Im Fokus Pharma & Diagnostik

Qinggongshoutao vs. EGb761 bei amnestischer, leichter kognitiver Beeinträchtigung

Randomisierte, kontrollierte einjährige Vergleichsstudie

Eine randomisierte, doppelblinde Studie zielte darauf ab, die Wirkung eines chinesischen Phytotherapeutikums, der Qinggongshoutao (QGST) Pille, im Vergleich zu EGb 761 auf die Kognition und das Fortschreiten der amnestischen leichten kognitiven Beeinträchtigung (aMCI) zu testen (1).



Amnestische leichte kognitive Beeinträchtigung (aMCI) ist vermutlich eine Vorstufe der Alzheimer-Krankheit (AD) und schreitet mit einer Rate von etwa 10 % bis 15 % pro Jahr, signifikant höher als bei normalen älteren Menschen, voran (2). Daher ist aMCI allgemein als Behandlungsziel für AD anerkannt (3). Allerdings gibt es bisher keine hochwertigen pharmakologischen Behandlungen für MCI (4). Ginkgo-biloba-Extrakt (EGb761) wird auch in China häufig zur Behandlung von MCI eingesetzt.
Nach der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) vermutet man, dass Gedächtnisschwund und Demenz durch einen Mangel an Nieren-Essenz (Shenxu auf Chinesisch), verursacht werden. Entsprechend dient als Behandlungsansatz die Ergänzung der Nieren-Essenz, wie sie in den Complete Works of Jingyue (veröffentlicht im Jahre 1624) beschrieben wurde. Die Qinggongshoutao (QGST)-Rezeptur, eine traditionelle Kräuterpille, die ursprünglich aus den medizinischen Archiven der Qing-Dynastie stammt, scheint diese Funktion zu erfüllen. QGST wird verwendet, um Symptome wie Vergesslichkeit, Rückenschmerzen, Knieschwäche und Urin-Inkontinenz zu behandeln. Experimentelle Studien legen nahe, dass QGST vielseitige Funktionen hat, einschliesslich Antioxidation, Neuroprotektion und Verbesserung des Gedächtnisses (5). Bis jetzt gibt es keine gut kontrollierte klinische Studie zur Bewertung von QGST für die Behandlung von Demenz. Die vorliegende Studie wurde durchgeführt, um festzustellen, ob die Behandlung mit QGST das klinische Auftreten von AD bei Menschen mit aMCI im Vergleich zum Gingko-biloba-Extrakt EGb761 und Placebo verzögern kann, und welches die Auswirkungen von QGST auf die kognitive Funktion sind.
Patienten mit aMCI erhielten randomisiert QGST, EGb761 oder Placebo während 52 Wochen. Die primären Endpunkte waren die Progression zur möglichen oder wahrscheinlichen AD und die Veränderung der kognitiven Unterskala der Alzheimer’s Disease Assessment Scale.
Die sekundären Endpunkte umfassten Untersuchungen zur Kognition und Funktion.
Insgesamt wurden 350 Patienten eingeschlossen, bei 10 entwickelte sich eine mögliche oder wahrscheinliche AD. Es gab signifikante Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit der Progression zu AD in der QGST-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 459 Patienten untersucht und 350 wurden randomisiert. Von diesen erhielten 175 eine QGST-Behandlung, 105 erhielten EGb761 und 70 Placebo, wobei 1 Patient in der QGST-Gruppe und 1 Patient in der EGb761-Gruppe die Einschlusskriterien nicht erfüllten und aus der FAS (full analysis set) ausgeschlossen wurden. Von diesen 348 Patienten brachen 16 ihre Behandlung vor Woche 52 ab und insgesamt 332 Patienten (165 in der QGST-Gruppe, 98 in der EGb761-Gruppe und 69 in der Placebogruppe) schlossen die Studie ab und wurden in die PPS (per protocol) aufgenommen.
Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen hinsichtlich der Abbrecherquote (P=0,362).
Insgesamt 10 Teilnehmer hatten zum Endpunkt eine mögliche oder wahrscheinliche AD. Zwei wurden in der QGST-Gruppe festgestellt, einer in der EGb761-Gruppe und sieben in der Placebo-Gruppe. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der Wahrscheinlichkeit der Progression zu AD in der QGST-Gruppe (1.15% im Vergleich zu Placebo (10%)). Zwischen QGST und EGb761 wurde kein signifikanter Unterschied gefunden (Abb. 1).

Sicherheit und Verträglichkeit

QGST und EGb761 waren sicher und gut verträglich. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen in den Gruppen QGST und EGb761 war ähnlich wie in der Placebogruppe. Die häufigste unerwünschte Nebenwirkung, die als wahrscheinlich mit der Studienmedikation in Zusammenhang steht, war Verstopfung in der QGST-Gruppe.

Fazit

Dies ist die erst grosse Studie mit EGb761 bei Patienten mit amnestischer leichter kognitiver Beeinträchtigung (aMCI), einer vermutlichen Vorstufe der Alzheimer-Krankheit.
EGb761 zeigte nach 52 Wochen Behandlung eine signifikante Verbesserung des MMSE-Scores, die mit dem traditionellen chinesischen Kräutermedikament Qinggongshoutao (QGST) vergleichbar war.
Beide Medikamente zeigten eine mit Placebo vergleichbare Sicherheit und Verträglichkeit.

Quelle: Tian J et al. Chinese herbal medicine Qinggongshoutao for the treatment of amnestic mild cognitive impairment: A 52-week randomized controlled trial. Alzheimer’s & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions 2019; 5: 441-449.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Tian J et al. Chinese herbal medicine Qinggongshoutao for the treatment of amnestic mild cognitive impairment: A 52-week randomized controlled trial. Alzheimer’s & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions 2019; 5: 441-449.
2. Petersen RC, Doody RS, Kurz A, Mohs RC, Morris JC, Rabins PV, et al. Current concepts in mild cognitive impairment. Arch Neurol 2001;58:1985-92.
3. Petersen RC, Morris JC. Mild cognitive impairment as a clinical entity and treatment target. Arch Neurol 2005;62:1160-3.
4. Petersen RC, Lopez O, Armstrong MJ, Getchius TSD, Ganguli M, Gloss D, et al. Practice guideline update summary: Mild cognitive impairment: Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 2018;90:126-35.
5. Chen K et al. Study on the anti-aging function of Qinggongshoutao pills. J Traditional Chin Med 1985:25-8 [Article in Chinese].

der informierte @rzt

  • Vol. 11
  • Ausgabe 5
  • Mai 2021