- Sind Co-Agonisten die Zukunft?
Trotz gewisser Fortschritte ist bei der Diabetestherapie noch Luft nach oben. Interessant sind neue Strategien, nämlich die Co-Agonisten, genauer gesagt die Twin- und Trincretine. Diese innovativen Substanzen werden die Therapie des Typ-2-Diabetes wesentlich bereichern.
«Nach der Einführung der DPP4-Inhibitoren, der SGLT2-Hemmer und der verbesserten GLP-1-Agonisten stellt sich die Frage: Wie geht es weiter in der Diabetologie? Welche neuen Therapiestrategien sind in Entwicklung?», so Professor Marc Donath, Basel.
Twin- und Trincretine: Inkretinprofil wie nach bariatrischer Operation
Twincretine sind Substanzen, bei denen in einem Molekül Agonisten zweier Inkretinrezeptoren eingebaut sind, bei drei Agonisten spricht man von Trincretinen. Die Idee, in einem Molekül Agonisten mehrerer Inkretinrezeptoren zu «verbauen», wird schon seit über zehn Jahren verfolgt. Bei der Synthese solcher Peptide sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, es sind bis zu drei Inkretine möglich, das heißt es können bis zu drei Rezeptoren aktiviert werden. Davon erwarte man sich eine gesteigerte Wirksamkeit bzgl. Blutzuckersenkung aber auch einen zusätzlichen Benefit im Hinblick auf Begleiterkrankungen wie z.B. die nicht-alkoholische Fettleber und die Adipositas. In gewisser Weise ahmen solche Twin- und Trincretine auch das Inkretinprofil nach einem bariatrischen Eingriff nach, wo es neben der Kalorienerestriktion auch zu weitergehenden appetithemmenden und blutzuckersenkenden Effekten durch die veränderten anatomischen Verhältnissen kommt.
Erste Daten sind vielversprechend
Twincretine, für die bereits klinische Daten vorliegen, sind der GLP-1-/Glucagon-Agonist Cotadutide und der GLP-1-/GIP-Agonist Tirzepatide. «Diese Substanzen haben das Potential, bei adipösen Typ 2-Diabetikern eine klinisch bedeutsame Verbesserung von Blutzucker und Körpergewicht zu bewirken», so Donath. Der GIP/GLP-1-Agonist Tirzepatide wurde zunächst mit Dulaglutid und Placebo verglichen. Es zeigte sich eine stärkere Gewichtsabnahme unter dem Twincretin (-11,3 kg vs. -2,7 kg). Bzgl. gastrointestinaler Nebenwirkungen gab es keine relevanten Unterschiede zwischen den beiden Verum-Gruppen.
In einer neuen Studie wurde Tirzepatide mit dem Basalinsulin Glargin 100U/l bei 1.995 Typ-2-Diabetikern, die nicht optimal eingestellt waren und ein hohes kardiovaskuläres Risiko trugen, verglichen. Nach 52 Wochen zeigte sich unter 15 mg Tirzepatide ein signifikanter HbA1c-Abfall von 2,58 %, in der Glargin-Gruppe waren es nur 1,44%. Nebenwirkungen (Nausea, Durchfall, Appetitabnahme, Erbrechen) traten unter Tirzepatide häufiger auf, Hypoglykämien aber seltener (9 % vs. 19 %). Bei einer entsprechenden Adjustierung traten MACE-4-Ereignisse (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, instabile Angina pectoris) in beiden Gruppen gleich häufig auf (3 % unter Tirzepatide vs. 4 % unter Glargin). Es werden verschiedene potenzielle Interaktionen diskutiert, über die es mit den beiden «Inkretinschenkeln» zu dem eindrucksvollen Netto-Effekt kommen könnte: GIP verstärkt die Aktivität von GLP-1, GLP-1 sensibilisiert den GIP-Rezeptor, GIP desensibilisiert den GIP-Rezeptor.
«Bei aller gebotenen Vorsicht, beide Twincretine bedeuten einen echten Fortschritt in der Diabetestherapie und angesichts der überzeugenden Studiendaten wird eine Zulassung für Tirzepatide für Ende dieses Jahres erwartet», so Donath. Die vorliegenden Daten signalisieren, dass die Zeit der lieb gewonnenen basalen Insulinierung allmählich zu Ende geht und diese Strategie durch die neuen Modalitäten nämlich die Twincretine ersetzt werden dürfte. Die spannende Frage aber ist, ob sich die neuen Twincretine vom besten derzeit verfügbaren GLP-1-Agonisten Semaglutid absetzen können. Und werden Triple-Agonisten noch besser wirken?