- Pruritus, das Kardinalsymptom vieler Erkrankungen
Juckreiz entsteht durch komplexe Vorgänge mit exogenen Einflüssen auf die Haut wie Allergene, Antigene und Schadstoffe, Einflüssen einer gestörten Hautbarriere und entzündlicher Vorgänge in der Haut mit Akkumulation von Zytokinen und Signalübertragung über sensorische C-Fasern. Er ist das Kardinalsymptom vieler internmedizinischer, neurologischer, psychiatrischer und dermatologischer Erkrankungen mit einer erheblichen Einbusse an Lebensqualität und Einschränkung im Alltag und Störung des Schlafes. Durch eine gezielte Anamnese, Untersuchung des gesamten Integuments und Laboruntersuchungen inklusive der klinischen Chemie, des Blutbildes, Glucose, Harnsäure, Schilddrüsenwerte und der Suche nach Parasiten und Allergien kann eine Ursache oft eruiert werden. Therapeutisch bilden hochdosierte Antihistaminika und topische Emollienzien mit Zusatz von Polidocanol, Milchsäure, Urea und Salicyl das Rückgrat der Behandlung und können ergänzt werden durch Lichttherapie, antimikrobielle Textilien und mehr. Durch die Eliminierung der auslösenden Faktoren kann das Leiden günstig beeinflusst werden.
Itch is the result of complex mechanisms with external influences on the skin such as allergens, antigens and pollutants/chemicals, influence of an impaired skin barrier and an inflammatory process leading to an accumulation of cytokines and signaling through sensory C-fibers. It is the cardinal symptom of many diseases in internal medicine, neurology, psychiatry and dermatology and leads to an extensive loss in quality of life, restrictions in everyday life and disturbed sleep. By thorough medical history, a whole-body examination and laboratory analysis including chemical parameters, blood count, glucose, uric acid, thyroid levels and the search for parasites and allergies an underlying cause can often be found. High-dose antihistamines and topical emollients containing polidocanol, lactic acid, urea and salicylic acid are the backbone of treatment and can be supplemented by phototherapy, textiles with antimicrobial function and more. By eliminating the underlying cause, a beneficiary outcome can be achieved.
Key words: Pruritus, Itching, Differential Diagnosis, Evaluation, Therapy
Nicht von ungefähr steht der Spruch «das juckt mich nicht», welcher impliziert, dass es sich beim Pruritus um einen störenden und plagenden Zustand handelt.
Tatsächlich führt der Juckreiz zu einer Verschlechterung der Lebensqualität mit DLQI Werten bis zu 30, einer Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, Arbeitsfähigkeit und des Schlafes.
Pruritus ist das Kardinalsymptom vieler internistischer, infektiologischer und dermato-allergologischer Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen und Parasitosen.
Der Pruritus entsteht durch Signalübertragung der Histaminrezeptoren, insbesondere der Histamin-1-Rezeptoren und bedient sich der neuralen C-Fasern, die auch für das Schmerzempfinden verantwortlich sind, weshalb bisweilen auch Stechen, Brennen und Schmerzen empfunden werden. Auch Nocirezeptoren werden stimuliert, und es sind bei entzündlichen Vorgängen der Haut Cytokine wie IL-4, IL-13 und insbesondere IL-31, welche den Juckreiz begünstigen.
Wo entsteht der Juckreiz?
Vereinfacht gesagt auf der Haut, in der Haut, unter der Haut und zentralnervös. In der Haut ist vor allem eine gestörte Barrierefunktion verantwortlich für die Juckreizgenese. meist aufgrund zu wenig eingebauter Sphingolipide und Ceramide, die genetisch durch eine Filaggrin-Mutation bei der atopischen Dermatitis zum Beispiel zustande kommt. So kann schon bei kleinen Kindern unter zwei Jahren eine spätere Neurodermitis anhand erhöhter proinflammatorischer Sphingosin-1-Phosphate prognostiziert werden (1). Aber auch vermehrte Auslaugung der Haut führt zu einem zunehmenden Barriereschaden, welcher das saure Milieu von pH 5.6 der Haut stören kann. Einfach gesagt ist Wasser schon Gift für die Haut mit einem pH von 7.
Eine Folge ist die zunehmende Schwierigkeit der Haut, Substanzen und Flüssigkeiten mit erhöhtem pH abzupuffern. Gerade die Staphylokokken, insbesondere Staphylococcus aureus, besiedeln die Haut in zunehmendem Masse bei gestörter pH-Balance. Durch den Barriereschaden nimmt der transepidermale Wasserverlust zu (TEWL), der Juckreiz generiert und zum Kratzen animiert, was wiederum einen zusätzlichen Schaden hervorruft. So kommt ein Circulus vitiosus in Gang.
Auf der Haut wirken Allergene, mikrobielle Antigene (zum Beispiel Toxine und Superantigene) und Kontaktallergene und lösen entweder eine Histamin-Antwort aus, eine unspezifische Antwort oder eine kontaktallergische mit einer Antigen-Prozessierung durch die dermalen dendritischen Zellen. Dies geschieht umso mehr, wenn die Hautbarriere geschädigt ist oder ganz fehlt, wie bei erosiven Hautpartien. Schadstoffe und Schwebeteilchen vermögen oxidativen Stress der Zellen auszulösen. Eine TH2-Dysbalance des Immunsystems und Alterierung des Mikrobioms der Haut mit vermehrtem Vorhandensein von Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis führen zu einer geringeren Produktion von Filaggrin und Invulocrin, die für die Barrierefunktion entscheidend sind (2).
Unter der Haut können sich verschiedene Stoffe akkumulieren, welche den Juckreiz fördern. Gute Beispiele hierfür sind Harnsäure, Kreatinin, Bilirubin, Glukose und Transaminasen. Auf welchem Weg dies geschieht, ist noch nicht ganz geklärt, wobei es beim Diabetes mellitus zu einer Schädigung der Nervenendigung kommt; oder der Juckreiz wird generiert über eine Polyneuropathie bei längerdauernder Hyperglykämie.
Zusätzlich kommt es zur transepidermalen Elimination von Stoffen durch die Haut, z. B. Harnsäure. Dermale Inflammation führt nicht nur zur zytokingebundenen Auslösung von Juckreiz, sondern auch zur Einspeisung sensibler Nervenfasern in die Haut, was die Empfindlichkeit zusätzlich verstärkt.
Zentralnervös besteht ein Juckreizzentrum im Thalamus mit Verbindung zu verschiedenen Arealen am Cortex. Nicht nur wird hier der Juckreiz empfunden, sondern er kann auch hier entstehen, wie z. B. bei hirnorganischen Schäden, vermutlich auch beim senilen Pruritus. Es konnte auch gezeigt werden, dass bei chronischen Juckreizzuständen bei der Neurodermitis dieses Arial im postzentralen Gyrus, dem primären sensorischen Cortex, auch autonom aktiviert sein kann und das Kratzen an der Haut animiert mit einer Abschwächung der Konnektivität zwischen insulären und cingulären Cortices und der Basalganglien (3).
Wie soll praktisch vorgegangen werden?
1. Die Anamnese
Durch genaues Fragen können schon einzelne Erkrankungen und Auslöser eruiert werden. Erfahren Sie also mehr über die Periodizität des Juckens; tritt es nach dem Essen auf oder innerhalb von Stunden nach der Medikamenteneinnahme; ist der Juckreiz tagsüber oder in der Nacht? (nächtlicher Juckreiz spricht z. B. für eine Skabiesmanifestation). Wie ist der Juckreiz: Stechend brennend, animiert er zum Kratzen? Treten Hautveränderungen auf; zum Beispiel nur vorübergehend Quaddeln oder entstehen diese erst durch das Kratzen? Besteht eine Reiseanamnese, evtl. Durchfall, Magenschmerzen oder Halsschmerzen? Bestehen bekannte internistische Erkrankungen, Gewichtsabnahme, B-Symptomatik, Fieber oder Gelenkschmerzen? Sind andere Leute in der Familie betroffen, was wieder für eine Skabies spricht. Lässt sich der Juckreiz lindern und wie? An welchen Körperteilen tritt der Juckreiz auf?
Bestehen Hautveränderungen über 24 Stunden oder weniger, handelt es sich meist um eine Urtikaria; verweilen sie länger, dann besteht eine entzündliche Dermatose.
2. Inspektion
Es ist wichtig, den Juckreiz-Patienten ganz zu untersuchen. Manchmal finden sich dezente Veränderungen, welche auf die mögliche Diagnose hindeuten. Finden sich Hautläsionen in den Arm- und Kniebeugen, so ist häufig eine Neurodermitis vorhanden; sind sie in den Achselhöhlen und inguinal, dann ist möglicherweise eine Arzneimittelreaktion involviert. Sind die Reaktionen linear angeordnet, könnte es sich um Flohstiche handeln, wenn sie gruppiert sind, um Milbenbisse, und über den Ellbogen eine Manifestation einer Dermatitis herpetiformis Duhring.
Eventuell sind auch Spuren vorhergehender Läsionen noch ersichtlich, wie Petechien oder Hyperpigmentierungen. Finden sich Papeln zwischen den Fingern oder genital, so ist eine Skabies wahrscheinlich. Veränderungen aussen an den Armen und Beinen und den Flanken sind häufig reaktiver Natur, zum Beispiel bei bakteriellen Infekten oder als Reaktion auf eine Pilzinfektion (sogenanntes Mykid). Des Weiteren lässt sich erkennen, ob es sich bei den Hautveränderungen um papulovesikulöse Veränderungen handelt; dermatoskopisch können auch Kapillärstrukturen für eine Psoriasis oder eine weissliche Streifenzeichnung für einen Lichen Ruber gefunden werden. Um die Reaktivität der Haut zu testen, kann ein kleines Kreuz auf den oberen Rücken gekratzt werden. Bei einer Urtikaria und hyperreaktiven Haut wird dieses innerhalb von 3 Minuten anschwellen (demographismus ruber elevatus), was für eine latente Urtikaria spricht. Eine Verdickung der Haut mit vermehrter Fältelung deutet auf ein chronisches Geschehen hin, wie z. B. einer chronischen Neurodermitis, und weist auf ein chronisches Reiben hin. Auch die Farbe der Haut kann einiges verraten; so findet sich allenfalls eine ikterische Tendenz oder die fahlgraue Farbe des Integuments bei der Niereninsuffizienz.
3. Laboruntersuchungen
Zu jedem Pruritus-Screening gehört ein grosses Blutbild inklusive der Eosinophilen, Leberwerte, Bilirubin, Nierenwerte, Glukose, Hba1c, Harnsäure, CRP, totales IgE. Für die infektiologisch-reaktiven Auslöser sind die Untersuchung nach Stuhlparasiten und die Strongyloides IF; für die bakteriellen Auslöser sind die ASLO-Antikörper, die anti-Strepto DNAse Antikörper und anti-Helicobacter-pylori Antikörper hilfreich. Zudem könnten Abstriche von Follikulitiden für die Bakteriologie und der Zehenzwischenräume für eine Mykologie erfolgen. Autoimmunerkrankungen und Mangelzustände sind selten Auslöser eines Juckreizes.
Im allergologisch-immunologischen Labor können die spezifischen IgE auf Staphylokokken Endotoxine gemessen werden, um eine Überempfindlichkeit gegenüber Staphylokokken festzustellen (eine Hyperergie ist schon bei leicht erhöhten Werten wahrscheinlich, wird aber nicht durch einen negativen Test ausgeschlossen, da 14 verschiedene Staphylokokken Antigene existieren und auch zelluläre Allergien möglich sind). Allenfalls können auch spezifische IgE auf Malassezia sympodialis bei Neurodermitis am Hals, Kopf und Rücken gemessen werden (4). Von Interesse wären allenfalls auch die spezifischen IgE auf Candida und Anisakis simpex. Autoimmun-Antikörper sind nicht typischerweise erhöht beim Juckreiz-Patienten, wohl aber kann eine erhöhte Tryptase gemessen werden bei Mastzell Vermehrung. Zum Ausschluss einer autoimmunbullösen Erkrankung können die entsprechenden Antikörper gegen das bullöse Pemphigoid Antigen 1 und 2 erfolgen.
Allergie Abklärungen
Zwar liegt die Häufigkeit von allergischen Reaktionen bei einer chronischen Urtikaria nur bei 1 % und auch bei chronischem Juckreiz sind ständige allergische Auslöser selten. Dennoch lohnt sich eine Abklärung auf Medikamenten-Allergien, Allergien auf Grundnahrungsmittel und auch auf Nahrungsmittelzusätze, welche bei regelmässiger Einnahme zu einem ständigen Juckreiz führen können. Insbesondere Histamin aus der Nahrung, Natriumdisulfit und Grundnahrungsmittel wie Weizen, Milch, Eigelb und Eiweiss wären eine mögliche Quelle von Allergien und Motor diverser Symptome. Als Nächstes folgen allergische Reaktionen auf die physikalischen Auslöser Druck, Reibung, Kälte und Wasser. Diese können ebenfalls auf der Haut getestet werden. Auch ist eine Testung des Eigenserums möglich, was bei positiver Reaktion auf Auto-Antikörper gegen IgE oder gegen IgE-Rezeptoren an den Mastzellen hinweist.
Internmedizinische Auslöser
Juckreiz ist ein Symptom bei vielen internistischen Erkrankungen, wobei es hier oft zu einer Akkumulation oder zu einer geringen Elimination von Stoffen kommt, wie Zucker, Harnstoff, Harnsäure etc. Genau geklärt ist jedoch nicht, wie diese Stoffe den Juckreiz generieren können. Bei anderen Erkrankungen wiederum sind die Stoffe, die Juckreiz entfachen, noch nicht einmal identifiziert. Bekannt ist der Pruritus, ausgelöst durch Niereninsuffizienz, erhöhte Leberwerte (Transaminasen) oder Hyper-Bilirubinaemie, der Hyperurikaemie, Anaemie, Hyperglobulinaemie und anderen Störungen des Stoffwechsels und des Blutbildes (Abb.1). Diese verursachen nicht nur Störungen der sensiblen Wahrnehmung, auch können alle diese genannten Erkrankungen zu Hautveränderungen führen, insbesondere Ekzeme und die Prurigo simplex subacuta (Abb.2). Auch Tumorleiden können, zum Teil wird es auch als das erste Symptom wahrgenommen, schweren Pruritus auslösen. Als Beispiel seien maligne Lymphom- und metastasierende Tumoren genannt.
Auf der infektiologischen Seite können vor allem bakterielle Erkrankungen Juckreiz auslösen, mit oder ohne Hautveränderungen. Man denke hier an Streptokokkeninfekte, Infekte der ableitenden Harnwege und auf der anderen Seite auch an intestinalen und anderweitigen Parasitenbefall.
Juckreiz bei dermatologischen Erkrankungen
Man würde meinen, dass alle Dermatosen jucken, aber dem ist nicht so. Bei der Psoriasis zum Beispiel juckt es bei 30–50 % der Patienten, die Vaskulitis juckt gar nicht und auch viele virale Exantheme jucken kaum. Auf der anderen Seite des Spektrums quälen einige Dermatosen ausgesprochen, wie zum Beispiel die chronische Urtikaria, die Prurigo simplex subacuta und alle Ekzeme. Auch die eosinophilenreichen Erkrankungen sind von Juckreiz gekennzeichnet, wie zum Beispiel die autoimmunbullösen Dermatosen und die eosinophile Zellulitis Wells und das Hypereosinphile Syndrom. Bei den Ekzemen spielt es eigentlich keine Rolle, was für eine Ätiologie diese besitzen, sei es atopisch, kontaktallergisch, seborrhoisch oder reaktiv. Die reaktiven Ekzeme und Exantheme sind häufig durch Staphylokokken hervorgerufen, die als Superantigen und Quelle von Endotoxinen und Antigenen fungieren und sich in einem so genannten Staphid manifestieren, welches übrigens eine übergeordnete Rolle bei der Neurodermitis spielt.
Auf der parasitären Seite führen nicht nur Stichreaktionen zu enormem Juckreiz, sei es durch Milben, Flöhe und Wanzen, sondern auch die Ektoparasiten, welche auf der Haut verweilen, seien dies Fliegenlarven (Myiasis), Läuse oder Skabies. Auf der tumorösen Seite sind es vor allem die T-Zell-Lymphome der Haut, die anfänglich auch häufig mit einem Ekzem verwechselt werden. Schliesslich soll auch eine sekundäre Syphilis nicht vergessen werden und eine sekundäre Tuberkulose mit Hauterscheinungen.
Knacknuss Pruritus sine materia
Hat man die Haut untersucht und einiges abgeklärt ohne Ergebnis, so bleiben einige Patienten übrig mit einem sogenannten Pruritus sine materia.
Hier lohnt es sich, nochmals seltene Ursachen des Pruritus durch den Kopf gehen zu lassen, wie zum Beispiel Pruritus bei hirnorganischen Störungen, Entzugssymptomatik, Kokainabusus. Auch werden häufig die medikamentösen Ursachen des Juckreizes übersehen oder unterschätzt. Mit einer Hauttestung der Medikamente kann allenfalls das verantwortliche Agens ermittelt werden. Auch ist es überlegenswert, ob es sich um eine Hauterkrankung ohne klare Hautmanifestation handeln könnte; so habe ich denn auch zwei Fälle eines invisiblen bullösen Pemphigoids finden können, welche Antikörper gegen das bullöse Pemphigoid Antigen 1 mit 180 kDa Grösse und bP-AG2 mit 230 kDa aufwiesen, jedoch keinerlei Hautveränderungen aufwiesen, aber an starkem Juckreiz am Rücken und an den Oberarmen litten (5). Eine Therapie der Grunderkrankung führte zur Symptomfreiheit.
Vielleicht lohnt es sich auch, sich den Patienten nochmals anzuschauen, ob nicht doch eine Mykose in den Inguinae oder an den Füssen besteht oder eine versteckte Folliculitis gluteal oder auf dem Kopfboden. An ein paraneoplastisches Geschehen kann gedacht werden und vielleicht könnten die Lymphknoten palpiert oder mittels Ultraschall untersucht werden, und ein Thorax Röntgen könnte vonstattengehen, um Lymphome und andere Tumoren auszuschliessen. Daraufhin könnte auch der Ausschluss gynäkologischer Tumoren erfolgen und die wichtigsten Tumormarker gemessen werden. Bioptisch könnte eine Vermehrung von Mastzellen der Haut oder Ablagerung von Muzin oder Amyloid im Rahmen einer Ablagerungsdermatose gesucht werden.
Therapie des Pruritus
Am besten beginnt man mit der äusserlichen Behandlung. Bewährt haben sich Externa mit Zusatz von Polidocanol 3 bis 5 %ig oder Menthol 1 %ig, welche kommerziell erhältlich sind. Es hat sich als günstig gezeigt, wenn die Cremes gekühlt werden und direkt aus dem Kühlschrank appliziert werden. Die Rezeptur mit einprozentigem Salicyl-Spiritus kann bei hartnäckigem Juckreiz eingerieben werden, darüber sollte aber eine normale Rückfettung mit Verbesserung der Hautbarriereeigenschaften benutzt werden. Kühlende Umschläge könnten ebenfalls versucht werden.
Die Barriere wird verbessert durch den Zusatz von Salicylsäure bis fünfprozentig oder Urea bis fünfprozentig sowie auch Milchsäure oder Glycerin. Es existieren auch alte Rezepturen, welche adstringierend sind und den Juckreiz lindern, wie zum Beispiel Eosin wässrig oder Pyoctanin. Diese Therapien sind aber wegen der Farbrückstände nicht sehr praktikabel und werden selten verwendet.
Externa mit Cannabinoid-Rezeptoren-Blocker können bei der Bekämpfung des Pruritus hilfreich sein, sind jedoch in der Schweiz nicht mehr erhältlich (6).
Es empfiehlt sich auch, mit einem juckreizstillenden Mittel zu duschen, wie zum Beispiel mit Zusätzen von Polidocanol oder Milchsäure. Ichthyol ist ein weiterer Zusatz, welcher antientzündlich und antipruriginös ist, jedoch kommerziell zurzeit nur in einem Shampoo erhältlich ist.
Möchte man lieber baden, dann soll man dies nicht zu heiss tun und allenfalls Weizenkleie zur Juckreizlinderung hineingeben.
Nicht nur was man auf die Haut aufträgt, sondern auch was man auf der Haut trägt, kann helfen. So sind Textilien mit eingewobenem Silber in der Lage, das Mikrobiom der Haut zu bessern. Bei Textilien mit pH – Beschichtung (langkettige Zitronensäure) und einem sauren Wert von pH 5.6 bis 6,5 konnten wir in einer doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie innert zweier Wochen eine Verbesserung der Empfindlichkeit und der TEWL- Werte demonstrieren (7).
Die interne Therapie des Juckreizes beginnt und endet mit den Antihistaminika. Vorzugsweise sollen Pharmaka älterer Generation gewählt werden, die auch einen leicht sedativen Effekt haben, wie das Dimetinden und Hydroxyzin. Aber auch die neueren Generationen wirken sehr gut, müssen allenfalls höher dosiert werden; so kann die vierfache übliche Tagesdosis verwendet werden. Die Ergänzung mit einem Histamin-2-Rezeptoren-Blocker ist möglich. Es ist jedoch nicht evidenzbasiert, dass es auch einen zusätzlichen Nutzen bringt. Ebenso ist die Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika bezüglich Wirkung auf den Juckreiz nicht belegt. Steroide werden in der Regel nur benutzt, wenn auch eine manifeste Hautaffektion vorhanden ist, wie zum Beispiel eine Urtikaria oder ein Arzneimittelexanthem. Es gibt Fälle, in denen probatorisch ein Antiparasitologicum gewählt wird. Kontrollierte Studien hierzu gibt es jedoch auch nicht.
In sehr hartnäckigen Fällen, insbesondere beim hepatischen Pruritus, der häufig therapieresistent ist gegenüber allen internen Medikamenten und physikalischen Massnahmen, können nebst der Ursodeoxycholsäure auch Ionen-Austausch-Harze wie das Colestyramin (8) oder der Opioid-Rezeptor-Antagonist Naloxon versucht werden.
Biologics, welche hauptsächlich für die Behandlung atopischer Dermatitis zugelassen sind, wie Upacitinib, Baricitinib, Abrocitinib und Dupilumab, vermögen innert Tagen bis Wochen den Juckreiz zu stillen (9).
Des Weiteren bestehen auch physikalische Therapien für die Behandlung des Juckreizes, insbesondere die Lichttherapie die mit UVB 311 nm Schmalband und UVA angeboten wird. UVB 311 nm vermag Entzündungszellen im Bereiche der dermo-epidermalen Junktionszone und oberen Dermis zu vertreiben und somit auch die inflammatorischen Zytokine, die UVA wirkt auf die Dermis in gleicher Weise, nur etwas tiefer. Die beiden Strahlenquellen können einzeln oder kombiniert verwendet werden und sind effektiv bei jeglicher Form des Juckreizes. Nicht nur wirken sie antiinflammatorisch, sondern können auch den Abbau schädlicher Stoffe wie das Bilirubin beschleunigen. Ferner kann auch eine Photo-Chemotherapie eingesetzt werden mit dem Photosensibilisator Psoralen, der so genannten PUVA-Therapie, bei welcher zuerst in Psoralen gebadet oder es appliziert wird, was somit die Strahlenwirkung verstärkt. Da Psoralen in jeglicher Form schwieriger zu beschaffen ist, wird diese Therapie nicht mehr so oft benutzt. Die Hochdosis UVA Therapie bedarf einer speziellen Einrichtung mit Kühlung und ist nicht weit verbreitet, wird aber mit Erfolg vor allem bei der Neurodermitis eingesetzt. Ebenfalls selten eingesetzt wird die UVB-Therapie in Kombination mit lokalem Dithranol in verschiedenen Konzentrationen, was die Wirkung des UVB verstärkt.
Alles in allem bieten die physikalischen Therapien, insbesondere Lichttherapie, die Möglichkeit therapieresistente Juckreiz-Patienten zufriedenstellend zu behandeln.
Copyright Aerzteverlag medinfo AG
Lindengut AG, Ärzte am Graben
Unterer Graben 29
8400 Winterthur
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
- Die Juckreiz-Patienten stehen unter enormem Leidensdruck und Verlust der Lebensqualität.
- Durch systematische Aufarbeitung können Ursachen eruiert, eventuell eliminiert werden und geeignete Therapieformen gefunden werden.
- Durch das Wegfallen des Juckreizes kann die Genesung der Patienten ihren Gang nehmen und es ist äusserst wertvoll, wenn der Patient sagen kann: «Das juckt mich nicht».
1. Diaz-Perales A, Describese M, Garrido-Arandia M, Obeso D, Isquierdo-Alvarez E, Tome-Amat J, Barber D. The role of Sphingolipids in Allergic Disorders. Front Allergy 2021; 2: 675557.
2. Zubeldia-Varela E, Barker-Tejeda TC, Obeso D, Villaseñor A, Barber D, Pérez-Gordo M. Microbiome and Allergy: New Insights and Perspectives. J Investig Allergol Clin Immunol. 2022; 32:327-344.
3. Desbordes G, Li A, Loggia ML, Kim J, Schalock PC, Lerner E, Tran TN, Ring J, Rosen BR, Kaptchuk TJ, Pfab F, Napadow V. Evoked itch perception is associated with changes in functional brain connectivity. Neuroimage Clin. 2014 Dec 3:7:213-21.
4. Glatz M, Bosshard P, Hoetzenecker W, Schmid-Grendelmeier P. The Role of Malassezia spp. in Atopic Dermatitis. J Clin Med. 2015;4:1217-28.
5. Lamberts A, Meijer JM, Pas HH, Diercks GFH, Horváth B, Jonkman MF. Nonbullous pemphigoid: Insights in clinical and diagnostic findings, treatment responses, and prognosis. J Am Acad Dermatol. 2019;81:355-363.
6. Dvorak M, Watkinson A, McGlone F, Rukwied R. Histamine induced responses are attenuated by a cannabinoid receptor agonist in human skin. Inflamm Research. 2003;52: 238-45.
7. Jaeger T, Rothmaier M, Zander H, Ring J, Gutermuth J, Anliker MD. Acid-coated Textiles (pH 5.5-6.5) – a New Therapeutic Strategy for Atopic Eczema? Acta Derm Venereol. 2015;95: 659-63.
8. Kondrackiene J, Beuers U, Kupcinskas L. Efficacy and safety of ursodeoxycholic acid versus cholestyramine in intrahepatic cholestasis of pregnancy. Gastroenterology. 2005;129:894-901.
9. Bieber T, Simpson EL, Silverberg JI, Thaçi D, Paul C, Pink AE, Kataoka Y, Chu CY, DiBonaventura M, Rojo R, Antinew J, Ionita I, Sinclair R, Forman S, Zdybski J, Biswas P, Malhotra B, Zhang F, Valdez H; JADE COMPARE Investigators. Abrocitinib versus Placebo or Dupilumab for Atopic Dermatitis. N Engl J Med. 2021;384:1101-1112.
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