgeruch-Ursachen und Therapie, Zentrum für Zahnmedizin, Universität Zürich, September 2011
6. Mundgeruch-Ursachen, Differenzialdiagnose und Behandlung, Imfeld T, 2008. Universität Zürich
7. Interventions for managing halitosis – sumanth Kumbargere Nagraj, Cochrane Databes syst rev. 2019 Dec 11; 12(12):CD012213
8. Halitosis: the multidisciplinary approach Curd ML Bollen, Int J Oral Sci. 2012 Jun
9. Halitosis : knowing when bad breath signals systemic disease, TM Durham, Geriatrics, 1993, Aug;48(8):55-9
10. Halitosismanagement für die Zahnarztpraxis – Workshop beim BREATH ANALYSIS Summit 2013 – International Conference of Breath Research, 9.Juni 2013 – Saarbrücken/Wallerfangen, Deutschland
11. Subjective patients opinion and evaluation of halitosis using halimeter and oranoleptic scores – E Iwanicka-Grzegorek, Oral Dis 2005 ; 11 1 :86-88
12. A simple method to reduce halitosis : tongue scraping with probiotics, Berk Gurpinar, J Breath Res, 2019 : Dec 4 ;14(1) :016008

der informierte @rzt

  • Vol. 10
  • Ausgabe 10
  • Oktober 2020