- Zufallsbefunde im Thorax-CT
Die Computertomographie (CT) ersetzt zunehmend die Projektionsradiographie in der Thoraxbildgebung, aufgrund der diagnostischen Überlegenheit bei abnehmender Strahlenbelastung. Die Niedrigdosis-CT (LDCT) des Thorax zur Lungenkrebsfrüherkennung hat an Bedeutung gewonnen, da sie die häufigste Krebstodesursache weltweit adressiert. Inzidentelle Befunde, die bei CTs oft erfasst werden, erfordern standardisierte Definitionen und Managementstrategien, da die Befunderhebung und weitere Abklärung nicht relevanter Zufallsbefunde zu unnötiger Verunsicherung von Patienten und vermeidbaren Kosten führt. Die involvierten europäischen Fachgesellschaften haben daher Empfehlungen zum Umgang mit Zufallsbefunden entwickelt, um Überdiagnosen zu vermeiden und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern. Trotz der Ausrichtung auf das Lungenkrebs-Screening können die Prinzipien auch bei anderen Indikationen für Thorax-CTs angewendet werden und bieten somit einen Leitfaden für die klinische Routine.
Computed tomography (CT) is increasingly replacing projection radiography in thoracic imaging due to its diagnostic superiority and decreasing radiation exposure. Low-dose CT (LDCT) of the thorax for the early detection of lung cancer has gained in importance as it addresses the most common cause of cancer death worldwide. Incidental findings, which are often detected during CT scans, require standardised definitions and management strategies, as the assessment and further clarification of irrelevant incidental findings leads to unnecessary uncertainty for patients and avoidable costs. The European specialist societies involved have therefore developed recommendations for dealing with incidental findings in order to avoid overdiagnosis and improve interdisciplinary collaboration. Despite the focus on lung cancer screening, the principles can also be applied to other indications for chest CT scans and thus provide a guideline for routine clinical practice.
Key words: incidental findings, computed tomography, chest, lung cancer screening, management recommendations
Einleitung
Die Computertomographie ersetzt aufgrund ihrer diagnostischen Überlegenheit und der abnehmenden Dosisbelastung für die Patienten zunehmend die klassische Projektionsradiographie in der klinischen Routine. Dies spiegelt sich in den stetig steigenden Zahlen der CT-Untersuchungen wider. Das Bundesamt für Gesundheit hat beispielsweise in der Schweiz im Zeitraum von 2013 bis 2018 einen Anstieg der Anzahl der Computertomographien (CT) von 117 Untersuchungen pro 1000 Einwohner auf 135 pro 1000 Einwohner festgestellt, was einem Anstieg von 15 % entspricht (1). Gleichzeitig nahm die Anzahl der Röntgenuntersuchungen um 7 % ab. Erfreulicherweise nahm in diesem Zeitraum auch die pro CT verursachte Strahlendosis um 15 % ab, sodass die durch die CT-bedingte Strahlenbelastung insgesamt trotz steigender Zahlen stabil blieb (1). Die Fortschritte in der Dosisreduktion ermöglichen aufgrund eines verbesserten Risiko-Nutzen-Verhältnisses neue Einsatzgebiete für die CT, insbesondere die Niedrigdosis-CT (Englisch: low dose CT, LDCT) des Thorax zur Lungenkrebsfrüherkennung hat in den letzten Jahren zunehmend an Relevanz gewonnen. Lungenkrebs stellt die häufigste Krebstodesursache in Europa dar (2) und ist gleichzeitig mit den höchsten Behandlungskosten verbunden (3). Eine Früherkennung von Lungenkrebs stellt hierbei einen vielversprechenden Ansatz dar, um sowohl die Mortalität als auch die Gesundheitskosten zu senken (4). Mittlerweile konnte der Nutzen einer gezielten Lungenkrebsfrüherkennung in einer Vielzahl randomisiert-kontrollierter Studien nachgewiesen werden (5–7), sodass einige europäische Länder die Implementierung von Screening-Programmen planen oder diese bereits durchführen (8). Auch am Universitätsspital Zürich wird zurzeit eine entsprechende Pilotstudie durchgeführt.
Inzidentelle Befunde: Definition und Häufigkeit
Unabhängig davon, ob eine Niedrigdosis-CT des Thorax im Rahmen eines Screening-Programms oder aufgrund einer individuellen Indikation bei einem hohen Risikoprofil eines Patienten oder einer Patientin durchgeführt wird, bildet die Untersuchung neben der Lunge und der mediastinalen Strukturen auch Teile des Halses, des Oberbauchs und der Thoraxwand ab. Da diese Regionen eine Vielzahl weiterer Strukturen enthalten, sind häufig zusätzliche Befunde miterfasst. Befunde, die unabhängig von der eigentlichen Fragestellung erhoben werden, bezeichnet man als inzidentelle Befunde oder Zufallsbefunde. Im Kontext der Validierung der Lungenkrebsfrüherkennungsprogramme in unterschiedlichen Kohorten wurde auch die Häufigkeit inzidenteller Befunde systematisch untersucht. Je nach Definition wurden inzidentelle Befunde in 8 % bis 94 % aller CT-Untersuchungen berichtet (9–12), wobei 15–20 % der Befunde signifikant sind und einer weiteren Abklärung bedürfen (9, 13). Die enorme Spannbreite der berichteten inzidentellen Befunde angesichts der Zahl relevanter Befunde verdeutlicht, dass einheitliche Definitionen und Standards bei der Befundung nötig sind. Aus dieser Erkenntnis sind zahlreiche nationale und internationale Fachgesellschaften tätig geworden und haben entsprechende Richtlinien veröffentlicht. Allerdings verzeichnet allein das American College of Radiology für den Zeitraum von 2010 bis 2021 zwölf Arbeiten mit Empfehlungen zu den anatomischen Regionen, die im Thorax-CT dargestellt werden (13). Da es im Alltag kaum möglich ist, die verschiedenen Empfehlungen über so viele Publikationen präsent zu halten, wurden diese wiederum zu einheitlichen Empfehlungen zusammengefasst (13).
Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften zum Management inzidenteller Befunde im Niedrigdosis-Thorax-CT zum Screening
Mit der beginnenden Implementation der Lungenkrebs-Früherkennungsprogramme in Europa, sind auch die entsprechenden europäischen Fachgesellschaften tätig geworden und haben entsprechende Empfehlungen herausgegeben. Die europäische respiratorische Gesellschaft (ERS), sowie die europäischen Gesellschaften der Thoraxchirurgie (ESTS), der Strahlentherapie (ESTRO), Radiologie (ESR) und Thoraxradiologie (ESTI) und der Medizinphysik (EFOMP) haben im letzten Jahr eine gemeinsame Handlungsempfehlung zum Management inzidenteller Befunde in Niedrigdosis-CTs für die Lungenkrebsfrüherkennung herausgegeben (14). Für die Erstellung der gemeinsamen Empfehlungen wurde eine Taskforce mit Repräsentanten aus den jeweiligen Fachgesellschaften erstellt. Zusätzlich wurden auch Patientenvertreter miteinbezogen. Aus einer Liste der Zufallsbefunde im Thorax-CT auf Grundlage einer vorherigen Veröffentlichung von ERS und ESR (15) wurden inzidentelle Befunde ausgewählt, wenn sie häufig genug vorkommen, das Potential für eine klinisch relevante Veränderung in der radiologischen Befundung haben, potenziell dringender Abklärung bedürfen oder klinisch signifikant sind. Die Befunde wurden anschließend in zwei Kategorien aufgeteilt: spezifisch und generisch. Spezifische Befunde wurden als wichtig und häufig benannt, sodass eine einzelnstehende Beurteilung empfohlen wird. Die übrigen Befunde sind seltener oder weniger relevant, sodass eine allgemeine Beurteilung als ausreichend erachtet wird. Abbildung 1 fasst die Einteilung der Befunde in die Kategorien zusammen. Abbildung 2 zeigt Bildbeispiele inzidenzeller Befunde.
Im nächsten Schritt wurde eine systematische Literaturrecherche für die Jahre 2010 bis 2021 durchgeführt, welche durch etwaige landesspezifische Vorgaben entsprechender Institutionen und Behörden ergänzt wurde. Aus den selektierten Studien wurde die Evidenz für die jeweiligen Empfehlungen abgeleitet. Die resultierenden Ergebnisse wurden im Konsensus der Taskforce in der vorgestellten Publikation zusammengefasst. Die wichtigsten Aussagen zu den häufigsten Zufallsbefunden werden in Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 2 fasst die Empfehlung der Taskforce zusammen und geht hierbei auf die Aspekte der Befunderhebung und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen ein.
Diskussion
Die Durchführung von Thorax-CTs in Niedrigdosistechnik stellt einen Kompromiss aus diagnostischer Beurteilbarkeit und möglichst geringer Strahlenexposition dar, der nur eine limitierte Aussage zu extrapulmonalen Zufallsbefunden zulässt. Umso wichtiger ist eine klare Definition, wie mit den detektierten inzidentellen Befunden umzugehen ist, um eine Balance zwischen Kosten und Nutzen der Untersuchung sicherzustellen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit einem Lungenkrebs-Screening relevant. Hier steht der Nutzen für die Screening-Population und die Gesamtbevölkerung im Vordergrund vor dem individuellen Nutzen der untersuchten Person. Die Befunderhebung und weitere Abklärung nicht relevanter Zufallsbefunde führen zu einer unnötigen Verunsicherung von Patienten und zu vermeidbaren Kosten, welche den Nutzen eines Screeningprogramms stark mindern können. Zudem ist für eine effiziente Zusammenarbeit zwischen Radiologie und Zuweiser eine einheitliche Kommunikation von Befunden und Zufallsbefunden von grossem Vorteil. Sie erlaubt es dem Radiologen die klinischen Konsequenzen seiner Befundung besser einzuordnen. Gleichzeitig wissen die Zuweiser, wie sie mit den Formulierungen des Befundtextes umgehen können.
Die in diesem Artikel vorgestellten Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften für den Umgang mit inzidentellen Befunden in Niedrigdosis-Thorax-CTs im Rahmen eines Lungenkrebs-Screenings leisten hierfür einen wichtigen Beitrag. Sie bieten einen praktischen Leitfaden sowohl für Radiologen, welche inzidentellen Befunde in welcher Form zu berichten sind, als auch für die Zuweiser, welche Befunde einer weiterführenden Abklärung bedürfen und aus welchen Befunden sich kein Handlungsbedarf ergibt. Die Empfehlungen fussen einerseits auf einer breiten wissenschaftlichen Basis und andererseits auf der Expertise des interdisziplinären Expertengremiums und bieten somit eine hohe Sicherheit. Die Autoren der Empfehlungen stellen in der Arbeit jedoch heraus, dass bisherige Erkenntnisse herangezogen wurden und benennen verschiedene Bereiche, in denen Unklarheiten bestehen und weitere Forschung nötig ist, beispielsweise für den Umgang mit Patienten mit schweren Bronchiektasen oder den Schwellenwert für die Durchmesser der Aorta ascendens. Somit müssen die Empfehlungen mit der Zeit gegebenfalls an neue Erkenntnisse oder technische Fortschritte angepasst werden.
Zwar beziehen sich die Empfehlungen explizit auf das Lungenkrebs-Screening, da hier in besonderem Mass eine Überdiagnostik vermieden werden soll. Ihre Prinzipien lassen sich jedoch grundsätzlich auch auf inzidentelle Befunde bei anderen thorakalen Fragestellungen, wie der Niedrigdosis-CT aus individueller Indikation oder auch einer CT-Pulmonalisangiographie zum Ausschluss einer Lungenarterienembolie, als Leitfaden heranziehen. Die vorgestellten Empfehlungen können somit als praktischer Leitfaden für die klinische Routine dienen.
Institut für Diagnostische und
Interventionelle Radiologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich
Institut für Diagnostische und
Interventionelle Radiologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100, 8091 Zürich
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
- Bei steigender Zahl von Niedrigdosis-Thorax-CTs (LDCT) steigt auch die Zahl inzidenteller Befunde, welche eine Herausforderung für die Radiologen und zuweisenden Ärzte darstellen.
- Befunderhebung und weitere Abklärung nicht relevanter Zufallsbefunde führt zu einer unnötigen Verunsicherung von Patienten und zu vermeidbaren Kosten.
- Einheitliche Definitionen und Empfehlungen zur Handhabung erleichtern das Management inzidenteller Befunde und erhöhen die Effizienz aller Akteure.
- Im Rahmen eines Screening-Programms steht der Nutzen für die Screeningpopulation und die Gesamtbevölkerung im Vordergrund vor dem individuellen Nutzen der untersuchten Person.
- Die gemeinsamen Empfehlungen der beteiligten europäischen Fachgesellschaften bieten einen praktischen Leitfaden für die Handhabung inzidenteller Befunde im Rahmen eines Lungenkrebs-Screening-Programms und darüber hinaus.
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- Vol. 14
- Ausgabe 7
- Juli 2024