- Operative Therapie der Endometriose – Bestimmt das Ziel die Radikalität?
Am 10.-11. Februar fand am Universitätsspital Zürich der 9. Internationale Kongress für Gynäkologie, organisiert durch die Klinik für Gynäkologie unter der Leitung von Prof. Dr. med. Gabriel Schär, statt. Nationale und internationale Experten präsentierten in 4 Symposien aktuelle Daten in den Gebieten Allgemeine Gynäkologie, Gynäkologische Onkologie, Senologie und Urogynäkologie. Im Folgenden wird über ein Referat aus der allgemeinen Gynäkologie berichtet.
Zu den Grundprinzipien in der Therapie der Endometriose äusserte sich PD Dr. med. Dimitri Sarlos, Aarau, wie folgt: Die Endometriose ist eine chronische Erkrankung. Es gibt keine kausale Therapie. Das Therapiekonzept muss verschiedene Aspekte miteinbeziehen (Beschwerden, Kinderwunsch, Alter, Begleiterkrankungen, vorausgegangene Therapien und Operationen). Die Wahl der Therapie und mögliche Folgen (Komplikationen) sind mit der Patientin genau zu besprechen.
Chirurgische Therapie der Endometriose
Die Laparoskopie ist Gold-Standard in der Therapie der Endometriose (EM). Die Exzision von peritonealen EM-Herden führt zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzsymptomatik. Bei symptomatisch tief infiltrierender EM sollte eine makroskopische komplette Resektion erfolgen.
Ziele der chirurgischen Therapie sind: Festlegen des Ausmasses der Erkrankung (Staging), histologische Bestätigung und Ausschluss einer Malignität (Ovar), Verbesserung der Lebensqualität/Fertilität. Das Begleittrauma ist möglichst klein zu halten (Fertilität/Funktionalität).
Der Referent machte die folgenden Statements: Es gibt ein Dilemma zwischen Radikalität und Funktionserhaltung. Die Endometriose ist kein Tumor. Die Frage stellt sich, von welcher Läsion die Beschwerden kommen. Eine inkomplett operierte tief infiltrierende Endometriose sollte vermieden werden.
Endometriome
Der Referent nannte die folgenden Massnahmen: Histologische Klärung und Verbesserung der Schmerzsituation, Erhaltung/Verbesserung der Fertilität (der AMH-Wert ist bei Endometriomen signifikant tiefer und die Chirurgie traumatisiert die Ovarialreserve. Bei geplanten IVF die Endometriome <2-4cm belassen.
Chirurgie der Endometriose
Einfluss der Operation auf die Ovarialreserve: Einflussgrössen sind die Grösse des Endometrioms und die Bilateralität, das Rezidivendometriom; die Naht ist besser als die Koagulation. Die Erfahrung des Operateurs spielt eine Rolle. Die Zystektomie ist besser als die Ablation (Strom, Laser, Argon) betreffend Rezidiv und Schmerz. Ist eine IVF/ICSI-Behandlung geplant, verbessert die Zystektomie die Schwangerschaftsrate nicht.
Aus der S2K-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Endometriose 2020 ergeben sich die folgenden Massnahmen: Operation vor allem bei symptomatischen Patientinnen, AMH muss präoperativ bestimmt werden. Zystektomie, danach keine Koagulation aber Adaptation. Suspension zur Rezidivprophylaxe. Wenn IVF geplant ist: nicht operieren (<4cm), sofern schmerzfrei. Im Rezidivfall Vorsicht mit Zystektomie, vor allem bei Infertilität.
Tief infiltrierende Endometriose (DIE)
Sie wurde von Rokitansky 1860 erstmals beschrieben. Sie kann grundsätzlich überall auftreten (rektovaginal, vesikouterin, parametran) Es existieren verschiedene Klassifizierungssysteme (Keckstein J, 2017, Koninckx PR, 2012). Histologisch ist sie charakterisiert durch Entzündung und Fibrose. Die Fibrose führt zu veränderter Anatomie, fehlenden Schichten.
Grundsätze zur Chirurgie der rektovaginalen (RV) Endometriose
Die komplette Resektion der DIE und ein möglichst kleiner Kollateralschaden (Funktionalität) sind anzustreben. Es sollte in Arealen, wo keine Endometriose besteht, begonnen werden und die zu schonenden Strukturen sollten vor der Resektion dargestellt werden.
Die Radikalität bei der Therapie der RV Endometriose ist wichtig, weil die Komplettresektion die Schmerzen, die Dyspareunie, die Dyschezie und die Lebensqualität verbessert. Rezidive sind bei inkompletter Resektion häufig, Rezidivoperationen sind schwierig, Fibrose der Endometriose und postoperative Fibrose. Der Effekt auf die Fertilität ist unklar.
Risiken der Radikalität bei RV Endometriose sind RV Fisteln, Nahtinsuffizienzen (5-14%), persisitierende Realharnbildung (3-5%), Hypästhesien am Genitale und an Oberschenkeln.
Nervenläsionen der rektovaginalen Endometriose können vermieden werden durch nervenerhaltende Operation. Die relative Risikoreduktion für Restharn postoperativ gegenüber konventioneller Chirurgie beträgt 0.19. Allerdings cave Peritektomie (Nervi hypogastrici), cave Pararektale laterale Resektion (Nn Splanchnici). Der Operateur muss die Anatomie der Beckennerven gut kennen.
Kolorektale Endometriose: Prinzipiell existieren drei mögliche chirurgische Behandlungsmethoden bei kolorektaler Endometriose: «rectal shaving», diskoide Resektion und Segmentresektion des Rektums.
Der Vergleich der Segmentresektion versus Shaving oder Diskoide Exzision ergibt die folgenden Resultate: Anastomoseinsuffizienzen nach Segmentresektion in 3-5%. «Low anterior resection syndrome» bis zu 30%. Shaving ergibt weniger Komplikationen als Diskoide Exzision, Diskoide Exzision gibt weniger Komplikationen als Segmentresektion.
Indikationen für Segmentektomie: Dazu gehören mehrsegmentale Läsionen, Stenosen, grosse Noduli (ab 3-4cm), breitflächige Infiltration (ab 30% der Zirkumferenz).
Vermeiden der schweren Komplikationen bei Operationen der RV Endometriose: Der Referent empfiehlt Shaving, Diskoide Exzision statt Segmentresektion, cave darmnahe Koagulation, seromuskuläre Rektumnaht nach Darmwandexzision, Dichtigkeitsprobe. Darm nicht unnötig devaskularisieren, bei sehr tiefer Anastomose (<5-6cm) protektives Ileostoma.
Fazit
- Die operative Therapie der Endometriose ist komplex. Die Operation muss individualisiert durchgeführt werden.
- Bei Endometriomen scheint die endokrine Zystektomie Methode der Wahl zu sein.
- Rektovaginale EM sollte komplett exzidiert werden. Für rektovaginale EM ist Shaving besser als Diskoide Exzision/Segmentektomie. Nervenanatomie und Nerve-Sparing Surgery sind zu beachten. Selbstverständlich bestimmt das Ziel die Radikalität.
Quelle: 9. Gynäkologie-Kongress, Universitätsspital Zürich, 10.-11. Februar 2022
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