Editorial

Wenig beachtete Herzkreislauf-Risikofaktoren



Aus den beiden Risiko-Gruppen Verhalten und Umwelt sind uns einige kardiovaskuläre Risikofaktoren (cv RF) im Alltag oft zu wenig präsent. Bei den Verhaltensrisikofaktoren kennen wir: Rauchen und andere Genussmittel, Ernährung, NaCl, Alkohol, Adipositas, Bewegungsmangel, soziales Verhalten, negativer Stress und Schlafstörungen. Bei der Umwelt berücksichtigt man als cv RF Luftschadstoffe, den Lärm (>55dB), die Lichtverschmutzung in der Nacht, Hitzewellen und auch eine nicht optimale urbane Stadtplanung. Zu den Umwelt-Risikofaktoren gibt es fünf sehr gute informative und aktuelle Publikationen der ESC resp. der DGK (1-5).

In dieser Ausgabe wird ein lesenswerter Artikel zum Thema Alkohol und Herz von Prof. Dr. R. Darioli aus Lausanne publiziert. Der Alkoholeinfluss wird heute kontrovers diskutiert. Die frühere Empfehlung der regelmässigen geringen Rotwein Einnahme ist nicht mehr allgemein gültig. Nach einer sehr grossen aktuellen Metaanalyse besteht ein erhöhtes Gesamtmortalitätsrisiko ab mehr als 2 Drinks pro Tag. Frauen sind deutlich empfindlicher. Kleine Mengen wirken nicht protektiv (6). Auch sollten Patienten mit paroxysmalem VHFli auf Alkohol verzichten.

Eine regelmässige körperliche Betätigung ist definitiv gesund; dies betrifft vor allem Herz-Kreislauferkrankungen. Um die gesundheitlichen Vorteile von «herzgesundem» Sport zu erreichen, sind mindestens 30 Minuten moderate körperliche Belastung an 5 Tagen/Woche notwendig (7).

Mit einigen Gedanken zu den cv RF Umwelt resp. Schlafstörungen möchte ich dieses Editorial ergänzen. Ein Infekt als entzündliches Ereignis, wie z.B. ein Grippevirus, erhöht das cv Risiko deutlich. So schützt eine präventive Impfung ältere und Risikopatienten vor kardiovaskulären Events.

Die Feinstaub- bzw. die Ultrafeinstaub-Exposition war 2019 für 12% aller weltweiten Todesfälle verantwortlich, davon sind 50% kardiovaskulär. Es ist der vierthäufigste cv Risikofaktor bezüglich Mortalität mit mehr Todesfällen als Lipide, Adipositas, Bewegungsmangel oder Alkohol. Beim Feinstaub sind neben den alltäglichen Belastungen (Heizungen, Industrie, Verkehr) auch Vulkanausbrüche, Waldbrände und Wüstenstürme zu berücksichtigen. Auch Stickstoffdioxid und Ozon spielen als Gas neben den feinen Partikeln eine wichtige Rolle mit einem erhöhten Risiko für Krankenhauseinweisungen bei kardiovaskulären Ereignissen (4). Nach der Europäischen Umweltagentur verursachen Luftschadstoffe in einem aktuellen Bericht jährlich europaweit mehr als 1200 vorzeitige Todesfälle bei Menschen unter 18 Jahren und erhöhen das Risiko von Krankheiten im weiteren Lebensverlauf erheblich. Extreme Temperaturen haben negative Auswirkungen auf den Organismus mit kardiovaskulären Events bei entsprechenden Vorerkrankungen (5).

Schlafstörungen neben der OSA sind ebenfalls assoziiert mit kardiovaskulären Erkrankungen. Ein schlechter oder ungenügender Schlaf (Dauer <6h) führt zu Hypertonie, Adipositas, Diabetes, Vorhofflimmern und Schlaganfällen. Ein kurzer und unruhiger Schlaf begünstigt die Atherosklerose. Eine schlechte Schlafqualität ist auch ohne manifeste Schlafapnoe in drei grossen Studien ein Risikofaktor für VHFli. Ein gesunder Schlaf von 7 bis 8 Stunden ohne signifikante Einschlafschwierigkeiten mit einem Gefühl ausgeruht zu sein an mindestens 5 Wochentagen senkt das Sterberisiko um 30% und verlängert die Lebenserwartung um 4,7 Jahre (8).

Diese Risikofaktoren führen zu oxidativem Stress, zu einer Entzündungsreaktion, zu einer Aktivierung des Sympathikus und des RAAS-Systems und zu einer autonomen Dysbalance mit Endotheldysfunktion, beschleunigter Atherosklerose und Gerinnungsstörung mit entsprechenden kardiovaskulären Erkrankungen und vermehrten kardiovaskulären Events. Bei der Schlafstörung wird zusätzlich der zirkadiane Rhythmus gestört.
Daher sollten auch diese erwähnten Risikofaktoren im Alltag mehr Beachtung finden.

Ein sehr interessanter Artikel zum Heart Team und seinen heutigen vielseitigen Aufgaben in der modernen Herzmedizin aus der Herzklinik Hirslanden bereichert diese Ausgabe. Dabei wird das individuell beste interventionelle Verfahren für jeden Patienten festgelegt.

Mit den herzlichsten Wünschen für eine spannende Lektüre bei erholsamen Sommerferien in einer gesunden ruhigen Natur mit nicht zu heisser Umgebungstemperatur, mit viel Bewegung und täglicher moderater sportlicher Betätigung, genügend tiefem Schlaf, mediterraner Ernährung, nicht zu viel Kochsalz und nicht zu viel und nicht zu regelmässig Alkohol.

Dr. med. Urs Dürst, Forch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

1. Newby D.E. et al. Expert position paper on air pollution and cardiovascular
disease ; EHJ 2015 ;36:83-93
2. Brauner M. et al. Taking a stand against air pollution – the impact on cardiovascular disease ; EHJ 2021 ;42:1460-1463
3. Münzel Th. et al. Environmental risk factors and cardiovascular diseases: a
comprehensive expert review; Cardiovascular research 2022 ;118:2880-2902

der informierte @rzt

  • Vol. 13
  • Ausgabe 7
  • Juli 2023