- Die Antworten auf 3 grundlegende Fragen
Im Jahr 2018 hat die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) ihre Richtlinien für die Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge 2012 um eine wichtige Erweiterung ergänzt. Zum ersten Mal seit der Einführung der Gebärmutterhalskrebsvorsorge empfehlen Schweizer Experten den Einsatz von klinisch validierten Tests mit dem humanen Papillomavirus (HPV) als Erstlinien-Screeningverfahren bei Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren, mit einem Screeningintervall von 3 Jahren für HPV-negative Frauen (1). Die Experten behalten jedoch auch das zytologiebasierte Screening (Pap-Test) bei Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren im Abstand von 3 Jahren bei. Dies löste eine Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern der erweiterten Richtlinien aus und erforderte die Klärung der Unterschiede zwischen den beiden Screening-Tests.
En 2018, la Société Suisse de Gynécologie et d’Obstétrique (SSGO) a ajouté une extension importante à ses directives de 2012 pour le dépistage du cancer du col de l’utérus. Pour la première fois depuis l’introduction du dépistage du cancer du col de l’utérus, les experts suisses recommandent l’utilisation de tests validés cliniquement avec la recherche du virus du papillome humain (HPV) comme méthode de dépistage de première ligne pour les femmes âgées de 30 à 70 ans avec un intervalle de dépistage de 3 ans pour les femmes HPV négatif (1). Cependant, les experts maintiennent également le dépistage cytologique («frottis» Pap) pour les femmes âgées de 30 à 70 ans à des intervalles de 3 ans. Cela a déclenché un débat entre les partisans et les opposants des lignes directrices élargies et a nécessité une clarification des différences entre les deux tests de dépistage.
Die erweiterten Empfehlungen haben aus zwei Hauptgründen für einige Verwirrung gesorgt: Zuerst fragen sich Ärzte und Frauen, welcher der beiden empfohlenen Tests für den Nachweis von Gebärmutterhalskrebs und die Krebsvorsorge am effektivsten und zuverlässigsten ist. Zweitens steht die Einführung eines Screeningintervalls von 3 Jahren für HPV-Tests (wie Pap-Tests) nicht im Einklang mit internationalen Standards, wie sie beispielsweise in anderen europäischen Ländern, Australien und den USA gelten, die ein opportunistisches Screening-System wie das in der Schweiz begrüssen, aber ein Intervall von 5 Jahren empfehlen (2).
Das Ergebnis dieser Verwirrung ist eine leidenschaftliche Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern der aktualisierten Leitlinien über die zu wählende Screening-Methode und das anzuwendende Screeningintervall. Diese Debatte ist Ansporn zur notwendigen Klärung der Unterschiede zwischen den beiden Screening-Tests in Bezug auf Sensitivität, Zuverlässigkeit und Häufigkeit der Screeningintervalle, um die Rolle der aktualisierten Leitlinien, welche die SGGG 2018 eingeführt hat, besser zu definieren.
Die Diskussion in unserem Artikel basiert auf den folgenden drei Fragen:
1. Gibt es genügend Beweise, um HPV-Tests allein im Abstand von fünf Jahren zu empfehlen und Pap-Tests zu ersetzen?
2. Warum empfehlen Schweizer Experten HPV-Tests mit einem Intervall von 3 statt 5 Jahren und warum behalten sie alle 3 Jahre ein zytologiebasiertes Screening als valide Option bei?
3. Was sind die potenziellen Vorteile und Nachteile eines Screenings von Frauen mit HPV-Tests?
Eine kurze Zusammenfassung der SGGG-Richtlinien 2018 ist in Abbildung 1 dargestellt.
1. Gibt es genügend Beweise, um HPV-Tests allein im Abstand von fünf Jahren zu empfehlen und Pap-Tests zu ersetzen?
In unserem Artikel im Jahr 2015 haben wir die Notwendigkeit betont, die bisherigen Richtlinien für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge zu überdenken, indem wir den HPV-Test als First-Line-Screening-Methode einführten (3). Es gibt immer mehr Belege aus mehreren grossen randomisierten kontrollierten Studien und Kohortenstudien, die zeigen, dass primäre HPV-Tests konsistent höhere Raten von zervikaler intraepithelialer Neoplasie Grad 3 (CIN3), Adenokarzinom in situ (AIS) und invasivem Krebs bei der Ausgangsuntersuchung nachweisen als die zytologische Untersuchung. Die frühere Erkennung von präkanzerösen Läsionen mit HPV-Tests führt zu einer frühzeitigen Behandlung und reduziert die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs in der untersuchten Bevölkerung (4). Darüber hinaus ermöglicht die schützende Wirkung der hohen Empfindlichkeit des HPV-Tests ein längeres Screeningintervall von 5-10 Jahren (5, 6, 7, 8, 9).
Eine kürzlich veröffentlichte Modellstudie deutet auf folgendes hin: Obwohl das Screening mit Zytologie alle drei Jahre, im Vergleich zum Fehlen eines Screenings, die Sterblichkeitsrate infolge Gebärmutterhalskrebs von 8.34 auf 0.76 Todesfälle pro 1000 Frauen reduzieren kann, zeigt sich beim Vergleich der Zytologie mit primären HPV-Tests, dass letztere die Sterblichkeitsrate bei Gebärmutterhalskrebs von 8,34 auf 0,29 Todesfälle pro 1000 Frauen senken können (10, 11). Basierend auf Erkenntnissen aus Kosten-Nutzen-Analysen haben mehrere europäische Länder (Niederlande, Italien, Dänemark, Grossbritannien, Estland, Portugal, Spanien, Schweden, Türkei) sowie die USA, Australien, Neuseeland und 10 weitere Länder weltweit kürzlich den primären hrHPV-Test ohne Zytologie für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge eingeführt oder zumindest geplant. Die meisten dieser Länder empfehlen ein Screeningintervall von 5 Jahren für HPV-negative Frauen (12).
2. Warum empfehlen Schweizer Experten HPV-Tests mit einem Intervall von 3 statt 5 Jahren und warum behalten sie alle 3 Jahre ein zytologiebasiertes Screening als valide Option bei?
Die Einführung von HPV-Tests im 5-Jahres-Rhythmus als eigenständige Screening-Modalität ist das oberste Ziel, das die Schweiz an die internationalen Standards anpassen würde. Im Gegensatz zu Ländern, die bevölkerungsbezogene Screening-Programme organisieren, in denen Änderungen leichter und in entsprechend kürzerer Zeit durchgeführt werden können, benötigen Länder wie die Schweiz, die über ein opportunistisches Screening-System verfügen, das auf der Initiative einzelner Frauen und deren Ärzte zur Durchführung von Screening-Prozessen basiert, eine Übergangsfrist, die Flexibilität bei Screening-Modalität und -Intervall ermöglicht, wie von den Schweizer Experten vorgeschlagen wurde.
In diesem Zusammenhang sollten die derzeitigen Empfehlungen als interimistische Leitlinien verstanden werden, die während einer Übergangszeit angewendet werden, um das Gesundheitssystem und die Frauen dabei zu unterstützen, Hindernisse zu überwinden und die Bedenken hinsichtlich der Einführung einer neuen Screening-Strategie auszuräumen. Um HPV-Tests als ultimative eigenständige Erstlinien-Screeningstrategie zu etablieren, ist eine Übergangsphase wie die aktuelle aus folgenden Gründen ein notwendiger Schritt:
1) Zur Erleichterung des Übergangs von der Pap- zur HPV-Prüfung zwischen Labors, Privatärzten und Krankenhäusern, welche die HPV-Prüfung noch nicht eingeführt haben.
2) Zur Beruhigung von Ärzten und Frauen, die eine verpasste oder verzögerte Diagnose von Gebärmutterhalskrebs oder Präkanzerose befürchten, wenn die Screeningintervalle verlängert werden, indem ein HPV-Test alle 3 statt 5 Jahre vorschlagen wird.
3) Um Verhandlungen mit den Krankenkassen zu ermöglichen, mit dem Ziel, dass HPV-Tests zu einem angemessenen Preis vollständig erstattet werden, wie dies bei Pap-Tests der Fall ist.
4) Zur Einführung eines organisierten persönlichen Gesundheitsakten-Systems, dessen Inhalt in einer Cloud-basierten Gesundheitsplattform gespeichert ist, um eine systematische Überprüfung und Nachverfolgung von abnormalen Ergebnissen zu gewährleisten.
Das Screening mit HPV-Tests alle 3 Jahre birgt das Risiko, unnötige Verfahren durchzuführen, die durch transiente HPV-Infektionen und klinisch unbedeutende zervikale intraepitheliale Neoplasien Grad 1 oder 2 (CIN1, CIN2) verursacht werden. Diese Schäden, zusätzlich zu den unnötigen Kosten, können mit einem verlängerten Zeitraum von 5 Jahren minimiert werden. Anhand der alle 5 Jahre wachsenden Beweislage für den Einsatz von HPV-Tests müssen Schweizer Experten daher innerhalb des nächsten Richt-linienkatalogs einen festen Zeitrahmen definieren.
3. Was sind die potenziellen Vorteile und Nachteile eines Screenings von Frauen mit HPV-Tests?
Wie oben beschrieben, erkennt der HPV-Test Präkanzerose und Krebs in ihren behandelbaren und heilbaren Stadien, was zu einer geringeren Rate von Gebärmutterhalskrebs und den damit verbundenen Todesfällen führt (11, 13). Dieser Nutzen sollte durch die potenziellen Schäden von HPV-positiven Ergebnissen, die vorübergehenden HPV-Infektionen entsprechen können und daher zu unnötigen Untersuchungen wie Kolposkopie, Zervikalbiopsie oder endozervikaler Kürettage führen, ausgeglichen werden. Noch wichtiger ist die exzisionale Behandlung von Gebärmutterhalsläsionen, von denen angenommen wird, dass sie CIN2+ sind, sich aber nicht als echte Präkanzerosen erweisen und daher spontan zurückgehen können. Diese können sich auf die zukünftige Fruchtbarkeit auswirken und sie können mit einem erhöhten Risiko einer Frühgeburt, eines Kaiserschnitts und eines vorzeitigen Blasensprungs verbunden sein.
Es können auch psychologische Schäden durch die Diagnose einer HPV-Infektion auftreten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie, die in Norwegen durchgeführt wurde, hat jedoch ergeben, dass es keinen langfristigen (4-24 Monate) Anstieg der Angst oder Depression bei Frauen ab 34 Jahren gab, die mit HPV-Tests untersucht wurden (14). Daher bietet das Screening alle 5 Jahre allein mit HPV-Tests für die meisten Frauen das beste Gleichgewicht zugunsten der Strategie-Vorteile (11).
Es ist zu beachten, dass Schweizer Experten derzeit kein primäres Co-Testing (HPV-Test in Kombination mit der Zytologie) empfehlen (Abb. 1). Zusätzliche zytologische zu HPV-Tests bieten einen minimal höheren Schutz im Vergleich zu primären HPV-Tests allein, sind jedoch mit mehr Diagnoseverfahren und höheren Gesundheitskosten verbunden (15). Ein Primärscreening mit zwei Tests, insbesondere in Ländern wie der Schweiz, wo die Prävalenz der Krankheit in der untersuchten Population extrem gering ist, kann zu einer Überzuweisung und Überbehandlung von Screening-positiven Frauen führen.
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Patrick Petignat als Studienleiter erhielt den kommerziellen HPV-Test zu Forschungszwecken zu einem reduzierten Preis. Die anderen Autoren haben keinen Interessenskonflikt.
- Für die meisten Frauen überwiegt der Gesamtnutzen des primären HPV-Screenings gegenüber dem Umfang des Schadens.
- Gemäss den 2018 aktualisierten Leitlinien der SGGG könnte dieser neue Vorsorgestandard für das Screening erst nach einer Übergangszeit, während der ein Screening mit der neuen oder alten Strategie möglich ist, umgesetzt werden.
- Durch die Einführung der Vorsorge mit HPV-Tests alle 5 Jahre und die gleichzeitige Zunahme der Impfstoffaufnahme wird die Schweiz in der Lage sein, ein umfassendes Gebärmutterhalskrebs-Präventionssystem zu schaffen, das den internationalen Standards und modernen Präventionsstrategien entspricht.
Messages à retenir
- Pour la plupart des femmes, l’ importance globale des avantages d’ un dépistage HPV l’ emporte sur celle des préjudices.
- Selon les lignes directrices mises à jour en 2018 de la SSGO, cette nouvelle norme de prise en charge pour le dépistage ne pourrait être mise en œuvre qu’après une période de transition au cours de laquelle le dépistage avec la nouvelle ou l’ ancienne stratégie sera possible.
- Avec l’introduction du dépistage du VPH tous les 5 ans et l’ augmentation simultanée de l’ utilisation du vaccin, la Suisse sera en mesure de créer un système intégral de prévention du cancer du col de l’utérus conforme aux normes internationales et aux stratégies modernes de prévention.
1. Frey Tirri B, Petignat P, Jaccot-Guillarmod M, Mueller M, Fehr M, Kind AB. Recommandations pour la prévention du cancer du col de l’utérus. SSGO. Avis d’expert No 50, 1er Mars 2018.
2. US Preventive Services Task Force/Recommendation Statement. Screening for Cervical Cancer. JAMA. 2018;320(7):674-686.
3. Vassilakos P, Catarino R, Frey Tirri B, Petignat P. Cervical cancer screening in Switzerland: time to rethink the guidelines. Swiss Med Wkly. 2015;145:w14112.
4. Ronco G, Dillner J, Elfstrom KM, et al. International HPV Screening Working Group. Efficacy of HPV-based screening for prevention of invasive cervical cancer: follow-up of 4 European randomized controlled trials. Lancet. 2014; 383:524-532.
5. Dillner J, Rebolj M, Birembaut P, et al. Long term predictive values of cytology and human papillomavirus testing in cervical cancer screening: joint European cohort study. BMJ. 2008;337: a1754.
6. Katki HA, KinneyWK, Fetterman B, et al. Cervical cancer risk for women undergoing concurrent testing for human papillomavirus and cervical cytology: a population-based study in routine clinical practice. Lancet Oncol. 2011; 12:663–72.
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14. Andreassen T, Hansen BT, Engesaeter B et al. Psychological effect of cervical cancer screening when changing primary screening method from cytology to hrHPV testing. Int J Cancer. 2018; doi 10.1002/ijc.32067 [Epub ahead of print].
15. Vassilakos P, Tran PL, Sahli R, Low N, Petignat P. HPV-negative CIN3 and cervical cancer in Switzerland: any evidence of impact on screening policies? Swiss Med Wkly. 2017; 147:w14559.
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- Vol. 9
- Ausgabe 5
- Oktober 2019