Editiorial

Ungelöste Altersfragen



In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich zahlreiche Editorials verfassen dürfen, und es hat eigentlich immer Spass gemacht. Es war jedes Mal eine Art von willkommenem Dialog mit der Leserschaft und gleichzeitig ein Reflektieren der wechselvollen Entwicklungen in der Medizin und im Gesundheitswesen überhaupt. Auch wenn die eigene ärztliche Tätigkeit altersbedingt etwas weiter weggerückt ist, so ist das Interesse am medizinischen Geschehen (wie wohl bei den meisten älteren Kollegen und Kolleginnen) keineswegs erloschen. Vielmehr stehen jetzt die vielen ungelösten Fragen in der Alters- und Gesundheitspolitik im Vordergrund. Und da sind ja noch viele Baustellen offen: natürlich an erster Stelle die Explosion der Gesundheitskosten, an deren Lösung sich auch alle Ärzte aktiv mitbeteiligen sollten.

Immer mehr Organisationen auf kommunaler und kantonaler Ebene beschäftigen sich mit der Gesundheitsprävention. Dies ist unbedingt zu unterstützen. Aktionen wie «Stopp Sturz», «Bliib fit!», vielerlei Gedächtnisförderungsprogramme und Unterstützungskurse im Umgang mit den elektronischen Medien usw. werden immer zahlreicher angeboten, aber sie werden leider von der älteren Bevölkerung noch zu wenig genutzt. Die Ärzteschaft ist deshalb aufgerufen, ihre Patienten zur aktiven Teilnahme immer wieder neu zu motivieren. Es ist übrigens auch eine dankbare Aufgabe, die älteren Menschen zum vermehrten IT-Gebrauch anzuspornen. Es gibt immer noch viele, die grosse Mühe mit dem elektronischen Ticket-Kauf, den Online-Bestellungen und den QR-Angeboten haben.

Für viele Betagte ist die Frage: «Wie im Alter zu Hause weiterleben?» sehr aktuell. Die selbstbestimmte Alltagsbewältigung wird zunehmend schwieriger. Die nötige Beanspruchung der Spitex oder der Übertritt in eine andere Wohnform (betreutes Wohnen, Altersresidenz, Pflegeheim) werden möglichst lange hinausgeschoben und dann aber oft zu spät ins Auge gefasst. In jeder grösseren Gemeinde stehen zwar besondere Beratungsdienste zur Verfügung, aber sie werden nach wie vor zu wenig in Anspruch genommen. Es ist eine wichtige Aufgabe der behandelnden Ärzte, sich aktiv einzuschalten und ihre Patienten bei der Lösungsfindung zu unterstützen.

Und noch ein weiteres grosses Problem ist zu nennen: die drohende Vereinsamung vieler älterer Menschen. Das Angebot an Freizeit­aktivitäten, die Zahl verschiedenster Vereine und Senioren-Treffs ist zwar überall sehr gross, aber viele Betagte wagen den Beitritt doch nicht. Es gilt für die behandelnden Ärzte auch hier, ihre Patienten immer wieder neu zur Teilnahme zu motivieren und so eine drohende Vereinsamung zu verhindern.

Es gäbe noch viele weitere andere offene Baustellen, um die sich vor allem auch die älteren Kollegen (und auch die pensionierten Ärzte) kümmern sollten. Vielfach ist diese Aufgabe zwar nicht ganz leicht, aber sie kann Befriedigung bringen, und es zählt jeder einzelne Erfolg. Die Betroffenen werden dafür dankbar sein. Und schlussendlich kann die gemeinsam am runden Tisch getroffene optimale Lösung eines Altersproblems zur Senkung der Gesundheitskosten beitragen.

Dr. med. Hans-Ulrich Kull, Küsnacht

Dr. med. Hans-Ulrich Kull

Küsnacht

der informierte @rzt

  • Vol. 12
  • Ausgabe 11
  • November 2022