- Topische Phytotherapeutika
Arzneipflanzen als Vielstoffgemische mit äusserst breiten pharmakologischen Wirkstoffprofilen weisen in der Regel mehrere Wirkungen zugleich auf und wirken daher sowohl symptomatisch wie kausal. Gerade in der Dermatologie aber auch bei Beschwerden des Bewegungsapparates lassen sich topische Phytotherapeutika vielseitig und direkt am Wirkort einsetzen und können bei leichten bis mittelschweren Beschwerden oftmals als alleinige Therapie genügen; bei schwereren Beschwerdebildern können sie ergänzend zu einer bestehenden Therapie eingesetzt werden.
Pflanzliche Dermatika
Kamille: Starke antiphlogistische Wirkung
Für die experimentell und klinisch gut belegte starke antiphlogistische Wirkung von Kamille (Matricariae flos) ist insbesondere das im ätherischen Öl enthaltene α-Bisabolol sowie Chamazulen verantwortlich, dies über eine Hemmung der Cyclooxygenase und Lipoxygenase (1). Ferner liegen auch eine antibakterielle Wirkung insbesondere gegenüber grampositiven Keimen (Staphylococcus aureus, Streptokokken (2)) sowie wundheilungsfördernde Effekte vor, weshalb sie sich gut für die Behandlung von infizierten, nässenden Dermatitiden sowie Wunden eignet. Zur Anwendung kommen neben wässrigen Auszügen und Tees auch (verdünnte) standardisierte alkoholische Extrakte, beispielsweise für Auflagen oder Waschungen, oder aber verarbeitet z.B. in einer Crème (10-15%) oder in weisser Schüttelmixtur (2-5%). Zu beachten ist, dass alkoholische Extrakte wesentlich mehr ätherisches Öl enthalten als wässrige Extrakte, welche ihrerseits reichlich reizlindernde Schleimstoffe enthalten (1). Für eine möglichst umfassende Wirkung ist daher eine Kombination von Vorteil: Der wässrige Auszug (1-2 EL Kamillenblüten/150 ml kochendes Wasser) kann mit 5ml Kamillentinktur verstärkt werden. Auch das reine ätherische Öl kann zur Verstärkung dem alkoholischen Extrakt beigegeben werden, oder aber in halbfesten Zubereitungen verarbeitet werden (1-3%, alleine oder mit anderen ätherischen Ölen).
Das Allergierisiko ist entgegen landläufiger Meinung eher gering; mögliche Reaktionen sind meist auf Verunreinigungen mit Hundskamille zurückzuführen. Hundskamille enthält ein allergieauslösendes Sesquiterpenlakton, welches in der echten Kamille wenn dann nur in Spuren nachweisbar ist (1).
Atopische Dermatitis und Ekzeme: Ballonrebe und Nachtkerzenöl
Ebenfalls entzündungshemmend ist die Ballonrebe (Cardiospermum halicacabum), welche insbesondere bei atopischer Dermatitis und anderen Ekzemen zum Einsatz kommt; etwas ältere Studien belegen hier eine Wirksamkeit vergleichbar mit Hydrocortison (2, 3). Neben der Entzündungshemmung, vermutlich über eine Hemmung der Phospholipase A2 (1), weist die Ballonrebe auch juckreizlindernde und feuchtigkeitsspendende Eigenschaften auf. Angewendet wird die Ballonrebe als halbfeste Zubereitung bei leichten Schüben oder zur Intervalltherapie (2), entweder als Fertigpräparat oder rezeptiert als Magistralrezeptur.
Nachtkerzenöl (Oleum oenotherae) wird systemisch aber auch topisch bei atopischer Dermatitis eingesetzt. Sein hoher Gehalt an ϒ-Linolensäure wirkt über diverse Mechanismen entzündungshemmend und unterstützt den Aufbau der epidermalen Barriere; pur topisch aufgetragen wirkt es überdies sofort pflegend und rückfettend (2), es kann aber auch in Kombination mit Ballonrebe verarbeitet und als Basispflege angewendet werden (10-20%) (Rezeptur 1).
Gerbstoffdrogen bei nässenden und hochentzündlichen Hauterkrankungen
Die Gerbstoffe der Eichenrinde (Quercus cortex), der Zauber-nussblätter/-rinde (Hamamelidis folium/cortex) oder des etwas schwächeren Schwarztees (Camellia sinensis folium) wirken zusammenziehend, entzündungshemmend und abschwellend, juckreizstillend und je nach Gerbstoffgehalt auch antimikrobiell. Angewendet werden Gerbstoffdrogen als Waschungen oder Umschläge bei nässenden und hochentzündlichen Zuständen. Da die wasserlöslichen Gerbstoffe erst nach längerer Zeit extrahiert werden, muss auf eine genug lange Ziehzeit geachtet werden (2-3 EL Hamamelisblätter oder 3 TL Eichenrinde mit 1/2l Wasser übergiessen, ev. etwas kochen und 15-30 Minuten ziehen lassen. Da Gerbstoffe die Haut austrocknen können, gilt eine maximale Anwendungsdauer von ca. 10 Minuten pro Anwendung, während maximal 2-3 Wochen (1).
Hamameliswasser, welches in einigen Fertigpräparaten enthalten ist, wirkt nicht adstringierend, da durch Destillation hergestellt und dadurch gerbstofffrei, dank dem ätherischen Öl und den Flavonoiden wohl aber antiphlogistisch und reizlindernd (4).
Die Mahonie: Antiproliferative Arzneipflanze bei Psoriasis
Bei leichten bis mittelschweren Formen von Psoriasis kann die Mahonie (Mahonia aquifolium) eingesetzt werden. Das enthaltene Alkaloid Berberin wirkt als Calmodulin-Antagonist regulierend auf Zellwachstum und -vermehrung, sowie durch Komplexbildung mit der DNA mitosehemmend (1). Daneben wirkt Mahonie über diverse Mechanismen auch entzündungshemmend (1). Diverse Studien belegen die Wirksamkeit bei einer guten Verträglichkeit (5, 6) (Abb. 1).
Ferner weist Mahonie antiseborrhoische Wirkungen auf, wirkt Talgdrüsen-regulierend und zeigt bereits ab einer 1%igen Urtinktur-Zubereitung eine gute Wirksamkeit gegen alle Propionibacterium-acnes-Stämme (1), was sie zu einer geeigneten Option bei Akne macht. Da das im Handel erhältliche Präparat auf einer fettreichen Grundlage basiert, kann hier eine Rezeptur mit einer leichteren Grundlage (10% Urtinktur in z.B. O/W-Crème oder -Lotion) sinnvoll sein.
Arzneipflanzen bei Beschwerden des Bewegungsapparates
Bei Erkrankungen des Bewegungsapparates werden Phytotherapeutika innerlich wie auch äusserlich mit gutem Erfolg eingesetzt. Topika wirken nach der Applikation rasch und sehr effizient (1) bei einer guten Verträglichkeit und reduzierter Nebenwirkungsrate.
Arnika und Beinwell
Eine der wichtigsten Arzneipflanzen ist Arnika (Arnicae flos). Neben hyperämisierenden weist Arnika auch starke antiphlogistische und analgetische Wirkungen auf, welche v.a. auf die Sesquiterpenlaktone, insbesondere Helenalin, zurückzuführen sind. Durch diverse Wirkmechanismen wird an zentraler Stelle in das Entzündungsgeschehen eingegriffen (1, 7). Eingesetzt werden Arnikazubereitungen bei Verletzungs- und Unfallfolgen wie z.B. Hämatomen, Prellungen oder Verstauchungen, beispielsweise als Aufguss (2g Droge/100 ml Wasser) oder als Tinktur 3-10-fach verdünnt für Umschläge. Erhältlich ist neben diversen Fertigpräparaten auch das Arnika-Mazerat (Ölauszug), welches in einem Massageöl oder bis zu 15%ig in eine halbfeste Zubereitung eingearbeitet z.B. bei rheumatischen Muskel- und Gelenksbeschwerden Verwendung finden kann (1). Arnika darf nicht auf verletzter Haut angewendet werden, da der direkte Kontakt mit den Langerhans-Zellen im Stratum spinosum eine Kontaktdermatitis hervorrufen kann (1).
Bedeutsam ist auch der Wallwurz (Symphyti radix/herba/folium). Das enthaltene Cholin reduziert den Austritt von Gewebsflüssigkeit, fördert lokal die Durchblutung und wirkt so Ödem und Hämatom resorbierend (1). Schleimstoffe und Allantoin wirken reizlindernd, wundheilungsfördernd und regen so eine Gewebsregeneration an, unter anderem auch des Kallusgewebes (1), weshalb Wallwurz auch zur Nachbehandlung bei Knochenbrüchen eingesetzt werden kann (8). Rosmarinsäure wirkt entzündungshemmend und analgetisch (7). Wallwurz eignet sich für die Behandlung von stumpfen Verletzungen wie Verstauchungen, Zerrungen und Prellungen. In der Schweiz zugelassene Präparate sind aufgrund der Verwendung pyrrolizidinarmer Wallwurzsorten sowie spezieller Extraktionsprozesse pyrrolizidinarm (< 0.35 ppm) (9) und dürfen auch zeitlich unbeschränkt appliziert werden (1), allerdings nicht bei Kindern, wo eine zeitliche Beschränkung gilt (7-10 Tage) (8, 10). Die Anwendung auf offenen Wunden, sowie die Anwendung bei Schwangeren und Stillenden (11) und eine orale Einnahme ist kontra-indiziert (12).
Diverse kontrollierte Studien belegen die gute Wirksamkeit von Wallwurz, beispielsweise bei akuter Sprunggelenksdistorsion (nicht unterlegen bzw. signifikant stärkere Reduktion von Druck- und Bewegungsschmerz, versus Diclofenac-Gel), bei Kniegelenksarthrose, Rückenschmerz, Epikondylitis und Tendovaginitis. Mehrere offene Studien bestätigen die Besserung der Beschwerden bei guter Verträglichkeit, darunter eine nicht-interventionelle Studie mit über 300 Kindern im Alter von 3-12 Jahren vor allem mit Sport- und Unfallverletzungen (9).
Weitere geeignete topisch anzuwendende Arzneipflanzen bei Beschwerden des Bewegungsapparates sind Johanniskraut (Johanniskrautöl; durchblutungsfördernd, antiphlogistisch und analgetisch), Scharfstoffdrogen wie Cayennepfeffer (Capsaicin, als Pflaster; Counter-Irritant-Effekt, v.a. bei chronischen Schmerzsyndromen) oder auch Weihrauch (antiinflammatorisch, antiarthritisch). Diverse ätherische Öle wie z.B. Pfefferminze, Gewürznelke und Wintergrün (mit hohen Mengen an Menthol, Eugenol, Methylsalicylat: Analgetisch, lokalanästhetisch, antiphlogistisch) können z.B. bei Muskelschmerzen, entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen, Fibromyalgie oder zur Sportmassage eingesetzt werden (13).
Personalisierte Medizin: Phytotherapeutische Magistralrezeptur
Gerade in der Phytotherapie fehlen oftmals passende Fertigpräparate, weshalb das Verschreiben einer Magistralrezeptur nötig sein kann. In der Arzneimittelliste mit Tarif ALT (14) finden sich zahlreiche pflanzliche Wirkstoffe, die durch einen Apotheker verarbeitet werden dürfen und die, ärztlich verschrieben, von der Grundversicherung übernommen werden. Die Magistralrezeptur gewinnt auch im Sinne einer personalisierten Medizin immer mehr an Gewicht, da so ein auf den Patienten und seine Therapie optimal zugeschnittenes Arzneimittel verschrieben werden kann (Tab. 1).
Bei einer topischen Magistralrezeptur muss auch der Galenik besondere Beachtung geschenkt werden (Abb. 2): Die Wahl der Galenik hat bei Topika einen ähnlichen Stellenwert wie die Wahl des richtigen Wirkstoffes. Diverse Eigenwirkungen der Grundlage, sog. Vehikeleffekte, beeinflussen den Hautzustand direkt, es gilt das Therapieprinzip: Feucht auf feucht – Fett auf trocken. Auch allfällige Nebenwirkungen der Substanz können mittels richtiger Grundlage vermindert oder gar verhindert werden, ebenso wird die Grundlage den Transport des Wirkstoffes zum gewünschten Wirkort, beispielsweise bis in die Gelenke, gewährleisten. Ein Austausch mit dem herstellenden Apotheker kann daher sinnvoll sein, damit die jeweils optimale galenische Grundlage gefunden werden kann.
eidg. dipl. Pharm., FPH Phytotherapie
Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie SMGP
Diesbachstrasse 11
3012 Bern
k.fotinos@smgp.ch
Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
- Diverse ausgewählte Arzneipflanzen mit breitem Wirkungsspektrum (antiphlogistisch, analgetisch, antipruriginös, antiinfektiös, adstringierend, wundheilungsfördernd, Ödem/Hämatom resorbierend) stehen für die topische Behandlung von leichten bis mittelschweren Hauterkrankungen sowie Beschwerden des Bewegungsapparates zur Verfügung, als alleinige Therapie oder adjuvant zu einer bestehenden Therapie
- Für eine grössere Wirksamkeit können verschiedene Arzneipflanzen und/oder Zubereitungsarten (wässriger/alkoholischer Extrakt, ätherisches Öl etc.) untereinander kombiniert werden
- Die Art der Zubereitungen sowie die Galenik sind entscheidend für die Wirksamkeit
- Dem Arzt, der Ärztin stehen neben einigen pflanzlichen Fertigpräparaten zahlreiche Arzneipflanzen und ätherische Öle in der ALT (Arzneimittelliste mit Tarif) zur Verschreibung einer Magistralrezeptur zur Verfügung, welche über die Grundversicherung vergütet werden
1. Schilcher, Heinz, et al. Leitfaden Phytotherapie. München : Elsevier GmbH, 2016.
2. Augustin, Matthias und Hoch, Yvonne. Phytotherapie bei Hauterkrankungen. München : Elsevier GmbH, 2004.
3. Bachmann, Christoph. Cardiospermum bei dermatologischen Problemen. Ars Medici thema Phytotherapie. 23. April 2010 (02), Bd. 02, S. 7-8.
4. Fotinos-Graf, Karoline. Ätherische Öle in der Wundheilung und Entwicklung von geeigneten Rezepturen. www.smgp.ch. [Online] 5. November 2014. [Zitat vom: 28. August 2019.] http://www.smgp.ch/smgp/homeindex/faehigkeitsprogf/zertifikatsarbeiten/Fotinos-GrafKaroline.pdf.
5. Bachmann, Christoph. Neuere Studien mit Mahonia aquifolium bei Psoriasis. Ars Medici thema Phytotherapie 02. 23. April 2010, S. 9.
6. Janeczek, Monica, et al. Review of the Efficacy and Safety of Topical Mahonia aquifolium for the Treatment of Psoriasis and Atopic Dermatitis. J Clin Aesthet Dermatol. 11(12). 1. Dezember 2018, S. 42–47.
7. Bäumler, Siegfried. Heilpflanzenpraxis heute: Arzneipflanzenporträts. München : Elsevier Urban & Fischer Verlag, 2012. Bd. 1.
8. Swissmedic. Swissmedicinfo Kytta med Rheumasalbe. [Online] Swissmedic-Schweizerisches Heilmittelinstitut. [Zitat vom: 22. August 2019.] http://swissmedicinfo.ch/.
9. Wegener, Tankred und Deitelhoff, Birgit. Die Beinwellwurzel Symphytum officinale L., radix – ein Update. Z Phytother. 2018 39(01), S. 5-13.
10. Swissmedic. Swissmedicinfo Traumaplant Salbe. [Online] Swissmedic. [Zitat vom: 22. August 2019.] http://swissmedicinfo.ch/.
11. Phytocura. HERBA PRO MATRE Datenbank zur Bewertung von Arzneipflanzen in Schwangerschaft und Stillzeit. [Online] [Zitat vom: 19. Oktober 2019.] www.phytocura.ch.
12. BGA-BfArM-Kommission_E. Symphyti radix/herba/folium D11AG. Köln : Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft, 1990.
13. Bäumler, Siegfried. Heilpflanzenpraxis heute: Rezepturen und Anwendung. München : Elsevier Urban & Fischer, 2013. Bd. 2.
14. Bundesamt für Gesundheitswesen. Arzneimittelliste mit Tarif. www.bag.admin.ch. [Online] 1. 7 2005. [Zitat vom: 30. August 2019.] http://www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/06492/06493/index.html?lang=de.
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- Vol. 9
- Ausgabe 11
- November 2019