Im Fokus

Das Potenzial nationaler Leistungsdaten für die Überwachung

Grippeschutzimpfung bei Risikopatienten in der Schweiz



In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (1,2) wird die Impfung gegen die saisonale Influenza in der Schweiz für Bevölkerungsgruppen mit erhöhtem Risiko für Komplikationen wie Personen ≥65 Jahre oder solche mit chronischen Krankheiten empfohlen (3). Das erhöhte Risiko in diesen Gruppen wird durch viele Faktoren bedingt, wie zum Beispiel die nachlassende Immunfunktion und eine geringere Wirksamkeit des Impfstoffs. Darüber hinaus ist Multimorbidität mit erhöhten Krankenhausaufenthalten oder der Sterblichkeit bei Menschen ≥65 Jahren verbunden (4, 5). Nationale Impfquoten liegen bei älteren Menschen und Patienten mit chronischen Krankheiten bei 35% (6) und liegt damit weit unter dem von der WHO empfohlenen Ziel von 75% (7, 8). Die Impfquoten in der Schweiz liegen im mittleren Bereich für Europa (8,9). Die Grippe führt zu bis zu 330’000 Konsultationen und bis zu 5000 Hospitalisierungen pro Jahr in der Schweiz, und landesweite Aktivitäten zielen darauf ab, die Impfraten zu erhöhen (10, 11). Der Rückgang der Impfquoten in den letzten Jahren gibt daher zunehmend Anlass zur Besorgnis und unterstreicht die Notwendigkeit einer genauen Überwachung. Die Überwachung von nationalen Impfquoten ist ein Eckpfeiler des globalen WHO-Programms. In der Schweiz stützt sich die nationale Überwachung der Influenza-Impfquoten auf den selbstberichteten Impfstatus. Das Ziel einer kürzlich publizierten Schweizer Studie aus dem Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich (12) war die Ermittlung der VURs bei Risikopatienten, d.h. Patienten ≥65 Jahre und erwachsenen Patienten mit chronischen Krankheiten, unter Verwendung von Leistungsdaten anstelle von Selbstauskünften, sowie Untersuchung der Faktoren für die Inanspruchnahme von Impfstoffen und verschiedene methodische Ansätze zur Überwachung von Impfungen.

In dieser retrospektiven Querschnittsanalyse wurden die nationalen Impfquoten während drei Influenza­saisons (2015/2016/2017/2018) untersucht. Medikamente, Diagnosen oder medizinische Leistungen wurden als Auslöser für die Identifizierung von Patienten verwendet. Für die Berechnung der nationalen Impfquoten bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wurden diese anhand der Auslöser in der jeweiligen Saison (Modell 1) und in der aktuellen und der vorherigen Saison (Modell 2) identifiziert. Es wurde eine Regressionsanalyse verwendet, um Faktoren zu identifizieren, die mit dem Impfstatus in Verbindung stehen.

Die Studie umfasste Daten, die von 214’668 einzelnen Patienten analysiert wurden. Nationale Impfquoten über alle Saisons hinweg reichten von 18,4 % bis 19,8 %. Die meisten Patienten mit chronischen Krankheiten wurden mit dem Medikamenten-Trigger identifiziert, und es wurden keine klinisch signifikanten Unterschiede bei nationalen Impfquoten zwischen den beiden Modellen gefunden. Das Vorliegen einer chronischen Krankheit, Alter, männliches Geschlecht und regelmässige Arztbesuche waren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden, geimpft zu werden.

Fazit

Die nationalen Impfquoten lagen unter den empfohlenen Schwellenwerten, und die Analyse zeigte, dass Anstrengungen zur Erhöhung der nationalen Impfquoten erforderlich sind. Die Autoren bewerteten die Identifizierung von chronischen Krankheiten anhand von Medikamentenansprüchen und die Berechnung von nationalen Impfquoten auf der Grundlage von Daten der jeweiligen Saison als einen wirksamen Ansatz zur Durchführung der Impfüberwachung. Eine Überwachung auf der Grundlage von Anspruchsdaten kann die nationale Überwachung vervollständigen.

Quelle: Plate A, Bagnoud C, Rosemann T, Senn O. Di Gangi S. Influenza vaccination uptake among at-risk patients in Switzerland—The potential of national claims data for Surveillance. Influenza Other Respi Viruses. 2023;17:e13206.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Vaccines against influenza: WHO position paper – May 2022. Wkly
Epidemiol Rec. 2022;97(19):185-208.
2. Global Influenza Strategy 2019–2030. World Health Organization; 2019.
3. Swiss Vaccination Schedule. 2023. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/gesundheitsfoerderung-und-praevention/impfungen-prophylaxe/schweizerischer-impfplan.html. Accessed February 2023.
4. Keilich SR, Bartley JM, Haynes L. Diminished immune responses with aging predispose older adults to common and uncommon influenza complications. Cell Immunol. 2019;345:103992.
5. Langer J, Welch VL, Moran MM, et al. High clinical burden of influenza disease in adults aged ≥65 years: can we do better? A systematic literature review. Adv Ther. 2023;40(4):1601-1627.
6. Influenza Season Report 2021/2022. Federal Office of Public Health; 2022.
7. Prevention and Control of Influenza Pandemics and Annual Epidemics. World Health Assembly; 2003.
8. Jorgensen P, Mereckiene J, Cotter S, Johansen K, Tsolova S, Brown C. How close are countries of the WHO European Region to achieving the goal of vaccinating 75% of key risk groups against influenza? Results from national surveys on seasonal influenza vaccination programmes, 2008/2009 to 2014/2015. Vaccine. 2018;36(4): 442-452.
9. Chen C, Liu X, Yan D, et al. Global influenza vaccination rates and factors associated with influenza vaccination. Int J Infect Dis. 2022; 125:153-163.
10. Ammeter T, Lang P, Czock A. Overview of the influenza vaccination activities and legal frameworks in 26 Swiss cantons during the influenza season 2019/20. Vaccine. 2022;40(12):1702-1706.
11. Zürcher K, Zwahlen M, Berlin C, Egger M, Fenner L. Losing ground at the wrong time: trends in self-reported influenza vaccination uptake in Switzerland, Swiss Health Survey 2007–2017. BMJ Open. 2021; 11(2):e041354.
12. Plate A, Bagnoud C, Rosemann T, Senn O. Di Gangi S. Influenza vaccination uptake among at-risk patients in Switzerland—The potential of national claims data for Surveillance. Influenza Other Respi Viruses. 2023;17:e13206.

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  • Vol. 14
  • Ausgabe 2
  • Februar 2024