- Funktionelle Verdauungsstörungen: Reizdarm und Reizmagen
Funktionelle Verdauungsstörungen, insbesondere das Reizdarmsyndrom (IBS) und der Reizmagen (funktionelle Dyspepsie, FD), gehören zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen und beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Betroffener erheblich. Die Pathophysiologie dieser Störungen ist komplex und umfasst viszerale Hypersensitivität, veränderte Darmmotilität, Dysbiosen im Mikrobiom sowie eine gestörte Darm-Hirn-Kommunikation. Die Diagnostik erfolgt anhand klinischer Kriterien, wobei Alarmsymptome weiterführende Untersuchungen erforderlich machen. Die Therapie ist symptomorientiert und beinhaltet eine Kombination aus medikamentösen, diätetischen und pflanzlichen Massnahmen. Eine individualisierte und ganzheitliche Therapie kann dazu beitragen, die Beschwerden zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig zu verbessern.
Functional digestive disorders, in particular irritable bowel syndrome (IBS) and functional dyspepsia (FD), are among the most common gastroenterological disorders and significantly impair the quality of life of many of those affected. The pathophysiology of these disorders is complex and includes visceral hypersensitivity, altered intestinal motility, dysbiosis in the microbiome, and impaired gut-brain communication. Diagnosis is based on clinical criteria, with alarm symptoms triggering further investigation. The therapy is symptom-oriented and includes a combination of medication, dietary and herbal measures. An individualized and holistic therapy can help to reduce the symptoms and sustainably improve the patient’s quality of life.
Key Words: Funktionelle Verdauungsstörungen, Reizdarmsyndrom und funktionelle, Mikrobiom, Therapieoptionen
Definition und Epidemiologie
Funktionelle Verdauungsstörungen, zu denen das Reizdarmsyndrom (IBS) und der Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) gehören, werden als «Disorders of Gut-Brain Interaction» (DGBI) bezeichnet. Dabei konzentrieren sich die Beschwerden beim Reizmagen auf den oberen Verdauungstrakt, während sie beim Reizdarm den unteren betreffen. Diese Erkrankungen sind weit verbreitet – etwa 10–15 % der Bevölkerung sind betroffen, mit einer höheren Prävalenz bei Frauen (1, 2, 3).
Viele Patienten leiden unter einer erheblichen Einschränkung ihrer Lebensqualität, da die Symptome oft unvorhersehbar auftreten. Patienten mit schweren Beschwerden sind teilweise bereit, erhebliche Risiken in Kauf zu nehmen, um eine Besserung zu erreichen (4).
Symptome und Einteilung
Das Reizdarmsyndrom wird in verschiedene Subtypen unterteilt (5):
• IBS-C: mit vorwiegender Verstopfung
• IBS-D: mit vorherrschender Durchfallproblematik
• IBS-M: mit wechselnden Stuhlgewohnheiten
• IBS-U: unklassifizierbares IBS
Der Reizmagen wiederum kann als epigastrisches Schmerzsyndrom (EPS) oder als postprandiales Distress-Syndrom (PDS) auftreten. Während EPS durch Schmerzen und Brennen im Oberbauch gekennzeichnet ist, äussert sich PDS in Form von frühem Sättigungsgefühl und Völlegefühl nach den Mahlzeiten.
Viele Patienten weisen eine Überlappung der Symptome auf, sodass eine klare Trennung der beiden Erkrankungen oft schwierig ist (Abb. 1). In einer Metaanalyse wurde festgestellt, dass die Überschneidung der Beschwerden zwischen 15 und 42 % liegt (6).
Pathophysiologie
Neuere Studien legen nahe, dass verschiedene Faktoren an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind, auch wenn die genauen Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind (7–13). Einer dieser Faktoren ist die viszerale Hypersensitivität, bei der eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit im Magen-Darm-Trakt festgestellt wird. Zudem kann eine gestörte Darmmotilität auftreten, wodurch sich die Bewegungsmuster des Darms verändern und sowohl Verstopfung als auch Durchfall begünstigt werden.
Auch das Darmmikrobiom spielt eine wesentliche Rolle. Ungleichgewichte in der Zusammensetzung der Darmflora können zur Krankheitsentwicklung beitragen. Darüber hinaus deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass chronische Mikroentzündungen sowie eine verstärkte Immunaktivierung von Bedeutung sein könnten. Diese entzündlichen Prozesse könnten eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die gestörte Kommunikation zwischen Darm und Gehirn. Die Wechselwirkungen zwischen dem Nervensystem und dem Verdauungstrakt sind bei Betroffenen verändert, was die Symptome beeinflussen kann.
Schliesslich bleibt auch die Rolle einer Helicobacter-pylori-Infektion unklar. Zwar gibt es Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang, doch sind die genauen Mechanismen noch nicht restlos geklärt.
Diagnostik
Die Diagnose von funktionellen Verdauungsstörungen basiert hauptsächlich auf den Rome-IV-Kriterien. (14). Für das IBS gilt:
• Wiederkehrende Bauchschmerzen an mindestens einem Tag pro Woche in den letzten drei Monaten.
• Zusammenhang der Schmerzen mit der Stuhlentleerung.
• Veränderung der Stuhlfrequenz oder -konsistenz.
Für die funktionelle Dyspepsie müssen Symptome wie epigastrischer Schmerz, Völlegefühl oder frühes Sättigungsgefühl ohne nachweisbare organische Ursache vorliegen.
Alarmsymptome
Bestimmte Symptome (15, 16) erfordern eine weiterführende Diagnostik, um ernsthafte Erkrankungen auszuschliessen, darunter:
• Schluckbeschwerden
• Ungeklärter Gewichtsverlust
• Blut im Stuhl oder Anzeichen einer Anämie
• Wiederholtes Erbrechen
• Anhaltende Blähungen oder eine abdominelle Raumforderung (Ikterus)
• Neues Auftreten von Dyspepsie oder Änderung der Stuhlgewohnheiten bei Patienten älter als 40jährig
• Hinweise auf Blutverlust oder Anämie
Therapieoptionen
Das Therapieziel bei funktionellen Verdauungsbeschwerden ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Reduktion der Symptome. Die Therapie erfolgt dabei symptomorientiert, da viele Patienten an einem Overlap von Reizdarm und Reizmagen leiden. Dabei kommen verschiedene medikamentöse, pflanzliche und diätetische Ansätze zum Einsatz.
Medikamentöse Ansätze
• Spasmolytika können Krämpfe und Bauchschmerzen lindern (17).
• Rifaximin ist ein gastrointestinales Breitband-Antibiotikum, das keine klinisch relevante bakterielle Resistenz aufweist. Daher kann es bei der Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen nützlich sein, die mit einer veränderten Bakterienflora einhergehen, ein-schliesslich IBS und der bakteriellen Überwucherung des Dünndarms (SIBO) (18).
• Protonenpumpenhemmer (PPI): Verschiedene Guidelines empfehlen den einmal täglichen Einsatz von Protonenpumpenhemmern als first-line Therapie bei Patienten mit FD, welche H. pylori negativ sind oder nach einer H. Pylori-Eradikation weiterhin symptomatisch bleiben. Die Dosierung und Art des PPI schien dabei keine Rolle zu spielen (19).
• Antidepressiva wie trizyklische Antidepressiva oder SSRI werden zur Schmerzmodulation eingesetzt (20, 21).
• Präbiotika/Probiotika scheinen wirksame Behandlungen für FD zu sein, obwohl die einzelnen Arten und Stämme von Mikroorganismen, die am vorteilhaftesten sind, unklar bleiben. Die Verwendung von Probiotika allein konnte die Symptome von FD nicht verbessern (22).
• Prokinetika fördern die Magen-Darm-Beweglichkeit, insbesondere bei PDS (23).
Phytopharmaka
Pflanzliche Wirkstoffe spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der Behandlung:
• Pfefferminzöl wirkt schmerzstillend und entkrampfend (24).
• Kümmelöl reduziert Blähungen und verbessert die Verdauung (25).
• Pefferminzöl und Kümmelöl kombiniert (Carmenthin®) wirkt spasmolytischund erhöht die sekretorische Epithelaktivität der Darmzellen (26).
• Bittere Schleifenblume kann die Magen-Darm-Muskulatur regulieren (27, 28).
• Artischocke und Kurkuma zeigen antioxidative und entzündungshemmende Effekte (29, 30)
• Kamille hat beruhigende und entzündungshemmende Eigenschaften (31).
• Flohsamenschalen unterstützen die Verdauung, insbesondere bei IBS-C (32–34).
Diätetische Massnahmen
• Low-FODMAP-Diät: Eine der effektivsten Ernährungsinterventionen, da FODMAP-reiche Lebensmittel zu Blähungen und Durchfall führen können (35–38).
• Glutenfreie Diät: Kann bei manchen Betroffenen hilfreich sein, auch wenn keine Zöliakie vorliegt (39, 40).
• Ballaststoffreiche Ernährung: Unterstützt die Darmtätigkeit, wobei Flohsamenschalen besonders wirksam sind (33, 34).
Weitere Therapieoptionen
Neben Medikamenten und Ernährung gibt es weitere Ansätze:
• Stressmanagement: Psychologische Faktoren wie Stress und Angst spielen eine grosse Rolle bei IBS und Dyspepsie. Techniken wie Achtsamkeitstraining oder kognitive Verhaltenstherapie können hilfreich sein.
• Bewegung: Regelmässige körperliche Aktivität verbessert die Darmmotilität und reduziert Stress.
• Patientenschulung: Eine umfassende Aufklärung über die Erkrankung hilft Betroffenen, besser mit ihren Symptomen umzugehen.
Carmenthin® (Menthacarin®) – klinisch relevant, dem Placebo überlegen
Zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von magensaftresistenten Kapseln mit einer festen Kombination aus 90 mg Pfefferminzöl und 50 mg Kümmelöl (Menthacarin®) wurden Patienten mit funktioneller Dyspepsie 28 Tage lang zweimal täglich mit einer Kapsel Menthacarin® oder Placebo behandelt (41). Primäre Wirksamkeitsvariablen waren die intraindividuelle Veränderung (i) der Schmerzintensität und (ii) des Druck-, Schwere- und Völlegefühls zwischen Tag 1 und 29 sowie die Bewertung (iii) der globalen Verbesserung (Clinical Global Impression [CGI] Item 2) durch die Prüfärzte am Tag 29. Am Tag 29 war die durchschnittliche Schmerzintensität in der Menthacarin®-Gruppe um 40 % und in der Placebogruppe um 22 % gegenüber dem Ausgangswert gesunken. Bei Druck, Schweregefühl und Völlegefühl wurde eine Verringerung um 43 % in der Menthacarin®-Gruppe und um 22 % in der Placebogruppe festgestellt. Bei allen drei Zielparametern war die Überlegenheit von Menthacarin® gegenüber Placebo statistisch signifikant. Sechs Patienten (Menthacarin®: 5; Placebo: 1) meldeten unerwünschte Ereignisse, die entweder in keinem Zusammenhang mit der Studie standen oder auf eine Verschlimmerung der untersuchten Krankheit zurückzuführen waren. In einer weiteren prospektiven, placebokontrollierten, doppelblinden, multizentrischen Studie wurde die Wirksamkeit von Menthacarin® auf die Symptome und die Lebensquali tät (QoL) bei 114 Patienten mit FD-Symptomen, die mit dem epigastrischen Schmerzsyndrom (EPS) und dem postprandialen Distress-Syndrom (PDS) übereinstimmten, untersucht (42). Die wichtigsten Ergebnisse waren: Nach 2 und 4 Wochen war die aktive Behandlung dem Placebo bei der Linderung von Symptomen, die mit PDS und EPS übereinstimmten, überlegen (p alle < 0.001). Nach vierwöchiger Behandlung verbesserten sich die Schmerz- und Unbehaglichkeitswerte um 7.6 ± 4.8 bzw. 3.6 ± 2.5 Punkte (vollständige Analyse; Mittelwert ± SD) für Carmenthin® und um 3.4 ± 4.3 bzw. 1.3 ± 2.1 Punkte für Placebo. Alle sekundären Wirksamkeitsmasse zeigten Vorteile für Carmenthin®. Carmenthin® erwies sich als eine wirksame Therapie zur Linderung von Schmerzen und Beschwerden und zur Verbesserung der krankheitsspezifischen Lebensqualität bei Patienten mit FD. Diese Ergebnisse belegen die gute Verträglichkeit und das günstige Nutzen-Risiko-Verhältnis von Carmenthin® bei der Behandlung der funktionellen Dyspepsie (43). Die Wirksamkeit von Carmenthin® bei Reizdarm-assoziierten Symptomen bei Patienten mit FD wurde in einer systematischen Analyse dopppelblinder, randomisierter kontrollierter Studien untersucht (43). Drei der fünf identifizierten RCTs umfassten insgesamt 111 infrage kommende Probanden, was eine zusammenfassende Statistik und die Einbeziehung in eine Subgruppenanalyse für FD-Patienten mit IBS-assoziierten Symptomen ermöglichte. Da die Werte der Schmerzintensität bei Patienten mit begleitendem Reizdarmsyndrom während der 28-tägigen Behandlung im Durchschnitt um 50–75 % zurückgingen, deutet die Subgruppenanalyse auf positive Behandlungseffekte von Carmenthin® hin, die mit denen vergleichbar sind, die bei FD-Patienten in den primären Analysen festgestellt wurden. Carmenthin® hat sich in klinischen Studien in der Langzeitanwendung als wirksam und sicher bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie erwiesen. Langfristige Behandlungsergebnisse wurden in einer offenen, 12-monatigen Studie zur Nachbehandlung erfasst (44). Die Patienten waren zuvor in einer 4-wöchigen, doppelblinden klinischen Studie mit Carmenthin® (eine magensaftresistente Kapsel zweimal täglich vs. Placebo) behandelt worden. Während dem Follow-up wurden alle Patienten, die vormals Verum oder Placebo erhalten hatten, mit 1 Kapsel Carmenthin® zweimal täglich behandelt. Die Endpunkte waren die Veränderungen der Schmerzintensität (Abb.2).
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Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
- Funktionelle Verdauungsstörungen wie Reizdarm und
Reizmagen
sind häufige Erkrankungen, die mit erheblichen
Belastungen für die Betroffenen einhergehen. - Die Pathophysiologie ist komplex und umfasst Faktoren
wie viszerale Hypersensitivität, veränderte Darmflora und
gestörte Darm-Hirn-Kommunikation. - Die Diagnostik basiert auf klinischen Kriterien, wobei Alarmsymptome
eine weiterführende Abklärung erforderlich
machen. Die Therapie sollte individuell angepasst werden
und eine Kombination aus medikamentösen, phytotherapeutischen
und diätetischen Maßnahmen umfassen.
Die Behandlung mit Carmenthin® hat sich als wirksam und
sicher auch bei Langzeiteinsatz erwiesen. - Durch eine ganzheitliche und patientenzentrierte Herangehensweise
können Symptome gelindert und die Lebensqualität
der Patienten verbessert werden.
1. Simons J et al. Disorders of gut-brain interactions: Highly prevalent and
bur densome yet under-thought within medical education. United Eur
Gastroent erol J 2022;10:7436-7444.
2. Oka P et al. Global prevalence of irritable bowel syndrome according
to Rome IIIor IV criteria : a systematic review and meta-analysis Lancet
Gastroneterol. And Hepatol. 2020 ;Oct 5 (10) 908-917
3. Palsson OS et al. Prevalence and associated factors of disorders of
gut-brain interaction in the United States : Comparison of two nationwide
Internet surveys. Neurogastroenterol Motif 2023;35:e14564 doi:
10.1111/nmo.14564.
der informierte @rzt
- Vol. 15
- Ausgabe 2
- Februar 2025