- Rauchstopp gestern und morgen
Die diesjährige Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin stand unter dem Motto Kreative Medizin, Erneuern und Weitergeben. Der folgende Beitrag beleuchtet das immerfort
aktuelle Thema der Raucherentwöhnung.
Eine Studie an einer Million Frauen, über die Gefahren des Rauchens im 21. Jahrhundert und die Vorteile des Rauchstopps im United Kingdom war der Einstieg in den Vortrag von Prof. Dr. med. Jacques Cornuz, Centre universitaire de médecine préventive et santé publique, Lausanne. Der Referent zeigte, dass schon eine Zigarette pro Tag das relative Risiko steigert; bei 20 Zigaretten steigt es auf 37 %. Die spezifische Mortalität umfasst Lungenkrankheit, Lungenkrebs und koronare Herzkrankheit. Die Lebenserwartung wird im Mittel um 11 Jahre verkürzt. Die Mortalität bei Frauen veränderte sich über die Zeit von 2001 bis 2018 von anfänglich einem Total von über 25/100 000 Frauen mit Brustkrebs und ca. 16 pro 100 0000 Frauen mit Lungenkrebs auf etwa gleich viel (ca. 17 pro 100 000) Fälle bei beiden Krebsarten.

Ein Vergleich der Jahre 1922 und 2022 des BAG zeigt, dass Männer weniger rauchen, insbesondere die über 65-Jährigen, aber dass im Jahre 2022 mehr über 65-jährige Frauen rauchten als 1922. Frauen rauchen aber generell immer noch weniger als Männer.
30 Jahre Erfahrung
1993–2004 erste Entwicklungen, 2004–2024 wichtigste Errungenschaften
– Ambulante Konsultationen (Patienten in städtischen Arztpraxen)
– Konsultationen für hospitalisierte Patienten
– Ausbildung von Praktikanten und Fachkräften
– 2014–2024 Konsolidierung und … Schwächung
Wirksamkeit der ambulanten Konsultation
Ein Schulungsprogramm zur Raucherentwöhnung, das Ärzten verabreicht wurde und auf Verhaltenstheorie und -praxis mit standardisierten Patienten basierte, erhöhte die Qualität der ärztlichen Beratung, die Motivation der Raucher, mit dem Rauchen aufzuhören, und ging mit einer signifikanten Abstinenzraten nach einem Jahr einher (Cornuz J et al. Annals of Internal Medicine 2002; 136, 6).
Die Wirksamkeit einer niedrig intensiven Rauchstopp-Intervention bei hospitalisierten Patienten ergab einen Rauchstopp bei 23.9 % der Interventionsgruppe gegenüber 9.7 % in der Kontrollgruppe.
Ausbildung
2002 Nationales schweizerisches Ausbildungsprogramm Programm für Ärzte zur Tabak-Entwöhnung «Leben ohne Tabak», Referenzdokument «Tabak-Entwöhnung».
Ungefähr 12 000 Ärzte wurden seit 2002 ausgebildet, ungefähr 800 Assistenzärzte in der Allgemeinmedizin (Policlinique médicale Unisanté Lausanne).
Klinische Wirksamkeit
Wirksamkeit der anderen Methoden
– Unwirksam
– Benzodiazepine (mehrere RCT), aversive Methoden
– Kontroverse Methoden, wahrscheinlich ineffektiv
– Niedrige Qualität: Hypnose
– Placebo-Effekt: Akupunktur (Sham-Akupunktur)
– Körperliche Aktivität: Nicht besser als die Kontrollen
Warum rauchen Raucher?
Die Persönlichkeit, die Umgebung, aber auch das Rauchprodukt spielen eine Rolle
Warum mit dem Rauchen aufhören? Die gängigsten und die erstaunlichsten Gründe sind Gesundheit; Ökonomie; Druck der Umgebung; Bild, das man vor Kindern abgibt; Krebs bei seinem… Hund; Auswirkungen auf die Umwelt; mit neuen Motivationen arbeiten.
Motivationsinstrumente:
Hervorheben der Auswirkungen des Rauchens, Spirometrie? Menge von CO? Genetische Marker? Stenose der Karotisarterie, Cochrane Analyse «biomedical risk assessment as an aid for smoking cessation». Eine Cochrane Analyse fand keine Belege dafür, dass es den Rauchern hilft, mit dem Rauchen aufzuhören, wenn sie eine Rückmeldung über ihre Rauchexposition, ihr genetisches Risiko für raucherbedingte Krankheiten oder die Auswirkungen des Rauchens auf ihren Körper erhalten. Am vielversprechendsten waren die Ergebnisse, wenn man den Menschen eine Rückmeldung darüber gab, wie schädlich das Rauchen für ihren Körper ist. In den Studien wurde nicht über die Nebenwirkungen des Feedbacks berichtet. Angesichts der Art der Messungen (Lungen- oder Bluttests) ist jedoch davon auszugehen, dass das Risiko einer Schädigung gering ist.
Risikowahrnehmung
Tendenzen zur Verringerung von freiwillig eingegangenen Risiken (Rauchen) im Vergleich zu erlittenen, aufgezwungenen Risiken (Militärdienst). Grössere Akzeptanz eines früheren Risikos (Rauchen). Das wahrgenommene Risiko ist wesentlich geringer als das aktuelle relative Risiko bezüglich Lungenkarzinom, wie eine Studie mit 6369 Erwachsenen, wovon 124 Raucher waren, zeigte (Weinstein ND et al. Smokers’ unrealistic optimism about their risk. Tobacco Control 2005;14:55–59).
Bias bei Rauchern und Raucherinnen
Optimismus-Bias, Bias der Verfügbarkeit (Mediatisierung von Ereignissen), Bias für die Präferenz der Gegenwart (kurzfristige Sichtweise), Bias der kognitiven Dissonanz.
Vorsorgeuntersuchungen bei Raucherinnen und Rauchern
– Brustkrebs
– Mortalität um ca. 15 % erhöht
– Screening wahrscheinlich wirksam bei Raucherinnen
– Kolonkarzinom
– Mortalität um ca. 10 % erhöht. Screening wirksam!
– Screening auf Lungenkrebs
– Verringerung der Mortalität um ca. 20–25 %.
Neue Motivationswege
Zur Erinnerung: Informationen sind notwendig, aber nicht ausreichend. Überwindung der Optimismus-Verzerrung durch Nutzung der Verfügbarkeitsverzerrung. Neue Gesundheitsgefahren durch Tabak! Neue Wege der Informationsaufnahme und der Behandlung eröffnen, so der Referent.
Studie TABARAD (Tabak und Polonium)
Der kanzerogene Effekt von Polonium ist bekannt. Aber vergessen.
Der Terminus «sleeping giant» ist aus den Archiven von Philip Morris seit 1978 verschwunden. «Politische» Vergiftungen (Alexander Litvinenko 2006).
Studie von Unisanté bei 25 Rauchern: Messung von Polonium-210 im Urin und Vergleich mit den Werten von Nichtrauchern.
Auswirkung des CO2-Ausstosses der Tabakindustrie
84 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr = 1/3 der jährlichen Emissionen durch Frankreich.
Konsum und Abfall
Zigarettenstummel: Zwei Drittel werden in die Umgebung geworfen, bis zu 10 Milliarden jeden Tag.
Viele toxische Substanzen: Kohlenwasserstoffe, Quecksilber, Blei. Eine Zigarettenkippe verschmutzt bis zu 500 Liter Wasser.
Filter: Azetatzellulose, Mikroplastik: mehrere Jahre.
Neue Produkte
Vaporetten (elektronische Zigaretten)
Erhitzter Tabak
Oraler Tabak
Neue Nikotinverabreichungen oder Vaporetten
Flüssigkeit ist Propylenglykol und Glycerin (> 95 %) aromatisiert und mit Nikotin versetzt Generation: (cig-a-like), 2. Generation Cleararomizers), 3. Generation (Mods),
4. Generation (Pods), 5. Generation (Puff-Bars).
Zusammensetzung des Aerosols.
Elektronische Zigaretten
– Batterie zum Erhitzen einer Flüssigkeit, die in der Regel Niktoin enthält
– E-Liquid = Propylenglykol und Glycerin (> 95 %), Aromen und Nikotin (0–20 mg/ml).
– Sehr starke Verringerung der Anzahl und Konzentration toxischer Substanzen im Vergleich zum Zigarettenrauch. Vorhandensein einiger giftiger Substanzen. (Acetaldehyd, Formaldehyd, Acrolein, …) in unterschiedlicher Quantität entsprechend
– Zusammensetzung der Flüssigkeit, Wartung des Geräts (Widerstand alle 2–3 Wochen zu erneuern)
– Heiztemperatur, Spannung.
Sekundäreffekte des Vaporisierens
Langzeit-Sekundäreffekte sind keine bekannt. Kurzzeit: geringfügige Nebeneffekte: Husten, Mundtrockenheit, bukko-pharyngeale Reizung.
Seltene schwere Sekundärwirkungen: Pneumopathien aufgrund des Vitamin E Azetats in den Flüssigkeiten.
Nikotin-E-Zigaretten als Werkzeug für den Rauchstopp, Empfehlungen für Fachkräfte des Gesundheitswesens
Gebrauch ≥1mal in den letzten 30 Tagen, elektronische Zigaretten 25 %, herkömmliche Zigaretten 15 %.
Puffs führen zu grosser Umweltverschmutzung. Verbot der Puffs ist auch gut für die Umwelt. Die Bundesversammlung stimmt für ein Verbot der Puffs.
Erhitzte Tabakprodukte
Batteriebetriebenes Erhitzungssystem und spezielle Zigaretten oder Tabakkapseln. Der Tabak wird auf 250 bis 350 Grad erhitzt, thermochemischer Abbau des Tabaks (Pyrolyse). Immer noch Exposition gegenüber den wichtigsten toxischen Verbindungen des herkömmlichen Zigarettenrauchs, jedoch in deutlich geringeren Konzentrationen.
Oraler Tabak
Keine Verbrennung (kein CO, kein Teer). Vorhandensein von Nitrosaminen (kanzerogen), Schwermetallen, Nikotin mit hohem Suchtpotenzial. Auswirkungen auf die Gesundheit: Zunahme des Krebsrisikos des Mundes, der Speiseröhre, der Pankreasdrüse. Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Risiko der Frühgeburtlichkeit.
Snus
Oraler Tabak skandinavischer Herkunft mit reduzierter Menge an Nitrosaminen, Verkaufsverbot in der Europäischen Union ausser in Schweden, in der Schweiz seit 2019 zugelassen. Gewisse Produkte mit hohem Nikotingehalt (>30g/Tüte).
Nikotinbeutel
Produkte ohne Tabak aber mit Nikotin, seit 2019 im Verkauf. Keine Daten bezüglich Wirkung auf die Gesundheit. Wirksamkeit zur Tabakentwöhnung?
Und Morgen?
Das Spiel ist aus?
– UK: Endspiel für 2009 geborene Kinder.
– Neuseeland: Gesetz für Neugeborene seit 2008. Abschaffung dieses Gesetzes!
– Rolle von Zigaretten bei neuen Nikotinprodukten?
– WHO-Bericht: Non-Nikotin Tabak Alkaloide – synthetisches Nikotinanalogon (Jordt, Tab. Control 2024). CH: Sich nicht entmutigen lassen!
Prävention des Tabakkonsums in Europa:
Warum erhält die Schweiz innerhalb Europas einen tiefen Score? Präsenz der Tabakmultis, schwache Gesetzgebung gegen Tabakwerbung, neues Gesetz 2024 ohne vollständiges Werbeverbot. WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Keine Erhöhung der Tabaksteuer seit 2013, keine Fortschritte hinsichtlich der Unterstützung bei der Raucherentwöhnung.
Der Referent schloss mit dem Zitat «Hate the smoke, love the smoker» (Steve Schroeder, Univ. California, San Francisco).
riesen@medinfo-verlag.ch