- Vitamin D: Was bleibt?
An der diesjährigen Frühjahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) vom 29. bis 31.5.2024 in Basel gab Prof. Thomas Rosemann einen Überblick über die aktuelle Studienlage zur Wirkung von Vitamin D. Die Ergebnisse sind teilweise ernüchternd und sprechen gegen viele der populären Annahmen.
«Vitamin D – immer wenn es um Leben und Tod geht» , «Superhormon Vitamin D – So aktivieren Sie Ihren Schutzschild gegen chronische Erkrankungen», «Gesund in 7 Tagen-Erfolge mit der Vitamin D-Therapie», dies einige Titel zum «Wunderhormon» Vitamin D, wie sie in der Presse in den letzten Jahren erschienen sind. Prof. Dr. Dr. med. Thomas Rosemann, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Zürich, zeigte anhand wissenschaftlicher Studien und Meta-Analysen eindrücklich auf, was zu Vitamin D tatsächlich wissenschaftlich belegt ist.
Assoziation zwischen Calcium oder Vitamin D und Frakturrisiko
In einer Metaanalyse randomisierter klinischer Studien war die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln, die Kalzium, Vitamin D oder beides enthielten, im Vergleich zu Placebo oder keiner Behandlung nicht mit einem geringeren Frakturrisiko bei älteren Erwachsenen verbunden, die in der Gemeinschaft leben. Diese Ergebnisse unterstützen nicht die routinemässige Verwendung dieser Nahrungsergänzungsmittel bei älteren Menschen, die nicht in Institutionen leben (Zhao JG et al. Association Between Calcium or Vitamin D Supplementation and Fracture Incidence in Community-Dwelling Older Adults: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA 2017 ;318 :2466–2482).
Vitamin D mit Omega-3 Fettsäuren-Supplementierung und Krafttraining
In einer randomisierten Schweizer Studie sprechen die Ergebnisse nicht für den Einsatz von Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren oder einem Krafttrainingsprogramm für diese Therapien bei gesunden älteren Erwachsenen Vitamin D Supplmetireung und kardiovaskuläres (Bischoff-Ferrari H et al..Effect of Vitamin D Supplementation, Omega-3 Fatty Acid Supplementation, or a Strength-Training Exercise Program on Clinical Outcomes in Older Adults: The DO-HEALTH Randomized Clinical Trial. JAMA 2020 Nov 10;324(18):1855–1868).
Vitamin D reduziert das kardiovaskuläre Risiko nicht
In einer weiteren Meta-Analyse mit mehr als 83 000 Probanden aus 21 randomisierten klinischen Studien zur Vitamin D-Supplementierung und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wurde ebenfalls kein Nutzen für die Einnahme von Vitamin D beobachtet (p=0.69) (Barbarawi M et al. Vitamin D Supplementation and Cardiovascular Disease Risks in More Than 83 000 Individuals in 21 Randomized Clinical Trials: A Meta-analysis. JAMA Cardiol 2019 Aug 1;4(8):765–776.)
Vitamin D und Prävention von Krebs und kardiovaskulärer Erkrankung
Die Supplementierung mit Vitamin D führte nicht zu einer geringeren Inzidenz von invasivem Krebs oder kardiovaskulären Ereignissen als Placebo, wie in einer randomisierten Studie bei über 50-jährigen Männern und über 55-jährigen Frauen gezeigt wurde (Manson JA et al. Vitamin D Supplements and Prevention of Cancer and Cardiovascular Disease. N Engl J Med 2019;380:33-44).
Vitamin D und marines Omega-3 bei Vorhofflimmern
Aber auch die Supplementierung mit mariner Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D bei Auftreten von Vorhofflimmern zeigte in einer randomisierten klinischen Studie keinen signifikanten Effekt (Albert CM et al. Effect of Marine Omega-3 Fatty Acid and Vitamin D Supplementation on Incident Atrial Fibrillation:A Randomized Clinical Trial JAMA 2021 16;325:1061-1073).
Vitamin D-Supplementierung bei Depression
In einer Meta-Analyse von randomisserten, kontrollierten Studien an 4385 Teilnehmern war die Supplementierung mit Vitamin D bei älteren Erwachsenen nicht miteiner Verbesserung der Symptome keine signifikante Verbesserung der depressiven Symptome assoziiert (Park Y et al. Vitamin D supplementation for depression in older adults : a meta-analysis of randomized controlled trials. Front Nutr 2023 Jun 21:10:1169436)
Gibt es eine Assoziation zwischen Inflammation und Serum- Vitamin D?
In einer retrospektiven cross-sektionalen Studie, die 25(OH)D-Werte bei 687 gebrechlichen und älteren stationären Patienten untersuchte, wurde kein Hinweis auf einen klinisch relevanten Zusammenhang zwischen Serum-Vitamin D und Serum-CRP als Inflammationsmarker gefunden (Funk L et al. Is there an association between inflammation and serum-vitmain D? – Results of a retrospective analysis of hospitalized geriatric patients . Clin. Interv. Aging 2024;19:763–768).
Geringe Wirkung von Vitamin D bei akuten respiratorischen Infekten
Das Ausmass der in einer Analyse beobachteten schützenden Wirkung einer Vitamin D-Supplementierung auf das Risiko eines akuten respiratorischen Infekts ist gering (OR 0.92; 0.86 bis 0.99) (Joliffe DA et al. Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory infections: a systematic review and meta-analysis of aggregate data from randomised controlled trials. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9(5):276–292).
Vitamin D und COVID-19
Die Wirkung einer einzelnen hohen Dosis von Vitamin D3 bei hospitalisierten Patienten mit moderatem bis schwerem COVID-19 wurde in einer randomisierten klinischen Studie untersucht. Es zeigte sich dabei, dass eine einzelne hohe Dosis D3 im Vergleich zu Placebo die Krankenhausaufenthaltsdauer nicht signifikant reduzierte. Die Ergebnisse unterstützen die Verwendung einer hohen Dosis von Vitamin D3 zur Behandlung von mittelschwerem bis schwerem COVID-19 nicht (Murai ICH et al. Effect of a single high dose of vitamin D3 on hospital length of stay in patients with moderate to severe COVID-19 a randomized clinical trial . JAMA 2021 ;325 :1053–1060).
FAZIT
Die jüngsten Meta-Analysen zeigen:
Die Gabe von Vitamin D (in Kombination mit Calcium) hat keinen positiven Effekt auf
• Frakturen und Stürze
• Blutdruck
• Kardiovaskuläre Ereignisse
• Vorhofflimmern
• Tumoren
Auch bei Menschen, die nach (derzeitiger) Definition einen Vitamin D Mangel haben. Dies gilt auch in Kombination mit Omega-3-FS und körperlicher Aktivität.
Vitamin D senkt minim das Risiko für Atemwegsinfekte (0.92; CI 0.86–0.99), die entsprechenden Studien sind aber methodisch oft mangelhaft.
Die Gabe hoher (Bolus-)dosen ist mit einem höheren Frakturrisiko und einer erhöhten Tumorinzidenz assoziiert.
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