- SGAIM-Herbskongress 2023
«Science and the Art of Medicine» war das Thema der Tagung, die zum ersten Mal in der Geschichte der SGAIM in Zürich stattfand. Wissenschaft im Zusammenspiel mit anderen Komponenten, Empathie, Bauchgefühl, Humanismus zusammengeführt als Kunst, als ärztliche Kunst, um eine möglichst optimale patientenorientierte Medizin zu ermöglichen, so der Tagungscopräsident Prof. Lars Huber bei seiner Begrüssung und Einführung.
Corticosteroidsparende immunmodulierende Therapien – Neue Entwicklungen
Generelle Management-Konzepte der Immunmodulation
Der natürliche Verlauf des SLE und die möglichen Auswirkungen einer zielgerichteten Behandlungsstrategie: Die Krankheit beginnt mit einer präklinischen, asymptomatischen Phase, die zunächst durch das Auftreten von Autoantikörpern, die für alle Autoimmunerkrankungen typisch sind, und später von lupusspezifischen Autoantikörpern gekennzeichnet ist. Der anschliessende klinische Verlauf ist gekennzeichnet durch Perioden variabler Krankheitsaktivität (gemessen mit SLE-Krankheitsaktivitätsindizes), mit häufigen Schüben, die zu entzündungsbedingten irreversiblen Schäden führen. Die Schädigung – gemessen mit dem SLICC/ACR-Schadensindex – erhöht die Morbidität und Mortalität bei SLE. Die Schäden werden zunächst durch die Entzündung und später – bei Fortschreiten der Erkrankung – auch durch die Therapie verursacht. Mit der Zeit werden Begleiterkrankungen wie Infektionen, vorzeitige Atherosklerose und bösartige Erkrankungen zu einem wichtigen Teil der Krankheitslast. Eine wirksame Therapie, die auf eine geringe Krankheits-Aktivität oder Remission ausgerichtet ist, hat das Potenzial, die Häufigkeit und Schwere der Lupusschübe und die daraus resultierenden Schäden zu verringern, so Prof. Dr. med. Britta Maurer, Inselspital Bern.
Behandle, um zu behandeln: triff hart und früh, gehe zurück.
Behandle gezielt: Remission/geringe Krankheitsaktivität.
Enge Kontrolle: Minimiere die schädlichen Auswirkungen der Behandlung, Beuge den Krankheitsschüben vor.
Glucocortiosteroide: Das Risiko für negative Effekte beginnt mit Dosierungen über 5mg/Tag. Das generelle Prinzip in der klinischen Praxis ist, verwende die kleinstmögliche Dosis während der kürzest möglichen Zeit, um die gewünschte therapeutische Wirkung zu erreichen ohne das Risiko unakzeptabler schwerer Nebenwirkungen einzugehen.
Systemischer Lupus Erythematodes
Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) kann potentiell jedes Organ betroffen sein, so kommt Livedo reticularis in10% vor, Arthritis in 85% und eine neurologische Erkrankung in 18%) vor. Weitere Manifestationen sind nicht vernarbende Alopezie (31%), akuter kutaner Lupus (71%), chronisch kutaner Lupus (11%), Malarausschlag (45%), Mundgeschwüre (25%), Nierenerkrankung (21%), Raynaud Syndrom (37%), kraniale Neuropathien (2%) kognitive Dysfunktionen (2%), Serositis (19%), Leukopenie (35%), Thrombozytopenie (16%), Antiphospholipid Syndrom 10%), Lymphadenopathie (9%), hämolytische Anämie (3%), Fieber (31%), sowie Beteiligung grösserer Organe ohne Kriterien (19%).
Therapeutische Optionen
Hydrochloroquin
Als Dauertherapie wird Hydrochloroquin eingesetzt. Hydrochloroquin wirkt anti-inflammatorisch und anti-thrombotisch. Es hat günstige metabolische Effekte: Reduktion von Glucose und besonders Gesamtcholesterin- und LDL-Werten. Eine Dosis von 5mg/kg/Tag sollte nicht überschritten werden. In Abwesenheit von Risikofaktoren sollte eine ophthalmologische Untersuchung bei Therapiebeginn und nach 5 Jahren Einnahmedauer sowie jährlich danach durchgeführt werden.
Primäres Antiphospholipid-Syndrom
Bei Patientinnen mit wiederkehrenden Schwangerschaftskomplikationen kann Chloroquin im ersten Trimester in Betracht gezogen werden.
Voclosporin
Voclosporin ist ein Calcineurin-Inhibitor mit immunsuppressiver Wirkung, Es blockiert die Aktivierung und Proliferation von T-Zellen, reduziert die Produktion von pro-inflammatorischen Zytokinen und erhöht die Podozyten-Stabilität, stabilisiert die Filtrationsbarriere und senkt die Proteinurie.
Voclosporin bei Lupus-Nephritis (aktive Klasse III, IV, V,I, inkl. V/V)
Kein Medikamenten-Monitoring notwendig, benignes metabolisches Lipid- und Elektrolyt-Profil, kein Einfluss auf Mykophenolat Mofetil-Spiegel, signifikanter Benefit durch Zugabe von Voclosprorin zur Standardtherapie, schnelle Senkung Anifrolumab reduziert die Produtktion von proinflammatorischen Zytokinen, und Proteinurie, signifikant höhere komplette Remissionsrate nach einem Jahr.
Lupkynis: (Voclosporin) wurde im Jahre 2021 zugelassen. Es muss von Experten verschrieben und überwacht werden. Die Dosis beträgt 2 x 23.7mg/d p.o. In Kombination mit Hintergrund-Immunsuppressiver Therapie. Es handelt sich um ein CYP3A4-Substrat und ist deshalb kontraindiziert bei Patienten, die starke CYP3A4 Inhibitoren einnehmen (erhöhtes Risiko für akute/chronische Nephrotoxizität). Negative Nebeneffekte sind ähnlich wie bei anderen Calcineurinen ausser seine potentielle Teratoxizität.
Anifrolumab
Anifrolumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an den Inteferon α-Rezeptor bindet. Es wirkt anti-inflammatorisch, blockiert die T- und B-Zellaktivierung und ihre Proliferation. Es reduziert die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen und verringert die humorale und zellvermittelte Immunantwort gegen Selbst-Antigene.
Anifolumab bei SLE mit moderater bis schwerer Krankheitsaktivität: Es senkt (in Kombination mit Hintergrund-Therapie) die Krankheitsaktivität bei SLE insgesamt sowie die kumulativen Corticosteroid-Dosierungen. Es ist besonders wirksam bei Haut und muskuloskelettaler Krankheit. Eine Phase-3-Studie bei Patienten mit Lupus-Nephritis ist am Laufen, dabei sind keine Patienten mit ZNS-Manifestationen eingeschlossen. Es blockiert die Selbstperpetution der Inflammation.
Saphnelo: Die Substanz wurde 2022 zugelassen. Verschreibung und Überwachung durch Experten. Dosierung 300mg/4 Wochen i.v.. Daten zu Nieren- oder ZNS-Beteiligung gibt es nicht. Die häufigsten unerwünschen Nebenwirkungen sind Infektionen, d.h. Nasopharyngitis, Bronchitis, Herpes zoster, Überempfindlichkeitsreaktionen, und Infusionsreaktionen.
Avacopan: Avacopan ist ein Inhibitor des Komplementfaktors C5a u. Es blockiert die Selbsterneuerung der Inflammation. Es wird zur Behandlung von ANCA-assoziierten Vaskulitiden eingesetzt. Avacopan in Kombination mit Rituximab oder Cyclosphosphamid kann zur Remissionsinduktion bei Granulomatose mit Polyangiitis oder mikroskopischer Polyangiitis in Betracht gezogen werden. Es scheint wirksam zur Aufrechterhaltung der Remission zu sein, aber Daten über 52 Wochen fehlen. Es hatte auch positive Effekte auf die Lebensqualität/Fatigue. Die Dosierung beträgt 2x 30mg p.o. in Kombination mit Rituximab oder Cyclophosphamid plus Cortocosteroid (Dosierung wie klinisch indiziert).
Tavneos wurde 2022 zugelassen, Verschreibung und Überwachung durch Experten. Für Anca-assoziierte Vaskulitis. Die Dosierung beträgt 2 x 30 mg p.o. in Kombination mit Rituximab oder Cyclophosphamid plus Corticosteroid (Dosierung wie klinisch indziert).
Negative Nebeneffekte sind: Hepatotoxizität, (schwere, opportunistische) Infektionen Rezeptoren und /Reaktivierung von Hepatitis B, Leukopenie/Lymphopenie, Angioödem, Kopfweh, Nausea. Es ist potenziell teratogen. Es ist ein YP3A4-Substrat. Interaktionen gibt es mit CYP3A4 Inhibitoren oder Induktoren, die die Aacopan-Spiegel erhöhen oder vermindern.
Rezeptoren der JAK-Familie und entsprechende Kinasen
JAK-Inhibitoren – Gegenstand der Debatte: Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, bei denen konventionelle DMATDs versagt haben und die schlechte prognostische Faktoren haben sollte – ein biologisches DMARD gegeben werden. Dabei sollte der Einsatz eines JAK-Inhibitors nur nach Risikobeurteilung eingesetzt werden, d.h. Alter über 65 Jahre, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Malignitäten, Thrombose.
Zulassungsbehörden (Swissmedic, EMA, FDA) postulieren einen potentiellen Klasseneffekt und empfehlen deshalb Verwendung von JAK-Inhibitoren bei Patienten ohne Risikofaktoren.
Immunmodulation
Anti-fibrotische Strategien
Nintedanib ist en Multikinase-Inhibitor, der u.a. die Rezeptor-Tyrosinkinasen der Wachstumsfaktoren VEGF, FGF und PDGF inhibiert. Es wirkt anti-inflammatorisch, anti-angiogen und anti- fibrotisch. In der SENSCIS® Studie war bei Patienten mit interstitieller Lungenkrankheit, einer häufigen Manifestation bei systemischer Sklerose zeigte Nintedanib antifibrotische und antiinflammatorische Wirkung. Sowohl bei Patienten, die Mycophenolat bei Baseline einnahmen, als auch bei solchen, die kein Mycophenolat einnahmen, ergab Nintedanib eine signifikante Verringerung der jährlichen Rate einer FVC (forcierte Vitalkapazität)-Abnahme von 40% bzw. 46%. Auch bei Patienten mit autoimmun-vermittelter interstitieller Lungenkrankheit zeigte Nintedanib nach 52 Wochen eine relativ geringere Abnahme der FVC.
Ofev: zugelassen 2022, verschrieben und überwacht von Experten. Dosierung 2 x 150mg p.o. (2 x 100mg p.o.). Lebenslange Therapie. Kontraindikationen umfassen Hypersensitivität gegenüber Erdnüssen und Soja, Schwangerschaft. Negative Nebeneffekte sind gastrointestinale Effekte (60%, Therapieabbruch bei 5-20%). Epistaxe, Verschlechterung der vaskulären Aneurysmen/Dissektionen.
Zelluläre Therapien
Autologe hämatopoetische Stammzelltransplantation
CAR T Zell-Therapie (Chimeric Antigen-Receptor-T-cell-Therapy)
Seit 2017 bei hämato-onkologischen Krankheiten zugelassen. Die Risiken der Therapie sind Zytokinfreisetzungssyndrom bei 50-90%.
Immuneffektorzellen-assoziiertes Neurotoxizitätssyndrom 20-60%. Behandlung mit Dexamethason und IL-6-Inhibition. Die Referentin berichtete abschliessend über eine Studie mit CAR T Zelltherapie bei systemischem Lupus erythematodes.
Anti-CD19-T-Zelltherapie für refraktäre systemische Erythematodes
Wirksame/anhaltende Depletion von CD19+ B-Zellen und (gewebeansässigen) Plasmablasten. Studienpopulation. SLE Patienten, 4 Frauen, 1 Mann, Alter 18-24 Jahre, aktive Multiorgan-Krankheit, medianer SLEDAI-2K 16, Lupusnephritis, keine ZNS-Beteiligung, refraktär für mehrer DMARDs (GC, Cyclophosphamid, Belinumab, Hydrochychloroquin.
Resultate: Verbesserung bei allen Patienten, 4SLEDAI-2K =0 nach 3 Monaten, Normalisierung der Komplementwerte, Verschwinden der anti-ds-DNS. Andauernde Medikament-freie Remission nach 8 Monaten (trotz Wiederauftreten von B-Zellen nach 100 Tagen).
SLEDAI-2K (Systemischer Lupus erythematodes Krankheitsaktivitätsindex 2000) ist eine Möglichkeit zur Berechnung der Krankheitsaktivität von SLE. Die Studie ist ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit der CAR T-Zelltherapie.
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