- Gedanken zum Belastungs-EKG
In den letzten Monaten gab es neben COVID-19 weitere interessante sehr praktische kardiologische Diskussionen zu den Themen Diagnostik der chronisch koronaren Herzkrankheit und zum Leitlinien konformen Verschluss eines PFO nach kryptogenem Stroke bei jüngeren Patienten/Innen. Nach 40 Jahren praktischer medizinischer Tätigkeit ist mir das Belastungs-EKG und seine Aussagefähigkeit in diesem Zusammenhang einige Gedanken wert.
Die Prävalenz der stenosierenden koronare Herzkrankheit (KHK) bei Patienten mit Thoraxschmerzen/Dyspnoe ist deutlich tiefer als bislang angenommen. 50% der Frauen und >30% der Männer mit stabiler Angina pectoris haben angiographisch keine obstruktive (> 50-70% Stenose) koronare Herzkrankheit. Das Belastungs-EKG sollte aufgrund der aktuellen Guidelines (1, 2) wegen der tiefen Sensitivität und Spezifität nicht mehr zur Ischämiediagnostik eingesetzt werden; alternativ ist die Ergometrie aber möglich, wenn kein Imaging vorhanden ist. Es besteht aber weiterhin eine prognostische Aussage der Ergometrie bei guter Leistung ohne Symptome und normalem Ruhe-EKG!
Die aktuelle Posthoc Analyse der SCOT-Heart Study, welche im Juni publiziert wurde, hat bei 3283 Patienten mit stabiler Angina pectoris die Bedeutung der Ergometrie im klinischen Alltag mituntersucht (3). Dabei war der primäre Endpunkt nach 5 Jahren Tod wegen KHK resp. nicht tödlicher Myokardinfarkt. Eine pathologische Ergometrie hat betreffend obstruktiver KHK eine Sensitivität von 39% und eine Spezifität von 91%. Bei einer Hauptstamm-Stenose von >50%, einer koronaren 3-Gefässerkrankung oder einer 2-Gefässerkrankung mit proximaler RIVA Stenose besteht eine Sensitivität von 77% bei einer Spezifität von 86% bei einem NPV von 96%. Diese Zahlen erinnern an die vielen Studien aus den 70-er und 80-er Jahren, wo die Ergometrie einen signifikant höheren Stellenwert bei ähnlichen Patienten/Innen Kollektiven hatte.
Aus klinischer Sicht bedeutet dies, dass ein Belastungs-EKG vor allem dann hilfreich ist, wenn es pathologisch ausfällt bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit (Abb. 1).
Bei einem normalen oder nicht eindeutigen Befund sollte der Arzt möglichst eine weitere Abklärung einleiten. Die Koronar-CT ist hier eine sehr zielführende Untersuchung insbesondere bei heutiger eher tiefer Vortestwahrscheinlichkeit. Heute qualifizieren mehr Patienten für ein Koro-CT, welches eine KHK sehr gut anatomisch ausschliessen kann. Auch die funktionellen bildgebenden Verfahren zum Nachweis resp. Ausschluss einer Ischämie wie Stressecho, Szintigraphie, MRI und PET-Untersuchung sind bei der richtigen Fragestellung im kardio-logischen Praxisalltag nicht mehr zu missen.
Das korrekte Belastungs-EKG (4) bleibt somit als erste Stufe mit der richtigen individuellen klinischen Einschätzung und Erfahrung weiterhin sehr hilfreich. Es wird daher im Praxisalltag durch die Kardiologen und erfahrenen Internisten weiterhin gezielt und erfolgreich eingesetzt.
Zelglistrasse 17
8127 Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch
1. ESC Guidelines 2019: CCS
2. Manual zum Stellenwert der Ergometrie DGK 2018; Der Kardiologe 5/2018
3. JAMA Cardiology 2020; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.1567
4. Ergometrie, Novotny Florian, Dürst Urs, Wyss Christophe, Praxis in Press
der informierte @rzt
- Vol. 10
- Ausgabe 12
- Dezember 2020