- Neues zu Diabetes und Konsequenzen für die Praxis
Neues zum kardiovaskulären Risiko und zur Mortalität von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2
Patienten mit Typ-2-Diabetes haben ein 2-4 Mal höheres Risiko für Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse als die Gesamt-bevölkerung. Interventionsstudien bestätigten, dass die optimale Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren Blutzucker, Blut-druck oder Cholesterin das Komplikationsrisiko reduziert, wobei das Ausmass der Reduktion abhängig von der Art der Intervention stark variierte. Die intensive Einstellung auf die Zielwerte zeigte im Vergleich zu herkömmlicher Einstellung auch bei multifaktoriellen Interventionen, einschliesslich Lifestyle-Anpassung und medikamentöse Behandlung, eine signifikante langfristige Verringerung der Mortalität infolge kardiovaskulärer Ereignisse. In dieser Hinsicht war die STENO-2-Studie wahrscheinlich die aufschlussreichste Studie.
Die im Folgenden vorgestellte, im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie liefert zusätzliche Informationen bezüglich der Wirkung des kardiovaskulären Risikofaktorenmanagements auf das Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko bei einer nationalen Gruppe von Typ-2-Diabetespatienten in Schweden. Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zwischen der Qualität der Risikofaktorkontrolle und kardiovaskulären Ereignissen abzuschätzen.
Die Studie umfasste 271´174 Patienten mit Typ-2-Diabetes im Vergleich zu 1´350´870 nach Alter und Geschlecht vergleichbaren Patienten. Analysiert wurden die Risikofaktoren Diabetes (beurteilt anhand des HbA1c), LDL-Cholesterin, Albuminurie, Rauchen und Blutdruck, deren Grad der Kontrolle und schliesslich die Wirkung der Kontrolle auf Mortalität, Herzinfarktrisiko, Schlag-anfall und Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz.
Der mediane Follow-up betrug 5,7 Jahre, währen welchem es zu 175´345 Todesfällen kam. Eine optimale Kontrolle jedes der untersuchten Risikofaktoren war mit einem Rückgang der Mortalität und kardiovaskulärer Ereignisse verbunden. Diabetiker, die alle fünf Risikofaktoren zielgerecht eingestellt hatten, wiesen eine ähnliche Mortalitätsrate sowie ein ähnliches Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall auf wie die Kontrollpersonen. Dagegen war das Hospitalisationsrisiko wegen Herzinsuffizienz bei diabetischen Patienten höher als bei nicht-diabetischen, unabhängig vom Grad der Kontrolle der Risikofaktoren. Ein HbA1c-Anstieg war der beste Indikator für Schlaganfall und Infarkt, während Rauchen die wichtigste Determinante für Sterblichkeit war.
Diese Kohortenstudie aus einem schwedischen Register zwischen
1998 und 2012 zeigt, dass Patienten mit Typ-2-Diabetes mit guter Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren ein ähnliches Risiko für Mortalität, Schlaganfall und Myokardinfarkt haben wie die Gesamtbevölkerung. Diese Studiendaten sind äusserst wichtig, denn sie zeigen, dass Ärzte die Morbidität und Mortalität ihrer Patienten durch ein ausgezeichnetes Management der Risikofaktoren entscheidend beeinflussen können. Die Studie zeigte jedoch auch, dass das Herzinsuffizienz-Risiko diabetischer Patienten unabhängig von der Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren höher ist als das der Gesamtbevölkerung.
Andererseits erhöht eine schlechte Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren die Sterblichkeit um das 3-5-Fache, das Risiko für Herzinfarkt um das 4-8-Fache, für Schlaganfall um das 3-6-Fache und für Herzinsuffizienz um das 2-4-Fache im Vergleich zu gut kontrollierten diabetischen Patienten, die selbst ein 2-3-fach höheres Risiko haben als nicht-diabetische Patienten. Prädiktoren für Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz waren Vorhofflimmern, ein hoher Body-Mass-Index (BMI), schlechte Diabeteskontrolle und reduzierte Nierenfunktion.
Kommentar
Diese schwedische Studie liefert uns zwei Hauptbotschaften. Zum einen, dass eine sehr gute Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren Morbidität und kardiovaskuläre Ereignisse signifikant auf ein ähnliches Niveau wie bei nicht-diabetischen Patienten reduzieren kann. Zum anderen ist das Risiko für Herz-insuffizienz bei Diabetikern höher und sollte uns veranlassen, entsprechende Symptome und gefährdete Patienten besser zu identifizieren, da eine frühzeitige Identifizierung die langfristige Prognose verbessern sollte.
Die zukünftige Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2
Neuere Interventionsstudien mit neuartigen antidiabetischen Molekülen haben gezeigt, dass einige davon mit einer Reduktion der Mortalität und kardiovaskulärer Ereignisse verbunden sind. Die EMPA-REG- und CANVAS-Studien, die den Nutzen einer Empagliflozin- bzw. Canagliflozin-Therapie zusätzlich zur Standard-Antidiabetestherapie untersuchten, zeigten, dass diese beiden Gliflozine Sterblichkeit, kardiovaskuläre Ereignisse und insbesondere Hospitalisationen infolge Herzinsuffizienz reduzieren können. Ebenso zeigten zwei neuere Studien mit den GLP-1-Analoga Liraglutid und Semaglutid, LEADER und SUSTAIN-6, dass diese Substanzen als add-on zur Standard-Antidiabetestherapie die kardiovaskuläre Mortalität reduzieren können.
Beide Wirkstoffklassen sind mit Gewichtsreduktion und leichtem Abfall des Blutdrucks verbunden, ohne Hypoglykämien zu verursachen. Es war daher logisch, sich vorzustellen, dass die Kombination dieser Substanzklassen nicht nur die Diabeteskontrolle verbessern, sondern auch mit einer signifikanten Gewichtsabnahme einhergehen und möglicherweise die kardiovaskuläre Morbidität weiter reduzieren könnte.
Hierzu wurden kürzlich mehrere vergleichende Studien durchgeführt, die ein GLP-1-Analogon und ein Gliflozin kombinieren. Eine ist die DURATION-8-Studie, die Sicherheit und Wirksamkeit von Exenatid, subkutan injiziert, in Kombination mit Dapagliflozin im Vergleich zu Exenatid allein oder Dapagliflozin allein auf der Basis einer Metforminbehandlung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes untersuchte. Die Dauer der Studie betrug 52 Wochen.
695 Patienten wurden randomisiert mit einem durchschnittlichen HbA1c von 9,3%. Nach 52 Wochen war die Reduktion des glykosylierten Hämoglobins mit der Kombination von Exenatid und Dapagliflozin (-1,75%) grösser als mit Exenatid allein (-1,38%) und/oder Dapagliflozin allein (-1,23%). In den drei Gruppen betrug der durchschnittliche HbA1c-Wert 6,9% mit der Kombination; 7,2% mit Exenatid und 7,4% mit Dapagliflozin. Auch der Gewichtsverlust war mit der Kombination (-3,3 kg) im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen (-1,5 kg bzw. -2,28 kg) höher, ebenso der Blutdruck tiefer. 5 bis 10% der Patienten klagen über Übelkeit mit Exenatid und 1 bis 5% der Patienten stoppten die Studie wegen Nebenwirkungen.
Kommentar
Diese Studie zeigt, dass neue Therapeutika wie Gliflozine und GLP-1-Analoga nicht nur zu einer besseren Diabeteskontrolle, sondern auch zu Gewichtsverlust und niedrigerem Blutdruck führen, dies sowohl allein als auch in Kombination, ohne Hypoglykämie zu verursachen. In dieser Studie konnte die Kombination von Exenatid und Dapagliflozin, obwohl sie wirksamer war als die Monosubstanzen, keinen zusätzlichen Effekt im Vergleich zu denjenigen erzielen, die bei der Monotherapie zusätzlich zu Metformin beobachtet wurden. Trotz dieser Enttäuschung ist diese Kombination wahrscheinlich die effektivste in der aktuellen Behandlung von Typ-2-Diabetes zur Blutzuckereinstellung, Gewichtskontrolle und möglicherweise bei kardiovaskulären Ereignissen. Es ist auch wahrscheinlich, dass bei Substanzen, die stärker als Exenatid sind, wie z.B. Semaglutid, die Wirksamkeit noch höher ist, was die glykämische Kontrolle, das Gewicht und die kardiovaskulären und renalen Komplikationen betrifft. Die Zukunft wird es uns sagen, aber diese Kombination scheint heute die beste Therapie zu sein.
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich
Roger.Lehmann@usz.ch
Hôpitaux universitaires de Genève
Clinique d’endocrinologie, diabétologie et hypertension
Rue Gabrielle Perret-Gentil 4
1205 Genève
Jacques.Philippe@hcuge.ch
JP: Forschungsförderung durch Novo Nordisk, Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, Boehringer Ingelheim, Astra Zeneca und Johnson & Johnson.
RL: Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.
Literatur:
Rawshani A et al, Risk Factors, Mortality, and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med 379:633-4
Jabbour SA et al. Safety and efficacy of exenatide once weekly plus dapgliflozin once daily versus exenatide or dapagliflozin alone in patients with type 2 diabetes inadequately controlled with metformin monotherapy : 52-week results of the DURATION-8 randomized controlled trial. Diabetes Care 2018;41:2136-46
der informierte @rzt
- Vol. 8
- Ausgabe 12
- Dezember 2018