- Magenkarzinome
Adenokarzinome des Magens sind eine mässig häufige, aber prognostisch noch immer ungünstige Tumorerkrankung. Bei lokalisierten Stadien erfolgt bei Erstdiagnose ein exaktes endoskopisches sowie bildgebendes Staging, häufig ergänzt durch eine diagnostische Laparoskopie samt Spülzytologie. Bei der histologischen Untersuchung des Gewebes ist neben der Subtypisierung nach Lauren zusätzlich die Bestimmung der Mikrosatelliten-Stabilität angezeigt. Die kurative Behandlung des Magenkarzinoms besteht nur in Frühstadien aus alleiniger endoskopischer oder chirurgischer Resektion. Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren kommt eine perioperative Chemotherapie mit FLOT (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel) in Kombination mit der (sub-)totalen Gastrektomie mit D2-Lymphknotenresektio zum Einsatz. Bei metastasierten Tumorleiden erfolgt eine Platin- und 5-FU-basierte Systemtherapie. Bei PD-L1-positiven Tumoren ist eine zusätzliche Gabe von anti-PD1 Antikörpern indiziert. Bei HER2/neu-positiven Tumoren wird die Chemotherapie mit dem anti-HER2 Antikörper Trastuzumab ergänzt. Weitere Chemotherapieprotokolle kommen in späteren Behandlungslinien zum Einsatz, vielversprechende neue Substanzen für definierte molekulare Untergruppen befinden sich in klinischer Entwicklung. Trotz relevanter Fortschritte in den letzten Jahren bleibt die Rückfallrate nach Resektion hoch und die Gesamtsituation bei metastasierter Erkrankung palliativ mit mittleren Überlebenszeiten von nur wenig über einem Jahr.
Adenocarcinomas of the stomach are not amongst the most frequent cancers of the Western world but they warrant attention for their dismal prognosis. Diagnostic work-up for gastric cancer includes endoscopy with biopsy, endosonography, CT staging and diagnostic laparoscopy. There is a need for assessment of mismatch repair deficiency in all stages of disease. Curative therapy of gastric cancer consists of upfront resection in early stages, perioperative chemotherapy with FLOT and (sub-) total gastrectomy with D2 lymph node dissection in local advanced disease. In case of metastatic disease, first line palliative therapy is based on chemotherapy with platinum and 5-FU. If the tumor expresses PD-L1, an anti-PD1 antibody should be added. In HER2-positive tumor, the anti-HER2 antibody trastuzumab should complement chemotherapy. Further line chemotherapy protocols are available, and novel substances are in clinical development for distinct molecular subgroups. Despite recent progress, relapse rate after curative treatment remains high, and patients with metastatic disease are being treated with palliative intent, achieving a median overall survival of little more than one year.
Key Words: adenocarcinoma, stomach, gastric cancer, FLOT
Epidemiologie
Im Magen gibt es drei verschiedene Kategorien von Tumoren: das Adenokarzinom der Magenschleimhaut, die neuroendokrinen Tumoren der endokrin aktiven Magenschleimhautzellen und die Stromatumoren der Magenwand. In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf das Adenokarzinom der Magenschleimhaut, den häufigsten und prognostisch schlechtesten Magentumor.
Magenkarzinome waren vor 100 Jahren häufiger als sie es heute sind. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass damals mehr gepökelte Lebensmittel und damit mehr Nitrite und Nitrate konsumiert wurden. Mit der Einführung des Kühlschranks hat die Rate der Magenkarzinome über die Zeit abgenommen. Neben alimentären gibt es auch andere Risikofaktoren für die Entstehung eines Magenkarzinoms (Abb. 1). Eine Raucher-Anamnese erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Ein gastraler Infekt mit Helicobacter pylori ist ebenfalls ein Risikofaktor. Magenkarzinome ohne H. pylori Infekt sind seltener, aber die meisten Menschen mit einem H. pylori Infekt werden nie ein Magenkarzinom entwickeln. Weiterhin gibt es auch ein epidemiologisches Ost-West Gefälle: Magenkarzinome sind in asiatischen Ländern häufiger. Allerdings haben die Magenkarzinome im Osten häufig günstigere histologische Charakteristika, sodass die Überlebensraten regelmässig 30-40% über denjenigen der westlichen Länder liegen.
Hereditäre Magenkarzinome sind selten und kommen typischerweise bei familiärem Verlust des Adhäsionsmoleküls E-cadherin vor. Die Penetranz von Magenkarzinomen bei E-cadherin Verlust ist hoch (über 80% Lebenszeitrisiko für die Entwicklung von Magenkrebs). Es gibt andere hereditäre Risikofaktoren (Li Fraumeni, APC Mutationen, Peutz-Jegher), die jedoch recht unspezifisch das Risiko für verschiedene Tumorentitäten erhöhen, nicht nur für Magenkarzinome (Abb. 1).
Symptome und Staging
Magenkarzinome verursachen zumindest in frühen Stadien wenig Symptome (Abb. 2). Aufgrund der insgesamt mässigen Inzidenz in westlichen Ländern wird trotz der fehlenden Frühsymptome kein Screening empfohlen. In den Hochinzidenzländern Asiens werden hingegen Screeningprogramme angeboten. Bei Progress können Magentumoren entweder lokal (z.B. gastrointestinale Blutung durch Arrodierung von Blutgefässen) oder systemisch (z.B. Passagestörung bei peritonealen Absiedlungen) symptomatisch werden. In diesem Fall ist eine Diagnostik mittels Endoskopie und Biopsie sowie ein CT Thorax/Abdomen nötig. Zur besseren Abschätzung der Eindringtiefe des Tumors in die Magenwand sowie des lokalen Lymphknotenbefalls kann eine Endosonographie nützlich sein. Vor einem kurativen Eingriff kann einmalig ein PET/CT zur Komplettierung des Stagings durchgeführt werden, auch wenn die Datenlage dafür eher dürftig ist. Eine diagnostische Laparoskopie wird in ca. 20 % der Fälle eine bisher bildgebend unentdeckte Peritonealkarzinose aufdecken können.
Was heute auch zur initialen Diagnostik des Magenkarzinoms gehören sollte, ist die Bestimmung der Mikrosatellitenstabilität (Tab. 1). Retrospektive Analysen haben Zweifel am Nutzen einer perioperativen oder adjuvanten Chemotherapie beim mikrosatelliten-instabilen (MSI-H), kurativ behandelbaren Adenokarzinom des Magens geweckt (1).
Tumormarker spielen in der Diagnose des Magenkarzinoms keine Rolle. Zu erwähnen ist einzig, dass Magenkarzinome in seltenen Fällen (<15%) AFP ausschütten können. Die Bedeutung dieses Befundes erschöpft sich darin, dass AFP-positive Magenkarzinome eine schlechtere Prognose haben.
Kurative Therapie
Zeigt das Staging ein lokalisiertes Magenkarzinom, kann eine Behandlung mit kurativer Intention erfolgen (Abb. 3). Für mikrosatelliten-stabile (MSS) Tumoren ist eine präoperative Behandlung mit 4 Gaben FLOT (5FU, Oxaliplatin, Docetaxel) gefolgt von einer Operation sowie weiteren 4 Gaben FLOT der aktuelle Standard. Einige Zentren geben stattdessen 6 Zyklen FLOT vor der Operation und verzichten dafür auf eine Chemotherapie nach der Resektion. Das hat damit zu tun, dass die Adhärenz zur postoperativen Chemotherapie bescheiden ist und bei einigen Patienten mit dieser total-neoadjuvanten Strategie eine höhere Gesamtdosis und Dosisdichte erreicht werden kann. Bei den MSI-H Tumoren laufen aktuell Studien, ob eine Chemoimmuntherapie oder eine alleinige Immuntherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor der bessere Ansatz ist.
Die Standard-Operation beim Adenokarzinom des Magens ist eine subtotale oder totale Gastrektomie. Das hat unter anderem damit zu tun, dass ein Lymphknotenbefall schon bei relativ kleinen Primarien häufig ist (ca. 10%, 34%, und 44% bei T1a, T1b, bzw. T2 Tumoren) Bei der operativen Sanierung sollte immer eine D2 Lymphknoten-Resektion angestrebt werden. Ist aus welchen Gründen auch immer keine präoperative Chemotherapie erfolgt, sollte nach D2 Resektion bei einem postoperativen pT3/4 und/oder pN+ Stadium eine adjuvante Chemotherapie mit z.B. Capecitabine und Oxaliplatin erfolgen. Bei R1/2 Resektion oder einem Stadium pT3/4 bzw. pN+ ohne vorangegangener D2 Resektion, besteht die Möglichkeit einer postoperativen Radiochemotherapie. In seltenen Fällen kann in frühesten Stadien eine endoskopische Resektion eines Magenkarzinoms erfolgen. Das ist nur bei gut oder mässig differenzierten Tumoren mit einer Grösse von ≤2 cm und ohne Invasion der tiefen Submucosa oder der Lymphgefässe statthaft (pT1a Stadium). Auf jeden Fall müssen bei einer endoskopischen Resektion die lateralen und tiefen Schnittränder tumorfrei sein und eine engmaschige Nachbeobachtung erfolgen.
Palliative Therapie
Ist keine Heilung möglich, geht es mit einer palliativen Therapie darum, die Lebensqualität zu verbessern und die Lebenszeit zu verlängern. Für die Erstlinientherapie stehen Platin- und 5-FU basierte Therapien zur Verfügung, z.B. in Form von FOLFOX. Anthracycline (wie z.B. Epirubicin) spielen praktisch keine Rolle mehr (2). Exprimieren Magenkarzinome PD-L1 (Combined positivity score (CPS ≥ 5), dann ist eine Behandlung mit FOLFOX und einem anti-PD1 Antikörper (Nivolumab) indiziert, in Analogie zur Checkmate 649 Studie. In der zweiten Linie ist eine Behandlung mit Taxanen, Ramucirumab, Paclitaxel/Ramucirumab oder Irinotecan möglich. In der dritten Linie gibt es Daten für TAS-102 sowie für Nivolumab als Monotherapie, sofern dieses nicht bereits in der ersten Linie eingesetzt worden ist.
Ist das Magenkarzinom HER-2 positiv (ca. ¼ aller Magenkarzinome), dann ist eine Behandlung mit Platin, 5-FU und Trastuzumab nötig. Aktuell laufen Studien, ob in diesem Fall neben Trastuzumab auch eine zusätzliche Kombination mit Pembrolizumab sinnvoll wäre. In der zweiten Linie kann man über eine Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan nachdenken, einem neuen Antikörper-Drug-Konjugat. Hingegen sind andere Medikamente, die beim HER-2 positiven Brustkrebs etabliert sind, beim HER-2 positiven Magenkarzinom nicht (genug) wirksam, insbesondere Trastuzumab-Emtansin oder Trastuzumab/Pertuzumab Kombinationen.
MSI-H Magentumoren machen ca. 10% aller Magenkarzinome, aber nur rund 3% der metastasierten Magenkarzinome aus. In der palliativen Situation besteht bei MSI-H Magenkarzinomen die Indikation für eine Erstlinien-Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren. Diese kann im besten Fall zu dauerhaften Remissionen und damit zu einem viel besseren Outcome führen als wir es für MSS Magenkarzinome erwarten können. Es ist deshalb ausserordentlich wichtig, den Mikrosatelliten-Status von Magenkarzinomen früh und zuverlässig zu erfassen (Abb. 3).
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Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Lokalisierte Adenokarzinome des Magens werden mit einer perioperativen Chemotherapie (FLOT) sowie einer (sub-) totalen Gastrektomie mit D2-Lymphknotenresektion behandelt.
◆ Sowohl in der kurativen als auch in der palliativen Situation ist der Mikrosatelliten-Status (instabil versus stabil) ein wichtiger biologischer Marker.
◆ Beim metastasierten Adenokarzinom des Magens werden Mikrosatelliten-stabile Tumoren mit einer Platin- und 5FU-basierten Chemotherapie behandelt. Bei Expression von PDL1 wird zusätzlich zur Chemotherapie ein Checkpoint-Inhibitor (anti-PD1 Antikörper) verabreicht. Bei Her2 positiven Magenkarzinomen wird zusätzlich der anti-Her2 Antikörper Trastuzumab eingesetzt.
◆ Beim metastasierten Mikrosatelliten-instabilen Magenkarzinom ist die Immuntherapie (ohne Chemotherapie) die Behandlung der Wahl.
1. Pietrantonio F, Miceli R, Raimondi A, et al. Individual Patient Data Meta-Analysis of the Value of Microsatellite Instability As a Biomarker in Gastric Cancer. J Clin Oncol, 2019;37:3392-3400
2. Oba K, Paoletti X, Bang YJ, et al. Role of chemotherapy for advanced/recurrent gastric cancer: an individual-patient-data meta-analysis. Eur J Cancer, 2013;49:1565-1577
3. Wanebo H, Kennedy B, Chmiel J, Steele G Jr, Winchester D, Osteen R. Cancer of the stomach: a patient care study by the American College of Surgeons. Ann Surg 1993;218:583-592
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- Ausgabe 7
- Juli 2022