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Hygiene, antimikrobielle Medikamente und Impfungen haben seit dem Jahre 1900 zu einem massiven Rückgang der Sterblichkeit an Infektionen geführt. Der Schutz durch Impfungen gilt nicht nur dem Individuum, sondern auch der gesamten Bevölkerung. Zum Schutz von immunsupprimierten Patienten gehört auch die Impfung der diese umgebenden Personen (u.a. Influenza). Dieses Thema stiess an der SGAIM Herbsttagung auf grosses Interesse der Zuhörer.

Von den 10 Haupt-Todesursachen im Jahre 2019 waren 6 infektiologische Themen: Globale Influenza Pandemie, antimikrobielle Resistenz, Ebola und andere hochgefährliche Krankheitserreger, Impfzögern, Dengue-Fieber und HIV, stellte Prof. Dr. med. Annelies Zinkernagel, Zürich fest.
Hygiene, antimikrobielle Medikamente und Impfungen haben seit dem Jahre 1900 zu einem massiven Rückgang der Sterblichkeit infolge von Infektionen geführt. Der Schutz durch Impfungen gilt nicht nur dem Individuum, sondern auch der gesamten Bevölkerung. Zum Schutz immunsupprimierter Patienten gehört u.a. auch die Impfung gegen Influenza der sie umgebenden Personen.
Schweizer Impfplan 2019:
4 Empfehlungskategorien
1. Routineimpfungen: alle Personen in der Schweiz
Unerlässlich für die individuelle und die öffentliche Gesundheit
DTPa, Hib, IPV, MMR, HB und dT
2. Empfohlene ergänzende Impfungen: optimaler individueller Schutz
3. Empfohlene Impfungen für Risikogruppen: spezifischer Schutz für Personen mit besonderen Risiken
- Beruflich Exponierte: HB, Varizellen, Zeckenencephalitis, Tollwut
- Reisende: Gelbfieber, HA, Meningokokken, Tollwut
- Patienten mit besonderem Risiko für invasive Infektionen und Komplikationen
4. Impfungen ohne Empfehlungen
Patienten mit besonderem Risiko für invasive Infektionen
Physiologisch: Schwangerschaft, Altersextreme: Frühgeborene und Senioren
(+ bekapselte Bakterien: Kinder < 2 Jahre, siehe Impfplan)
Pathologisch Angeborene oder erworbene Immundefekte, medikamentöse Immunsuppression (Onkologika, Transplantationen, Immunsuppressiva – Biologicals)
Asplenie (anatomisch oder funktionell)
Chronische Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für invasive oder kompliziert verlaufende Infektionen. Der Impfschutz von Risikopersonen ist nur begrenzt möglich: deshalb zusätzlich Cocoon Strategy, d.h.
Eltern/Partner: Influenza, Varizellen, MMR, Pertussis
Kinder/Geschwister: Influenza, Varizellen, MMR, dTPa, Hib, PCV13
Gesundheitspersonal: Varizellen, Influenza, MMR, Pertussis
Der Schweizerische Impfplan 2018 ist in der Tabelle 1 wiedergegeben.
Schweizerischer Impfplan 2019: Kostenübernahme / Indikationen
- Routineimpfungen – alle Personen in der Schweiz
wird von obligatorischer Krankenversicherung übernommen (abzüglich Selbstbehalt und Franchise) - SUVA übernimmt die Kosten für eine dTpa-Impfung bei post-expositioneller Impfung nach Unfall
HPV-Impfung: Basisimpfung von Mädchen und jungen Frauen wird ohne Kostenfolge und von der Franchise befreit übernommen. Ergänzende
Impfungen gegen HPV werden im Rahmen von kantonalen Programmen für Frauen im Alter von 20-26 Jahren und Jungen/Männern im Alter von 11-26 Jahren von der OKP und von der Franchise befreit übernommen, sofern die erste Impfung des Impfschemas vor dem 27. Geburtstag gegeben wird.
Ergänzende Impfung gegen Meningokokken: Seit dem 1. März 2019 werden die Kosten für die ergänzende Impfung der Meningokokken-Serogruppen A, C, W, Y im Rahmen der zugelassenen Altersfenster durch die obligatorische Krankenversicherung übernommen (abzüglich Selbstbehalt und Franchise).
- Kinder im Alter von 2 Jahren: 1 Dosis (Nachholimpfung bis zum 5. Geburtstag)
- Jugendliche im Alter von 11-15 Jahren: 1 Dosis (Nachholimpfung bis zum 20. Geburtstag)
FSME: Die Kosten für die FSME-Impfung bei Personen, die in Gebieten mit Impfempfehlung wohnen oder sich zeitweise dort aufhalten (ohne untere Zeitlimite für den Aufenthalt), werden bei ärztlicher Verordnung durch die obligatorische Krankenversicherung bzw. bei beruflicher Exposition durch den Arbeitgeber vergütet.
Herpes Zoster: Die empfohlene ergänzende Impfung gegen Herpes Zoster wird durch die OKP nicht vergütet.
Hepatitis-A-Impfung
für Personen mit erhöhtem Expositions- oder Komplikationsrisiko – zur primären Prävention ab dem Alter von 1 Jahr bei folgenden Personen indiziert:
1. Personen mit einer chronischen Lebererkrankung
2. Reisende in Ländern mit mittlerer und hoher Endemizität
3. Kinder aus Ländern mit mittlerer bis hoher Endemizität, die in der Schweiz leben und für einen vorübergehenden Aufenthalt in ihr Herkunftsland reisen.
4. Drogenkonsumierende
5. Männer mit sexuellen Kontakten zu Männern
6. Personen mit engem beruflichen Kontakt zu Drogenkonsumierenden
7. Personen mit engem beruflichem Kontakt zu Personen aus Ländern mit hoher Endemizität
8. Kanalisationsarbeiter und Angestellte in Kläranlagen
9. Laborpersonal, das mit Hepatitis-A-Viren arbeitet
Die Kosten der Impfung werden im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei allen oben angeführten Personen mit erhöhtem Hepatitis-A-Risiko übernommen (inkl. postexpositioneller Impfung innert 7 Tagen). Dies gilt nicht für Reisende oder berufliche Indikation.
Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV)
(Auch Knaben impfen).
Alle Mädchen + Knaben 11-14 Jahre, 2 Dosen: 0,6 Monate
Mädchen, Frauen + Knaben, Männer 15 bis 25 Jahre, 3 Dosen, Schema 0 – 1-2 – 6 Monate
Impfstoff 4-valent( Gardasil®): alle.
Ab 2019 ersetzt durch Gardasil® 9.
Natürliche HPV-Infektion: Serokonversion bei 54-60% der Frauen, bei 7-10% der Männer. Niedrige Antikörpertiter. Partielle Protektion gegen Reinfektion bei Frauen, keine Protektion bei Männern, aber beinahe 100% Serokonversion nach HPV-Impfung bei beiden Geschlechtern.
Warum sind Impfstoffe «besser» als die Natur?
Bei der natürlichen Infektion entsteht keine Virämie, schlechter Zugang des Virus zu den Lymphknoten.
Die HPV-Vakzinen werden intramuskulär appliziert, schneller Zugang der Virus-ähnlichen Partikel zu den Blutgefässen und den lokalen Lymphknoten. Virus-ähnliche Partikel sind sehr immunogen, weisen viele neutralisierende Epitope auf (mehr als das native Virion), induzieren gute T-Helferzellantwort für B-Zellen, sind wichtig für robuste Antikörper und B-Memory-Zellantwort. Der markante Rückgang der genitalen Warzen bei Frauen in Australien zwischen 2000 und 2011 ist vermutlich auf das HPV-Impfprogramm zurückzuführen. In Grossbritannien wurde auch bei den zervikalen intraepithelialen Neoplasien ein Rückgang als Folge der HPV-Impfung festgestellt.
Die Neuerungen bei der HPV-Impfung im Impfplan 2019 umfassen den Ersatz des bivalenten durch den quadrivalenten Impfstoff (Gardasil®9); dadurch entsteht zusätzlicher Schutz gegen 5 onkogene HPV-Typen. Das Impfschema bleibt unverändert für Mädchen und Jungen, keine Nachholimpfungen. Voraussetzung für Kostenübernahme durch OKP ist die Impfung im Rahmen der kantonalen HPV-Impfprogramme.
Meningokokken
Invasive Meningokokken-Infektionen in der Schweiz, Inzidenz nach Serogruppen 2008-2017:
15% sind asymptomatische Träger; 2008 B: 28%, C: 28%, W 2%; 2017: B 18%, C 16%, W 42%,Y 20%.
Neue Impfempfehlungen 2018 für Meningokokken:
Bisherige Empfehlungen gegen invasive Meningokokken-Erkrankungen (IME):
12-15 Monate: 1 Dosis MCV-C; catch up bis zum 5. Geburtstag
11-15 Jahre: 1 Dosis MCV-C; catch up bis zum 20. Geburtstag
Risikogruppenempfehlung (Risiko einer invasiven Infektion bzw. Expositionsrisiko)
2-11 Monate 3 Dosen MCV-C; Booster MCV-ACWY alle 5 Jahre bei fortbestehendem Risiko
≥12 Monate: 2 Dosen MCV-ACWY (Immundefizienz)
1 Dosis MCV-ACWY (Exposition, z.B. Reisen, Arbeit im Labor)
Booster alle 5 Jahre bei fortbestehendem Risiko
Rekruten 1 Dosis MCV-C
Aktualisierte Empfehlungen gegen IME
Ergänzende Impfempfehlung (gesunde Individuen ohne Risiko)
24 Monate: 1 Dosis MCV ACWY catch-up bis zum 5. Geburtstag
11-15 Jahre : 1 Dosis MCV-ACWY; catch-up bis zum 20. Geburtstag
Risikoempfehlung (Risiko einer invasiven Infektion bzw. Expositionsrisiko)
2-11 Monate: 4 Dosen MCV-ACWY (2 – 3 – 4 – 12 Monate). Booster alle 5 Jahre bei fortbestehendem Risiko.
≥ 12 Monate: 2 Dosen MCV-ACWY (Immundefizienz, Intervall 4-8 Wochen)
1 Dosis MCV-ACWY (Exposition, z.B. Reise, Arbeit im Labor)
Booster alle 5 Jahre bei fortbestehendem Risiko
Rekruten: 1 Dosis MCV-ACWY
Masernimpfung: der Zeitpunkt spielt eine Rolle
Das Masern-Virus ist einer der am stärksten ansteckenden Krankheitserreger des Menschen. In einer 100% anfälligen Population führt ein einziger Fall von Masern zu 12 bis 18 sekundären Fällen, im Durchschnitt. Die Impfung ist deshalb von zentraler Bedeutung bei der Bekämpfung dieser Krankheit. Der Nestschutz gegen Masern besteht während den ersten 6 Monaten. Die Impfungen erfolgen im Alter von 13 und 25 Monaten. 61% der ½- bis 2-Jährigen und 49% der ½- bis 3-Jährigen sind also nicht geschützt. Schutz durch 2 dokumentierte MMR-Impfungen, Impfstatus kontrollieren, Impflücken schliessen (alle jünger als 1963). Die Empfehlung durch den Arzt spielt eine Schlüsselrolle!
Schweizer Impfplan 2019: Booster
Polio: Weiterhin wird alle 10 Jahre eine IPV-Auffrischimpfung für Personen mit Kontakt zu zirkulierenden Polioviren empfohlen (z.B. Reisende, Laborpersonal).
Diphtherie und Tetanus: Auffrischimpfungen bei Erwachsenen von 25-64 Jahren mit zuvor vollständiger Grundimmunisierung in einem Intervall von 20 Jahren. Bei Immuninsuffizienz und > 65 Jahren beträgt das Intervall zwischen den dT-Impungen 10 Jahre.
FSME: Die Impfung wird allen Erwachsenen und Kindern (im Allgemeinen ab 6 Jahren) empfohlen, die in einem schon bekannten Gebit mit FSME-Impfempfehlung wohnen oder sich zeitweise dort aufhalten.
Impfschema: 3 Dosen zu den Zeitpunkten 0, 1und 6 Monate für FSME-Immun CC®; 0, 1 und 10 Monate für Encepur®. Auffrischimpfungen alle 10 Jahre empfohlen, die Notwendigkeit von häufigeren Auffrischimpfungen ist nicht belegt.
Quelle: SGAIM-Herbstkongress, St. Gallen, 20.09.2019
riesen@medinfo-verlag.ch