Editorial

Was tun bei einer schlechten Google-Rezension? Ein Fall aus der Gynäkologie



Eine grosse Herausforderung können in der Praxis psychisch auffällige Patienten sein, bei denen wir ein gutes Gespür brauchen für eine feinfühlige Kommunikation. Schon ein gut gemeinter Ratschlag kann zu einem Desaster werden. Ein Beispiel hierfür hat ein Gynäkologe erlebt. Eine psychisch schwerkranke Patientin wollte sich die Spirale entfernen lassen ohne Fort­setzung einer sicheren Verhütung. Nach langem Gespräch empfahl der Arzt, dass die Frau sich psychiatrische Hilfe holen solle, bevor er die Spirale entfernen würde. Dies empfand sie als grosse Bedrohung und eine Abhängigkeit vom Arzt. Trotz seinen Bedenken entfernte der Arzt schliesslich die Spirale noch während der Konsultation. Drei Jahre später entdeckte der Gynäkologe eine sehr negative Google-Rezension über sich. Die damalige Patientin wollte alle Frauen vor diesem «schrecklichen und gefährlichen» Arzt warnen. Sofort nahm er mit ihr Kontakt auf und entschuldigte sich schriftlich für seinen wohl fehlgedeuteten Rat. Die Patientin löschte die Google Rezension trotzdem nicht. Das war für den Gynäkologen sehr belastend.

Nun ist die Frage, was wir Ärzte bei einer ungerechtfertigten, schlechten Google-Rezension machen können, wenn es nicht zu einer Odyssee kommen soll. Grundsätzlich lässt sich eine Google-Rezension jederzeit löschen, aber nur vom Verfasser. Eine negative Bemerkung verstösst selten gegen die Google-Richtlinien, wodurch deren Support als Anlaufstelle wenig Sinn macht. Viele Anwälte sind damit ebenfalls überfordert. In diesem Fall empfahl der Anwalt eine Mediation mit der Patientin für 2000.- SFr.

Eine Anfrage bei der FMH war nicht von grossem Nutzen, der Arzt solle sich bei der Ärztegesellschaft im Kanton melden. Die Ombudsstelle wurde involviert und das Gespräch mit der Patientin gesucht. Die Frau war sehr aggressiv, drohend und verzweifelt. Ein mit dem Arzt befreundeter Psychiater empfahl bei allen psychisch schwerkranken Patienten keine Mediation zu machen, sondern direkt eine Strafanzeige, sonst höre dieser «Terror» nie auf.

Wichtig zu wissen: bevor ein Anwalt kontaktiert werden darf, muss zuerst beim zuständigen Amt ein Gesuch um Entbindung vom Arztgeheimnis eingereicht werden, ansonsten wird es juristisch heikel. Anschliessend wird eine Entbindungserklärung bei der Patientin eingeholt. Im Säumnisfall wird ein Verzicht auf eine Stellungnahme angenommen und aufgrund der vorhandenen Akten entschieden. Eine gute Dokumentation heikler Praxisfälle ist dabei von Vorteil.

Der Arzt drohte der Patientin mit einer Strafanzeige, falls sie die Rezension nicht sofort lösche und auch in Zukunft auf jegliche Textmeldung über ihn bei Google verzichte. Diese Taktik hat schlussendlich geholfen.

Aus diesem Fall können wir viel lernen. Allgemein muss auf eine schlechte Google- Rezension sofort in Textform reagiert werden, wie zum Beispiel: Es tut uns leid, dass wir Ihren Bedürfnissen nicht entgegen kommen konnten etc. Die persönliche Kontaktaufnahme ist ebenfalls sinnvoll. Falls dies nicht zu einer Einigung führt, soll nach einer Entbindung vom Arztgeheimnis durch den Kanton ein Anwalt kontaktiert werden, der spezialisiert ist auf rufschädigende Google-Rezensionseinträge. Kostspielig, aber dieses Vorgehen ist eine wirkungsvolle Notbremse.

 

Dr. med. Carmen Steinacher

Dr. med. Carmen Steinacher

c.steinacher@bluewin.ch

der informierte @rzt

  • Vol. 12
  • Ausgabe 3
  • März 2022