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Risiko für das Auftreten von Melanomen bei Personen mit monoklonaler B-Zell-Lymphozytose
Hintergrund: Eine monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL) vom Phänotyp einer Chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) ist eine prämaligne Erkrankung, die etwa 500-mal häufiger als eine CLL auftritt. Es ist nicht bekannt, ob das mit einer CLL assoziierte zweifach erhöhte Risiko, an einem Melanom zu erkranken, auch für MBL-Personen gilt.
Methoden: Mit Hilfe der Mayo Clinic Biobank wurden Teilnehmer 40 Jahre oder älter identifiziert, die keine früheren hämatologischen Malignome aufwiesen, in den 27 Bezirken um die Mayo Clinic wohnten und über verfügbare Bioproben für das Screening verfügten. Eine Acht-Farben-Durchflusszytometrie wurde für das MBL-Screening verwendet. Personen mit MBL wurden auf der Grundlage des prozentualen Anteils an klonalen B-Zellen als MBL mit geringer (LC-MBL) oder mit hoher Leukozyten-/Lymphozytenzahl (High-Count-MBL) klassifiziert. Auftretende Melanome wurden anhand von International Classification of Diseases-Codes identifiziert und durch Überprüfung der Krankenakten bestätigt.
Ergebnisse: Von den 7334 untersuchten Teilnehmern wurden 1151 mit einer CD5-positiven MBL bzw. 1098 mit einer LC-MBL identifiziert. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren entwickelten 131 Teilnehmer ein Melanom, von denen 36 Personen MBL-positiv waren. Die geschätzte kumulative 5-Jahres-Inzidenz von Melanomen betrug 3,4% bei den Teilnehmern mit MBL und 2,0% bei den Teilnehmern ohne MBL. Nach Anpassung von Alter, Geschlecht und Melanomvorgeschichte wiesen Personen mit MBL ein 1,86-faches (95% CI, 1,25 bis 2,78) Melanomrisiko auf. Dieses erhöhte Risiko blieb auch bestehen, als die Analyse auf Personen ohne Melanom in der Vorgeschichte beschränkt wurde (HR, 2,05 [95% CI, 1,30 bis 3,23]). Personen mit LC-MBL hatten ein 1,92-fach (95% CI, 1,29 bis 2,87) erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Melanoms insgesamt und ein 2,74-fach (95% CI, 1,50 bis 5,03) erhöhtes Risiko für ein Melanom in situ im Vergleich zu Personen ohne MBL.
Schlussfolgerung: Der Nachweis einer LC-MBL ist mit einem etwa zweifach erhöhten Risiko für ein Melanom insgesamt und einem 2,74-fach erhöhten Risiko für ein Melanom in situ verbunden.
Diskussionspunkte
• In dieser grössten MBL-Screening-Kohorte wiesen Teilnehmer aus der Mayo Clinic Biobank, die bei der Basisuntersuchung positiv auf MBL getestet wurden, ein etwa zweifach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Melanoms auf, verglichen mit Teilnehmern ohne MBL.
• Damit ist das Melanom-Risiko ähnlich dem Risiko, das bei CLL-Patienten beobachtet wurde.
• Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die erhöhte Anfälligkeit für Melanome eher auf das Auftreten von MBL als von CLL zurückzuführen zu sein scheint.
• Falls sich diese Daten bestätigen, so sollte es Auswirkungen auf die Screening- und Überwachungsstrategien von MBL-Patienten haben.
Prof. Dr. med. Christoph Renner
Literatur: Vallejo BA et al., J Clin Oncol. 2024. doi: 10.1200/JCO.24.00332.
Studie: Für diese Studie wurden die Ressourcen des Rochester Epidemiology Project (REP) genutzt, das vom National Institute on Aging (NIA; AG 058738) unterstützt wird.
Krafttraining und Gewichtsabnahme sind günstig für Gonarthrose
Kürzlich sind zwei Studien publiziert worden, welche die alte Binsenwahrheit, dass Bewegung und Gewichtsverlust die Arthrose der gewichttragenden Gelenke günstig beeinflusst, belegen.
Im Rahmen der prospektiven longitudinalen Beobachtungsstudie der ‚Osteoarthritis Initiative‘ (OAI) wurden an 4 Zentren Patienten untersucht, welche vollständige Daten zu Krafttraining, Knieschmerzen und röntgenologischem Nachweis von Kniearthrose aufwiesen. 2607 Teilnehmer (44 % Männer; Alter 64 Jahre; BMI 28.5) füllten einen Fragebogen hinsichtlich Teilnahme an einem Krafttraining im Alter von 12-18, 19-34, 35-49 und ≥50 Jahren aus. Die Endpunkte waren röntgenologische Arthrose (ROA), symptomatische röntgenologische OA (SOA) und häufige Knieschmerzen. Die Odds Ratios für ROA, SOA und häufige Knieschmerzen betrug bei denjenigen, die zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben an einem Krafttraining teilgenommen haben, verglichen zur Gesamtpopulation 0.83, 0.77 respektive 0.82. Unabhängig vom Zeitpunkt des Krafttrainings wurde die Entwicklung der Gonarthrose günstig beeinflusst und konnten keine schädigenden Einflüsse dokumentiert werden.
Die zweite, von Novo Nordisk finanzierte Studie untersuchte 407 Teilnehmer (82 % Frauen, Alter 56 Jahre, mittlerer BMI 40,3 kg/m2 und mittlerer WOMAC-Schmerzwert 71), welche nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 2:1 einmal wöchentlich subkutanes Semaglutid (2,4 mg) oder Placebo erhielten. Die Veränderung des Körpergewichts bei Woche 68 betrug -13,7 % unter Semaglutid und -3,2 % unter Placebo (p<0,001). Die Veränderung des WOMAC-Schmerzscores in Woche 68 betrug -41,7 Punkte mit Semaglutid und -27,5 Punkte mit Placebo (p<0,001). Die Teilnehmer in der Semaglutid-Gruppe hatten eine grössere Verbesserung der körperlichen Funktion im 36-Item Short Form Health Survey (SF-36) als die Teilnehmer in der Placebogruppe (12,0 Punkte vs. 6,5 Punkte; p<0,001). Daraus kann geschlossen werden, dass der Gewichtsverlust dank der Einnahme von Semaglutid, einem Glucagon-ähnlichen Peptid-1-Rezeptor-Agonisten, zur Verminderung der Schmerzen und zur Verbesserung der Funktion bei Gonarthrose geführt hat.
Die beiden Studien geben uns den wissenschaftlichen Rückhalt, unseren Patientinnen und Patienten mit Gonarthrose begründete gute Ratschläge zu geben: Gewichtsabnahme und mehr Bewegung sind bei Gonarthrose wirksam.
KD Dr. med. Marcel Weber
Literatur: Lo G.H. et al. Strength Training Is Associated With Less Knee Osteoarthritis: Data From the Osteoarthritis Initiative. Arthritis Rheumatol 2024;76:377-383. doi: 10.1002/art.42732. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37870119/
Bliddal H et al. Once-Weekly Semaglutide in Persons with Obesity and Knee Osteoarthritis. N Engl J Med 2024;391(17):1573-1583. doi: 10.1056/NEJMoa2403664. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39476339/
Akuter Alkoholkonsum und Arrhythmien bei jungen Erwachsenen: The Munich BREW II Study
Das «Holiday-Heart Syndrom», ein bedeutendes Gesundheitsproblem, ist seit 1978 bekannt. Es kommt zu einem verzögerten Auftreten von supraventrikulären und ventrikulären Extrasystolen nach akutem übermässigem Alkoholkonsum.
Trinkt ein 85 Kilo schwerer Mann bei 180 cm eine Mass Helles (1 Liter 5%) innerhalb einer Stunde, hat er höchstwahrscheinlich 0,53 Promille im Blut. Trinkt eine Dame mit 60 Kilo bei 170 cm ein Liter Bier innerhalb einer halben Stunde, so können es bei ihr 0,78 Promille im Blut sein. Sie muss 2 Stunden und 21 Minuten warten bis der Spiegel 0,5 Promille beträgt.
1 Mass Bier entspricht ca. 8 Schnäpsen resp. 40 Gramm Alkohol (vgl. https://rechtswissen.ch/tools/promille-rechner). In einer aktuellen zweiten Studie aus München wurden 193 Personen (davon 36% Frauen, Durchschnittsalter 30 Jahre, mit einem leichten Alkoholkonsum von 6.8 Standarddrinks/Woche) einem geplanten Trinkgelage über 5 Stunden ausgesetzt. Die max. Atemalkoholkonzentration betrug dabei durchschnittlich 1,4gr/kg. Die Probanden wurden während 48 Stunden mit einem 3 Kanal-Holter-EKG überwacht. Es kam in diesen 5 Stunden zu einem deutlichen Anstieg der mittleren Herzfrequenz von 89 auf 97 Schläge/min., max. 130/min. Zusätzlich gehäuft atriale Schläge/Tachykardien vor allem in der anschliessenden Kontrollperiode. Während der Trinkphase vermehrt ventrikuläre Extrasystolen. In 10 Fällen kam es zu deutlichen Arrhythmien vor allem in der Erholungsphase von der 6. bis 19. Stunde: 5 Fallbeispiele sind hier abgebildet (ESC TV TODAY, C. Aguiar, Lisbon, 10.10.24):
Die Studie zeigt die Auswirkungen des Rauschtrinkens auf Veränderungen der Herzfrequenz und erhöhte atriale Tachykardien während der «Trinkperiode» sowie das Auftreten klinisch relevanter Arrhythmien während der «Erholungsphase». Die Daten unterstützen die Beobachtung, dass eine alkoholinduzierte Modulation des autonomen Nervensystems das Auftreten von Arrhythmien vermittelt. Die Limitationen dieser Studie war die kleine Kohorte und eine fehlende Kontrollgruppe.
Insgesamt ist das «Holiday-Heart-Syndrom» bei ansonsten gesunden Menschen selten, sollte aber als relevantes Gesundheitsproblem erkannt werden. Wahrscheinlich verändert der Alkohol in bestimmten Bereichen des Herzens die Leitungseigenschaften. Das macht das ganze Herz elektrisch ein bisschen instabiler und begünstigt die Entstehung von Vorhofflimmern oder anderen Herzrhythmusstörungen. Jüngere Daten legen nahe, dass bereits 330 ml Bier oder 120 ml Wein am Tag das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern steigern können. In den aktuellen ESC-Guidelines 2024 zum Vorhofflimmern wird daher empfohlen den Alkoholkonsum auf ≤3 Standarddrinks pro Woche zu reduzieren. In den aktuellen ESC-Guidelines 2024 zum erhöhten Blutdruck und Hypertonie sollten weniger als 100g Alkohol pro Woche eingenommen werden. Das Thema Alkohol hat in den letzten Jahren somit einen deutlichen Meinungsumschwung in der Kardiologie erbracht.
Dr. med. Urs Dürst
Literatur: Brunner S. et al., Acute Alcohol Consumption and Arrhythmias in Young Adults: The MunichBREW II Study, European Heart Journal, ehae695, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae695/
Brunner S. et al., Alcohol consumption, sinus tachycardia, and cardiac arrhythmias at the Munich Octoberfest: results from the Munich Beer Related Electrocardiogram Workup Study (MunichBREW), Eur Heart J 2017 Jul 14;38(27):2100-2106.