Fallvignette

Welche Optionen kommen zur HbA1c-Senkung in Frage?



Welches ist in dieser Situation die beste antidiabetische Therapie, welche Vor- und Nachteile sind zu berücksichtigen?

1. Welche Aussage trifft auf die aktuelle Therapie und Situation zu?
A. Die Tagesdosis von Metformin sollte auf mindestens 2 g erhöht werden
B. Die sitzende Tätigkeit prädisponiert für Gewichtszunahme
C. Die bariatrische Chirurgie könnte hier den Diabetes, Dyslipidämie und viszerale Adipositas behandeln
D. Es könnte sich um einen Typ 1 Diabetes handeln

Die Antworten A und B sind richtig: Die Indikation für bariatrische Chirurgie ist BMI > 35.
Es liegt ein klassisches metabolisches Syndrom vor. Die Chance für einen Typ 1 Diabetes in dieser Altersgruppe liegt < 4%.

2. Welche Therapie würden sie bei diesem Patienten neben dem Metformin bevorzugen?
A. SGLT-2 Hemmer
B. Sulfonylharnstoff
C. DPP-4 Hemmer
D. GLP-1 Rezeptor Agonist
E. Kombination GLP-1RA und Basalinsulin
F. Glitazon

Die Antworten A und D sind richtig: SGLT-2 Hemmer sind bei e-GFR zwischen 30 und 60 ml/min nephroprotektiv. Sulfonylharnstoffe führen praktisch immer zu Gewichtzunahme und Hypoglykämien. GLP-1 RA bei BMI > 28 von Krankenkasse vergütet, Patient hat wahrscheinlich eine peripher arterielle Verschlusskrankheit, deshalb GLP-1 RA empfohlen. Kombination von Basalinsulin und GLP-1 RA noch zu früh und hätte ein geringes Risiko für Hypoglykämien. Bei sitzender Tätigkeit: Verhinderung von Gewichtszunahme. Glitazon birgt Gefahr der Gewichtszunahme und bietet sonst keine Vorteile.

Verlauf

  • Aufgrund des Gewichts entscheidet sich der Patient für eine GLP-1 RA (aufgrund der LEADER Studie wäre Liraglutid zu bevorzugen, aber der potentiell grössere Gewichtsverlust und 1x wöchentliche Gabe spricht für Semaglutid (Ozempic®: 1mg s.c. pro Woche).
  • Zusätzlich:
    • Ernährungsberatung
    • Vermehrte körperliche Aktivität (Arbeitsweg zu Fuss 2×20 min)

3. Wie würden Sie die Therapie (GLP-1 RA und Metformin) eskalieren, falls eine Herzinsuffizienz (HFPEF) diagnostiziert würde?
A. Zugabe Sulfonylharnstoff/Glinid
B. Zugabe von DPP-4 Hemmer
C. Insulin vor dem Schlafen, ev. Kombination GLP-1 RA (Xultophy®)
D. Zugabe SGLT-2 Hemmer

Anwort D ist die beste:
Allerdings muss diese Wahl ev. für Krankenkasse begründet werden, da bereits ein GLP-1 RA eingesetzt wird.

Welche weiteren Faktoren sind zu beachten?

  • Die Therapie des Blutdrucks sollte nicht vernachlässigt werden. Ein Ziel von <140/90 mm Hg ist zu empfehlen. Der aktuelle Gewichtsverlust und die Therapie mit GLP-1 RA und SGLT-2 Hemmer können den Blutdruck auch leicht senken.
  • Auch ein LDL von 3.4 mmol/l liegt oberhalb des Zielwertes von 1.8 mmol/l, da der Patient auch eine PAVK hat (kardiovaskuläre Erkrankung).
  • Eine Kombinationstherapie wäre zu empfehlen, da dadurch eine bessere Adhärenz erreicht wird: Kombination ACE-Hemmer, Calcium-Antagonist und Statin (z.B. Triveram 10/10/40 mg 1-0-0).

Leitlinien der SGED zu antidiabetischen Therapeutika

Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Prof. Dr. med. Jacques Philippe

Hôpitaux universitaires de Genève
Clinique d’endocrinologie, diabétologie et hypertension
Rue Gabrielle Perret-Gentil 4
1205 Genève

Jacques.Philippe@hcuge.ch

RL: Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk,
Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.
JP: Forschungsförderung durch NovoNordisk, Teilnahme an Advisory Boards und
Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, Boehringer Ingelheim, Astra Zeneca
und Johnson & Johnson.

  • Bei der Eskalation der antidiabetischen Therapie nach einer erfolgten Metformintherapie muss gefragt werden, ob der Patient eine kardiovaskuläre Erkrankung hat (z.B. PAVK) und/oder eine chronische
    Nierenerkrankung oder Herzinsuffizienz. Zudem möchte der Patient einen Gewichtsverlust und eine Hypoglykämie vermeiden. Bevorzugte Substanzen in dieser Gruppe sind GLP-1 RA (Liraglutid > Semaglutid) oder SGLT-2 Hemmer (Empagliflozin, Dapagliflozin, Canagliflozin).
  • Ein Gewichtsverlust kann mit GLP-1 Analogen, allerdings gilt die Indikation erst bei BMI > 28, und mit SGLT-2 Hemmern erreicht werden. Den grössten Gewichtsverlust sieht man bei Kombination dieser Substanzen. Allerdings wird diese Kombination ohne Begründung von den Kassen nicht rückerstattet. ◆ Bei Personen in verantwortungsvollen oder gefährlichen Berufen oder bei häufigem Autofahren ist eine Therapie ohne Hypoglykämien zu bevorzugen (Metformin, DPP-4 Hemmer, GLP-1 Analoge und SGLT-2 Hemmer)
  • Sulfonylharnstoffe führen häufig zu Gewichtszunahme und/oder Hypoglykämien. Die grösste Gefahr für Hypoglykämien besteht bei einer Kombination von Sulfonylharnstoffen und Insulin (4-29 fach!!)
  • Eine multifaktorielle Therapie ist anzustreben (inkl. Rauchstopp!!)