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Herzprobleme bei extremen Meerestiefen

Tauchen Sie mit ganzem Herzen?

Was früher als risikoreiche Betätigung für unerschrockene Individualisten angesehen wurde, wird zu einer von vielen Erholungsmöglichkeiten für die breite Öffentlichkeit, als gäbe es mit der entsprechenden Ausrüstung in der Welt unter Wasser keine (Alters)-Grenzen mehr. Das stimmt zwar überwiegend, aber eben nicht immer. Es gibt keine andere sportliche – und übrigens auch keine berufliche – Betätigung, die mit so vielen physiologischen Veränderungen einhergeht, wie das Tauchen.



Das Tauchen mit einem Druckluftgerät beeinflusst das kardiovaskuläre System nur indirekt. Im Gegensatz zu den Atmungsorganen und den Organen des HNO-Bereichs, werden der Kreislauf und insbesondere das Herz durch die Änderungen des hydrostatischen Druckes nur geringfügig beeinflusst, da sie keine gasgefüllten Hohlräume aufweisen.
Deshalb folgen Herzprobleme beim Tauchen nicht der Logik, je tiefer umso grösser. Zutreffend ist aber: je tiefer umso länger ist der Weg nach oben. Hier liegt der wesentliche Punkt der häufigsten Tauchzwischenfälle. Was an Land kaum ein Problem darstellt, endet unter Wasser mit einer Katastrophe. Wenn es Ihrer Patientin beim Biken oder Wandern unwohl ist, weil sie Schwindel, Atemnot oder Palpitationen verspürt, setzt sie sich hin und ruht sich aus. Meist bessern die Symptome oder sind zumindest einigermassen erträglich, weil sie sich mit Begleitenden austauschen oder Hilfe anfordern kann. Unter Wasser ist dies ausgesprochen schwierig, ja praktisch unmöglich. Mit der extrem eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeit ist die Patientin allein gelassen und verspürt extreme Hilflosigkeit, was rasch zu Panik führt, auch wenn sie habituell nicht dazu neigt. 20 Meter unter dem Wasserspiegel sind dann eine extreme Tiefe, denn der Aufstieg unmittelbar kaum unbeschadet möglich.

Wechselnde intrathorakale Drucke wegen Lagewechsel

Ein Lagewechsel unter Wasser kann Druckveränderungen von –30cm H2O und +20cm H2O bewirken. Die negativen Drucke bedeuten einen Preload-Anstieg und die positiven Drucke eine Preload-Senkung sowie positiven endexspiratorischen Druck (PEEP). So wird bereits die Kopfüberlage – zum Beispiel damit die Flossen keinen Sand aufwirbeln beim Betrachten eines kleinen Seepferdchens in der seichten Seegraswiese vor dem stillen Hausriff – eine extreme Tiefe sein für eine Taucherin mit pulmonal-arterieller Hypertonie. Der kritische pulmonal-arterielle Druckanstieg bewirkt eine akute Rechtsherzdekompensation.

Immersion

Bereits das Stehen im Wasser, Schwimmen oder Schnorcheln an der Oberfläche bewirkt eine mittelschwere Volumenbelastung mit Erhöhung des Preloads durch einen relativ negativen intrathorakalen Druck. Mit einer Herzinsuffizienz können also schon 1 bis 1½ Meter eine extreme Tiefe sein.

Aufenthalt im Wasser erhöht auch beim Gesunden den Sauerstoffverbrauch und die Herzarbeit

Bei eingeschränkter Pumpfunktion ist jede Tiefe extrem und zwar auch dann, wenn sich die Pumpfunktion erst durch den Tauchgang selber verschlechtert, zum Beispiel als Folge des höheren Sauerstoffbedarfs. Da ist das Gewicht der Ausrüstung, die 20 kg und mehr schwer sein kann und unter Umständen auf einem wackeligen Boot manövriert werden muss. Die unter Wasser höheren Atemwegswiderstände erhöhen die einfache Atemarbeit. Der Aufenthalt im Wasser selbst ist unabhängig von der Tiefe für den Herzmuskel eine Mehrarbeit, der er nicht ausweichen kann. Denn Wasser ist ein sehr guter Wärmeleiter. Kälte und Absinken der Körpertemperatur verlangen zusätzliche Muskelarbeit zur Wärmegewinnung. Die Kälte führt zur Vasokonstriktion und somit zur Zunahme des peripheren Widerstandes und damit des Afterloads. Auch in warmen Gewässern kann eine relevante Unterkühlung auftreten. Ein passender Tauchanzug hilft, die Wärme zu isolieren. Passt er nicht perfekt – oder passt die Taucherin nicht mehr so gut rein –, wird er wegen seiner Enge den peripheren Widerstand zusätzlich erhöhen und damit nochmals den Afterload. Auch die stressbedingte Vasokonstriktion führt zu einer Erhöhung des Afterloads.
Hinzukommt der Tauchreflex (Diving reflex response), ein Schutzmechanismus aller lungenatmenden Lebewesen beim Eintauchen in Wasser. Durch eine Kälteeinwirkung im Gesichtsbereich, wird eine Stimulation des Parasympathikus getriggert, verbunden mit Apnoephasen, verlangsamt sich die Herzfrequenz und das zirkulierende Blutvolumen wird zentralisiert (Bloodshift). Dieser Mechanismus stellt für den Herzmuskel wechselnde Volumenlasten dar und begünstigt zudem das Auftreten von ektopen Ersatzrhythmen bei einer Prädisposition. Während eines Tauchgangs kann die Taucherin über einen halben Liter Flüssigkeit verlieren durch die physiologische Taucherdiurese, der vermehrten Harnproduktion durch den Gauer-Henry-Reflex. Durch die Dehydrierung verschlechtern sich die rheologischen Eigenschaften des Blutes, der Afterload steigt und durch die schlechtere Mikrozirkulation verzögert sich der Stickstoffabtransport in der Auftauchphase. Die Gefahr der Stickstoffübersättigung mit dem erhöhten Risiko für das Auftreten eines Dekompressions-Unfalles steigt erheblich. Es wird daher empfohlen, den Körper regelrecht auf das Tauchen mit vermehrter Flüssigkeitsaufnahme vorzubereiten, was für Herzinsuffiziente belastend wäre.
Zu all diesen Lasten kommt letztendlich noch die eigentliche Taucherarbeit dazu: das Paddeln mit den Flossen, damit eine so gemütliche Sache wie ein Unterwasserspaziergang in den Korallengärten überhaupt möglich ist.

Diese kleine Nacktschnecke (Nembrotha kubaryana) schützt sich im Korallengarten durch Toxine. Sie gehört wegen ihrer leuchtenden Farben zu den grossen Stars in tropischen Korallenriffen. Höchstens die Hälfte aller Arten ist bis heute identifiziert.

Anforderungen an das Herz-Kreislaufsystem beim Freizeittauchen

Krankheiten und Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, die an Land meist keine Probleme verursachen, können unter Wasser fatale Auswirkungen haben. Rhythmusstörungen, manifeste Herzinsuffizienz, symptomatische oder durch Medikamente symptomfrei gewordene koronare Herzkrankheit und stenotische Vitien könnten zu einem letalen Ausgang führen. Die Hauptgefahr ist nicht unbedingt der primäre Herztod, sondern plötzliche Bewusstlosigkeit oder Handlungsunfähigkeit in einer Umgebung, die zum Ertrinken mit Asphyxie oder zu einem unkontrollierten Aufstieg zur Wasseroberfläche und in der Folge zu einer akuten Gasembolie (AGE) oder Dekompressionskrankheit (DCS) führen würden.
Die Analyse von fatalen Tauchunfällen zeigt mehrheitlich Auslöser und Ursachen, auf welche die bestehenden Sicherheitsregeln bereits ausgerichtet sind (1). Abbildung 1 zeigt, dass die meisten Todesfälle auf wenige Ursachen zurückzuführen sind (1). Bei 590 von 947 Todesfällen 1992-2003 konnten diese geklärt werden und die drei Häufigsten, die 88% der Todesfälle verursachen, sind Asphyxie (33%), AGE (29%) und Herzprobleme (26%). Die übrigen sind Traumata (5%), DCS (2.5%), unklarer Bewusstseinsverlust (2.5%) und fehlerhaftes Atemgas (2%).
Die Auswertung der Stickybeak Daten 1972-2005 von Divers Alter Network (DAN) (2), liefert ähnliche Daten mit etwas mehr Asphyxie (49%), die seltener bei älteren Tauchern vorkommt, die in den 70er und 80er Jahren im Vergleich zu heute untervertreten sind, AGE (25%) und Herzprobleme (19%). Sie konnte zusätzlich zeigen, dass letztere mit Anstrengung (besonders bei den jüngeren Tauchern), Herzerkrankungen und höherem Alter einhergingen (3).
Um nicht sich selbst oder Mittauchende zu gefährden, müssen gesundheitliche Probleme vor dem Tauchen geklärt werden. Zur Beurteilung der kardiovaskulären Tauchtauglichkeit gehört die Einschätzung der Leistungsfähigkeit. Bei Berufstauchern wird zur Objektivierung der Leistungsreserve eine symptomfreie 13fache Leistungssteigerung des metabolischen Ruhewertes (13 MET) gefordert. Mit ähnlich hohen Belastungen können auch Sporttaucherinnen jederzeit konfrontiert werden (Strömung, technische Probleme). Sie müssen auch leistungsmässig im Stande sein, ihrem Buddy (Tauchpartnerin) zu helfen, sie zu retten und aus dem Wasser zu ziehen. Bove empfiehlt als Voraussetzung zum Tauchen eine symptomfreie anhaltende 8-fache und kurzfristig sogar 13-fache Leistungssteigerung des metabolischen Ruhewertes (8 respektive 13 MET) (4). Mit einer gewissen Logik lässt sich die Tauglichkeit zum Freizeittauchen bei Herz- und Gefässerkrankungen bestimmen, wenn Zustände ausgeschlossen werden, welche die Leistungsfähigkeit oder das Bewusstsein einschränken.

Das gelbe Seepferdchen (Hyppocampus cuda) lebt weltweit in tropischen und gemässigten Meeren und bevorzugt Seegraswälder, wo die Männchen die Jungtiere gebären.

Koronare Herzkrankheit

So ist bei koronarer Herzkrankheit (KHK) eine normale Hämodynamik unabdingbare Voraussetzung sowie die Abwesenheit von (Rest)ischämie – auch eine stabile Angina pectoris, die unter Medikamenten symptomfrei geworden ist –, Rhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz. Die Taucherin muss über Risiken informiert werden. Ihre Eigenverantwortlichkeit auch gegenüber Mittauchenden muss unterstrichen werden. Von anstrengenden Tauchgängen (Strömung, Kälte) ist abzuraten und jährliche Kontrolluntersuchungen sind zu empfehlen.
Ein grosses Problem stellt die stumme Ischämie dar. Über 75% der fatalen Ischämien folgen auf eine zuvor unbekannte KHK. In der Altersgruppe der 45-50 und 50-55-jährigen zeigt die DAN-Statistik im ‚Projekt Stickybeak‘ eine höhere Prävalenz für tödlich Tauchunfälle, wobei die KHK die Hauptursache ist (2).

Ebenso gut kann sich die koronare Herzkrankheit tarnen.

Reizleitungsstörungen

Alle Reizleitungsstörungen, die den Cardiac output vermindern oder eine rasche Erhöhung des Cardiac outputs erschweren, führen zu Dyspnoe, Leistungseinbruch, Angst, Schwindel oder gar Synkope, was unter Wasser kaum auszuhalten ist und oft fatal endet. Die Schrittmacherimplantation und ebenfalls die internen kardialen Defibrillatorsysteme (ICD) entschärfen das Problem nur teilweise. Entscheidend ist die kardiale Grunderkrankung. Zudem besteht das Problem der unter Umständen fehlenden oder ungenügenden Leistungsadaptation. Zwar sind heute viele Schrittmachermodelle nicht mehr gasgefüllt, haben eine genügende Druckfestigkeit und weisen keine druckanfällige Piezosteuerungen mehr auf. Ein unerforschtes Feld ist aber das Verhalten der Leitfähigkeit unter Druck an der mit ‚Mikroluft‘ gefüllten Konnektion zwischen Batterie und Sonde.

Shunt- und Klappenvitien

Intrakardiale Defekte wie Vorhofseptumdefekt (ASD) und Ventrikelseptumdefekt (VSD) bergen besonders die Gefahr der Volumenbelastung mit Herzinsuffizienz bei Links-Rechts-Shunt hauptsächlich auf der Ventrikelebene, unter Umständen verschärft durch Hypoxämie. Alle hämodynamisch relevanten Shuntvitien stellen daher eine absolute Kontraindikation zum Tauchen dar. Weiter kann es zu Embolisierung im systemischen Kreislauf bei Shuntumkehr und bei Rechts-Links-Shunt kommen. Ein Wechsel der Vorhofdruckverhältnisse bei Auftauchbedingungen oder durch den oro-naso-pharyngealen Druckausgleich mittels Valsalvamanöver, ist bekannt. Da auch bei korrekten Tauchgängen im venösen Blut Mikrogasblasen sich ansammeln, die regulär symptomfrei in den Lungenkapillaren zurückgehalten würden, besteht dann die erhöhte Gefahr einer paradoxen arteriellen Gasembolie bzw. neurologischen DCS. Etwas abweichend kann man aus Erfahrung das offene Foramen (PFO) beurteilen, welches bei 25-30% der Bevölkerung besteht, fast immer mit Symptomfreiheit einhergeht und unterproportional lediglich eine 2-3-fache Erhöhung des DCS-Risikos mit sich bringt (5). Hier sei nochmals angemerkt, dass daher eine präventive Suche nach offenem Foramen ovale unnötig und der Verschluss bei zufällig bekanntem PFO meistens nicht indiziert ist (6). Es besteht der europaweite Konsens zum low bubble diving. Periphere AV-Shunts sind indessen tauchspezifisch nicht relevant. Alle stenotischen Klappenvitien inklusive hypertrophe Kardiomyopathie sowie alle Vitien, die in Ruhe oder unter Belastung hämodynamisch relevant sind, bergen ein Risiko für akute Dekompensation beim Tauchen.

Herzinsuffizienz und pulmonalarterielle Hypertonie

Die pulmonalarterielle Hypertonie wie auch die Herzinsuffizienz in allen Formen – auch behandelt – sind wegen der Gefahr der akuten Dekompensation mit raschem Lungenödem in allen Fällen eine definitive absolute Kontraindikation.

Arterielle Hypertonie

Zur Rolle der arteriellen Hypertonie beim Tauchen gibt es keine kurze Antwort. Es gibt seit Jahrzehnten unzählige Case-Reports, die auf ein Risiko für plötzliches Lungenödem hinweisen (7). Wichtig sind sicher die gute Einstellung, die Abwesenheit von Zielorganschädigungen oder ungünstige Auswirkungen einer medikamentösen Therapie (8).

Medikamente

Über die veränderte Wirkung von Medikamenten ist unter hyperbaren Bedingungen wenig bekannt. Bei einer Herztherapie muss auch den allfälligen besonderen Ferien-Umgebungsbedingungen wie Hitze oder gastrointestinale Situation Rechnung getragen werden, sowie der Taucherdiurese. Medikamente können per se die physische und psychische Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Das gilt für viele Herz- und Kreislaufmedikamente, Antihypertensiva, Vasodilatantien, Diuretika, Glykoside und Bronchospasmolytika. Unbedenklich sind Antikoagulantien, Aggregationshemmer und NSAID sowie Hormone, Antikonzeptiva und H2Blocker/PPI. Hingegen sind Psychopharmaka, Tranquilizer, Neuroleptika, Hypnotika, Stimulantien, zentralwirkende Analgetika, sedierende Antihistaminika und Aethyl wegen der möglichen Bewusstseinsveränderung nicht mit Tauchen vereinbar.

Notaufstieg – ein schwieriges Verfahren – und dessen mögliche Folgen

Während des Aufstiegs wird unter Druck im Gewebe gelöster Stickstoff zu Stickstoffblasen. Bei zu raschem Aufstieg oder Überschreiten der Tauchzeiten respektive Vernachlässigung der Dekompressionsstopps können solche Stickstoffblasen in allen Körpergeweben embolisieren. Auch während eines korrekten Aufstiegs kommt es nach fast jedem Tauchgang zur Bildung von Stickstoffblasen im venösen Blut. Sie bleiben in den meisten Fällen ohne Symptome, da sie in den Lungenkapillaren zurückgehalten werden. Beim Aufstieg werden sämtliche mit Gas gefüllte Räume sich ausdehnen, entsprechend der Abnahme des hydrostatischen Druckes. Das bedeutet auch, dass die Auftriebskraft entsprechend dem grösseren Gasvolumen in den Tarierwesten immer grösser wird und damit die Aufstiegsgeschwindigkeit immer schneller. Um dies zu verhindern, was unbedingt notwendig ist, muss Luft durch das Ablassventil der Tarierweste abgelassen werden.
Bei Unregelmässigkeit der Luftzufuhr besteht öfter eine Hyperkapnie oder auch nur Angst, nicht genug Luft zu erhalten, was sich zur Panik weiterentwickelt. Da Wasser bei Aspiration zu Ertrinken führt, ist es nachvollziehbar, obwohl völlig falsch, wenn eine Taucherin in der Panik die noch vorhandene Luft in den Lungen zurückhält. Die autonome Weiterentwicklung führt dann zum Schlundkrampf. Dass dieser Notaufstieg dann nicht kontrolliert sondern fälschlicherweise mit schnellstmöglicher vertikaler Antriebskraft nach oben führt, ist angesichts der Todesangst verständlich. Wegen der fehlenden N2-Rückdiffusion entsteht dann eine zusätzliche Übersättigung, die zur endogenen Bläschenbildung führen kann. Hierauf wird in diesem Artikel nicht weiter eingegangen. Nur so viel sei gesagt: Nicht abgeatmetes N2 führt zur sogenannten Bläschenkrankheit DCS. Davon abzugrenzen ist die AGE (oder cerebrale arterielle Gasembolie CAGE), bei der es nach einem Barotrauma zur Lufteinschwemmung in die arterielle Strombahn kommt. Beim panikartigen Notaufstieg, dem sogenannten ‘Blow-up‘ kann beides vorkommen. Beides kann unter anderem zu schweren neurologischen Ausfällen und bis zum Tode führen (9).
Panikreaktionen sind immer möglich – auch ohne psychische Panik-Prädisposition. Flaschentauchen, insbesondere das Sporttauchen, ist eine Tätigkeit mit deutlich erhöhter Gefährdung. Dies einerseits wegen dem intrinsischen Problem der Bläschenkrankheit, die sich auch beim korrekten, also regelkonformen Verhalten bemerkbar machen kann, andererseits weil bei der kleinsten Unregelmässigkeit, sei es verhaltensbedingt, sei es durch technische Ereignisse bedingt, sofort die lebensbedrohliche Lage zu Panik und unkontrolliertem Verhalten führen kann.

Tauchmedizinische Untersuchung zum Sport- und Freizeittauchen

Die Notwendigkeit eines ärztlichen Tauglichkeitszeugnisses führt viele, gerade zu Beginn der Ferienzeit, zu ihrer Hausärztin. Wie ihre Beurteilung ausfallen wird, hängt stark von ihrem persönlichen Informationsstand in Bezug auf die tauchspezifischen Besonderheiten ab. Die Schweizerische Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin (SUHMS) bietet wertvolle Stützen an:

  • Anamnese- und Statusblatt zur Erst- resp. Folgeuntersuchung, um allfällige Ausschlusskriterien für das Tauchen zu erfassen (10).
  • Ihr Manual zur Tauchtauglichkeit mit Richtlinien und Empfehlungen, die dem heutigen Stand des Wissens entsprechen (11).
  • Ausbildungskurse für Ärztinnen und Ärzte (10).

Die extremste Tauchtiefe eines Menschen

Zum Zustand des Herz-Kreislauf-Systems in der extremsten Tiefe, der je ein Mensch ausgesetzt war, gibt es nur die Auskunft eben dieses Menschen: «Je me sentais assez étrange» (12). Knapp zwei Stunden hielt sich am 20.11.1992 Theo Mavrostomos in «701 Meter Tiefe» – immer noch Weltrekord – auf. Die Verhältnisse der Tiefsee waren von einer Hochdruckkammer des französischen Unternehmens Comex in Marseille simuliert worden, weil Mavrostomos und andere Froschmänner ein neuartiges Beatmungsgemisch aus Sauerstoff, Helium und Wasserstoff testen sollten. Der Versuch in Marseille musste mehrfach unterbrochen werden, weil die Taucher die Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit erreichten. Bei 70fachem Erdatmosphären-Druck hantierte der französische Unterwasser-Schweisser Theo Mavrostomos in der Simulationskammer Hydra 10 mit Geräten, wie sie zur Reparatur von Erdölplattformen üblich sind (13, 14).
Théo des grands fonds – wie er sich selber gerne nennt – war am und im Wasser aufgewachsen, war damals jung und extrem gut trainiert, sowie als professioneller Taucher minutiös auf das Experiment vorbereitet worden. Wenn man seinen Berichten zuhört ist klar: Er tauchte mit ganzem Herzen!

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Sandra Torti

Fachärztin FMH für Kardiologie und Innere Medizin
Ärztin für Tauchmedizin DMP (Dive medecin physician) IIa EDTC/ECHM
Herzpraxis Bahnhofplatz 6
3123 Belp

sandra.torti@hin.ch

Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Es gibt keine andere Betätigung, die mit so vielen physiologischen
    Veränderungen einhergeht, wie das Tauchen.
  • Hohe Belastung durch physiologische Anpassungen unter Wasser
    und fehlende Reserven bergen beim kranken Herzen die Gefahr
    von Myokardischämie, Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen oder Dyspnoe. Das führt zu Leistungseinbruch, Kreislaufkollaps mit plötz-licher Bewusstlosigkeit, Handlungsunfähigkeit oder gar Herztod.
  • Über 75% der fatalen Ischämien folgen auf eine zuvor unbekannte KHK
  • Alle Symptome können auch bei nur geringer Ausprägung zu Panik-reaktion mit Notaufstieg führen und im Extremfall zu Bewusstlosigkeit mit stillem Ertrinken.
  • Unkontrollierter Aufstieg zur Wasseroberfläche ist oft mit akuter Gasembolie oder Dekompressionskrankheit verbunden.

1 Concannon DG. Divers Alert Network (DAN): Diving Fatality Workshop, Legal issues associated with diving fatalities. Durham, NC, April 8-10, 2010
2. www.diversalertnetwork.org. Regelmässig publizierte DAN Statistik im Jounal Diving and Hyperbaric Medicine (joint jounal of the South Pacific Underwater Medicine Society (SPUMS) and the European Underwater &Baromedical Society (EUBS)
3 Lippmann J. An analysis of the causes of compressed-gas diving fatalities in Australia from 1972-2005. UHM 2013;40(1)
4. Bove AA. Diving Medicine, 3rd edition,1997
5. Torti S. Risk of decompression illness among 230 divers in relation tu the presence and size of patent foramen ovale. EHJ 2004;25:1014-20
6. Torti S. Bedeutung des offenem foramen ovale beim Tauchen. SMF 2007;7:975-7
7. Wilmshurst et al. Cold-induced pulmonary edema in scuba divers and swimmers and subsequent development of hypertension. Lancet 1989;i:62–65
8. Mebane GY, McIver NKI. The Physiology and Medicine of Diving, 4rd edition,1993
9. Wendling J. Versicherungsmedizinische Knacknüsse beim ‚Tauchunfall‘. ASA/SVV Medinfo 2013;2:33-43
10. Schweizerischen Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin: www.suhms.org
11 Wendling J et al. Tauchtauglichkeit Manual. Richtlinien für die Untersuchung von Sporttauchern, publiziert von der deutschen Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin, Schweizerischen Gesellschaft für Unterwasser- und Hyperbarmedizin, Österreichische Gesellschaft für Tauch- und Hyperbarmedizin
12. Abendessen mit Théo Mavrostomos, 42nd Annual Scientific Meeting of the European Underwater Baromedical Society Geneva;14.9.2016
13. www.zeit.de DIE ZEIT Archiv, Jahrgang 1992; Ausgabe: 51
14. www.spiegelonline.de Schwerarbeit in Rekordtiefe. Der Spiegel 51/1992

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  • Vol. 10
  • Ausgabe 7
  • Juli 2020