Wissen Aktuell

Reisemedizinische Beratung

Die häufigsten Impfungen am Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich (ohne Corona) sind 970 Tollwutimpfungen, 675 Hepatitis A-Impfungen, 634 Polio-Impfungen, 562 FSME-Impfungen, 498 Gelbfieber-Impfungen, 439 Tetanus-Impfungen, 321 Hepatitis B-Impfungen, 244 Typhus-Impfungen, 216 MMR-Impfungen, 113 Japanische Enzephalitis-Impfungen. Gesamtzahl an Impfungen im Jahre 2022: 35’401. Die Gesamtheit der Coronaimpfungen betrug ca. 200’000, alle Affenpocken-Impfungen ca. 6000, und der Masern-Ausbruch vom Januar bis März 2023 ca. 355, berichtete Dr. med. Julian Maier vom Zentrum für Reisemedizin am Institut für Epidemiologie, Biostatik und Prävention der Universität Zürich.



Wichtige Themen der medizinischen Reiseberatung

Die Themen können in 4 Bereiche eingeteilt werden:
Kontakte (Personen: Hep B, HPV, STI/HIV, MMR, Varizellen, Grippe, Sars-Cov-2, Pneumokokken, Meningo­kokken Pertussis. Tiere: Tollwut), Nahrung (Essen, Trinken verunreinigt: Hepatitis A, Polio, Cholera, Abdominal-Ty­phus), Umwelt (Unfälle: Teta­nus, Sonne, Höhe, Tauchen: Grund­krankhei­ten (Immun­suppression, Diabe­tes, Asplenie, Schwan­ger­schaft, …), Stiche (Mücken: Malaria, Dengue, Zika, Gelbfieber, JE…), Zecken FSME, Rickettsien. Wanzen: Chagas, Tse Tsefliegen: Schlafkrankheit).

Die Maxime der Nahrungsmittelhygiene lautet: «Cook it, boil it, peel it or leave it». Vermeiden von Hahnenwasser (auch nicht zum Zähneputzen), Eiswürfeln, Rohkost-Salaten, Fruchtsalaten, offenen Fruchtsäften und rohen Milchprodukten. Je nach geplanter Reise Wasserfilter, Mikropur Forte mitnehmen.

Eine der häufigsten Krankheiten bei Reisenden ist der Durchfall, verursacht durch Viren, Bakterien, seltener durch Darmparasiten. Wichtig ist der Flüssigkeitsersatz, allenfalls mit oraler Elektrolyt­lösung (z.B. Elotrans®), allenfalls Loperamid (Imodium®).
Über Wasser/Nahrungsmittel übertragene Erkrankungen: Hepatitis A, (Impfung) Hepatitis E, Abdominal-Typhus (orale Lebendimpfung (Vivotif®), Poliomyelitis (Impfung), Cholera (orale Totimpfung (Duoral®), Amöben.
Der Referent erwähnte das Beispiel einer Familie, die nach Kenia reisen will, der Vater ist depressiv, die Mutter ist schwanger und sie reisen mit einem Kind.

Einflüsse auf die medizinische Reiseberatung

Reiszweck (z.B. Tourismus, VFR), Reiseziel inkl. epidemiologische Lage, Jahreszeit, Reisedauer, Kosten/Nutzen, aktuelle Medikation, z.B. Immunsuppression, vorbestehende Erkrankungen, Schwangerschaft, Stillen, frühere Impfungen, Reisestil, Alter, Zeit bis zur Abreise, Einreisebestimmungen.

Impfungen in der Reisemedizin

Indikatonsimpfungen:
Abdominal-Typhus, FSME, Gelbfieber, Hepatitis A / Hepatitis B, Herpes Zoster, Influenza / Sars CoV-2, Japanische Enzephalitis, Meningokokken (ACWY, B), Pertussis, Pneumokokken, Polio, Tollwut, Varizellen.
Basis- und ergänzende Impfungen gemäss Schweizerischem Impfplan:
Tetanus / Diphtherie / Pertussis / Polio / HiB / Hepatitis B.
Masern / Mumps /Röteln / Varizellen. Herpes Zoster. HPV. Influenza / Sars CoV-2. Meningokokken (ACWY)
Mögliche obligatorische Impfungen
Gelbfieber, Masern, Meningokokken (ACWY), Polio, (Cholera), Sars-CoV-2

Grundlagen zur Impfung

Lebendimpfstoffe: 4 Wochen Abstand untereinander oder am gleichen Tag. Nicht in der Schwangerschaft.
Abstandsregeln: Es gibt keine maximalen Abstände. Jede Impfung zählt, Spielraum von 4 Wochen bei Impfungen (Nicht bei Abstand zwischen verschiedenen Lebendimpfungen und Schnellschemen).
Nach Erhalt von Antikörper-enthaltenden Produkten gilt für Lebend­impfstoffe ein Mindestabstand von 3 bis 12 Monaten (je nach Produkt).
Abstand FSME / Japanische Enzephalitis / Gelbfieber nicht mehr nötig.
Kontraindikationen: Akute Erkrankung mit Fieber, Überempfind­lichkeit gegen bestimmte Bestandteile (Hühnereiweiss bei Gelb­­fie­ber, Influenza, FSME). Neomycin, Streptomycin (sofern anaphy­lak­tische Reaktion) Schwangerschaft und Stillen (Impfstoffabhängig), Immunschwäche (Lebendimpfstoffe KI), Überimpfung Tetanus (Antitoxin-Antikörper bestimmen).

Kenia als Beispiel

Familie Müller (Helga 32J, Fatou 37J, Fabian 13J) plant 2-wöchige Reise nach Nairobi und Mombasa, Safari (Masai, Mara), Badeferien, Helga ist schwanger (2. Trimenon), Fatou leidet an Depressionen. Auf welche Gefahren muss man sie aufmerksam machen, an welche Impfungen sollte man denken?
Es gelten die oben gemachten Empfehlungen bezüglich Kontakten, Nahrung, Umwelt und Stichen.

Kenia: Hepatitis A

Abdominaltyphus, Cholera (indiziert nur bei humanitären Einsätzen), Poliomyelitis, Mücken/Insektenschutz (übertragene Krankheiten: Malaria, Gelbfieber, Dengue, Chikunguya, Zika, Japanische Enzephalitis, Chagas, FSME, West Nil-Fieber, afrikanische Schlafkrankheit, afrikanisches Zeckenbiss-Fieber. Wirkstoffe auf Haut: Repellentien (mehrmals täglich auf helle Kleidung), Insektizide (Sprays Räucherspiralen, Insektizidverdampfer), imprägniertes Moskitonetz oder Klima-Anlage. Medikamentöse Malaria-Prophylaxe in Hochrisikogeiet empfohlen. Notfallselbstbehandlung: Fieber >37,5°C über 24h, Aufsuchen eines Arztes / Spitals, wenn möglich innerhalb 24h, Paracetamol und Atovaquon/Proguanil (Malarone®Atovaquon Plus Spirig HC®), 12 Tabletten in 3 Dosen über 3 Tage. Sofort 4 Tabletten auf einmal, 2. und 3. Tag je 4 Tabletten auf einmal.

Kenia: Gelbfieber

Gelbfieber-Virus, Übertragung durch Aedes-Mücken (tag- und dämmerungsaktiv), Impfschema 0, ≥10 Jahre, mit 2 Impfungen lebenslanger Schutz (kontroverse zu WHO). Cave: Impfung macht häufig Fieber, KI Immunsuppression, Schwangerschaft, Stillen, Hühnereiweiss-Allergie, rel. KI ≥60jährige.

Kenia: Dengue

Übertragung durch Aedes-Mücke (tag- und dämmerungsaktiv), im Risikogebiet Mückenschutz empfohlen. CAVE: kein Aspirin (Ausnahme Aspirin Cardio 100mg). Impfung (Qdenga in der Schweiz noch nicht zugelassen. Für Gesunde und Kurzreisen bisher nicht empfohlen.

Kenia: Zika

Übertragung durch Aedes-Mücke (tag- und dämmerungsaktiv) im Risikogebiet ist Mückenschutz empfohlen. CAVE: bis 2 Monate nach Reise mit Schwangerschaft zuwarten Antikörpertests nachakuter Erkrankung unzuverlässig, Ausbruchsmeldungen z. T. verzögert.

Kenia: Poliomyelitis

Übertragung durch Poliovirus (Typ I-III). Kontaminiertes Wasser und Lebensmittel. CAVE: Impfung obligatorisch für bestimmte Länder, Booster nicht älter als 1 oder 10 Jahre , je nach Reisedestination.

Kenia: Tollwut

Übertragung durch Speichel und andere Körperflüssigkeiten von infizierten Tieren (Hauptsächlich Hunde und Fledermäuse). 100 tödlich verlaufende Krankheit. Impfung dringend empfohlen für Langzeitaufenthalte in betroffenen Gebieten, kurze Reisen mit hohem individuellem Risiko (z.B. Fahrrad- oder Motorradreisen, Wanderungen), Reisen in abgelegene Gebiete, Kinder, Arbeit mit Säugetieren, Höhlenforscher (Fledermäuse).
Präexpositionelle Impfung (2 Impfdosen vor Abreise an den Tagen 0 und 7-28, einmalige Auffrischung ≥1 Jahr.
Massnahmen nach Biss- oder Kratzwunde, Ablecken von verletzten Hautstellen, sofort Wunde mit Wasser und alkalischer Seife (Kernseife) säubern für 15 Min., Wunddesinfektion (z.B. Betadine® oder Merfen®), zeitnah Arzt aufsuchen. Beim Arzt: Aktivimpfung für ALLE! Passive Immunisierung mit humanen Tollwut-Immunglobulinen in und um die Wunde bei bisher ungeimpften Personen, Antikörper-Titer-Kontrolle.

Kenia: Meningokokken

Tröpfchenübertragung von Neisseria meningitidis. Impfung 5-Jahres-Schutz, empfohlen bei längerer Reise oder viel /naher Kontakt mit lokaler Bevölkerung. CAVE. Obligatorisch bei HAJJ/Umra.

Kenia: Bilharziose

Übertragung durch Parasiten-Larven in stehendem oder langsam fliessendem Süsswasser, juckender Hautausschlag nach Infektion, erste Symptome erst 1-2 Monate später. CAVE: keine medikamentöse Prophylaxe vorhanden. Screening/Therapie Praziquantel) erst 2-3 Monate nach Infektion möglich. Sollte bei Tropenarzt erfolgen.

Physikalische Faktoren

Höhenkrankheit: ab 2500m möglich, unabhängig von Fitnesszustand. Frühzeichen sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Leistungsabfall und Schlafstörungen. Warnsymptome sind Gleichgewichtsstörung, Erbrechen, Lichtempfindlichkeit.
Massnahmen: Langsamer Aufstieg (max. 500m/Tag, Ruhetag alle 3-4 Tage. Ruhetag bei ersten Symptomen (Analgetika, Antiemetika), Abstieg bei Persistenz, Verzicht auf Alkohol, Nikotin, genügend Flüssigkeit, allenfalls Diamox® (vorher ausprobieren).

Unfälle: jede Minute stirbt weltweit ein Mensch bei einem Verkehrsunfall. Auf Auslandreisen ist das Risiko eines Unfalls 100mal höher als zu Hause.
Sonne, Tauchen, Flug (Thrombose), Luftverschmutzung.

Speziell in Südostasien: Japanische Enzephalitis

Übertragung durch Culex-Mücken (dämmerungs- und nachtaktiv), vor allem bei Teisfeldern <8generell Feuchtgebiete) und Schweinefarmen. Impfschema 0d, 28d, 1 Jahr. Off-Label Use bei Kindern unter 1 Jahr und bei Schnellschema =,7, sehr selten bei Touristen.
Der Referent präsentierte abschliessend die Impfausweise der Familie Müller und wies auf die Besonderheiten der einzelnen Mitglieder in Bezug auf Impfungen hin: Frau Müller schwanger, Herr Müller depressiv und das Kind im Alter von 13 Jahren.

Wichtige Nachschlagwerke

sind Healthy Travel (www.healthytravel.ch), Schweizerischer Impfplan 2023 (BAG). Für Impfstoffe: Swissmedicinfo.ch, compendium.chviavac-services.ch

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 13
  • Ausgabe 9
  • September 2023