- Thrombozytose und Thrombozythämie
Ein häufiger und oft banaler Befund einer Thrombozytenzahl-Erhöhung im Blut gibt hilfreiche Information zu Grunderkrankung, aber auch einen wichtigen Hinweis für eine schwere zu Grunde liegende Erkrankung. Diese müssen heute rasch diagnostiziert werden, da spezifische und auch wirksame Therapien zu Verfügung stehen. Wir wollen mit unserem Artikel auf Pathomechanismen, Symptome, Ursachen, Differenzialdiagnosen und Therapien hinweisen.
An often acquired result of elevated thrombocytes in blood turns out to be non-specific and with little consequences. However, it might be an indicator of severe conditions, that need immediate attention and specific, highly effective treatments, that reduce morbidity and mortality significantly. This article focuses on the pathomechanisms, symptoms, causes, differential diagnoses and therapies.
Key Words: thrombocytes, blood, treatment
Definition und Regulation der Thrombozytenzahl
Thrombozytose bezeichnet den Zustand von >450 G/L = 109/L = 450’000 /μL echten Blutplättchen im peripheren Blut. Unter Thrombozytose wird eine reaktive (sekundäre) Ursache bezeichnet, während die Thrombozythämie für clonale (primäre) Ursachen reserviert sein muss. Allerdings differenziert die reine Thrombozytenzahl schlecht über die Ätiologie primär vs. sekundär (bei <500 G/L 88% sekundär, 12% clonal, bei <1000 G/L 82% sekundär, 18% clonal)! Mit einem einfachen (heute fast immer maschinellen) Hämatogramm erhält man Auskunft über die gemittelte Grösse (Volumen) und Grössen-Verteilung der vorliegenden Thrombozytenpopulation. Eine Pseudothrombozytose wird durch Partikel im Blut verursacht, die vom Analysengerät besonders wegen der ähnlichen Grösse und täuschender Struktur falsch klassifiziert werden. Darunter gehören: Veränderungen durch altes Probenmaterial, Fragmentierung von Erythrozyten bei Hämolysen oder Fragmentierung der Leukozyten bei Leukämien und Lymphomen, Patienten mit Verbrennungen und andere eher seltene Krankheiten wie Kryoglobulinämie. Ein simpler Blutausstrich und ein erfahrener Analytiker können das Problem meist rasch erkennen.
Thrombozyten entstehen aus Megakaryozyten im Knochenmark unter einem gut regulierten, primär entzündungs-hormonell gesteuerten Prozess (Abb. 1), bei welchem v.a. dazu gehören: Thrombopoetin und sein Rezeptor, aber auch Interleukine (IL-6, IL-1) und teils auch Erythropoietin. Ein erhöhter Verbrauch wird durch eine Steigerung der Megakaryozytenzahl und Verbesserung der Fragmentierung der Megakaryozyten kompensiert. Prinzipiell unterscheiden sich zwei Mechanismen der Entstehung: erhöhtes Thrombopoietin oder andere Interleukine oder eine gestörte Funktion des MPL-Rezeptors an den maligne entarteten Megakariozyten und Knochenmarks Vorstufen (Blasten).
Symptome
Thrombozytosen sind oft Zufallsbefunde und somit asymptomatisch. Symptome können aber auch durch Mikrozirkulationsstörungen, intravasale Thrombosen (Venen und/oder Arterien) und Blutungen bei gestörter Thrombozytenfunktion (pathologische Plättchen) entstehen. Dazu kommen Symptome und Befunde, die durch eine Grundkrankheit verursacht werden (Tab. 1).
Ursachen
Wenn immer möglich sollte die Ursache gefunden werden, um eine Prognose stellen zu können und eine Voraussage des Nutzens einer kausalen Therapie zu ermöglichen (Tab. 2). Anamnese (allenfalls auch Familienanamnese) und klinischer Untersuch haben eine grosse Bedeutung. Ernährung, Blutungen, Entzündungen und Infekte, Begleiterkrankungen (Rheuma, Krebs, Darmerkrankung), Therapien und zeitlicher Verlauf (besonders Rebound) sind zu erwägen. Zusammen mit der Kenntnis über Prävalenzen lassen sich Posttest-Wahrscheinlichkeiten abschätzen.
Medikamentös verursachte Thrombozytosen werden öfters durch folgende Substanzen ausgelöst: Corticosteroide, Erythropoietin und als Rebound bei B12-Präparaten, Chemotherapeutika, Antibiotika. Spezifische Medikamente zur Erhöhung der Thrombozytenzahl zwecks Vermeidung von Blutungen werden unter Therapie aufgeführt.
Abklärungen zur Diagnose
Zum einen muss die Thrombozytose verifiziert werden (Ausstrich nach pathologischem Hämogramm bei Erstdiagnose) und Einbindung in ein hämatologisches Gesamtbild. Die Unterscheidung in primäre und sekundäre Ätiologie ist sehr wichtig, da ganz unterschiedliche Abklärungen und anschliessende Therapien erfolgen müssen. Bei den Abklärungen von sekundären Thrombozytosen liegt der Fokus mehr auf der Ursache und deren Behandlung als auf der Beeinflussung der Thrombozytenzahl.
Dazu gehören komplettes Hämogramm, Ferritin, Gerinnungsmarker wie D-Dimere, Fibrinogen, Entzündungsmarker wie CRP, IL-6, Leber- und Nierenfunktion. Je nach dem auch zum Nachweis vermuteter Krankheiten spezifische Tests wie ANA, Eiweisselektrophorese, Rheumafaktoren, Stuhl Calprotectin und Infektionsmarker. Wenn eine Abklärung auf eine verdächtige Ursache hinweist, sind oft auch bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT und Ultraschall angezeigt. Zum anderen muss die Diagnose von primären Thrombozythämien unbedingt erhärtet und differenziert werden. Es muss der clonale Defekt wie JAK-2 Mutationen, CALR, MPL, BCR-ABL Varianten und weitere Mutationen nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Entsprechende Therapien verbessern so Morbidität und Mortalität, da diese Krankheiten heute teils sehr effektiv behandelt werden können. Wichtige Befunde zur Differenzierung zeigt die Tab. 3.
Therapien
Asymptomatische, zufällig entdeckte sekundäre und im Rahmen einer gut definierten Grundkrankheit (postoperativ, St. n. Infekt, medikamentöse Therapie, Anämien v.a. Eisenmangel, Schwangerschaft) meist transienten Thrombozytosen bedürfen keiner Plättchen regulierender Therapie. Thrombozytenzahlen bis 1’000 g/L und darüber stellen hier keine zusätzliche Gefahr für eine Thrombose dar. Hingegen müssen primäre Plättchenerhöhungen, selbst wenn nicht so ausgeprägt, früher therapiert werden. Hierbei können spezifische antithrombozytäre Medikamente oder auch andere anti-clonale Medikamente (z.B. Tyrosin-kinase-Hemmer bei CML oder Immun- oder Chemotherapeutika bei Leukämien/Lymphomen) eingesetzt werden.
Spezifische Therapien / Medikamente
Interferone (IFN-α) und v.a. Anagrelid (Xagrid®) wie auch Hydroxyurea (Litalir®) sind bewährte Thrombozytenzahl senkende Medikamente, wobei Anagrelid auch die Funktion der Thrombozyten verbessert. Bei myeloproliferativen Syndromen, besonders der Essentiellen Thrombozythämie, werden Hydroxyurea und Anagrelid erfolgreich angewendet. Damit werden v.a. thrombotische Ereignisse und somit die Hauptursache von Mortalität und Morbidität reduziert.
Zusammenfassung
Thrombozytenzahlerhöhungen im Blut sind häufig aber sehr oft asymptomatisch und nicht entscheidend. Sie erscheinen meist transient im Rahmen einer Grunderkrankung und bedürfen keiner antithrombozytären Therapie. Sie verschwinden nach Behebung der Erkrankung. Im Gegensatz haben clonale Thrombozythämien eine klar negative Auswirkung auf Morbidität (Thrombosen und Blutungen) und Mortalität. Da sehr gute Therapien zu Verfügung stehen, muss eine Diagnose rasch erfolgen. Auch stehen gute diagnostische Methoden zu Verfügung. Bei primären Thrombozythämien sollte initial rasch ein Hämatologe beigezogen werden.
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Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Eine Thrombozytenzahl-Erhöhung wird oft nachgewiesen
◆ Die labormässige Erhebung ist heute sehr einfach, günstig und
spezifisch
◆ Es muss dringend zwischen sekundärer und primärer Thrombozytenerhöhung unterschieden werden
◆ Es stehen gute diagnostische Hilfsmittel zu Verfügung
◆ Eine frühe Diagnose einer clonalen Thrombozythämie ist äusserst wichtig, da sehr gute therapeutische Möglichkeiten bestehen
◆ Bei Thrombozythämien muss ein Hämatologe früh involviert werden
der informierte @rzt
- Vol. 13
- Ausgabe 4
- April 2023