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Sport-Paradox: Intensiver Sport erhöht das Risiko eine relevante Koronarstenose zu entwickeln

Frage: Welchen Einfluss hat über einen langen Zeitraum betriebener Ausdauersport auf die Entwicklung einer Koronarsklerose? Ist regelmässiges Training mit einer niedrigeren Prävalenz vulnerabler Plaques im Vergleich zu Nichtsportlern und folglich geringerem Risiko für kardiale Ereignisse assoziiert?

Studienort: Die Master@Heart (Master Athlete’s Heart) ­Studie ist eine multizentrische prospektive Beobachtungs­studie mit drei Zentren in Belgien.

Hintergrund: Regelmässige körperliche Aktivität wird zur Prophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen propagiert. In jüngerer Zeit deuteten Studien jedoch darauf hin, dass insbesondere intensiver Sport, über viele Jahre betrieben, zu mehr koronaren Plaques führen könnte. Etablierte Risikofaktoren für eine ischämische Herzkrankheit sind: nicht-kalzifizierte und gemischte Plaques, Stenosegrad ≥ 50% und proximal lokalisierte Plaques. Bislang fehlten Daten, inwiefern sich die absolute koronare Plaquebelastung und die Plaquestruktur bei sportlich sehr aktiven Menschen von der bei Nicht-Sportlern unterscheidet.

Methode: Auf der Basis eines Fragebogens wurden drei Gruppen gebildet: • 191 lebenslange Ausdauersportler (i.e. Beginn bereits vor 30.Lebensjahr) • 191 Späteinsteiger, die erst nach dem 30. Lebensjahr mit dem Ausdauersport begannen • 176 Nicht-Sportler als Kontrollgruppe.
Als Sportler wurde definiert: Radfahren ≥ 8 h oder Laufen ≥ 6 h oder Triathlon ≥ 8 h/Woche seit mindestens 6 Monaten vor Einschluss. Als Nichtsportler wurde gewertet, wer ≤ 3 h/Woche Sport betrieb.
Alle Teilnehmer waren Männer, im Median 56-jährig (± 6 Jahre), kardiovaskulär gesund und ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, Übergewicht, Diabetes, Dyslipidämie und Rauchen.

Einschlusskriterien: Männer im Alter zwischen 45 und 70 Jahren

Ausschlusskriterien: • bekannte koronare kardiovaskuläre Risikofaktoren (Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Bluthochdruck, Rauchen) und BMI über > 27.2 kg/m².

Outcome: Der primäre Endpunkt war der Nachweis von koronaren Plaques jeglicher Zusammensatzung in einem Coro-CT.

Ergebnisse: • Eingeschlossen wurden 605 Probanden, ausgewertet wurden 558 Teilnehmer, davon 191 lebenslange Ausdauersportler, 191 Späteinsteiger sowie 176 Nichtsportler als Kontrollen. • Das mittlere Alter betrug 55 (50–60) Jahre in allen Gruppen. • Lebenslanger Sport war mit einer gesamthaft höheren Plaquebelastung assoziiert mit einem gegenüber den Kontrollen 86 % erhöhten Risiko für ≥ 1 koronare Plaques (odds ratio [OR] 1.86, 95 % confidence ­interval [CI] 1.17–2.94) und sogar 96 % für ≥ 1 proximale Plaques (OR 1.96, 95 % CI 1.24–3.11) • Die Verteilung der Plaquetypen war ähnlich (lebenslanger Sport vs. Späteinsteiger vs. Kontrollen): am häufigsten waren kalzifizierte Plaques (62.3 % vs. 68.4 % vs. 67 %), vor gemischten (25.9 % vs. 21.8 % vs. 19.3 %) und nicht-kalzifizierten Plaques (11.8 % vs. 9.8 % vs. 13.7 %). • Die Prävalenz für eine ≥ 50 %ige Koronarstenose war bei den lebenslangen Athleten gegenüber den Späteinsteigern erhöht: 2.8-fach für jegliches Koronarsegment (OR 2.79, 95 % CI 1.22–28.80) und fast 6-fach für das proximale Segment (OR 5.92, 95 % CI 1.22–28.80).

Kommentar: • Die Studie zeigt, dass Sport das Risiko, relevante koronare Plaques und Stenosen zu entwickeln, erhöhen kann. Offenbar besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Sportintensität/-dauer und Ausmass der koronaren Veränderungen. • Alarmierend an den Ergebnissen ist, dass mit dem Sport neben der allgemeinen Plaquelast speziell die für ein ischämisches Event prädiktiven Plaques vermehrt waren. • Auch im Hinblick auf die Plaques zusammensetzung widerlegte die Studie die bisherige Annahme, dass Sport eher zu stabilen, kalzifizierten Plaques führt, wie dies beispielsweis durch Statine der Fall ist. • Es gilt wie zumeist im Leben die Empfehlung mit «Mass und Ziel»: moderater Freizeitsport kann die kardiovaskuläre Gesundheit fördern, die vorliegenden Ergebnisse sollten jedoch Anlass geben, vor intensivem Sport abzuraten, auch unter der Berücksichtigung des durch Ausdauersport deutlich erhöhten Risikos, Vorhofflimmern zu entwickeln.

Prof. Dr. Dr. med. Thomas Rosemann

Literatur: De Bosscher R, Dausin C, Claus P, Bogaert J, Dymarkowski S, Goetschalckx K, Ghekiere O, Van De Heyning CM, Van Herck P, Paelinck B, Addouli HE, La Gerche A, Herbots L, Willems R, Heidbuchel H, Claessen G. Lifelong endurance exercise and its relation with coronary atherosclerosis. Eur Heart J. 2023 Jul 7;44(26):2388-2399. doi: 10.1093/eurheartj/ehad152. Erratum in: Eur Heart J. 2023 Oct 1;44(37):3668. doi: 10.1093/eurheartj/ehad546. PMID: 36881712; PMCID: PMC10327878.

SGLT-2-Hemmer und kardiovaskuläres Outcome – Resultate einer grossen 2. Metaanalyse

SGLT2-Inhibitoren zeigten in den letzten sieben Jahren, seit der Publikation der EMPA-REG-Studie, einen eindrücklichen medizinischen Fortschritt bei grossen Patientenkollektiven mit kardiovaskulärem Risiko. Bisher gab es 14 grosse randomisierte Studien, die die Vorteile dieser Wirkstoffklasse bei verschiedenen Endpunkten zeigten; fast jede Studie wies dabei eine signifikante Verringerung der Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz um etwa 30 % nach (1).

In einer aktuellen Publikation im Circulation wird eine weitere Metaanalyse vorgestellt aus 11 Phase-III-Studien mit 78 607 Patienten. Diese schloss Patienten ein mit Diabetes Typ 2 (T2DM) mit hohem Risiko für eine atherosklerotische Erkrankung (ASCVD) (54.2 %), eine Herzinsuffizienz (HI) (26.4 %) bzw. eine chronische Niereninsuffizienz (CKD) (19.5 %).

Ein Nutzen bezüglich Reduktion des MACE-Risikos von 9 % konnte bei allen Patientengruppen nachgewiesen werden, dies unabhängig von einer dieser drei Erkrankungen. Vor allem der kardiovaskuläre Tod (HR 0.86) und der plötzliche Herztod (0.68) bei einer HI konnte signifikant gesenkt werden. Dieser war in allen Untergruppen konsistent. Bei Patienten mit einer Albuminurie war dies noch deutlicher. Kein signifikanter Effekt zur Vermeidung eines Myokardinfarktes und kein Effekt bezüglich einem Stroke (2).

SGLT2-Hemmer reduzieren das MACE-Risiko bei einem breiten Spektrum von Patienten, unabhängig von ASCVD, T2DM, CKD oder anderen wichtigen klinischen Merkmalen zu Studienbeginn. Diese Daten können dazu beitragen, SGLT2-H. Therapien über das ­gesamte Spektrum von T2DM-Herz-Kreislauf-Nieren- Erkrankungen hinweg bei der individuellen korrekten Indikation konsequent zu verordnen.

Dr. Urs Dürst, Forch

Literatur
1. Usman M.S. et al., Effect of SGLT2 inhibitors on cardiovascular outcomes in different patient populations, JACC 2023;81/25:2377-2387
2. Patel S.M. et al., SGLT2-Inhibitor and Major Adverse Cardiovasc. Outcomes, Circulation 7.4.2024 doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.069568.

Neudefinition des Eisenmangels bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz

Ein Serumferritin-Spiegel < 15 bis 20 μg/L identifizierte in der Vergangenheit Patienten mit fehlenden Eisenspeichern im Knochenmark, aber die Serumferritin-Werte werden durch die systemischen Entzündungszustände bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen oder Herzinsuffizienz verzerrt. Daher wurde vor fast 25 Jahren die diagnostische Ferritinschwelle bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung um das 5- bis 20-fache erhöht (d. h. Eisenmangel wurde festgestellt, wenn der Serumferritin-Spiegel < 100 μg/L war, unabhängig von der Transferrin-Sättigung [TSAT], oder 100 bis 299 μg/L, wenn die TSAT < 20 % war). Diese Empfehlung wurde nicht durch die Ergebnisse von Studien über die Eisenverarmung des gesamten Körpers oder des Gewebes motiviert, sondern durch den Wunsch, die Verwendung von Eisenpräparaten zu fördern, um die Reaktion auf Erythropoese-stimulierende Mittel bei Patienten mit Nierenanämie zu verstärken.

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz identifiziert diese Definition jedoch nicht zuverlässig Patienten mit einem absoluten oder funktionellen Eisenmangelzustand und schliesst Personen mit TSATs (≥ 20 %) und Serumferritin-Werten im Normalbereich (20–100 mg/L) ein, die keinen Eisenmangel aufweisen, eine ausgezeichnete Prognose haben und nicht positiv auf eine Eisentherapie ansprechen. ­Darüber hinaus können die Serumferritin-Werte durch die Einnahme von Neprilysin- und Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren verzerrt werden, die beide zur Mobilisierung endogener Eisenspeicher beitragen können. Die mit der grössten Evidenz- und in Studien erprobte Definition von Eisenmangel ist das Vorhandensein einer ­Hypoferrämie, die sich in einem TSAT-Wert < 20 % widerspiegelt. Diese hypoferrämischen Patienten weisen bei der Untersuchung des Knochenmarks in der Regel einen Eisenmangel auf, und nach einer intravenösen Eisentherapie zeigen sie eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit und der funktionellen Kapazität (wenn sie erheblich beeinträchtigt sind) und weisen die deutlichste Verringerung (d. h. 20–30 %) des Risikos eines kardiovaskulären Todes oder einer Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz auf. Daher schlagen die Autoren vor, die derzeitige, auf Ferritin basierende Definition von Eisenmangel bei Herzinsuffizienz aufzugeben und eine auf Hypoferrämie (TSAT < 20 %) basierende Definition zu übernehmen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Literatur: Parker M et al. Redefining Iron Deficiency in Patients With Chronic Heart Failure Circulation. 2024; 150: 151–161

der informierte @rzt

  • Vol. 14
  • Ausgabe 9
  • September 2024