Editorial

Unter uns: Nervt Euch das auch?

Kein Wunder, dass keiner mehr Hausarzt werden will



Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein Editorial als „Nerv-Sammlung“ «Was ich schon immer einmal sagen wollte»? Eigentlich möchte ich das alles gar nicht öffentlich aufführen, aber hier so unter uns muss es doch einmal ’raus. Also los geht’s.
Das nervt – unter anderem…:

Es nervt, dass Unfälle abrechnungstechnisch so mühsam sind. Da muss man den Patienten anrufen, wieder um die Meldung bitten, die Schadensnummer erfragen. So mühselig für etwas, das man auch mit AHV-Nummer und Unfalldatum abrechnen könnte. Mir graut jeweils schon, wenn jemand mit «Unfall» hereinspaziert. Bitte ändert das.

Und die Unfallformulare: Geht das nicht unkomplizierter? Vor allem bei Bagatellunfällen?

• Die IV-Formulare und -Rückmeldungen: Die empfinde ich wirklich als maximal aufwendig. Ich brauche schnell mal 30 Minuten, können aber auch mehr sein. Und muss ab und zu mit Patient und anderen Behandlern sprechen. Häufig habe ich das Gefühl, ich fülle dasselbe schon wieder aus. Und liest das auch jemand? Bitte ändert das.

• Die Covid-Tests: Deren Verrechnungsblöcke änderten gefühlt alle 1-2 Monate. Muss das sein? Auch hat man es dann häufig erst bei den Rückweisungen gemerkt. Dann erhält man dann deren Viele. Ich habe es nie ganz verstanden, wenn pro Test Fr. 2.50 eingespart wurden und der bürokratische Aufwand dahinter ein Vielfaches davon war. Aber den kann man ja zum Glück nicht in Rechnung stellen.

• Die Covid-Impfungen: Wieso konnte man das nie wie eine Grippeimpfung verrechnen, und dann wird es von den Kassen vom Bund zurückgefordert. Diese aufwendige Erfassung, die Vacme-Administration (und -Zertifikate) bei Älteren, die auf unsere Hilfe angewiesen waren, und dann die langen Listen, die man initial führen musste und die Auszahlung, die bei einigen Ärzten und bei mir danach nur Teilauszahlungen waren. All das ärgert. Und es ist aufwendig. Und es führt wirklich dazu, dass einem die Lust vergeht. Wir haben zum Beispiel initial auch gratis Hausbesuche gemacht, um HochrisikopatientInnen zu Hause zu impfen. Und dann so ein Ärger mit der Erfassung und Abrechnung. Wir haben uns wirklich geärgert. Und wir haben nach 6 Monaten aufgehört, mit Impfen und mit dem Ärger.

• Die Krankenkassenrückfragen auf Papier: Gäbe es da nicht eine elektronische Möglichkeit? Ich finde es etwas schade, wie im Mittelalter noch Briefe hin und her zu schicken.

• Die Aberkennung von online-Weiterbildungspunkten über 12 bei der SGAIM: Das verstehe ich nicht. Online sind mehrere Präsenzkontrollen in der Fortbildung pro Tag (meistens 5). Vor Ort kann man einmal unterschreiben. Wieso ist es plötzlich nicht mehr möglich? Wieso ist Fortbildung am Bildschirm weniger gut wie eine Unterschrift vor Ort?

Insgesamt wird so unser Berufsstand Hausarzt aussterben.
Es wird so nicht möglich sein, junge Hausärzte zu motivieren. Es kommt mir vor wie im Spital. Die Kernkompetenz, die Zeit und Arbeit an und mit dem Patienten, schrumpfen auf einen Bruchteil. Der Rest ist Administration. Für mich geschieht dasselbe in der Praxis. Muss das sein?
Wir sollten zusammensitzen, reden und einiges ändern. Und nicht einfach aussterben.

Dr. med. Dr. sc. nat. Andreas Bäbler

DrAndreas Bäbler

Herrliberg

der informierte @rzt

  • Vol. 14
  • Ausgabe 2
  • Februar 2024