- Schlafstörungen im Alter
Der Schlaf wird im Alter meistens nicht besser. Wenn wir die Einflussfaktoren verstehen, ist es möglich, durch Verhaltensmassnahmen oftmals eine Besserung herbeizuführen. Sind Schlafstörungen im Alter Anzeichen einer beginnenden Demenz oder handelt es sich um ein sekundäres Phänomen einer degenerativen Hirnerkrankung? Diese Frage ist nicht abschliessend zu beantworten, aber eine Behandlung von Schlafstörungen führt nicht nur zu einer verbesserten Prognose hinsichtlich einer Demenz, sondern auch zu einer deutlich besseren Lebensqualität.
Entwicklung des Schlafes im Alter:
Verstehen und Einflussfaktoren erkennen
Die schlechte Nachricht gleich zu Beginn: Der Schlaf wird im Alter meistens nicht besser. Es kommt zu einer Abnahme der Schlafdauer und einer Zunahme der Wachzeit (1) (Abb. 1). Aber leider wird der Schlaf auch weniger stabil. Während Kinder im Tiefschlaf kaum weckbar sind, erreichen ältere Menschen diese Schlaftiefe nicht mehr. (2) Zudem kommt es auch zu einer Veränderung der circadianen Rhythmussteuerung, indem der Schlaf-Wach-Rhythmus störungsanfälliger ist. Bedingt durch eine allgemein in fortschreitendem Alter stattfindende Vorverschiebung des 24-Stunden-Rhythmus (3) resultieren oft frühe Bettgehzeiten. Wenn dann ein älterer Mensch bereits um 21 Uhr zu Bett geht, ist es meistens unrealistisch, dass er bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr gut schlafen kann. Werden dann aufgrund von Klagen über eine Insomnie Schlafmittel oder andere sedierende Substanzen verordnet, ist dies oft problematisch. Es führt zu Abhängigkeit und verstärkt kognitive Störungen.
Dass wir am Abend einschlafen können, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab. Wenn wir diese Faktoren kennen, können wir an Hand des Modells von Borbely (2) die Mechanismen verstehen, welche zu Schlafstörungen führen. Der erste Faktor, Prozess S, ist für die Schlaftiefe verantwortlich. Er korreliert damit, wie lange man vor dem Zubettgehen wach war. Nach einer durchgemachten Nacht zum Beispiel schläft man am nächsten Abend meistens besser ein. Der zweite Faktor, Prozess C, entspricht dem 24-Stunden-Rhythmus. Er führt zum Beispiel bei Fernreisen zum Phänomen des Jet-Lags. Der Prozess C wird durch den Lebensrhythmus (regelmässige Ruhezeiten) und die Lichtexposition (Zeitgeber) beeinflusst und zeigt sich im Verlauf des Melatoninspiegels.
Die normalerweise abnehmende Schlaftiefe wird auch durch das Verhalten beeinflusst. So ist es ungünstig, wenn man «über den Durst» schläft. Lange Liegezeiten während des Tages oder langer Tagesschlaf aufgrund fehlender Tagesstruktur oder Beschäftigung führen zu einer «Verwässerung» des Schlafes. Das bedeutet, dass sich lediglich der Anteil des oberflächlichen Schlafes vermehrt, während der Tiefschlafanteil konstant bleibt oder gar dadurch gestört wird.
Beim Prozess C ist offensichtlich, dass hier die Tagesstruktur eine wesentliche Rolle spielt. Regelmässige Mahlzeiten, ausreichende Beschäftigung und körperliche Aktivität sind neben genügender Lichtexposition wesentliche Faktoren. Für die Regulation des 24-Stunden-Rhythmus ist die Lichtexposition am Morgen von Bedeutung. Es handelt sich um den wichtigsten Zeitgeber, der dafür sorgt, dass unsere innere Uhr in Übereinstimmung mit der Tageszeit bleibt. Diesbezüglich ungünstige Faktoren sind Immobilisierung, visuelle Probleme, eingeschränkte Tagestruktur und helles Licht am Abend. Im Extremfall kann dies zu einer Tag-Nacht Umkehr führen.
Bei insomnischen Störungen bei älteren Menschen ist zunächst einmal zu betrachten, inwiefern die obengenannten Einflussfaktoren beteiligt sind und ob es hier Korrekturmöglichkeiten gibt. Des Weiteren ist es wichtig, für den Patienten und den Arzt realistische Erwartungen an den Schlaf zu haben. Auch längere Wachzeiten in der Nacht sind bei älteren Menschen normal und es ist meistens wenig sinnvoll, von einer Behandlung eine Schlafqualität zu erwarten, welche man in jugendlichem Alter hatte. Wie erwähnt kommt es im Alter auch zu einer Vorverschiebung des 24-Stunden-Rhythmus, indem der Impuls schlafen zu gehen früher registriert wird. Der damit verbundene zu frühe Anstieg des Melatoninspiegels kann durch spätere Mahlzeit, vermehrte Aktivitäten abends und allenfalls auch durch Lichtexposition am Abend unterdrückt werden.
Neben diesen lebensnahen Verhaltensfaktoren ‒ und neben offensichtlichen Faktoren wie Schmerzen, Blasenfunktionsstörungen u.a.m. ‒ kann der Schlaf von älteren Menschen durch weitere somatische und psychologische Störungen leiden. Daneben sind spezifische Schlafstörungen bekannt (zum Beispiel das Restless Legs Syndrom), welche besonders häufig im Alter ein Problem darstellen. Demenzen und psychiatrische Störungen, am häufigsten Depressionen, führen zu relevanten Schlafstörungen, des Weiteren spielt der Substanzgebrauch oft eine Rolle (Alkohol).
Schlaf und Demenz
Die oben beschriebenen Veränderungen des Schlafes im Alter mit zunehmender Schwäche des circadianen Rhythmus und der abnehmenden Schlafstabilität treten bei Menschen mit Demenz umso stärker zu Tage und es stellt sich somit die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang. Vermehrte Schlaffragmentierung, Abnahme des Tiefschlafes und Insomnie sind mit einem erhöhten Risiko einer Demenz verbunden. Oder sind die Schlafstörungen sekundäre Folge der degenerativen Hirnerkrankung? Für ersteres spricht, dass es gelungen ist, durch Verbesserung der Schlafqualität den Verlauf von Demenzen zu beeinflussen (vgl. Kapitel zur Schlafapnoe). Aber auch Patienten, die vermehrt müde oder schläfrig sind, haben ein erhöhtes Demenzrisiko. Insbesondere Parkinsonpatienten sind oft vermehrt müde und können gar eine Narkolepsie-ähnliche Schläfrigkeit entwickeln.
Restless Legs Syndrom (RLS): Häufigste behandelbare Ursache für Insomnie
Beim RLS handelt es sich um eine Erkrankung, welche mit einer Inzidenz von ca. 3-7% in der Bevölkerung auftritt. Die Inzidenz nimmt im Alter zu. Aber nicht alle betroffenen Personen haben derart starke Beschwerden, dass sie behandlungsbedürftig sind. Die internationale RLS-Gesellschaft (IRLSSG) hat fünf essentielle Diagnosekriterien aufgestellt, die alleine auf der Anamnese beruhen. Der Nachweis von periodischen Beinbewegungen (Periodic Limb Movement Syndrome, PLMS) im Schlaflabor kann helfen, die Diagnose zu bestätigen. Aber ein PLMS ist nur bei 80% der RLS-Patienten nachweisbar. Zudem ist zu beachten, dass gerade im Alter PLMS sehr häufig als unspezifisches Phänomen (bei symptomfreien Personen) nachgewiesen wird. Als supportives Merkmal wird das Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie aufgeführt. Dies sollte jedoch heute nicht mehr der Grund sein, die Behandlung mit einer dopaminergen Therapie zu beginnen.
Früher wurde aus diesem Grund oft primär L-Dopa (Madopar) eingesetzt, was bei negativem Behandlungserfolg eine RLS nicht ausschliesst, jedoch sehr rasch zu einem Wirkungsverlust oder gar zu einer Augmentation führen kann. Bei der Augmentation handelt es sich um eine Komplikation in der RLS Therapie vorwiegend unter Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin), welche mit einem Wirkungsverlust verbunden ist, wobei es darüber hinausgehend zu einer Ausbreitung der Symptome in die Arme und zu einer zeitlichen Ausdehnung der Symptome in den Tag kommt. Die Inzidenz der Augmentation liegt bei etwa 8% pro Jahr (4). Aus diesem Grund sollten zu Beginn nicht mehr Dopaminagonisten, sondern Alpha-Delta-Liganden (Gabapentin, Pregabalin) eingesetzt werden (5). Im Weiteren sollte auf eine ausreichende Eisenversorgung geachtet werden. Bei RLS-Patienten sollte der Ferritinwert über 75µg / ml liegen. RLS-Patienten, welche leichte Symptome haben, können primär auch mit einer Eisensubstitution behandelt werden. Im Weiteren ist darauf zu achten, dass andere Medikamente das RLS verstärken können. In erster Linie handelt es sich um Antidepressiva (alle ausser Trazodon und Bupropion).
Fünf Essentielle Kriterien für das Restless Legs Syndrom (6)
- Bewegungsdrang in den Beinen häufig, aber nicht immer begleitet von unangenehmen Missempfindungen.
- Der Bewegungsdrang und die Missempfindungen beginnen oder verschlechtern sich in ruhigen Situationen wie Sitzen oder Liegen.
- Der Bewegungsdrang und die Missempfindungen verbessern sich ganz oder teilweise beim Bewegen (Herumgehen oder Stretching), zumindest so lange die Bewegungsaktivität andauert.
- Der Bewegungsdrang und die Missempfindungen treten deutlich intensiver oder ausschliesslich am Abend oder in der Nacht auf.
- Die Beschwerden können nicht mit Sicherheit durch eine andere Erkrankung oder Verhaltensauffälligkeit erklärt werden (Muskelschmerzen, Muskelkrämpfe)
Obstruktive Schlafapnoe: Hinsehen und Behandeln
Die obstruktive Schlafapanoe wird im Alter oft nicht erkannt. Dabei spielen wahrscheinlich verschiedene Faktoren eine Rolle. Oftmals hat sich der Partner an das laute Schnarchen gewöhnt oder das Paar hat sich mit getrennten Schlafzimmern arrangiert. Nicht immer führt die Schlafapnoe zur klassischen Symptomatik mit nicht-erholsamem Schlaf und vermehrter Tagesmüdigkeit. Die Schlafapnoe kann auch zu insomnischen Störungen und nächtlichen Panikattacken führen. Des Weiteren sind Kopfschmerzen nicht selten ein zusätzliches Symptom. Was im Alter oft übersehen wird, sind die kognitiven Störungen, welche eine Schlafapnoe bewirkten kann. Diese teilweise nicht-typischen Symptome führen dazu, dass an die Schlafapnoe bei älteren Menschen oft nicht gedacht wird. Dabei handelt es sich um eine im Allgemeinen gut zu behandelnde Erkrankung, was sich wesentlich auf die Lebensqualität auswirken kann. Zudem stellt die obstruktive Schlafapnoe einen Risikofaktor hinsichtlich deiner Demenz dar (7).
Standardtherapie ist die CPAP-Beatmung und es konnte gezeigt werden, dass sich unter Behandlung die kognitive Verschlechterung bei Patienten mit MCI (Mild Cognitive Imapirment) verlangsamte (8). Bemerkenswert ist, dass dies bei einer Patienten-Population, welche nicht wesentlich schläfrig war, zu beobachten war. Dies bestätigt einmal mehr, dass bei älteren Patienten nicht alleine auf das Leitsymptom Schläfrigkeit fokussiert werden sollte. Die Behandlung der Schlafapnoe mittels CPAP-Therapie führt auch zu einer günstigen Beeinflussung der Biomarker (Zunahme von Tiefschlaf und Abnahme von Amyloid-β) (9). Selbstverständlich ist es nicht einfach, ältere Menschen bei subjektiv geringem Leidensdruck zu motivieren, eine CPAP-Therapie durchzuführen, aber man sollte nicht vorschnell die Flinte ins Korn werfen. Unsere Erfahrung zeigt, dass bei älteren Menschen oftmals eine Behandlung möglich ist und sich dann manchmal wider Erwarten auch ein subjektiv positiver Therapieerfolg zeigt. Es bedarf jedoch einer intensiven Patientenführung und Überwachung. Sollte sich die Schlafqualität unter Behandlung verschlechtern, muss konsequenterweise ein Therapieabbruch in Betracht gezogen werden.
Wann Schlafstörungen im Zentrum abklären:
- RLS: fehlendes Ansprechen auf zwei Substanzen oder atypische Präsentation. Schwere Beeinträchtigung im Alltag oder sekundäre Therapieresistenz (Augmentation)
- Schlafapnoe: Pathologischer Screening Test und Behandlungsbedarf bzw. Behandlungsbereitschaft absehbar
- RBD: Nächtliche Verhaltensstörungen
- Schwere Schlafstörungen, welche zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit führen
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Der Autor hat deklariert, keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag zu haben.
◆ Schlafstörungen und vermehrte Müdigkeit im Alter haben oft ihre Ursache in ungünstigen Verhaltensweisen.
◆ Modifizierung von Beschäftigung, körperlicher Aktivität, Schlafzeiten und Lichtexpositionen führen oft zu einer verbesserten Schlafqualität.
◆ Das Restless Legs Syndrom ist häufig und kann im Allgemeinen gut behandelt werden.
◆ Die Obstruktive Schlafapnoe präsentiert sich bei älteren Menschen oft atypisch. Deren Behandlung ist möglich und führt zu einer günstigen Beeinflussung des Verlaufes besonders bei Patienten mit leichten Demenzen.
1. Maurice M. Ohayon et al. Meta-Analysis of Quantitative Sleep Parameters From Childhood to Old Age in Healthy Individuals: Developing Normative Sleep Values Across the Human Lifespan. SLEEP 2004;27(7):1255-73
2. A. Borbely. Das Geheimnis des Schlafes. 1984. http://www.pharma.uzh.ch/static/schlafbuch/KAP3.htm#3.1
3. Till Roenneberg et al. A marker for the end of adolescence. Current Biol, Volume 14, Issue 24, 2004, R1038–R1039
4. R.P. Allen, W.G. Ondo, E. Ball, et al. Restless legs syndrome (RLS) augmentation associated with dopamine agonist and levodopa usage in a community sample. Sleep Med, 12 (2011), pp. 431-439
5. Garcia-Borreguero D et al. Guidelines for the first-line treatment of restless legs syndrome/Willis–Ekbom disease, prevention and treatment of dopaminergic augmentation: a combined task force of the IRLSSG, EURLSSG, and the RLS-foundation. Sleep Medicine.2016 (21):1-11
6. R.P. Allen et al. Restless legs syndrome/Willis-Ekbom disease diagnostic criteria: updated International Restless Legs Syndrome Study Group (IRLSSG) consensus criteria–history, rationale, description, and significance. Sleep Med. 2014 Aug;15(8):860-73
7. Jackson M et al. Severe Obstruktive Sleep Apnea is Associated with higher Brain Amyloid Burden: A Prelimnary PET Imaging Study. Journal of Alzheimer’s Disease. 2020 Vol, no. 2, 611-617
8. Richards K.C. CPAP Adherance May Slow 1-Year Cognitive Decline in Older Adults with Mild Cognitive Impairment and Apnea. J AM Geriatr Soc: 2019; 67(3): 558-564
9. Ju Yo-El S. Obstructive Sleep Apnea treatment, slow wave activity and amyloid-β. Ann Neurol.2019;85(2):291-295
der informierte @rzt
- Vol. 11
- Ausgabe 9
- September 2021