- Neuropathischer Schmerz nach Chemotherapie
Trotz dem bedeutenden Erfolg der modernen Chemotherapieverfahren lässt sich ein Einfluss auch auf das gesunde Gewebe oft nicht vermeiden, wobei neurotoxische Nebenwirkungen für den Patienten besonders beeinträchtigend sein können. Dieser Artikel gibt einen Überblick über das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten von neuropathischen Schmerzen.
Bei der Chemotherapie handelt es sich um eine medikamentöse Therapie eines Tumors. Voraussetzung für eine onkologische Therapie ist die Diagnose des Tumors, die Kenntnis des Stadiums der Erkrankung, sowie die molekularen Merkmale des Tumors.
Formen und Zielsetzung einer Chemotherapie
Unterschieden werden folgende Zielsetzungen der Chemotherapie:
1. kurative Therapie: Potentielle Heilung
2. palliative Therapie: Verminderung des Tumorleidens und damit Erhöhung der Lebensqualität ohne Aussicht auf Heilung
3. neo-adjuvante Therapie: Präoperative Chemotherapie, um eine Erniedrigung des Stadiums präoperativ zu erreichen
4. adjuvante Therapie: Nach Durchführung einer potenziell kurativen Tumortherapie soll eine adjuvante Chemotherapie Rezidive verhindern
Die wesentlichen Therapieformen werden nach folgenden Kriterien unterschieden:
Systemische (i.v. oder orale Verabreichung) oder regionale Chemotherapie (intrathekal, intrapleural, selektive Perfusion von Organen) sowie kontinuierliche (täglich Einnahme der Therapeutika ohne Unterbrechung) oder zyklische Therapie (Behandlung erfolgt an einem oder wenigen Therapietagen, gefolgt von einer Behandlungspause).
Allgemeine und neurologische Nebenwirkungen
Das Ziel jeder Chemotherapie ist die Hemmung der DNA Replikation und damit der Tumorzellen. Bei jeder Chemotherapie wird je nach Methode und verwendetem Medikament auch gesundes Gewebe mehr oder weniger stark angegriffen.
Darum: Keine Chemotherapie ohne Nebenwirkungen.
Unter anderem können folgende Nebenwirkungen auftreten:
- Myelosuppression mit Immunsuppression welche die Patienten anfällig für Infektionen und septische Komplikationen machen
- Übelkeit und Erbrechen
- dermatologische Nebenwirkungen wie Haarausfall und Hyperkeratosen
- thromboembolische Ereignisse
- neurotoxische Nebenwirkungen. Hierbei sind zu unterscheiden zwischen zentralnervösen Störungen (Rückenmark und Gehirn), sowie Polyneuropathie (peripher und autonom).
Die Patienten geben als unangenehmste aller Nebenwirkungen brennende Schmerzen in der Peripherie an. Hinzu kommen unter Umständen noch Kribbelparästhesien, sowie Schwäche der Extremitäten. Beim Auftreten dieser Symptome sollte also primär an die Chemotherapeutika induzierte periphere Neuropathie gedacht werden.
Die Chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathien werden vor allem durch folgende Chemotherapeutika begünstigt:
- Alkaloide aus Vinca rosea ( Alle, deren Name mit Vin- beginnt)
- Alkaloide aus der Klasse der Taxane (Alle, deren Name mit -taxel endet)
- Platinanaloga
Ebenso sind Patienten mit erhöhtem Lebensalter, sowie kachektische und neurologisch vorgeschädigte Patienten – Stichwort Diabetes – eher davon betroffen.
Behandlungsmöglichkeiten
Der Behandlung dieser neuropathischen Schmerzen im Speziellen, aber auch der Schmerzen im Allgemeinen kommt, neben der Chemotherapie, bei der Tumorbehandlung eine zentrale Bedeutung zu. Die häufigsten Gründe einer unzureichenden Schmerztherapie sind die fehlende Schmerzdiagnose, sowie die Unterschätzung der Schmerzen. Ein Fehler, der ebenfalls häufig begangen wird, ist die Verordnung nach Bedarf statt nach Schmerzvorbeugung.
Die Grundregeln einer effektiven Schmerztherapie sind folgende:
1. Orale Gabe anstreben da diese bei über 90% effektiv ist
2. Regelmässige Einnahme nach festem Zeitschema
3. Die individuelle Dosierung muss ermittelt werden. Die Dosis wird so lange erhöht bis eine ausreichende Schmerzreduktion erreicht ist
4. Eine kontrollierte Dosisanpassung
5. Die Medikation antizipiert die Schmerzen und läuft dem Schmerz nicht hinterher.
Die Therapie von neuropathischen Schmerzen ist äusserst schwierig, da nur bei 40–60% eine wirkliche Schmerzreduktion erreicht werden kann.
Als Therapeutika der ersten Wahl gehören Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin: Saroten®), SSNRI (z.B. Duloxetin: Cymbalta®) und Antikonvulsiva (Pregabalin: Lyrica®, Gabapentin: Neurontin®). Andere Medikamentenklassen umfassen topische Behandlungen wie Lidocain 2% Patches oder Capsaicin 8% Patches. Ebenso kommen schwache Opiate (Tramadol®) oder die starken Opiate in Frage. Diese Therapeutika sind jedoch nur in zweiter Linie einzusetzen.
Zu wenig schlüssigen Resultaten haben bis jetzt die Kombination einzelner Medikamentenklassen geführt. Ebenso brachten Cannabinoide nur wenig versprechende Resultate. Weitere Forschung muss ebenso noch an interventionellen schmerztherapeutischen Ansätzen (Neurostimulatoren, intrathekale Schmerzmittelpumpen) getätigt werden.
Bei allen medikamentösen Ansätzen werden zunächst die üblichen Dosierungen eingesetzt. Bei Anzeichen einer Unterdosierung wird antizipierend die Dosis gesteigert, damit der Patient schon gar nicht in eine schwer therapierbare Schmerzspitze gerät. In jedem Fall sollte so früh wie möglich ein Schmerzspezialist beigezogen werden. Eine wirksame Prophylaxe ist bisher keine bekannt.
Fazit
Der Neuropathische Schmerz ist eine äusserst schwierig zu behandelnde Krankheit. Diese kommt zum eigentlichen Tumorleiden hinzu und bedarf einer separaten Therapie. Die eigentliche Crux liegt im Umstand, dass die Therapie des einen Leidens, Chemotherapie, das Entstehen des anderen, des neuropathischen Schmerzes, erst verursacht. Die Therapie des neuropathischen Schmerzes nach Chemotherapie kann daher nicht von einer einzelnen Fachrichtung ausgeübt werden. Es ist von äusserster Wichtigkeit, dass die Schmerztherapie in die Diskussion über die Behandlung eines Tumorpatienten im Tumor Board integriert wird. So kann das zusätzliche Leiden des Patienten in der Behandlung der Grundkrankheit reduziert werden.
Praxisklinik Urania
Löwenstrasse 28
8001 Zürich
Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
- Dass Chemotherapie neben den Tumorzellen auch gesundes Gewebe angreift, ist hinlänglich bekannt. Dies ergibt sich daraus, dass Chemotherapeutika die schnell teilenden Tumorzellen, aber auch schnell teilende Zellen in anderen Geweben schädigt
- Dadurch entstehen die Hauptnebenwirkungen betreffend den Magen-Darm-Trakt, sowie dermatologische (Haarausfall) und hämatologische Bereiche (Immunschwäche, thromboembolische Ereignisse)
- Eine zusätzliche Komplikation kann die Schädigung von Nervenzellen sein, insbesondere von peripheren Nervenendigungen. Dies kann
sich in neuropathischem, brennendem Schmerz äussern. - Diese Schmerzen sind äusserst schwierig zu behandeln und erfordern spezielle Kenntnisse der Schmerztherapie, welche ein interdiszipli-näres Konzept erfordern, unter anderem mit Onkologen und Schmerztherapeuten.
der informierte @rzt
- Vol. 9
- Ausgabe 3
- März 2019